in der Natur ihrer Stellung, daß sie sich nicht allzusehr anstrengten, weil sie die gewöhnlichen Lebensbedürfnisse unentgeltlich geliefert erhielten und sich dadurch eines thatsächlichen Monopols erfreuten. Sie arbeiteten deshalb auch nur so viel, als sie Lust hatten, und unterlagen schließlich der weltlichen Konkurrenz, welche durch ihre Arbeit für des Leibes Notdurft sorgen und, wenn sie nicht untergehen wollte, den Kampf bis zum Siege durchführen mußte. Leicht war dieser Kampf nicht, denn namentlich gegen Ende des Mittelalters nahmen einzelne Klöster das Schreibergewerbe und die Schönschreibekunst wieder eifrig auf und lieferten ganz vortreffliche Arbeiten. So zeichneten sich z. B. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Klöster St. Petri in Erfurt und St. Ulrich und Afra in Augsburg durch ihre kalligraphischen Kunstwerke aus. Im letztgenannten stehen die Schönschreiber Leonhard und Konrad Wagner in ihren Leistungen unübertroffen da, haben aber nichts mit dem Bedürfnis des Tages zu thun.
Zwischen den geistlichen und weltlichen Schreibern nahmen eine Art Mittelstellung ein die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ (Fratres de vita communi, nach ihrer Kopfbedeckung auch Kogelherren oder Fraterherren oder auch Broeders van der Penne genannt). Wenn auch nach klösterlicher Regel zusammen lebend, so waren sie doch keine mönchischen Abschreiber, weil sie, statt sich vom weltlichen Leben abzuwenden, mit ihrer Thätigkeit ausschließlich Bildungszwecke verfolgten, andererseits aber auch keine gewöhnlichen Lohnschreiber, weil sie sich auf ein bestimmtes Gebiet, die Herstellung guter Lehr- und Andachtsbücher, beschränkten. Dieser Orden, von Gerhard Grote 1383 zu Deventer in Holland gestiftet, zählte vorzugsweise ernste Gelehrte und Lehrer, Männer von sittlichem Gehalt und lauterm Streben zu seinen Mitgliedern. Ausgehend von einer ascetischen Frömmigkeit, verwarfen sie die Scholastik und alle Wissenschaft des Mittelalters als unnütz für die Heiligung des Lebens und arbeiten der Studienreform vor, welche der Humanismus heraufführte. Um nachhaltig zu wirken, widmeten sie sich mit Vorliebe dem Volks- und dem gelehrten Unterricht der Jugend in ihrer Landessprache. Die Kosten ihres Unterhalts dagegen bestritten sie durch gewerbsmäßige Anfertigung von Schul- und Gebetbüchern. Jedes Fraterhaus hatte seinen Librarius, welcher, außer der Sorge für die Bücher, die Aufsicht über das Schreibwesen, die Schreibmaterialien und die Buchbinderei
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 017. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/017&oldid=- (Version vom 1.8.2018)