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Neuerdings hat der hochverdiente baseler Oberbibliothekar Dr. L. Sieber einen schon Ende 1470 gedruckten, aber seitdem in Vergessenheit geratenen Brief des gelehrten pariser Lektors und Rektors, des Savoyarden Wilhelm Fichet, wieder aufgefunden, den dieser an den Historiker Robert Gaguin geschrieben hatte. Er findet sich auf der Rückseite des zweiten Blattes des in Paris gedruckten und in Basel aufbewahrten Buches „Gasparini Pergamensis Orthographiae Liber“ und enthält eine begeisterte Verherrlichung der in Deutschland erfundenen Buchdruckerkunst sowie ihres Erfinders Johann Gutenberg. „Eine neue Art der Anfertigung von Büchern“, heißt es, „ist in Deutschland erfunden, und ihre Hersteller strömen von dort in die Welt, wie einst die Krieger dem Bauche des trojanischen Pferdes entstiegen. Sie tragen von Deutschland aus das Licht in alle Teile der Erde. Diese Fremden (Kranz, Freiburger und Gering) erzählen nämlich, daß ein Mann Namens Gutenberg schon lange und nicht weit von der Stadt Mainz die Kunst erfunden habe, Bücher, statt mit Griffel und Feder zu schreiben, mit ehernen Buchstaben zu drucken.“ Fichet stellt Gutenberg noch über die Göttin Ceres und deren den Menschen erwiesene Wohlthaten, denen sie nur leibliches Brot gegeben habe, und erhebt ihn zugleich über die übrigen Götter und Göttinnen. Viel wichtiger als diese Verhimmelung ist aber die positive Thatsache, daß Fichet in ganz unzweideutigen Worten Gutenberg als den Erfinder der Buchdruckerkunst preist und daß er diese Thatsache offenbar von obigen drei, durch ihn und Johannes a Lapide nach Paris berufenen Druckern gehört hatte. Denn es waren kaum zwei Jahre seit dem Tode Gutenbergs verflossen; sie selbst aber kamen aus Basel, wo die Kunst schon seit des Hanauers Berthold Ruppel Ankunft blühte und wo sie, die spätern pariser Meister, ihre Kunst gelernt hatten. Daß Gutenberg und kein anderer der Erfinder war, mußte die damalige gebildete Welt ganz genau wissen.[1]

Das geschichtliche Datum der Erfindung der Buchdruckerkunst ist aber der 22. August 1450. An diesem Tage nämlich schloß Gutenberg einen Vertrag mit Johann Fust ab, einem reichen Bürger und Goldschmied von Mainz, welcher ihm 800 Goldgulden zu 6 Prozent Zinsen lieh. Der Erfinder sollte mit diesem Gelde das nötige Werkzeug (Gezüge) zurichten und machen, wogegen letzteres bis zur Zahlung der Schuld das Pfand des Darleihers bildete. Ferner hatte dieser an Gutenberg jährlich


Fußnoten

  1. „Magnum lumen“ – so lautet wörtlich die betreffende Stelle des im Texte angeführten Briefes – „novorum librariorum genus attulit quos nostra memoria (sicut quidam equus Trojanus) quoque versus effudit Germania. Ferunt enim illic, haut (sic) procul a civitate Maguntia, Joannem quendam (sic) fuisse, cui cognomen Bonemontano, qui primus omnium impressoriam artem excogitaverit, qua non calamo, (ut prisci quidem illi) neque penna (ut nos fingimus) sed aereis litteris libri finguntur, et quidem expedite, polite et pulchre. Dignus sane hic vir fuit! quem omnes Musae, omnes artes, omnesque eorum linguae, qui libris delectantur! divinis laudibusque ornent, eoque magis Diis Deabusque anteponat! ... Atque ut prima Ceres unco glebam dimovit aratro, prima dedit fruges alimenta micia terris. At Bonemontanus ille, longe gratiora divinioraque inocuit, quippe qui litteras ejusmodi exsculpsit! quibus quidquid dici, aut cogitari potest! propediem scribi, ac transscribi, et posteritatis mandari memoriae possit. Neque praesertim hoc loco nostros silebo, qui superant jam arte magistrum, quorum Udalricus, Michael ac Martinus (Gering, Freiburger und Kranz) principes esse dicuntur, qui jam, pridem Gasparini Pergamensis epistolas impresserunt! quas Joannes Lapidanus emendavit... Aedibus Sorbonae raptim a me Kalendis Januariis diluculo scriptum.“

    Der von A. Claudin in: Le Livre, Novemberheft 1883, S. 369–372 veröffentlichte Abdruck ist nicht korrekt; ein diplomatisch treuer nach Siebers Abschrift findet sich im Centralblatt f. Bibliothekswesen. 2. Jahrg. Leipzig 1885. S. 89. 90.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/042&oldid=- (Version vom 1.8.2018)