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Auch Gerhard packte seine Schraubenschlüssel, die er zu seiner Arbeit nötig gehabt hatte, zusammen und öffnete mit einem „Adieu, gnädiges Fräulein“ die Korridortür. Aber so sehr er auch die Ohren spitzte, kein Gegengruß wurde ihm zuteil. Verstimmt stieg er in das Erdgeschoß hinab und legte die Geräte in die kleine, unter der Treppe befindliche Kammer, wo Portier Sicharski allerhand Werkzeuge aufbewahrte. Dann suchte er sein eigenes Zimmer auf, das er der in der vierten Etage des Gartenhauses wohnenden verwitweten Rechnungsrätin Gruber abgemietet hatte. Dies war ein kleiner, einfenstriger Raum, den Gerhard sich aber mit allerhand selbst gerahmten, mit Geschmack ausgewählten Bildern, trotz der wenigen Möbelstücke, recht behaglich hergerichtet hatte. Nachdem er sich die Hände sorgfältig gewaschen und sein leicht gewelltes, gescheiteltes Haar nochmals übergebürstet hatte, machte er sich auf den Weg nach der Stadt. –

Eine Stunde später, gegen halb elf Vormittags, betrat er die Räume der in dem alten Franziskaner-Kloster untergebrachten Städtischen Gemäldegalerie. Die weiten, kühlen Säle waren fast vollkommen leer. Nur wenige Fremde standen hie und da vor einem der im Kataloge besonders hervorgehobenen Bilder. – Ohne die hier ausgestellten Kunstschätze irgendwie zu beachten, eilte der junge Mann in das letzte der großen Gemächer, in dem neben einigen italienischen Meistern, auch Rubens’ „Ratssitzung“, der Stolz der Xer Galerie, hing. Aber je mehr er sich dem sog. „Meister-Saal“ näherte, desto zögernder wurden seine Schritte. Schließlich überwand er aber doch diese Anwandlung von Kleinmut und betrat den Raum, in dem zur Zeit nur eine einzige Person anwesend war, ein junges Mädchen, das halb verborgen hinter einer Staffelei saß. Jetzt hörte die eifrig mit dem Anfertigen einer Kopie des Rubensschen Gemäldes Beschäftigte die

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/23&oldid=- (Version vom 1.8.2018)