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und J. Marion.[1] Die lyoneser Drucke zeichneten sich von Anfang an durch schöne Ausstattung und sorgfältige Korrektur aus, sodaß es ihnen sogar später gelang, die Käufer der Aldinischen Ausgaben zu täuschen. Es ist auch beachtenswert und jedenfalls eine Folge der engen geschäftlichen Beziehungen zu Deutschland, daß der Gebrauch der Antiquaschrift, zu dem ja alle romanischen Völker sehr schnell übergingen, in den lyoneser Druckereien erst sehr spät, nach der Mitte des 16. Jahrhunderts, zu voller Herrschaft gelangte. Lyons kaufmännische Messen zogen Handelsleute aus ganz Europa an, die sich hier auch mit den neuesten Erscheinungen des Buchhandels versahen. Mit einziger Ausnahme von Venedig war Lyon der größte Büchermarkt für das ganze südliche Europa. Andererseits gehörten die lyoneser Verleger schon früh zu den regelmäßigen Besuchern der frankfurter Buchhändlermessen und führten von dort aus die neu erschienenen litterarischen Erzeugnisse bei sich ein, sodaß Buchdruck resp. Verlag und Buchhandel einander ergänzten und sich zu hoher Blüte entwickelten, eine Blüte, die sich auch während des ganzen 16. Jahrhunderts erhielt. Das deutsche Haus Trechsel, welches schon 1487 den ersten Band der Werke des heiligen Augustin gedruckt hatte, verlegte auch einzelne Werke des auf Betreiben Calvins 1553 in Genf verbrannten Michael Servet. Der große deutsche Verleger Sebastian Gryphius (Greiff), Bruder des bis 1540 in Paris druckenden Franz Gryphius, ließ sich 1528 in Lyon nieder, fing seine Thätigkeit mit einem Gebetbuch in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache an und schloß sie 1556 mit einer Ausgabe des Terenz. Maittaire schätzt die Zahl der von 1528 bis 1547 von ihm ausgegangenen Drucke auf 300. Gryphius verlegte unter anderm auch eine, wenn nicht mehrere Schriften für den gelehrten lyoneser Buchdrucker Stephan Dolet, der 1546 als Ketzer in Paris verbrannt wurde. Jean, der erste Chef der großen, 240 Jahre blühenden Buchhändlerfamilie de Tournes (von 1540 bis 1585 in Lyon und bis 1780 in Genf thätig), bestand seine Lehre bei genanntem Sebastian, dessen Sohn Anton noch 1580 zu den hervorragendsten Verlegern Lyons zählte. Kurz, überall zeigen sich hier deutsche mittelbare und unmittelbare Einwirkungen, und es dauert seit der ersten Einwanderung deutscher Drucker mehr als ein volles Jahrhundert, bis der Buchhandel Lyons seinen spezifisch nationalen Charakter gewinnt. Die Einzelheiten dieser Entwickelung gehören aber selbstredend nicht hierher.


Fußnoten

  1. Hase, O., Die Koburger. S. 25.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_03.djvu/025&oldid=- (Version vom 1.8.2018)