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Bände so genannt werden dürfen, welche vor dem 1. Januar 1500 gedruckt wurden? Außerdem bezeichnet der Anfang des neuen Jahrhunderts durchaus keinen Fortschritt in der Geschichte der Kunst, geschweige denn der Menschheit, wohl aber thut es die große Kirchenreformation, welche für das ganze denkende Europa den Übergang aus dem Mittelalter in die neue Zeit bildet. Es wäre also vielleicht viel bezeichnender gewesen, wenn man überhaupt eine Inkunabelnzeit annehmen und bestimmt abgrenzen will, die Periode vor 1520 das Foliantenzeitalter zu nennen, weil bis dahin fast nur ausnahmsweise in andern Formaten als in Folio gedruckt wurde. Dieser Unterschied ist kein bloß äußerlicher. Der Verbreitung der Bildung im Volke hatten eben die Folianten wenig oder gar nichts genützt. Die eigentliche weltbeherrschende Bedeutung des Buchhandels beginnt vielmehr erst mit dem überwiegenden Auftreten der kleinen Formate, welches in seinen Wirkungen eine vollständige Revolution bedeutete.

Der buchhändlerische Geschäftsbetrieb bedurfte zur Herstellung und zum Verkauf der Bücher der im Anfang meist in einer Person vereinigten Thätigkeit des Schriftgießers, des Buchdruckers, des Verlegers und des Händlers. Mit dem größern Leserkreise und dem durch ihn angeregten Erscheinen zahlreicherer Preßerzeugnisse zerfiel aber diese Vereinigung verschiedener Geschäftszweige allmählich wieder in ihre verschiedenen Bestandteile, sodaß jeder von ihnen nun das ihnen allen gemeinschaftliche Ziel selbständig, aber den andern ergänzend, ins Auge faßte.

Es handelt sich hier zunächst um den Schriftguß. Gutenberg und Fust besorgten diesen selbst. Jener hatte sich als der Erfinder beweglicher Bleitypen mit dieser Kunst vertraut gemacht und sich schon in Straßburg bei seinen ersten Versuchen im Spiegelgießen der Hülfe von Goldschmieden bedient. Fust war von Haus aus ein solcher und daher besonders geeignet, die Tragweite der neuen Erfindung zu erfassen. Die Goldschmiedekunst ist in der That eine Art Vorschule des Schriftgusses. Der Goldschmied mit seinen technischen Kenntnissen war dem ersten Drucker unentbehrlich, da er Stanzen hatte, mit welchen er seine Ornamente aus Metall vervielfältigte. Er mag sogar schon früher Inschriften durch Einschlagen einzelner Stanzen mit verkehrt geschnittenen Buchstaben hergestellt haben.[1] Jedenfalls war es der Goldschmied, welcher für die ersten Drucker die Stanzen anfertigte. Diese suchten deshalb auch zur


Fußnoten

  1. Falk, F., Die Druckerkunst im Dienste der Kirche. Köln 1879. S. 8. u. 9, wo diese Stelle von Essenwein angeführt ist.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_05.djvu/003&oldid=- (Version vom 1.8.2018)