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immer sichtbarer und verhängnisvoller. Die geistliche Censur arbeitete methodisch auf die wissenschaftliche Verödung des Landes hin. Mit den sechziger Jahren des Jahrhunderts hörte der Druck der alten Klassiker ganz auf. Die überall eingeschränkte, gleichsam nur aus kirchlicher und obrigkeitlicher Gnade geduldete Litteratur sank zur willenlosen Magd des Jesuitenstaats herab. Die alten Gelehrten starben aus oder zogen in die Fremde, neue aber kamen nicht aus dem Reich. Technisch macht die Kunst zwar Fortschritte, aber geistig wird sie täglich einflußloser. Kaspar Stainhofer (1566 bis 1576), welcher die Witwe Zimmermanns geheiratet hatte, druckte vortrefflich und war ein tüchtiger Geschäftsmann, aber ein desto armseligerer Verleger. Geistlose Gelegenheitsschriften bildeten seinen Verlag. Stephan Creutzer (1572 bis 1594), der erste Universitätsdrucker, zeichnete sich als gelehrter Drucker und als Schriftgießer aus, stand jedoch im Verdacht protestantischer Gesinnung; er wurde deshalb zur Untersuchung gezogen und seine Druckerei eine Zeit lang gesperrt. Der Hofbuchdrucker Michael Apfel (1576 bis 1588) stellte vorzugsweise Festschriften für die Jesuiten, Weihrauch-Carmina an hochgestellte Personen, Kalender-, Wunder- und dergleichen Geschichten und neue Zeitungen, also fast nur sogenannte Riessachen, auf seinen Pressen her. Dennoch mußte er, wie auch Creutzer, einen Eid leisten, nichts gegen die katholische Kirche und ihre Lehre zu drucken. David de Necker oder Dannecker (1576 bis 1585), einer berühmten augsburger Künstlerfamilie entstammend, war zugleich Formschneider und zog von Augsburg über Leipzig nach Wien. Hercules de Necker, wahrscheinlich sein Bruder, setzte das Geschäft bis 1587 fort. Bei jenem erschien unter anderm Sebastian Münsters Erklärung der neuen Landtafeln und des Instruments der Sonne, ein prächtiges Gesellenbüchlein und der dritte Nachdruck der Jostschen Ausgabe des „Todtentanzes“. Seine Holzschnitte sind ganz vortrefflich, seine Drucke sauber und schön; da er aber im Verdacht protestantischer Gesinnung stand, wurden viele seiner Bilder und Drucke konfisziert. Bischof Kaspar von Wien ließ sie teilweise im Bischofshofe verbrennen, woraus sich zur Genüge ihre Seltenheit erklärt.

Bis zum Ende des Jahrhunderts, in dessen Laufe nach Mayers Berechnung etwa 1600 Drucke in Wien erschienen sind, folgt den hier namhaft gemachten Druckern etwa noch ein Dutzend. Indessen wird an und mit ihnen der Rückgang des litterarischen Schaffens immer auffallender

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_02.djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)