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verbundene Umladung verzögerte den Verkehr. Es machte sich daher das Bestreben geltend, die direkte Abfertigung zu ermöglichen. Dahin gehörte die Beförderung mittels durchgehenden Frachtbriefes, beim Personenverkehr die Einführung direkter Fahrkarten, direkter Tarife usw. Das endliche Ziel dieser Entwickelung war die Aufstellung einheitlicher Transportbedingungen durch Herausgabe gleichartiger Betriebsreglements (Verbandsreglements). Der V.D.E. gab 1847 ein Güter- und ein Personenvereinsreglement heraus. Die erste gesetzliche Regelung des Eisenbahntransportrechts erfolgte durch das Allg. D. Handelsgesetzbuch. Durch die Gründung des Norddeutschen Bundes und später des Deutschen Reiches wurde dieses gemeines Recht des Deutschen Reichs. Ferner erhielt das Reich eine weitgehende Zuständigkeit auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens, indem § 45 bestimmte, dass baldigst auf allen Eisenbahnen übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden sollten. Diese Forderung wurde dadurch erfüllt, dass der Bundesrat (für den Norddeutschen Bund) am 10. Juni 1870 ein Betriebsreglement für die Eisenbahnen im Norddeutschen Bunde einführte und nach der Gründung des Reiches mit dem 1. Januar 1872 auf alle Eisenbahnen im Reiche ausdehnte. (1874 revidiert.)

Für den inneren deutschen Verkehr wurde eine neue Verkehrsordnung für die Eisenbahnen Deutschlands am 15. November 1892, mit Geltung vom 1. Januar 1893 eingeführt. Dem am 1. 1. 1900 in Kraft getretenen HGB., dessen Bestimmungen das Frachtrecht in wesentlichen Punkten umgestalteten, folgte am 26. Oktober 1899 eine neue Eisenbahnverkehrsordnung (RGBl. 99 S. 557ff.) mit Geltung vom 1. Januar 1900, die jetzt wiederum durch die am 1. April 1909 in Kraft getretene EVO. vom 23. Dezember 1908 (RGBl. 1909 S. 93) ersetzt worden ist. Die EVO. ist dadurch, dass das HGB. selbst die Regelung bestimmter Gegenstände der Verkehrsordnung überweist, eine gesetzesgleiche Rechtsverordnung geworden.[1]

Die tarifarischen Bestimmungen der Verwaltungen zu den beiden Rechtsverordnungen haben nur reglementarische und keine gesetzesähnliche Kraft. Änderungen der EVO. können nur endgültig vom Bundesrat erfolgen; jedoch kann das Reichseisenbahnamt vorläufige oder vorübergehende Änderungen einzelner Vorschriften der EVO. allgemein oder für bestimmte Bahnstrecken oder Verkehrsbeziehungen im Einverständnis mit der Landesaufsichtsbehörde verfügen. Derartige Verfügungen werden im Reichsgesetzblatt veröffentlicht und im Reichsanzeiger bekannt gemacht.

Die Zunahme des Verkehrs drängte allmählich zu einer Regelung des internationalen Güterverkehrs auf der Grundlage eines Staatsvertrages. Diese Regelung erfolgte auf Anregung der Schweiz (1876) nach drei Konferenzen im Jahre 1890 durch die Berner Konferenz. Die Konferenz, an der Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Oesterreich-Ungarn, Russland und die Schweiz beteiligt waren, beschloss am 14. Oktober 1890 das internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr,[2] welches im wesentlichen auf den eisenbahnfrachtrechtlichen Normen des deutschen und französischen Rechts beruht. Das Übereinkommen trat am 1. Januar 1893 in Kraft. Das letzte Zusatzübereinkommen datiert vom 19. September 1906. Es enthält eine Reihe wesentlicher Abänderungen der Vereinbarung und ist am 22. Dezember 1908 in Kraft getreten. Die Revision findet alle 5 Jahre statt. Der Beitritt neuer Staaten erfolgt durch Anmeldung bei der schweizerischen Regierung. Beigetreten sind bisher Dänemark, Norwegen, Schweden, Rumänien, Bulgarien. Bereits unterm 30. Mai 1911 abgeschlossen, aber noch nicht ratifiziert, ist ein Int. Üb. über die Beförderung von Personen und Reisegepäck.

Seit dem Jahre 1902 besteht das internationale Transportkomitee, das für den internationalen Verkehr dieselbe Tätigkeit ausübt, wie die Generalkonferenz im Geltungsgebiete der Verkehrsordnung (§§ 2 u. 7). Dieses Komitee hat einheitliche Zusatzbestimmungen zu dem Übereinkommen ausgearbeitet, welche von sämtlichen Eisenbahnen – mit Ausnahme der russischen – eingeführt sind.

§ 6. Von besonderer Wichtigkeit ist die Verkehrsleitung (Instradierung). Während im Personenverkehr selbstverständlich dem Reisenden allein die Wahl des Weges auf Grund des Fahrplans


  1. Vgl. hierzu Laband, Staatsrecht I. §§ 58, 65. Eger, Kommentar zur E.V.O. S. 2. Zorn, Staatsrecht §§ 6, 7.
  2. Kommentar von Eger 3. Aufl. 1909.
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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/284&oldid=- (Version vom 27.9.2021)