Luthers, Ökolampadius’, Zwingli’s und anderer dergleichen „never verfüerisch lerer pücher anzunehmen, zu halten, zu kaufen, zu verkaufen, zu lesen, abzuschreiben, zu drucken noch drucken zu lassen“, allein das Verbot reizte nur noch mehr zum Studium derselben. Jakob Peregon, Pfarrer am Bürgerspital, rühmte sich, 50 Luthersche Schriften zu besitzen und sie fleißig zu lesen. Eifrig wurden dieselben auch nachgedruckt, z. B. „Ain Schöne Predig von zwayerlay gerechtigkeit“ (1520) und „Aine predig von dem Eeligen stand“, ebenso lutherisierende Schriften, wie z. B. die Eberlins von Günzburg. Österreichische Studenten besuchten deutsche Universitäten, namentlich Wittenberg, gegen den Willen der heimischen Regierung. Von Luthers erstem Auftreten an bis unmittelbar nach seinem Tode, zwischen 1522 und 1548, studierten hier 66 Österreicher, darunter 38 Wiener und verschiedene Angehörige des ständischen Adels. Natürlich brachten sie von der Quelle des Luthertums auch dessen gedruckte Lehren und Schriften nach Hause und verbreiteten sie hier, sei es im Original, sei es im Nachdruck, unter die Massen. Während des ganzen 16. Jahrhunderts kümmerte man sich nicht um das Verbot des Studierens im Auslande. So planmäßig Ferdinand und seine Nachfolger auch vorgingen, so zielbewußt ihnen die seit 1551 ins Land gerufenen Jesuiten bei ihren gegenreformatorischen Angriffen halfen, die neue Lehre griff während der ersten fünfzig Jahre nach ihrem Aufkommen immer weiter um sich. Die lutherischen adeligen Stände fanden zugleich ihren Vorteil in der Aneignung des Kirchenguts und brachten es im Anfang des 17. Jahrhunderts bis zur Anerkennung der vollen Gewissensfreiheit, die natürlich mit dem Dreißigjährigen Kriege wieder zu Grabe getragen wurde. Diese Zeit gehört nicht mehr hierher, allein in der ganzen ihr voraufgehenden und auch in der spätern Periode ist die systematische Verfolgung der Lutherschen Litteratur bis in den engen Kreis der Familie das erste Augenmerk der weltlichen und geistlichen Behörden, die nur zu gut wußten, daß sie ihren Gegnern die Wurzeln der Kraft raubten, wenn sie ihnen auf die Dauer die geistige Nahrung entzogen. Die katholischen Gegenreformatoren siegten mit ihrer zähen Energie, aber ihr „perinde ac cadaver“ war nur durch Vernichtung des Buchhandels zu erzwingen.
Auf die Nachdrucker folgten die Buchführer. Jene würden sich der Tageslitteratur nicht so zahlreich bemächtigt haben, wenn diese nicht den
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 432. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/028&oldid=- (Version vom 1.8.2018)