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Schriften schon 1520 verkauft und Huttens Kommentar zur päpstlichen Bannbulle in den Straßen umhergetragen. Während des Reichstags zu Worms kündigte ein Anschlag am Rathause den Päpstlichen und vor allem dem Erzbischof von Mainz die Feindschaft von angeblich 400 Rittern an, da man Ehre und göttliches Recht zu unterdrücken suche. Sogar unter den Augen der spanischen Kriegsknechte wurden hier Luthersche Schriften und Lobpreisungen seines Thuns verkauft und Spottlieder auf seine Gegner gesungen. Die Gesandten der Städte, die Großen, die Herren und das ganze Volk waren Luther günstig und jauchzten ihm als dem neuen Moses, dem zweiten Paulus zu. Nur die Bischöfe und einige Herzöge dachten anders. Während seines Aufenthalts auf der Wartburg erschien sein Bild von einem Heiligenschein umgeben, welches namentlich in den Reichsstädten verkauft, aber dann verboten wurde. Dagegen verlachte und verspottete man den päpstlichen Bann.[1] In Mainz weigerte sich 1520 sogar der Scharfrichter, die Schriften Luthers zu verbrennen. Die päpstliche Bulle, welche Eck 1520 in Erfurt gegen diesen anschlagen wollte, wurde dem Drucker geraubt, dann beschimpft und ins Wasser geworfen[2]; sei es doch eine Blase (bulla), so möge sie auf dem Wasser schwimmen („Bulla est, in aqua natet“). Eck selbst aber ward von den ergrimmten Studenten in seinem Hause belagert und war kaum seines Lebens sicher. Fortan drängte ein Ereignis das andere. Das mannhafte Auftreten Luthers in Worms, seine geheimnisvolle Wegführung nach der Wartburg und vor allem die große geistige That, die Verdeutschung des Neuen Testaments erhoben ihn auf den Gipfel seiner Popularität und seines Ruhms. Die Wirkung dieser Übersetzung aber war noch viel nachhaltiger und tiefer, als der Eindruck, den seine Flugschriften gemacht hatten. Mit Blitzesschnelle drang das Neue Testament in die Burgen der Ritter, in die Klöster der Mönche, in die Häuser der Bürger und sogar in die Hütten der Armen.

Alle Welt lese, so berichtet Cochläus, das Luthersche Neue Testament, ja könne es infolge wiederholten Lesens fast auswendig; selbst Schuster und Frauen disputierten über das Evangelium und trügen die Übersetzung in der Brusttasche mit sich herum. Hier noch ein paar andere, die Angabe des Cochläus bestätigende Thatsachen! In Konstanz fanden die ersten Nachrichten Luthers Auftreten unter den Bürgern den freudigsten Anklang; seine Schriften wurden dort kolportiert


Fußnoten

  1. Soden a. a. O. S. 75. 123. 127. 142.
  2. Kampschulte a. a. O. II, 41.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 415. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/011&oldid=- (Version vom 1.8.2018)