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zugemuteten Widerruf schließlich aber nicht, trat vielmehr im Gefühl dessen, was er sich und seiner Sache schuldig war, entschieden gegen seine Feinde auf. Er gab zunächst zur Ostermesse 1512 bei Thomas Anshelm deutsch bearbeitete Erläuterungen zu seinem „Augenspiegel“ heraus und trug damit den Streit in viel weitere Kreise. Arnold von Tungern dagegen, um nur das Verständnis für denselben nicht weiter ins Volk dringen zu lassen, veröffentlichte darauf in Köln seine auf scholastischer Beweisführung beruhende Prüfung des „Augenspiegels“ in lateinischer Sprache. Die kölner Theologen aber erwirkten vom Kaiser bei einem Besuche, den er ihrer Stadt im Oktober 1512 machte, einen Befehl, wonach Reuchlins „Augenspiegel“ im ganzen Reiche, namentlich in Frankfurt a. M., als seinem Hauptverkaufsplatze, unterdrückt und konfisziert werden sollte. Dieser Befehl scheint jedoch wenig befolgt worden zu sein; der frankfurter Rat z. B. legte ihn einfach zu den Akten. Reuchlin aber bekämpfte seine Gegner im März 1513 in einer heftigen, an den Kaiser gerichteten, jede Rücksicht beiseite setzenden Verteidigung, welche unter dem Titel „Defensio contra Calumniatores suos Colonienses“ bei Thomas Anshelm in Tübingen erschien.[1]

Nach den verschiedensten Kreuz- und Querzügen gelang es endlich den kölner Dominikanern, am 9. Juli 1513 einen Befehl des Kaisers zu erwirken, wonach die Erzbischöfe von Köln, Mainz und Trier, sowie der Glaubensinquisitor Hogstraaten die Reuchlinschen und einige andere Schriften wegnehmen und unterdrücken, ihre weitere Feilhaltung verhindern sollten. Jetzt hatten die Kölner, was sie wollten; die Kirchengewalt konnte nunmehr ihrem Gegner auch gerichtlich zu Leibe gehen, zumal die Universitäten Löwen, Mainz, Erfurt und Paris ihr Verdammungsurteil gegen den „Augenspiegel“ bereits ausgesprochen hatten. Das Buch roch nach Ketzerei: es mußte also vernichtet, sein Verfasser exemplarisch bestraft werden. In dem nunmehr gehaltenen Ketzergericht verhinderte aber der Erzbischof von Mainz das Vorgehen Hogstraatens; Reuchlin wurde am 24. April 1514 von den beiden Unterdelegierten des Bischofs von Speyer freigesprochen, welch letzterm die Sache von Mainz aus übertragen war. Hogstraaten appellierte an den Papst. Auch Reuchlin wandte sich im Juli 1514 nach Rom, wo der Prozeß zwei volle Jahre schwebte.

Um zu bekunden, welche ausgezeichneten Männer, welche bedeutenden


Fußnoten

  1. Steiff a. a. O. S. 98.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/041&oldid=- (Version vom 1.8.2018)