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Und die Narcisse? — sie spricht: denk’ an mich, damit du nicht übermüthig werdest in deiner Schönheit. Denn als ich mein Bild zum erstenmal in den Wellen sah, konnte ich den eignen Reiz nimmer vergessen, so heftig mich auch Echo liebte, die ich verstoßen hatte. Darum haben mich die Götter in die blasse Blume verwandelt, aber ich bin schön und stolz.

Und das Veilchen erzählt: — eine wonnige Maimondnacht war. Flog ein Abendfalter heran, sagte: „küsse mich!” Ich[H 1] aber zog meinen Duft tief in den Kelch, daß er mich für todt hielt. Kam eine lose Zephyrette,[H 2] sagte: „sieh, wie ich dich überall finde, komm doch in meine Arme und in die Welt — da unten sieht dich Niemand.” Als ich antwortete: „ich wolle schlafen“, flog sie fort und sagte: „du bist ein schläfrig eigensinnig Geschöpf, da spiel’ ich mit der Lilie.” — Rollte ein dicker Thautropfen auf mich, sprach: „in deinem Schoß muß sich’s so recht bequem liegen bei Mondschein.” Ich aber schüttelte mit dem Kopf, daß er herunterfiel und zerrann. Als nun auch von fern ein Mondstrahl heranschlich und ich das Geisblatt bat, daß es mich verstecken möchte, sagte die hohe Lilie zu mir: „pfui schäme dich! sieh, wie ich prange, wie mich Schmetterling küßt, Zephyr, Thautropfen und Mondstrahl, und wie die Menschen an mir stehen bleiben und mich „schön“ nennen — dich aber bemerkt in deinem Versteck Niemand.” Antwortete ich: „laß mich nur, hohe Lilie! — denn früh kam ein schüchterner schöner Jüngling zu mir und sprach so freundlich:

Anmerkungen (H)

  1. [WS] Vorlage: mich!” ich
  2. [WS] „Zephyrette“, nicht auflösbar. Allegorien des Windes Zephyr werden allerdings mit Blumen in Verbindung gebracht: „weil auch eine allzu große Hitze, dergleichen die Sonne und Zephyr, als ein laulichter Wind, verursachen können, ebenfalls machen, daß Hyacinthen und andere Blumen verderben.“ Boccac. lib. IV. c. 57.