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befand sich auf dem alten Fleischmarkt gegenüber dem Nonnenkloster St. Lorenz. Sie besaßen schon griechische Typen und zeichneten sich überhaupt durch guten Druck aus. Das erste Erzeugnis ihrer Presse war ein Claudianus; im Jahre 1512 druckten sie unter anderm Ulrich von Huttens „Ermahnung an den Kaiser Maximilian“ (als er in den Venetianischen Krieg zog). Doch schon zu Anfang 1515 trennten sich beide, blieben aber gute Freunde. Vietor übersiedelte 1517 wieder nach Krakau und widmete sich persönlich, bis zu seinem 1546 erfolgten Tode, ausschließlich seiner dortigen Offizin, führte jedoch sein wiener Geschäft unter Leitung seines Bruders Benedikt und nach dessen Tode durch andere Faktoren bis 1531 fort. Vietor hat wenig in deutscher, das meiste in lateinischer, einiges auch in griechischer und polnischer Sprache gedruckt; seine griechischen Typen verdienen ganz besonderes Lob. Sein Druck war korrekt, sein Papier gut und seine Holzschnitte waren zierlich. Sein schönstes und seltenstes Werk ist wohl das „Odeporicon“ des Kardinals Lang. Seine Drucke gehören fast alle der profanen, nur wenige der theologischen Litteratur an; Schulbücher, Klassikerausgaben, medizinische und astronomische Schriften, Lehrgedichte und Reden bilden den Hauptteil des Verlags.

Singriner entwickelte nach seiner Trennung von Vietor bis zu seinem Todesjahre (1545) eine außerordentliche Rührigkeit. Mit Collimitius, Camers und Vadian befreundet, war er von der Bedeutung seiner Aufgabe für die Wissenschaft völlig durchdrungen, lieferte korrekte Klassikerausgaben und arbeitete nicht allein eifrig in seiner Offizin, sondern beschäftigte sich auch mit dem Schriftguß und der Lieferung von Holzschnitten für andere; besonders schön und geschätzt war seine Antiqua. Er ist zugleich der erste wiener Drucker, welcher hebräische Typen besaß. Seine staunenswerteste Leistung ist der Druck des Verböczschen „Tripartitum Opus juris hungarici“ (1517), dessen 71 Bogen er mit einer sehr großen Antiqua und mit gotischen Rubriken in 40 Tagen herstellte. Nach der Zahl, Mannigfaltigkeit und Ausstattung seiner Drucke gehört er zu den hervorragendsten und thätigsten Meistern seiner Zeit. Sein erster Druck ist des Albertus Magnus „Philosophia naturalis“ und sein letzter das Gebetbuch des Bischofs Nausea für die Königin Anna, die Gemahlin Ferdinands. Im übrigen gehören seine Verlagsartikel der Theologie, Medizin, Jurisprudenz, polemischen Litteratur, Philologie,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_02.djvu/098&oldid=- (Version vom 1.8.2018)