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des seminaristischen Unterrichts steht, mehr noch als jenes Bedürfnis anerkannt werden muss. Es besteht darin, dass eine gründliche Bildung auf irgend einem wissenschaftlichen Gebiet überhaupt nur durch eigene, soviel als möglich selbständige Arbeit erworben werden kann, dass aber zu dieser Arbeit zunächst eine Anleitung erforderlich ist, wie sie nur in dem Verkehr zwischen Lehrern und Schülern, den die akademischen Seminarien gewähren, möglich ist. Dabei handelt es sich keineswegs darum, dass diese wissenschaftliche Selbsttätigkeit sich auf alle Gebiete erstrecken müsse, in denen der Studierende so viel als möglich ein selbständiges Urteil gewinnen soll. Vielmehr wohnt auch hier der eigenen Arbeit die Kraft inne, dass sie über ihr engeres Gebiet hinaus in die Methode wissenschaftlicher Untersuchung überhaupt einführt und dadurch zur Kritik der Leistungen anderer befähigt. Gerade dies kann aber durch das bloss rezeptive Studium niemals erreicht werden. Man muss eben in der Wissenschaft wie in der Kunst bis zu einem gewissen Grade selbst produzieren können, um die Erzeugnisse fremder Tätigkeit zureichend zu würdigen.

Schliesslich ist noch eine Seite der praktischen Seminararbeit hervorzuheben, die, während die vorige der Gesamtheit der Heranzubildenden zugute kommt, der Ausrüstung der Hochschule selbst mit tauglichen Lehrkräften dient. Je grösser die Zahl der Studierenden wird, die in den Seminarien die Anleitung zu eigener wissenschaftlicher Arbeit suchen, um so mehr bedarf der Leiter eines solchen Seminars selbstverständlich der Hilfskräfte, der Assistenten, die ihn unterstützen. Indem die Assistenten im allgemeinen aus den älteren Studierenden hervorgehen, aus deren Zahl naturgemäss wieder die am meisten Befähigten zu solchen Stellungen gesucht werden, bilden die letzteren die einzig richtige Vorschule zu künftiger eigener Dozententätigkeit. Sie bieten dabei zugleich dem Einzelnen eine Gelegenheit, seine Befähigung zum akademischen Beruf zu erproben, wie sie durch kein anderes Mittel ersetzt werden kann, während doch dabei den Enttäuschungen vorgebeugt wird, die nur zu oft gerade in den Geisteswissenschaften jungen Männern bevorstehen, die sich, ohne in dieser Weise ihre Kräfte erprobt zu haben, den Wechselfällen der akademischen Laufbahn anvertrauen.



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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/161&oldid=- (Version vom 21.11.2021)