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seinen Verlagsanteil an der Bibel entschädigt zu haben scheinen, bestimmt aber ihm die Cranachschen Holzschnitte zur Apokalypse abkauften. Von Hans Luft aber, welcher nun allerdings auf lange Zeit der einzige Drucker der Luther-Bibel in Wittenberg blieb, heißt es, daß er davon bei Lebzeiten des Reformators nicht weniger als 100000 Exemplare gedruckt habe.

Die massenhafte Verbreitung der Lutherschen Werke und der durch sie hervorgerufenen Volkslitteratur wäre übrigens nicht in so großartigem Maßstabe erfolgt, wenn sich nicht drei starke Bundesgenossen – jeder im eigenen Interesse und sich doch untereinander ergänzend – in die Hände gearbeitet hätten. Es waren diese Bundesgenossen die Nachdrucker, die Buchführer und die Prädikanten, die beiden letztern den Machthabern deshalb so gefährlich und verhaßt, weil sie überall und nirgends auftauchten und, wenn hier ergriffen und grausam unterdrückt, dort wieder erschienen und vorsichtiger auftraten.

Man darf den Nachdruck jener Zeit nicht mit dem Maßstab der heutigen Anschauungen messen. Das elfte Kapitel wird diesen Unfug und die allmähliche Entwickelung der dabei sich zeigenden Gewohnheiten und zum Schutze dagegen sich ausbildenden Rechtsnormen näher darlegen. Hier daher nur so viel, daß für die damaligen Anschauungen der Nachdruck eigentlich als ein ganz legitimes Geschäft galt und daß, wie z. B. im fünften Kapitel gezeigt wurde, selbst Männer wie Johann Amerbach oder Johann Petri in dieser Beziehung ein sehr weites Gewissen hatten. Ja, auch die staatlichen Behörden fanden, wie der demnächst mitzuteilende Erlaß der Stadt Nürnberg zeigen wird, nichts Arges in dem Nachdruck. Ebenso wenig verständlich für die Gegenwart ist der naive Ausdruck des Kummers Wolfgang Stöckels in Leipzig vor dem Rate der Stadt – bei Gelegenheit des 1524 von neuem erfolgenden Verbots der Reformationslitteratur – darüber, daß in Leipzig nichts verkauft und gedruckt werden solle „das zu Wittenberg oder sust gemacht“. Luther selbst war auch weniger ob der That des Nachdrucks seiner Schriften überhaupt, als ob der rücksichtslosen und frechen Art erbittert, in welcher derselbe betrieben wurde.

In der Verwahrung vom September 1525 wendet er sich zunächst an die Drucker und fragt sie, ob sie Diebe und Straßenräuber geworden seien, weil sie ihm sein Eigentum stählen? „Ich habe“, führt er näher aus, „die Postillen angefangen von der heiligen drei Künige Tage an,

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/020&oldid=- (Version vom 1.8.2018)