solches, drei bis vier Bogen starkes Heft einen Groschen. Wenn es für einen zu teuer war, so kauften es mehrere gemeinschaftlich. Ebenso häufig nahm aber der Bauer diese Schriften auch aus der Stadt mit nach Hause. Waren sie dann im Korbe unter eingekauften Haushaltungsgegenständen oder Gartenerzeugnissen, welche keinen Abnehmer gefunden hatten, zum heimatlichen Dorf gewandert, so traten sie ihren Gang durch dieses an. Mit besonderer Vorliebe benutzte die lutherisch werdende Bauernschaft die Wirtsstuben, um sich das Neueste vorzulesen und über das Gelesene zu verhandeln. Als die öffentliche Verbreitung gefährlich wurde, flüchtete sich diese Litteratur auf einen unverfänglichen Boden. So brachten der Kalender, die „Praktika“, auf ihren letzten Blättern die großen Fragen der Zeit in Prosa oder gutgemeinten Reimen zur Besprechung, die man hier bei der herkömmlichen Inhaltslosigkeit der Wetterbüchlein nicht erwartete. Da der Bürgersmann und der Bauer der schweren Kunst des Lesens nicht immer oder vielleicht in den seltensten Fällen mächtig war, so ergänzten ihn, wie den Mann des Mittelalters, fahrende Leute, die vom Vortrage fremder und eigener Werke lebten und die eben in jenen Jahren, von der reformatorischen Bewegung erfaßt, als Vorleser der Streitschriften von Landschaft zu Landschaft zogen und das neue Licht in die fern entlegensten stillen Wald- und Gebirgsdörfer trugen. Diese Sendboten im zerschlissenen Wams bedeuten an mancher Stelle des Vaterlandes mehr, als der Magister, der sein Wissen auf einer hohen Schule geholt hatte und nun vor seiner ländlichen Gemeinde das schlichte Wort nicht fand, das sie erwartete.
So wurde denn die Flugschrift und das Gesprächbüchlein (Dialog) ein treuer Mithelfer Luthers und seiner Anhänger.
Die Zahl der volkstümlichen Flugschriften aus der Reformationszeit ist sehr bedeutend, aber heutzutage kaum mehr festzustellen. Viele sind ebenso schnell wieder verschwunden, als sie aufgetaucht waren, die einen durch die spätern Kriege vernichtet, andere von Geistlichen verbrannt, wieder andere von der Polizei unterdrückt, viele auch sonst zu Grunde gegangen oder verwahrlost. Denn das Volk verbraucht die Bücher, welche es sich kauft, es hat kaum Platz für deren Aufbewahrung; der Gelehrte hingegen behütet seine Bücher sorgfältiger. Im vorliegenden Falle aber schrieb man eben nur für das Volk. Sodann dachte sonst niemand daran, das, was von dieser anscheinenden Eintagslitteratur in
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 436. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_07.djvu/032&oldid=- (Version vom 1.8.2018)