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Weser gestohlen, man weiß nicht genau, wann und wie, über die Alpen gebracht und in die in Rom 1515 erschienene „Editio princeps“ des Tacitus aufgenommen worden. Im obigen Briefe läßt der Papst der Bibliothek des westfälischen Klosters als Entschädigung für ihren schweren Verlust ein gedrucktes Exemplar des Tacitus anbieten und dieses als bedeutend wertvoller, denn die Handschrift preisen. Im Jahre 1522, man weiß wieder nicht wie, tauchte die corveyer Handschrift in Florenz wieder auf, wo sie sich noch heute in der Laurentiana befindet.[1]

Dieser die fernsten Länder umspannende und vielfach verbrecherische Sammeleifer hatte aber wenigstens die gute Folge, daß er viele sehr wertvolle Schätze des Altertums für die Nachwelt rettete und zugleich die Grundlage für die spätern großen Bibliotheken schuf. Wie Italiens gelehrte Schulen schon im 13. Jahrhundert durch Wiederbelebung namentlich des Rechtsstudiums die Thätigkeit des Schreibergewerbes mächtig gehoben hatten, so stellte auch die von dort ausgehende Renaissance der Künste und Wissenschaften den reichen und vornehmen Kreisen höhere geistige Ziele und förderte zugleich durch Verallgemeinerung des Bedürfnisses an Handschriften das buchhändlerische Geschäft. Schon Petrarca hatte durch seine auserlesene Sammlung klassischer Werke für die spätern Humanisten den Ton angegeben, und wenn die seltenen Handschriften auch nach seinem Tode, seinem Wunsche zuwider, nicht nach Venedig gelangten, so fand sein Gedanke doch bei andern gelehrten und reichen Büchersammlern, wie später beim Kardinal Bessarion, und vor allem in Florenz Nachahmung und glückliche Ausführung. Hier wirkte der Geist Dantes, Petrarcas und Boccaccios lebendig fort; hier bildete sich der erste bedeutende Mittelpunkt des neuerwachten geistigen Lebens; hier traten die mit dem Adel verbündeten Gelehrten unter dem Mäcenat der Medici für die Förderung wissenschaftlicher und künstlerischer Eroberungen ein. Den greif- und sichtbarsten Ausdruck gewann dieses Streben durch die Errichtung großer öffentlicher Bibliotheken, deren Benutzung jedem Gelehrten freistehen müsse, ein Gedanke, dessen Kühnheit bis dahin noch als eine unausführbare revolutionäre Neuerung gegolten hatte. Von Privatbibliotheken war von Niccoli (1364-1437) gesammelte die bedeutendste in Florenz. Als er starb, enthielt sie 800 Bände und wurde auf 4000 Zecchinen geschätzt. Sie bildete in der Folge den Anfang der Marciana, der ersten öffentlichen Bibliothek von


Fußnoten

  1. Potthast, A., im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Jahrg. 1863. Nr. 10, S. 358-360. P. hat den von ihm in der Berliner Bibliothek zuerst aufgefundenen Brief des Sadoletus wörtlich mitgeteilt. Voigt, G., Die Wiederbelebung des klassischen Altertums. Berlin 1880. I, 236. 241. 300. 403. 410 u. II, 314.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/029&oldid=- (Version vom 1.8.2018)