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und der kirchenpolitischen Stellung dieser letztern vollzog sich dann jene Handhabung im Einklang mit der Staatsgewalt und unter ihrer thatsächlichen Direktive, oder im direkten Gegensatz zu ihr, ja im förmlichen Kampfe mit derselben. So zum Teil sogar in Österreich. Nicht ohne einen solchen energischen Widerstand vermochte die Jesuitenpartei die Oberhand zu gewinnen und die Preßpolizei an sich zu reißen. Die steirische Landschaft z. B., überwiegend dem protestantischen Glauben zugethan, hatte schon seit 1571 das Recht der Ausübung der Censur für sich in Anspruch genommen, auf dem Landtage zu Bruck 1578 auch formale Bestimmungen darüber getroffen. In den darüber mit der Staatsgewalt entstehenden Differenzen suchte sie nach Möglichkeit ihre Rechte gegenüber der Regierung, welche die Beaufsichtigung der Presse und des Druckergewerbes erklärlicherweise als ein überall anerkanntes landesfürstliches Regal bezeichnete, zu wahren. Nach hüben und drüben wurde mit Verboten vorgegangen, und die Nachwehen dieses Antagonismus zeigen sich noch bei Gelegenheit der Einführung des Gregorianischen Kalenders. Erst die definitive Austreibung der Protestanten aus Steiermark machte diesen eigentümlichen Verhältnissen ein Ende.[1] In Breslau bewahrte sich der protestantische Magistrat sogar bis weit in das 17. Jahrhundert hinein das Censurrecht. Noch im Jahre 1666 bethätigte er sein Selbständigkeitsgefühl, indem er eine als Pasquill charakterisierte Schrift Johann Schefflers (Angelus Silesius) gegen den leipziger Professor der Theologie Johann Adam Scherzer unterdrückte, und zwar, wie Scherzer rühmend betonte, „ohnerachtet er einen Päpstlichen Herren recognosciret“.[2]

Ähnlich wie in Österreich lagen die Dinge in Bayern. Hier wie dort herrschten der Kirche blind ergebene Fürsten, deren Politik Religion, und deren Religion wieder Politik war. Bayern unterschied sich höchstens dadurch von Österreich, daß seine Herzöge, außer eigensüchtigen Hausinteressen, kaum einen politischen Gedanken hatten und bei dem beschränkten Umfang ihres Gebiets auch nicht zu haben brauchten, während Österreich als Großstaat eine selbständige Politik verfolgte, auch ab und zu mit Rom zerfiel und auf die Dauer nicht hermetisch verschlossen werden konnte. Österreich benutzte vielfach die römische Kirche für seine Zwecke, Bayern aber ließ sich von der römischen Priesterschaft gehorsam für deren Interessen ausbeuten. Letzteres war deshalb jahrhundertelang


Fußnoten

  1. Schlossar, A., Gratzer Buchdruck und Buchhandel im 16. Jahrhundert. Im Archiv IV, 62–68.
  2. Archiv IX, 148.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 557. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/036&oldid=- (Version vom 1.8.2018)