Behandlung der Presse eine in den einzelnen Teilen Deutschlands verschiedene war, so wurde sie mit dem Eintritt in dessen zweite Hälfte von Tag zu Tag gleichmäßiger, weil die Jesuiten in dieser Zeit ihren unheilvollen Einzug in Deutschland hielten und, mit kluger Vorsicht Schritt vor Schritt vorgehend, ihre sogenannte Gegenreformation, wo sie eben konnten, durchsetzten. Der Sieg wurde ihnen im allgemeinen nur zu leicht gemacht. Statt wie ein Mann dem gemeinschaftlichen Feinde gegenüberzutreten, zerfleischten die Protestanten einander selbst in ihrem Unfrieden und Zank, in ihrer Wortklauberei und Mißgunst – und das in einem Augenblick, wo sie der Wolf bereits an der Kehle packte! Schon die Reformatoren verfolgten ihre frühern, weiter gehenden und die Erneuerung des sittlichen Lebens stürmischer anstrebenden Anhänger. So suchte Luther ein Verbot der Karlstadtschen Schriften in Sachsen zu erlangen: derselbe Luther, welcher das Papsttum für noch lange nicht genug zerscholten, zerschrieben, zersungen, zerdichtet und zermalet hielt, rief schon 1525 die Censur für seinen nunmehrigen Standpunkt zur Hilfe. Die Lutheraner haßten die Zwinglianer ärger als die Katholiken, beide aber wüteten gegen die Wiedertäufer und sogenannten Schwarmgeister. Die protestantischen Fürsten ihrerseits liebten und förderten die Censur, weil sie mit ihrer Hilfe die wohlverdienten Anklagen wegen ihres Raubes von Kirchengut und Beispiel sonstiger Sonderzwecke oder gar Missethaten unterdrücken konnten. Die Patricier der Städte endlich fanden in der Censur eine mächtige Waffe zur Behauptung ihrer Herrschaft, kurz, die Protestanten hatten auch auf diesem Gebiete gar keine Ahnung von der Wirkung einer geschlossenen Opposition gegen den Kaiser, ja nicht einmal von den Folgen eines methodisch durchgeführten passiven Widerstandes.
Während nun im größten Teil von Deutschland der Übergang vom Katholizismus zum Luthertum sich leicht vollzogen hatte, stießen in denjenigen Landesteilen, in welchen die Fürsten dem alten Bekenntnis treu geblieben, die Einwohner aber zur Reformation übergetreten waren, die Gegensätze mit größter Erbitterung und selbst mit Grausamkeit aufeinander. Am schroffsten gestaltete sich dies Verhältnis in Österreich und in Bayern, deren Regenten alle Mittel in Bewegung setzten, um ihre abgefallenen Unterthanen zur alleinseligmachenden Kirche zurückzuführen. In den habsburgischen Erblanden hatte Luther, sofort nach seinem Auftreten in Worms, begeisterte Anhänger gefunden; noch bis zum Jahre
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 552. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/031&oldid=- (Version vom 1.8.2018)