Seite:Georgien. Natur, Sitten und Bewohner.pdf/59

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

erhoben nur noch mehr den allgemeinen Festtagsrausch. Alexander Tschawtschawadse und Nikolaus Barata-schwili besangen die Reize bezaubernder Frauen, die Schönheit der georgischen Natur und das Abenteuerliche romantischer Liebesgeschichten. Der im Abendlande in jenen Jahren schon verabschiedete Child Harold irrte damals in Georgien umher und riss manches Gemüt zu jener abenteuerlichen Begeisterung hin, die in diesem romantischen Lande mehr als irgendwo begründet erscheinen mochte. Ja, der Byronismus drang auch nach Georgien und zwar wurde er hier durch Puschkins und Lermontows Muse eingeführt, deren Lieder doch in hohem Grade seinen Geist atmeten. In ihnen lag erstens der Reiz der Neuheit, dann eine grosartige Macht der Leidenschaft und schliesslich verherrlichten sie auch die Naturschönheiten Georgiens und Kaukasus. Solchen Reizen vermochten die Herzen der Töchter und Söhne dieses Zauberlandes nicht zu widerstehen und gern liessen sie sich von dieser mit Byronismus angehauchten Poesie hinreissen.

So hatte also die geräuschvolle und flitterhafte Bewegung, welche sich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts in Georgien offenbarte, auch ihre ästhetische Färbung und Kurzsichtige mochten glauben, dass dieses Land in Wirklichkeit seine moderne Auferstehung feiere. Dem war jedoch nicht so, denn hinter diesem bewegten Schlaraffenleben regte sich nichts und die Masse der Nation war noch in Unwissenheit und mittelalterlichen Stillstand versunken. Die wirkliche Wiedergeburt der Georgier nahm erst um die Mitte unseres Jahrhunderts ihren Anfang und seit dieser Zeit macht sie auch ungestörte Fortschritte.

Im sechsten Jahrzehnte entstanden die ersten Zeitungen und es war das eine Neuheit, die bei den einen Freude, bei den andern aber Erstaunen und Befremden hervorrief, denn was konnten den am Althergebrachten festhaltenden

Empfohlene Zitierweise:
Arthur Leist: Georgien. Natur, Sitten und Bewohner. Verlag von Wilhelm Friedrich, Leipzig 1885, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Georgien._Natur,_Sitten_und_Bewohner.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)