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Adagios eines Es dur-Quartetts[H 1] von Beethoven ein ganzes Jahr lang geschwelgt zu haben glaubte, glaubt man in der Symphonie eine ganze endlose Ewigkeit hinzubringen. Zu dieser unnöthigen äußerlichen Ausdehnung (die letzte große Symphonie von Beethoven hat 226 Seiten, die Preissymphonie aber 304) kömmt aber vollends niederschlagend eine Einförmigkeit an Rhythmus, wie man es selten finden wird. So bewegt sich der erste und zweite Satz durchgehends in dem bekannten mit drei Achteln Auftact anfangenden Rhythmus, dem freilich (wie man sich vielleicht aus einer Bemerkung im Triocyklus dieses Bandes entsinnen wird)[H 2] schon viele Componisten als Opfer zugefallen sind. Wäre er etwa wie in der C moll-Symphonie von Beethoven durchgeführt, so wäre kein Grund da, warum man dem Componisten dafür nicht zu Füßen fallen sollte. Hier aber dürfen wir der Wahrheit gemäß nicht verschweigen, daß der Gehalt der Gedanken überhaupt von so wenig Schwere, daß er, in der Verarbeitung sich immer mehr verdünnend, endlich zur gänzlichen Oede und Leere verschwindet. Dies namentlich im Adagio, dessen Sinn z. B. in dem ersten Theil des Schubert’schen Sehnsuchtswalzers hundertmal kürzer ausgedrückt ist, als in dem hundertmal längern Satz, der auf jeder Seite endet und nirgends enden will. Gäbe es grobe Schnitzer, Formenschwächen, Extravaganzen, so ließe sich darüber sprechen, bessern, aufmuntern; hier aber kann man nichts sagen als etwa „es ist langweilig“,

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Des sog. Harfenquartetts, Werk 74. [WS] Ludwig van Beethoven, Streichquartett Nr. 10 Es-Dur op. 74, genannt Harfenquartett (1809).
  2. [WS] Siehe S. 288, es geht um den Rhythmus des „Schicksalsmotivs“ vom Beginn von Beethovens 5. Sinfonie c-Moll op. 67 (1804–1808).