zu nehmen ist – zu längeren Weiterungen für sie. Die frankfurter Buchhändler, deren Besorgnisse wegen einer etwaigen Schädigung des Meßverkehrs von neuem erregt wurden, gaben jedenfalls den Anstoß dazu, denn auf Veranlassung des frankfurter Rats wurden die Endter von ihrer Obrigkeit zur verantwortlichen Vernehmung gezogen. Der Abgesandte Frankfurts hatte sich auf dem engern Städtekonvent zu Ulm bei dem nürnberger Ratsfreunde über den von den Endtern gethanen Schritt beschwert. Auf Vorhalt behaupten sie, daß ja Harttung bei seinem Vorgehen im Jahre 1668 als Mandatar verschiedener Buchhändler nur das Beste gewollt habe. Die damaligen Motive hätten auch noch jetzt Geltung, Nachdruck und Preissteigerung nähmen immer mehr überhand; es sei dahin gekommen, daß man die guten Bücher erst in Frankfurt unter der Judenschaft suchen müsse. Darum hätten sie sich mit andern Buchhändlern zusammengethan, um vereint die Aufgabe der Kommission zu unterstützen, was ja nur zum Nutzen Frankfurts gereichen könne. Geschickt verwandten hiergegen die Frankfurter in einer langen Auseinandersetzung der alten Gründe gegen die Taxe den Umstand, daß gerade die Endter sich 1657 vor Allen gegen die Taxe ausgesprochen hätten; was sollte auch eine Taxe nützen, wenn sie bloß für Frankfurt, nicht auch für Leipzig, Linz, Hamburg und Köln und andere Orte Geltung habe.
Nach Ansicht des frankfurter Rats war eigentlich, wie er an die Nürnberger schreibt, keine Ursache zu Klagen vorhanden, wenn nur alle Buchhändler an dem geschlossenen Vergleiche festhielten, und wäre daneben zu wünschen, daß nicht allein die Frankfurter, sondern auch gar viele fremde Buchhändler die Judengasse nicht so wohl hätten kennen lernen, daß man auch deren gute Bücher in der gedachten Gasse suchen und er, der Rat, die Fremden ad videndum distrahi pignora citieren müßte.[1] Jetzt handle es sich aber nur darum, daß die Endter und Harttung fast allein die neue kaiserliche Kommission in Thätigkeit zu erhalten suchten, um die Taxe durchzusetzen, obgleich sie den Vergleich mit unterschrieben hätten. Die Endter sollten um so eher gutwillig die Hand von ihrem Vorhaben zurückziehen, weil ihr Vater und sie in den frankfurter Messen ihren Buchhandel mehrenteils erworben und verstärkt hätten.
Auf weitern Vorhalt ihrer Obrigkeit erboten sich endlich die Endter im Februar 1672, für den Fall, daß der frankfurter Rat in der bevorstehenden
Fußnoten
- ↑ Verboten war den Juden der Handel mit Büchern nicht. Sie hatten die neu aufkommende Waare ebenso in ihren Geschäftskreis gezogen, wie die christlichen Kaufleute, und wie aus diesen, entwickelten sich nach und nach aus den mit Büchern handelnden Juden auch jüdische Buchhändler. Gab es doch sogar jüdische Buchdruckereien; eine in Öls bestehende wurde 1536 durch Sturm verwüstet. Speziell in Frankfurt, von dem hier hauptsächlich die Rede ist, finden sich mehrfach jüdische Buchhändler. So ließ der Jude Simon zum Gembs in den Jahren 1578 fg. bei Ambrosius Froben in Basel den Talmud drucken, wie es scheint sogar als Vertreter einer jüdischen Verlagsgenossenschaft. (Vergl. H. Pallmann, Ambrosius Froben von Basel als Drucker des Talmud. Im Archiv VIII, 44–61.) – In der Natur der Sache lag es, daß die jüdischen Buchhändler sich auf Verlag und Vertrieb jüdischer Litteratur legten, für die sie ja bei ihren Glaubensgenossen ein fruchtbares Feld der Thätigkeit fanden. Erst nach längerer Zeit scheinen sie sich auch mit andern Zweigen der Litteratur befaßt zu haben. In Frankfurt war es 1614 den Juden ausdrücklich verboten worden, mit eingebundenen Büchern zu handeln – implicite ein Beweis, daß ihnen der Buchhandel an sich nicht verboten sein konnte. Aber mit der Zeit scheint diese Bestimmung, jedenfalls auch wegen Geldbedürftigkeit mancher christlichen Buchhändler, in Vergessenheit geraten zu sein, und auch die im Texte erwähnten Klagen dürften vorläufig keinen Erfolg gehabt haben. Erst lange nachher, am 19. September 1686, richteten die frankfurter Buchhändler eine Eingabe an das Bücherkommissariat, worin sie die Ursachen der eingerissenen Übelstände folgendermaßen darstellen. „Die Practiquen aber Vnd verbotten Weg“, heißt es darin, „durch welche die Juden so hoch gestiegen, bestehen vornemlich darinn, daß Sie dürfftige Druckgesellen vnnd Jungen dahin bereden und verführen, daß Sie verbottenerweiß Ihnen bey auflegung der Bücher einen sehr großen nachschuß auff 200 biß 300 Exemplaria Thuen lassen, und weil Sie solche wohlfeil haben und weith geringer geben können alß der Verleger, so wird solcher in sehr großen Schaden gesezet, ia wohl gar ruiniret. 2) so wissen Sie der Buchhändler Gesinde zu verleithen, daß Sie viel Bücher Ihren Herrn entwenden, und Ihnen den Juden vmb ein geringes zu bringen, und weil Sie solche wieder verkauffen, so wächset dehnen Buchhändlern gedoppelter Schaden Zue. 3) verleithen Sie verarmbte Buchführer, daß Sie auf credit ziembliche anzahl Bücher bey andern Buchhändlern nehmen, so sie den Juden sehr wohlfeil wieder zuschlagen, Jene aber betrügen, 4) weilen sehr Viel von denen Buchhändlern Vnnd Druckhern, bey schlechten Mitteln seind, Vnnd geld bedürffen, so müßen Sie den Juden 40 biß 50 pro Cento geben, wie Sie dann dergleichen Interesse abzuführen nicht vermögen, so bekommen Sie noch Vber dißes dero Bücher vor ein spott, oder obligiren Sie dahin, daß Sie Sie unter der Spedition Ihres Nahmens Ihr ohn und Privilegirte Bücher Druckhen laßen müßen, wordurch Sie zu gleich Kayserliche Privilegia mißbrauchen, dero genuß Ihnen also Verbottener weiß zu wächst. Ja Sie vnterstehen sich heimblich große und importante Bücher mit fälschlich auftruckung des Kayßerlichen Adlers und Privilegien nach zu Truckhen und auf Zulegen, welche über diß Sich sehr vitios befinden, der gestalt daß mehrmahlen der ganze Sensus turbiret und corrumpiret ist, und Zwar solche Bücher, woran dem ganzen Römischen Reich viel gelegen, daß solche wohl und recht corrigiret werden mögen. Bey andern nach Truckhen aber, behalten Sie je zu weihlen die alten Jahr Zahlen und sezen daß auf solche Zeit ertheilte Privilegium mit bey, wie mit etlichen Topographieen, Hornaei Ethica, Josaei Medulla und andern mehr beschehn wodurch das Kays. Commissariat nicht wenig defraudirt und die Kays. Privilegia mißbraucht werden.“ Veranlassung zu dieser Eingabe gaben die damals wieder einmal auftauchenden Klagen über den Verfall des Buchhandels, die nächste vielleicht eine Bittschrift der Frankfurter Bücher-Juden, wie sie sich einmal unterzeichnen, an den Kaiser. Am 28. Mai 1685 waren nämlich die Kinder und Erben des Anselm (Ambsel, Amselleß) zur Meysen und David zum Schiff bei dem Kaiser darum eingekommen, daß ihnen das dem Amsel und David erteilte Buchhandelsprivilegium nach dem Tode des Erstern bestätigt werden möchte. Die Bücherkommissare waren jedenfalls beauftragt gewesen, über diese Angelegenheit Bericht zu erstatten. Unter dem 14. Juli 1685 schreiben sie nach Wien, die Buchführer (natürlich die Frankfurter) beklagten sich fast allgemein, daß ihnen von den Juden großer Eintrag im Handel geschehe, indem diese es durch einen großen Vorrat von Büchern, die sie mittels allerhand Praktiken an sich brächten, folglich wohlfeiler verkaufen könnten, dahin brächten, daß den Buchführern ihre Bücher liegen bleiben. Aber, fügen die Bücherkommissare hinzu, die Buchführer seien selbst daran schuld; Mancher unternehme den Verlag kostspieliger Werke, ohne die Mittel dazu zu haben, und suche diese dann bei den Juden; wenn dann, wie es oft geschehe, der Buchführer nicht solvent sei, so müsse der Jude, um zu seinem Gelde zu gelangen, nolens volens Bücher anstatt Geld annehmen, deren Verkauf ihm dann nicht wohl zu verbieten sein würde. Es sollte, meinen sie, den Juden verboten werden, Buchführern ferner Geld vorzuschießen, diesen aber, bei jenen Geld aufzunehmen oder selbige heimlich zu sich in den Buchhandel zu ziehen, und zwar bei namhafter Strafe. Im folgenden Jahre erstatteten dann die frankfurter Buchhändler den oben angezogenen Bericht an die Bücherkommission. Wenn nun auch hier, wie in den meisten solchen Schriftstücken, die Farben ziemlich stark aufgetragen sein mögen, so war doch gewiß die Konkurrenz der Juden so drückend geworden – vielleicht wirkte auch hier und da der Wunsch mit, sich der den Juden gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten möglichst leicht zu entledigen – daß die frankfurter Buchhändler sich erboten, den Juden die bereits in ihren Händen befindlichen Bücher ballenweise gegen den üblichen Preis abzunehmen. Wenn ihnen dies nicht anstünde, möchten sie dieselben in ein besonderes Magazin stellen, darüber ein Inventar aufnehmen und sie in einen gewissen Preis setzen und durch dasige Buchhändler verkaufen lassen. Wollten sie aber selbige selbst verkaufen, so müßten sie ein gerichtliches Inventar der Vorräte aufstellen lassen und dann Buch und Rechnung darüber führen, an wen und wann sie ein jedes Stück verkauft hätten. Verkauften sie dagegen irgend ein in dem Inventar nicht enthaltenes Buch, so müßten sie jedesmal eine hohe Strafe verwirkt haben. Übrigens sollte den Juden der Buchhandel dergestalt verboten werden, daß ihnen nicht erlaubt sei, mit jemand öffentlich oder heimlich einen Handel betreffend Bücher zu schließen, solche zu verlegen, Geld darauf oder auf Druckereien vorzuschießen, und wann sie in Verlust gerieten, sollten sie mit dem Erlöse der etwa zu verkaufenden Bücher zufrieden sein. Den Buchhändlern sekundierte durch einen Bericht an den Kaiser vom 10. Januar 1687 der Kurfürst von Mainz – ob durch Gewissensbedenken dazu gedrängt, oder durch die Buchhändler veranlaßt, muß dahingestellt bleiben. Die frankfurter Juden, schreibt er, hätten sich seit einiger Zeit unterstanden, sich den Handel mit allerhand weltlichen und geistlichen Büchern anzumaßen. Hierdurch hätten sie nur mehr Gelegenheit die christliche Religion zu lästern und derselben zu spotten, auch schädigten sie dadurch des Kaisers Interesse und Rechte. Er bitte daher, denselben den Bücherhandel allerdings und völlig zu verbieten und niederzulegen. Vorläufig aber blieb es beim alten. Nach einem Bericht des Ratsschreibers vom 14. Juni 1688 hatten sich die Buchhändler deshalb abermals beschwert, „dieweil die Juden in der buchgaßen läden und gewölben bestanden, mit büchern angefüllet, und die leut in dieselbe in jetzo angegangener Meß rufeten und schleiffeten“. Es möchte denselben vorläufig wenigstens anbefohlen werden, „daß Sie obgedachte Ihre läden und gewölber räumen, deß bücher schleppens und außstellung der schildwachten, an sich zieh: und verführung der kaufleut gäntzlich enthalten sollen“. Trotz einem Gesuche der Juden Beyfuß zum Hinterhecht und Löser zum Strauß beschloß der Rat am 15. Juni 1688, daß den Juden bei 300 Thaler Strafe auferlegt werden solle, die Läden und Gewölbe, welche sie um und in der Buchgasse hätten, innerhalb 14 Tagen zu räumen, die Bücher in ihre Gasse zu transferiren, weder für sich selbst noch für andere hausieren zu gehen, keine Bücher mehr, sie seien gebunden oder ungebunden, und was dem Buchhandel angehörig an sich zu bringen oder Geld darauf zu leihen, im Gegenteil aber die verpfändeten Bücher ohne Entschädigung herauszugeben. Wie gewöhnlich, wurde diese Vorschrift natürlich entweder nicht befolgt, oder umgangen. Ein neuer Streit entbrannte im Jahre 1695. Unter dem 7. Januar kamen Nathan zum güldenen Strauß (der Sohn von Anselm zur Meisen) und David zum Schiff abermals mit der Bitte bei dem Kaiser ein, sie bei dem ihnen erteilten Buchhandelsprivilegium zu schützen, da die Buchhändler von neuem gegen sie vorgegangen wären oder vorgehen wollten. Sie ließen kein Buch drucken, hätten also keinen andern Verlag als, was die Buchführer bei ihnen versetzt und weil sie es nicht wieder eingelöst, als Zahlung anheim gegeben hätten, oder auch gar verkauften, und wenn sie ja etwas Neues druckten, geschähe es nur, um alte ihnen versetzte und anheim gegebene Bücher an den Mann zu bringen. Nach einem Bericht an den Kaiser vom 23. März 1695 hatte aber der Rat den Juden anbefohlen von dato an keine Bücher mehr zu kaufen oder sonst an sich zu bringen, auch des Buchhandels außerhalb ihrer Gasse sich zu enthalten und zu dem Ende ihre „Kammern“ und Gewölbe, die sie sonst in der Stadt hätten zu räumen oder doch, so viel sie zum Vertriebe an Büchern nötig hätten, in ihre Häuser zu bringen. Hierauf sollten erwähnte Niederlagen und Gewölbe geschlossen werden, doch so, daß so oft sie etwa eines Buches bedürftig, solches ihnen verabfolgt werden sollte. Mitten in der Zahlwoche war dieser Beschluß auch unter Assistenz mehrerer Buchhändler ausgeführt worden. Nach Vorschlag der christlichen Buchführer sollten dann die Juden innerhalb Jahresfrist sich der in ihren Händen befindlichen Bücher entledigen, die dann noch übrigen aber durch Auktion verkaufen. In einer abermaligen Eingabe an den Kaiser, vom 29. April 1695, sagen die Juden, sie hätten für mehr als 10000 Gulden Bücher annehmen müssen; sie seien aber nochmals erbötig, wenn die Buchführer ihnen alle ihre Bücher zu dem Preise, wie sie solche an dieselben verhandelten, gegen bare Zahlung Zug um Zug abnehmen, auch was sie schuldig mit barem Gelde bezahlen würden, alsdann des Buchhandels sich gänzlich zu enthalten. Diesen Vorschlag acceptierte man in Wien. Am 20. September erhielt endlich der kurpfälzische Kammerpräsident Freiherr von Sickingen den Auftrag, in Gemeinschaft mit dem Reichsfiskal, der Bücherkommission und dem frankfurter Rate einen gütlichen Vergleich zu versuchen, falls dieser aber nicht zu Stande komme, den Buchführern und Konsorten aufzugeben, daß sie den Juden ihre vorhandenen Bücher gegen billigen Preis auf einmal abkaufen, wenn sie sich aber dazu nicht verstehen wollten, denselben den freien Verkauf während der Messe und bis auf weitere Verordnung verstatten sollten. Die Verhandlungen scheiterten aber an der Renitenz des Rates und an dem Kostenpunkte. Der Reichsfiskal verlangte nämlich für Reise und Aufenthalt in Frankfurt 200 Thaler Entschädigung, und diese sollten die Juden vorschießen. Diese erklärten sich endlich zu Hergabe der Hälfte bereit, während die christlichen Buchführer, die die andere Hälfte tragen sollten, sich dessen weigerten. So blieb die Sache auch diesmal ohne Resultat.
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_10.djvu/102&oldid=- (Version vom 1.8.2018)