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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2

entsprechende Vertretung in den parlamentarischen Körperschaften zu verschaffen. (§ 2 d. S.)

Die Mitglieder müssen deutsche Reichsangehörige sein und einem der christlichen Bekenntnisse angehören (§ 3 d. S.).

Die Organe des Bundes sind (§ 6 d. S.):

a) Die General-Versammlung.
b) der Ausschuss,
c) der Bundesvorstand.
d) das Direktorium.

Die General-Versammlung beschliesst mit verbindlicher Kraft in allen Bundesangelegenheiten, soweit sie nicht von anderen Bundesorganen zu besorgen sind. Der Ausschuss besteht aus dem Gesamtvorstand und den Vertretern der einzelnen Bundesstaaten. Er wählt den Bundesvorstand und beschliesst über die Verwendung des Vermögens. Der Gesamtvorstand besteht aus 14 Mitgliedern:

1. den beiden Vorsitzenden,
2. 11 anderen Mitgliedern,
3. dem Direktor.

Die Mitglieder zu 1 und 2 bekleiden ihr Amt als Ehrenamt, die beiden Vorsitzenden und der Direktor bilden den engeren Vorstand.

Die Organisation des Bundes wird in folgender Weise geregelt (§ 25 d. S.); es werden gebildet:

1. Ortsgruppen,
2. Hauptgruppen,
3. Bezirksabteilungen,
4. Wahlkreis-Abteilungen,
5. Provinzial- und Landes-Abteilungen.

Sämtliche Vorsitzende und Stellvertreter werden von den in der betreffenden Gegend eingesessenen Bundesmitgliedern gewählt. Der Mindestbeitrag beträgt 3 M.; als Beitragsnorm gilt in Preussen die Grundsteuer, sonst die landwirtschaftlich benutzte Fläche. Die Gewährung wirtschaftlicher Vorteile: Buchführung, Beschaffung von Original-Saatgut, Futtermitteln und künstlichen Düngemitteln, landwirtschaftlichen Maschinen, Trichinenentschädigung, Raterteilung in Rechts- und Versicherungsfragen, Vermittlung von Kreditauskünften erfolgt durch die „Verkaufsstelle des B. d. L.“, G. m. b. H. Die Genossenschaftliche Zentralkasse des B. d. L., zum Zwecke der Finanzierung von Genossenschaften und zum bankmässigen Verkehr mit den Mitgliedern des B. d. L. gegründet, nimmt Depositeneinlagen entgegen und verzinst diese mit 3½%. Auch wird sachgemässer Rat in Hypotheken-Angelegenheiten erteilt.

Von den 327 470 Mitgliedern des B. d. L. wohnen westlich der Elbe 183 130, östlich der Elbe 144 340; dem Gross-Grundbesitz gehören an 1733.

Die deutschen Landwirte sind von Natur wenig geneigt, sich politisch zu betätigen. Einmal erschwert die Eigenart ihres Berufs, die ausserordentliche Verschiedenheit der wirtschaftlichen Verhältnisse und das getrennte Wohnen einen Zusammenschluss, sodann aber war die Landwirtschaft von jeher daran gewöhnt, die Fürsorge für ihre Bedürfnisse der Regierung zu überlassen. Das war angängig, solange Deutschland überwiegender und exportierender Agrarstaat war, musste sich aber ändern mit der zunehmenden Ausdehnung der Industrie, der gesteigerten Einfuhr ausländischer, landwirtschaftlicher Erzeugnisse und dem dadurch verursachten Sinken der Preise derselben. Fürst Bismarck, selbst Landwirt, erkannte die veränderten Verhältnisse und vollzog deshalb den Übergang zur Schutzzollpolitik. Im Vertrauen auf seine Einsicht und Fürsorge wartete die Landwirtschaft, trotz immer steigender Lasten und Löhne und stetig fallender Preise ihrer Erzeugnisse, ruhig die Weiterentwicklung ab.

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 2. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_2.pdf/75&oldid=- (Version vom 5.9.2021)