massenhaften Absatz der nachgedruckten Preßerzeugnisse allerorten vermittelt hätten. Die Buchführer und Hausierer überschwemmten bald ganz Deutschland und vertrieben nicht allein die katholischen Werke, sondern auch die durch das Vorgehen des Reformators hervorgerufenen Streitschriften und Gesprächbüchlein (Dialoge). „Unzählig sind die Schmachbüchlein und Lästerreden“, schreibt Johann Cochläus aus Wendelstein (1479 bis 1552), „die unter das Volk ausgehen wider päpstliche und weltliche Autorität, wider alle, welche Macht und Reichtum haben und nicht abfallen wollen vom Glauben ihrer Väter.“ „Die Schmachbüchlein und Lästerreden“, von welchen dieser unflätigste Gegner Luthers hier spricht, waren Flugschriften auf Flugschriften in Reim und in Prosa, in lyrischem Erguß und in lebendigem Dialog, welche Kunde davon geben, daß Luthers Wort an das Ohr des Volks erklungen, in sein Herz eingedrungen war und daß es dort klares Verständnis und jubelnde Aufnahme gefunden hatte. Das deutsche Volk verknüpfte sich selbst mit des Reformators Person und Geschick aufs engste: seine Feinde sind auch des Volkes Feinde, und dieses, welches in ihm den klaren und beredten Ausdruck seiner Schmerzen und Freuden gefunden hatte, verfolgte und vernichtete sie alle, vom Papste herab bis zum Bettelmönch, mit den Waffen der Polemik, mit sittlicher Verachtung und übersprudelndem Humor, mit derbem, schonungslosem Spott und nationalen Beweisgründen. Anfangs verbot und nahm die Polizei solche Schriften noch in Beschlag; allein vom wormser Reichstag ab wurde das immer mehr unmöglich, und wird sogar die Gewalt mit Gewalt, am liebsten aber durch List vereitelt. Je verpönter aber eine Schrift war, desto leichter wurde sie verkauft, desto teuerer bezahlt und desto gewinnbringender abgesetzt. Selbst Gefängnis und harte Leibesstrafen vermochten den gewinnsüchtigen Händler nicht abzuschrecken. Die Verbote der Obrigkeit schlug er meist in den Wind; sie waren auch häufig nicht so streng gemeint. Nur ab und zu wurde bitterer Ernst gemacht. So bildete sich denn der Hausierhandel mit Flugschriften zu einem einträglichen Geschäft aus, das seinen Mann gut nährte, das vielfach auch von Frauen und selbst von Knaben betrieben wurde. Es waren darin wohl vielfach junge Männer thätig, die ihren Beruf verfehlt und nichts zu verlieren hatten, Menschen, die nicht viel arbeiten, aber doch ihr Leben genießen wollten, Abenteurer, die sich von den aufgeregten Wogen der Zeitströmung tragen
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 433. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/029&oldid=- (Version vom 1.8.2018)