der Mystiker, z. B. Taulers, waren damals noch nicht durch den Druck vervielfältigt, geschweige, daß kirchenfeindliche lateinische Werke ins Deutsche schon übersetzt worden waren. Der Erzbischof kann also nur die Übersetzungen der Bibel ins Deutsche gemeint haben, von denen bis zum Jahre 1485 schon 10 in hochdeutscher und 2 in plattdeutscher Sprache erschienen waren.
„Die göttliche Buchdruckerkunst“, so lauten im wesentlichen die Bestimmungen, „macht aller Welt den Gebrauch von Büchern zur Belehrung und Erbauung zugänglich. Viele aber mißbrauchen, wie wir gesehen haben, diese Kunst aus Ruhmessucht und Geldgier, sodaß sie die Menschheit verderben, statt sie aufzuklären. So finden sich zur Herabsetzung der Religion und ihrer Spitzen Schriften in den Händen des Volks, welche aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt sind (libri de divinis officiis et apicibus religionis nostrae). Die heiligen Gesetze und Canones sind aber von weisen und beredten Männern mit so großer Sorgfalt und Geschicklichkeit zusammengestellt und ihr Verständnis ist so schwierig, daß zu ihrer Bewältigung die Dauer des menschlichen Lebens selbst für den Einsichtigsten kaum ausreicht. Gleichwohl haben einige freche und unwissende Leute es gewagt, jene Schriften in so schlechtes gewöhnliches Deutsch zu übersetzen, daß selbst Gelehrte durch ihre Arbeiten zu großen Misverständnissen verführt sind. Sodann erscheinen von Irrtümern wimmelnde Bücher aus andern Gebieten des Wissens unter lügnerischen Titeln, welche mit verdienstvollen Schriftstellern als angeblichen Verfassern prahlen, um dadurch desto mehr Käufer zu finden. Diese Übersetzer nun, ob sie in gutem oder schlechtem Glauben handeln, können nicht behaupten, daß die deutsche Sprache fähig sei, das genau wiederzugeben, was jene ausgezeichneten griechischen und lateinischen Autoren mit der sorgfältigsten Genauigkeit des Ausdrucks und der vollsten Kenntnis des Gegenstandes über die erhabenen Spekulationen des christlichen Glaubens geschrieben haben; sie müssen vielmehr einräumen, daß die Armut unserer Sprache ihre Bemühungen vereitelt und daß sie aus diesem Grunde gezwungen sind, ihr Hirn zur Erfindung neuer Ausdrücke zu martern, oder bei einzelnen alten Schriftstellern den Sinn zu entstellen, was Wir wegen der damit für die heiligen Schriften verbundenen Gefahr noch mehr fürchten, denn Wir besorgen sehr, daß, wenn sie nur die alten gebrauchen, sie den Inhalt der geoffenbarten Wahrheit ändern, woraus eine ungeheuere Gefahr für die heiligen Schriften entsteht. Wer aber gibt den ungebildeten Männern und Frauen, welchen die heiligen Bücher in die Hände fallen, die Fähigkeit, den richtigen Sinn herauszufinden? Wenn man z. B. den Text des Evangeliums oder die Briefe des heiligen Paulus prüft, so wird jeder unterrichtete Mensch sich leicht davon überzeugen, daß viele Stellen durch andere Schriften ergänzt werden müssen.“
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/007&oldid=- (Version vom 1.8.2018)