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von den beiden Rittern Reinhard Brömser von Rüdesheim und Henne von Rodenstein wieder einmal ein Darlehn von 150 Goldgulden zu 5 Prozent Zinsen. Die dafür ausbedungene Sicherheit stellte der genannte Gellhues in der Ueberweisung der Miete aus fünf Wohnhäusern, welche ihm in Mainz gehörten.[1] Es ist also ziemlich klar, daß die Versuche des Erfinders in dem Zwischenraum, innerhalb dessen auch die leiseste Spur von ihm verloren gegangen ist, eifrig fortgesetzt, wenn auch anscheinend immer noch nicht von Erfolg gekrönt worden waren.

Endlich gelang der große Wurf. Gerichtsakten und sonstige glaubwürdige Aussagen weisen auf 1450 als das Jahr der glücklichen Erfindung. Oder sollte sie schon früher feste Gestalt gewonnen und greifbare Ergebnisse geliefert haben? Einem so großen Ereignis gegenüber ist jede, selbst die unscheinbarste Thatsache oder Äußerung aus älterer Zeit der Mitteilung und Beachtung wert. So möge denn wenigstens in den Anmerkungen eine bisher noch nicht veröffentlichte, sehr positiv auftretende Äußerung des baseler Juristen Dr. Peter Mengerlin angeführt werden; wenn ihr ohne weiteres Beweiskraft beigelegt werden dürfte, so wäre das Jahr 1446 das der Erfindung.[2]

Gutenbergs Name steht auf keinem Titelblatt oder vielmehr in keiner Schlußschrift; allein die Thatsache, daß er ausschließlich der Erfinder der Kunst ist, wird von seinen Zeitgenossen Peter Schöffer, Ulrich Zell, Abt Tritheim und Jakob Wimpheling in den wesentlichsten Punkten übereinstimmend bestätigt. Die Prüfung ihres Zeugnisses in all seinen Einzelheiten gehört nicht hierher und möge bei von der Linde nachgelesen werden. Dagegen sei es gestattet, hier noch zwei bisher unbekannte oder wenig bekannte Zeugnisse anzuführen. Das erste derselben findet sich in der bis heute noch ungedruckten Zimmernschen Chronik über die mainzer Erzbischöfe bis zum Jahre 1555. Ihr Verfasser ist Graf Werner Wilhelm von Zimmern (1485 bis 1575). „Under der Regierung dieses Erzbischoffs“ – heißt es dort wörtlich – „wardt erstlich die Edel Kunst der Buchtruckherei zu Maintz in der statt erfunden durch einen habehaften reichen Bürger daselbst Hannes Gudenberger genannt, der alle seine guter vermögen darauff wenden that, biß er es zu wegen bracht.“ Dieser 51. Erzbischof und 33. Kurfürst von Mainz war Theodorich Graf und Herr zu Erbach, welcher von 1435 bis 1459 regierte.[3]


Fußnoten

  1. Linde a. a. O. S. 35 und die Urkunden im Anhang.
  2. Baseler Staatsarchiv, St. 106-118, Abteilung Schmähschriften. – Mengerlin thut diese Äußerung in einer Anklageschrift gegen den Buchdrucker Hans Jakob Decker in Basel. Dieser hatte sich nämlich der nach baseler Gesetzen damals strafbaren Handlung des Druckes verschiedener katholischer Schriften schuldig gemacht. Mengerlin beantragte deshalb unter dem 22. Juli 1676 seine Bestrafung und führte unter anderm aus, daß früher die mittelalterlichen Buchabschreiber nach kaiserlichen Rechten bestraft worden seien. „Anstatt der gedachten Schreiber aber“, fährt er dann wörtlich fort: „ist vor zweihundert dreißig Jahren die Truckerei erfunden und aufkommen.“ Nach dieser Angabe wäre also 1446 nicht allein das Jahr der glücklichen Erfindung, sondern auch ihrer Ausübung. Es kann in der That auffallen, daß der Jurist hier so bestimmt das Jahr angibt. Er sagt nicht, „vor etwa 230 Jahren“, auch nicht „vor 226 Jahren“, sondern spricht in einer amtlichen Eingabe an den baseler Rat mit voller Bestimmtheit von dem Zeitpunkte, den man in einer so alten und bedeutenden Druckerstadt wie Basel, in der die Kontinuität der Entwickelung nie unterbrochen worden war, allenfalls wohl noch hätte kennen können. Die gewählten Worte „230 Jahre“ bezeichnen im Volksmunde keinen der gewöhnlichen, häufiger zitierten Zeitabschnitte, wie man in runder Summe von 100, 200 oder 300 Jahren, oder auch selbst von viertel und halben Jahrhunderten zu sprechen pflegt. Mengerlins Ausdrucksweise könnte daher wohl stutzig machen und immerhin die Annahme nicht ausgeschlossen zu werden brauchen, daß Gutenberg schon 1446 seine Erfindung gelungen war, daß er aber doch noch vier Jahre mit Versuchen und Verbesserungen verbrachte. Zudem darf man nicht außer Acht lassen, daß Fust wie jeder andere Kapitalist sein Geld erst dann in die neue Erfindung gesteckt haben dürfte, als er sich von deren Vollendung und Leistungsfähigkeit überzeugt hatte, daß aber von den ersten Proben bis zum Abschluß des Vertrages sehr leicht noch einige Jahre vergangen sein könnten.
  3. Von der Zimmernschen Chronik über die Erzbischöfe von Mainz bis 1555 befinden sich sechs verschiedene Handschriften in Mainz, Weimar, Pommersfelde, Miltenberg und Wolfenbüttel. Das Exemplar in der mainzer Stadtbibliothek gehörte früher den dortigen Augustiner-Eremiten, wurde während der Französischen Revolution von dort verschleppt, kam dann nach Ansbach, später an einen frankfurter Antiquar und wurde von diesem durch Prof. Dr. Julius Grimm in Wiesbaden angekauft, der es am 6. Oktober 1876 der mainzer Stadtbibliothek schenkte. Ein zweites Exemplar gehört dem dortigen Altertumsvereine. Zu der obigen Angabe Zimmerns befindet sich in jenem Exemplar der Zusatz: „Hans Gudenberg wohnt in der Algesheimer Bursch (bursa)“, der weder im weimarschen angeblichen Original, noch in der wolfenbütteler Handschrift steht. Die übrigen Handschriften in Miltenberg und Pommersfelde hat der Verfasser nicht verglichen. „Zum Algesheimer“ ist ein großes Haus mit Hofraum hinter der St. Christophskirche und war im 14. Jahrhundert das Familienhaus der Patricier dieses Stammes. Nach Eroberung der Stadt durch Erzbischof Adolf (1462) wurde es mit den übrigen Patricierhäusern eingezogen und von ihm einem seiner Anhänger, Ludwig von Lichtenberg, als ein Burglehn, 1463 aber auf Lebenszeit übertragen. Im Jahre 1478 schenkte es Kurfürst Diether seiner neuen Universität als Burse oder Kolleg. Nunmehr erhielt es den Namen die „große Burse“, und es fanden hier die Versammlungen der Universität statt. Man nannte das Haus auch das „Kolleg zum Algesheimer“. 1562 übergab es Kurfürst Daniel den in die Stadt aufgenommenen Jesuiten. Daher heißt es in der ersten Stadtaufnahme von 1568 das Kollegium zum Algesheimer, die Jesuitenbursch. (Schaab, Geschichte der Stadt Mainz. I, 440.) Das Gebäude liegt an der Ecke der hintern Christophsgasse und des Christophsgäßchens Lit. C. Nr. 380 1/2, neue Nr. 3, gegenüber dem Invalidenhause, nimmt eine Grundfläche von 638,75 □M. ein und dient allen möglichen Geschäften. Die Keller sind zum Teil an große Weinhandlungen vermietet. Groß genug sind die Räumlichkeiten für mehrere Druckereien. Die Angabe des mainzer Abschreibers klingt also durchaus nicht unwahrscheinlich.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/041&oldid=- (Version vom 1.8.2018)