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Nur in Heidelberg, Wien und Köln läßt sich eine Aufsicht über den Handschriftenhandel ziemlich sicher nachweisen.[1] Sonst fehlt es an jedem Beleg dafür, obgleich das litterarische Leben und Treiben in Erfurt und Leipzig nicht unbedeutend war. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, daß die deutschen Studenten in ihrer Mehrzahl den unbemittelten Klassen angehörten, sogar meistens arm waren und sich deshalb auch ihre wissenschaftlichen Hilfsmittel selbst abschreiben mußten oder sie nach dem Diktat der Professoren, wie in Prag und Wien, nachschrieben, vielleicht gar um beides sich wenig kümmerten. Die reichern deutschen Studenten dagegen besuchten, schon um in den Augen der Welt mehr zu gelten, große kosmopolitische Hochschulen, wie Bologna oder Paris, und brachten vielfach von hier aus die nöthigen Lehrbücher mit nach Hause.

Für die Anfänge und Entwickelung des deutschen Handschriftenhandels sind also die damaligen heimischen Universitäten von höchst untergeordneter Bedeutung. Die Befriedigung des gelehrten Bedürfnisses bot hier ein zu beschränktes Feld, und selbst dieses war unnatürlich eingeengt vom kleinlichen Zunftgeiste der Fakultäten. Urkundlich lassen sich die ersten Spuren eines ausgebildeten deutschen Handschriftenhandels erst zu Anfang des 15. Jahrhunderts nachweisen, allein es ist keine leere Vermutung, daß eine ausgedehnte Lohnschreiberthätigkeit in eine viel frühere Zeit zurückreicht. Sie ist sogar eine der Folgen jener gewaltigen wirtschaftlichen Umwälzung, welche nach den Kreuzzügen und besonders in der staufischen Zeit das westliche Europa aus Bauernvölkern zu Völkern mit Städten, Gewerben, Großhandel und Kolonien umschuf. Je mehr die Geld- und Kreditwirtschaft über die bisherige Naturalwirtschaft siegte, desto mehr vervollkommnete sich auch die Kunst- und Gewerbthätigkeit der Städte, desto mehr gewann der Bürgerstand an Bildung und Einfluß. Er verwandte nicht allein die Schrift geschäftlich, sondern begann auch Schulen zu errichten, für welche er Lehrbücher brauchte. Lesen und Schreiben bürgerte sich namentlich in den Mittelklassen ein, für welche bald sogar eine populäre Litteratur ins Leben trat. Auch die Verbreitung des aus Lumpen hergestellten Papiers lieferte ein billigeres Material zum Schreiben und förderte in höherm Grade die Vervielfältigung von Handschriften. Die geistlichen Schreiber konnten die Bedürfnisse der gesteigerten geistigen Thätigkeit nicht mehr befriedigen. Es lag


Fußnoten

  1. Wattenbach, Wilh., Das Schriftenwesen des Mittelalters. 2. Auflage. Leipzig 1875. S. 384 und später 320 u. 473; sowie die Schriften von J. B. Nordhoff (Münster 1874) über den münsterschen Humanismus und A. Parmet über Rudolf von Langen. Münster 1869.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/016&oldid=- (Version vom 1.8.2018)