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vergriffen war. Auch in Deutschland wurden manche gedruckte Bücher, wie z. B. die Werke der Roswitha, das „Chronicon Urspergense“ immer wieder abgeschrieben, vorzüglich aber waren es die großen Chorbücher, welche noch lange Zeit, bis in das 18. Jahrhundert hinein, mit der Hand angefertigt wurden, so z. B. 1489 und 1490 das berühmte, in der augsburger Stadtbibliothek befindliche „Graduale pro choro“ von dem bereits erwähnten Leonhard Wagner, einem der bedeutendsten Schönschreiber aller Zeiten, oder das jetzt in der Ambraser Sammlung aufbewahrte prächtige „Graduale“, welches Jakob von Olmütz 1499 und 1500 anfertigte.[1] Johann Trithemius, Abt von Sponheim, schreibt in einem an den Abt Gerlach von Deutz gerichteten und 1494 in Mainz gedruckten Briefe „De laude scriptorum manualium“: „Die Schrift auf Pergament kann 1000 Jahre halten, dagegen ist es schon viel, wenn das auf Papier Gedruckte 200 Jahre hält. Nicht alle Bücher sind gedruckt; die nicht gedruckten müssen abgeschrieben werden. Wer wegen der Buchdruckerkunst aufhört zu schreiben, ist nie ein wahrer Bücherliebhaber gewesen, weil er, nur die Gegenwart beachtend, nicht für die Erbauung der Nachkommen sorgt. Endlich vernachlässigt der Druck gewöhnlich die Schönheit und schmuckvolle Ausstattung der Bücher, während die Schrift größere Sorgfalt darauf verwendet.“[2] Es dauerte übrigens nur wenige Jahrzehnte, bis der von dieser Seite kommende Widerspruch gegen die neue Kunst durch deren vortreffliche Leistungen zum Schweigen gebracht wurde.

Umgekehrt brachte Rom der Erfindung anfangs ein förderndes Wohlwollen entgegen und trug mächtig zu ihrer allgemeinen Verbreitung bei. Die katholische Kirche fühlte sich zu jener Zeit noch so sicher im Besitz ihrer Herrschaft über die Gemüter und ihrer weltgebietenden Stellung, daß ihr jeder Gedanke einer möglichen Gefahr fern lag. Die damaligen Päpste, Väter und Söhne der Renaissance, huldigten dem heitern Lebensgenuß und der Freigeisterei, unterstützten die Pflege der Künste und Wissenschaften und schwärmten für die Wiederbelebung des klassischen Altertums, dessen Werke sie selbst und ihre Kardinäle durch die neuerfundene Presse förderten. „Die neuen Vorstellungen (Studium der Alten)“ – sagt Hegel S. 495 in seiner „Philosophie der Geschichte“ – „fanden ein Hauptmittel zu ihrer Verbreitung in der eben erfundenen Buchdruckerkunst, welche, wie das Mittel des Schießpulvers, dem modernen


Fußnoten

  1. Wattenbach a. a. O. S. 380. Bei einfacheren Chorbüchern wurde die Herstellung übrigens mittels Patronen vorgenommen; auch dies nannte man noch im 18. Jahrhundert: Drucken (Imprimere).
  2. Schneegans, W., Abt Johannes Trithemius und Kloster Sponheim. Kreuznach 1882. S. 142.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_01.djvu/060&oldid=- (Version vom 1.8.2018)