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auf solche Lose. (§ 35 GO.) Für den Handel mit Dynamit ist ausserdem eine besondere Erlaubnis erforderlich.

4. Der Wanderhandel. Ein spezieller Abschnitt der GO. (Titel III) beschäftigt sich mit dem „Gewerbebetrieb im Umherziehen,“ zu dem auch der Wanderhandel (Hausierhandel, Wanderlager) gehört. Er ist weitgehenden Beschränkungen unterworfen.

Diejenigen Personen, die ausserhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes oder auch der durch besondere Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde dem Gemeindebezirke des Wohnortes gleichgestellten nächsten Umgehung desselben ohne Begründung einer gewerblichen Niederlassung und ohne vorgängige Bestellung Waren feilbieten, Warenbestellungen aufsuchen oder Waren bei andern Personen als bei Kaufleuten, oder an andern Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, bedürfen eines Wandergewerbescheins. Beschränkungen, vermöge deren gewisse Waren von dem Feilhalten im stehenden Gewerbebetriebe ganz oder teilweise verboten sind, gelten auch für deren Feilbieten im Umherziehen (S. o.). Ausgeschlossen vom Ankauf oder Feilbieten im Umherziehen sind: gebrauchte Kleider, gebrauchte Wäsche, gebrauchte Betten und Bettstücke, insbesondere Bettfedern, Menschenhaare, Garnabfälle, Enden von Dräumen von Seide, Wolle, Leinen oder Baumwolle, Gold und Silberwaren, Bruchgold und Bruchsilber sowie Taschenuhren, Spielkarten, Wertpapiere und Lose, explosive Stoffe, insbesondere Feuerwerkskörper, Schiesspulver und Dynamit, Petroleum, Spiritus, Stoss-, Hieb- und Schusswaffen, Gifte und gifthaltige Waren, Arznei- und Geheimmittel sowie Bruchbänder, Bäume aller Art, Sträucher, Schnitt-, Wurzelreben, Futtermittel und Sämereien, mit Ausnahme von Gemüse- und Blumensamen, Schmucksachen, Bijouterien, Brillen und optische Instrumente, Drucksachen und andere Schriften und Bildwerke, sofern sie in sittlicher oder religiöser Beziehung Ärgernis zu geben geeignet sind, oder mittels Zusicherung von Prämien oder Gewinnen vertrieben werden, oder in Lieferungen erscheinen, wenn nicht der Gesamtpreis auf jeder einzelnen Lieferung verzeichnet ist. – Ausgeschlossen vom Gewerbetrieb im Umherziehen sind ferner: Das Aufsuchen sowie die Vermittlung von Darlehnsgeschäften oder von Rückkaufsgeschäften ohne vorherige Bestellung sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Wertpapiere und Lose; das Aufsuchen von Bestellungen auf Branntwein und Spiritus bei Personen, in deren Gewerbebetrieb dieselben keine Verwendung finden. Durch die Landesregierungen kann zur Abwehr oder Unterdrückung von Seuchen der Handel mit Rindvieh, Schweinen, Schafen, Ziegen oder Geflügel im Umherziehen Beschränkungen unterworfen oder auf bestimmte Dauer untersagt werden. – Verboten ist ferner der Wanderhandel in Verbindung mit Ausspielung, sowie Versteigerung von Waren, sofern nicht von der zuständigen Behörde bei rasch verderbenden Waren Ausnahmen zugelassen sind. – Eine ganze Reihe von Bestimmungen bezieht sich auf den Wandergewerbeschein und dessen Ausstellung (§§ 56a – 63 der G.O.). Darauf näher einzugehen, würde hier zu weit führen.

Ganz besondere Einschränkungen hat der Wanderlagerbetrieb erfahren, der zwar in der Gewerbeordnung keine wesentliche Sonderstellung einnimmt, aber durch die Steuergesetzgebung gefasst wird. In den meisten Bundesstaaten wird von den Wandergewerbetreibenden eine besondere Steuer erhoben, wogegen sie in der Regel von der eigentlichen Gewerbesteuer befreit sind. In Preussen hat diese Steuer 48 Mark jährlich betragen, sie kann aber auf 6 Mark ermässigt und auf 144 Mark erhöht worden. Hierzu ist noch eine besondere Wanderlagersteuer gekommen, die ausserhalb der Markt- und Messzeit für jede angefangene Woche erhoben wird, 30, 40 oder 50 Mark beträgt und den Kreisen oder Gemeinden zufällt. Ähnlich in vielen anderen Bundesstaaten. In Sachsen muss von Wanderlagern für jede Woche 60 Mark, für Wanderauktionen (s. o.) sogar für jeden Tag 60 Mark bezahlt werden. Diese Steuergesetzgebung hat fast völlig prohibitiv gewirkt.

5. Der ambulante Gewerbebetrieb. Hierunter ist das Feilbieten von Haus zu Haus oder auf öffentlichen Wegen, Strassen, Plätzen etc. innerhalb des Gemeindebezirks des Wohnortes oder der gewerblichen Niederlassung durch den Inhaber der letzteren zu verstehen.

Die Bestimmungen über die vom Wanderhandel ausgeschlossenen Waren gelten auch hier, mit Ausnahme von Bier und Wein in Fässern und Flaschen. Weitere Ausnahmen sind zulässig. (§§ 42ff. der GO.) Durch die höhere Verwaltungsbehörde oder durch Beschluss der Gemeindebehörde mit Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde kann für einzelne Gemeinden bestimmt werden, dass Personen, welche in dem Gemeindebezirk einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung haben, und welche innerhalb des Gemeindebezirks auf öffentlichen Wegen, Strassen oder Plätzen oder an andern öffentlichen Orten, oder ohne vorherige Bestellung von Haus zu Haus Waren feilbieten, Waren bei andern Personen als bei Kaufleuten oder solchen Personen, welche die Waren produzieren, oder an andern Orten als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen, oder Warenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waren der angebotenen Art keine Verwendung finden, aufsuchen, der Erlaubnis bedürfen. Diese Bestimmung kann auf einzelne Teile des Gemeindebezirks sowie auf gewisse Gattungen von Waren und Leistungen beschränkt werden. Sog. Stadtreisende bedürfen demnach, wenn ein solcher Erlass vorliegt, der Erlaubnis.

6. Der Handlungsreisende. (§§ 44 und 45 der GO.) Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, ist befugt, auch ausserhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung persönlich

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/319&oldid=- (Version vom 6.10.2021)