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wo trotz der Einsetzung einer geordneten Zivil- und Strafrechtspflege nach wie vor der Grundsatz Geltung behielt, dass der Landesherr in die Tätigkeit seiner Gerichts- und Verwaltungsbehörden jederzeit persönlich eingreifen könne.[1]

ß) Die beschränkte Monarchie.

Eine beschränkte Monarchie liegt überall da vor, wo der monarchische Träger der Staatsgewalt bei der Ausübung der in der Staatsgewalt gelegenen Befugnisse nicht ausschliesslich seinen eigenen Willen entscheiden lassen kann. In welcher Weise sein Willen beschränkt ist – ob lediglich durch gewisse rechtliche Voraussetzungen und Formen der staatlichen Willensbildung, an deren Einhaltung sich der Monarch seinem Volke oder anderen Mächten gegenüber unwiderruflich gebunden hat, oder durch die rechtliche Notwendigkeit der Beiziehung irgendwelcher anderer Organe bei der Bildung des Staatswillens –, ist für die beschränkte Monarchie begrifflich gleichgültig, hat aber bestimmende Bedeutung für die Unterscheidung der Unterformen der beschränkten Monarchie.

Es wird sich kaum entscheiden lassen, ob die absolute oder die beschränkte Monarchie das zeitlich frühere ist. Tatsächliche, wenn auch vielleicht nicht rechtliche, Beschränkungen des Alleinherrschers kennt jedenfalls schon das älteste uns bekannte Königtum der Aegypter.[2] Für das athenische Königtum ergibt sich das Vorhandensein bestimmter rechtlicher Einschränkungen des Monarchen schon aus dem jenes beherrschenden Gedanken der Volkssouveränität.[3] Auch das Kaisertum des Augustus und seiner Nachfolger ist ursprünglich jedenfalls keine unumschränkte Monarchie.[4] Ebenso wissen wir von den Germanen aus der Zeit des Tacitus und später, dass die Macht ihrer Könige keineswegs eine unbeschränkte war,[5] dass vielmehr gerade in den Anfängen des Königtums eine tätige Anteilnahme des Volks bei entscheidenden Staatsakten besteht.[6]

αα) Die ständische Monarchie.[7]

Die älteste, deutlich ausgeprägte Unterform der beschränkten Monarchie ist die ständische. Sie ging hervor aus dem Lehnsstaate und hat zum Kennzeichen das Vorhandensein bestimmter, körperschaftlich zusammengeschlossener Geburts- oder Berufsstände, deren Zustimmung der Landesherr zu zahlreichen wichtigen Regierungsmassnahmen, namentlich zur Steuererhebung und vielfach auch zur Gesetzgebung, bedurfte. Die Gliederung und Zusammensetzung, sowie die Befugnisse jener Stände – in der Regel Ritterschaft, Geistlichkeit, Städte (Bürgerstand) und zuweilen auch Bauernstand – waren in den verschiedenen Staaten und zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden.[8] Ihr wesentlichstes Recht, worauf die meisten ihrer sonstigen Befugnisse zurückgingen, war das Steuerbewilligungsrecht. Dieses aber erklärte sich aus der privatrechtlichen Staatsauffassung, welche dem Landesherrn nur die durch einen ausdrücklichen Erwerbstitel nachgewiesenen Hoheitsrechte zugestand und demnach namentlich auch die Steuererhebung von einer vorherigen Vereinbarung des Landesherrn mit den leistungsfähigen Kreisen des Staates abhängig machte. Wesentlich ist für die alten Landstände, dass sie ursprünglich lediglich als die privatrechtlichen Vertreter


  1. S. Otto Mayer, I. S. 38 ff.
  2. S. Erman, S. 84, und oben S. 133.
  3. S. oben S. 133.
  4. S. Nies, Staat und Gesellschaft der Römer, (in „Die Kultur der Gegenwart“. Teil II, Abt. IV. 2; 1910) 1910, S. 241 f.
  5. S. Wilutzky III., S. 21.
  6. S. Treitschke, II, S. 76; Heusler, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1905, S. 22 ff.; vgl. auch Meister, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. A. 1913, S. 15 ff. und die dort angegebene Literatur.
  7. S. Jellinek S. 679 (696) ff., Treitschke II, S. 80 ff.; Seydel, S. 490 ff.; Bornhak, Allg. Staatslehre, S. 94 ff.; Meyer-Anschütz, Deutsches Staatsrecht, Leipzig 1905, S. 86 ff.
  8. S. im einzelnen Schvarcz, Elemente der Politik, Berlin 1895, S. 57 ff. Vgl. auch Bornhak, S. 94 ff
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 1. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_1.pdf/161&oldid=- (Version vom 22.7.2021)