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ja allerdings auch etwas verdienen. Dergestalt ist von einer reinlichen Gegenüberstellung der einzelnen Staaten und ihres Erwerbslebens gar keine Rede mehr.

Am auffallendsten ist dies bei der Bestellung von Kriegsmaterial. Ein jeder Staat kann irgend einmal der Feind eines anderen Staates werden. Allein selbst dem Lande, das in nächster Zukunft aller Voraussicht nach feindlich wird, werden bereitwilligst von dem zukünftigen Gegner Patronen und Geschütze und ganze Kriegsschiffe geliefert. Fortwährend bezog Deutschland Kriegsschiffe von England, während eine englische Fabrik, bei der der Kolonialminister Chamberlain in eigener Person beteiligt war, kurz vor Oktober 1899 einen stattlichen Posten von Patronen an die Buren lieferte. Wenn solches zur Zeit des Krieges selbst getan wird, wie denn chinesische Häuser 1894 Kriegsmaterial nach Japan lieferten, so wird das füglich Hochverrat genannt (obwohl jene Chinesen nicht bestraft wurden), geschieht es aber unmittelbar vor dem Ausbrauch des Krieges, so ist die Tat nach heutigem Gesetze straflos. Füglich konnte jedoch Admiral v. Lans darüber ergrimmt sein, dass sein „Iltis“ vor Taku durch deutsche Kruppkanonen beschossen wurde. Krupp behauptet, dass er nur durch Lieferungen ins Ausland gedeihen kann.

Derartige internationale Verzettelungen sind im grossen und ganzen kein Hindernis für den Aufschwung der Nationalwirtschaft. Es sind Prämien, die man dafür an das Ausland zahlt. Und in letzter Linie kommt die Stärkung anderer Länder auch dem eigenen, auch dem deutschen Markte zu Gute. Welche Befürchtungen hat man nicht vor dem durch Schutzzoll geförderten Wachstum der nordamerikanischen Industrie und vor der Invasion des selbständig gewordenen ostasiatischen Grossgewerbes gehegt! Das Gegenteil ist eingetreten. Unsere Ausfuhr ist sowohl nach Amerika, als auch nach Japan fortwährend gestiegen. Je leistungsfähiger die einheimische Industrie in Amerika und Japan wurde, um so grössere Bestellungen machte sie in Deutschland wie in anderen Kulturstaaten, um ihre Leistungen auf der Höhe zu halten und noch immer mehr zu steigern. Man bedenke nur, dass jede neue Fabrik, jede Werft, die frisch errichtet wird, eine ganze Anzahl wertvoller Maschinen von aussen bezieht.

Zu den überseeischen Bestrebungen Deutschlands gehört endlich auch die Errichtung und die Tätigkeit der Missionen. Ihre Wirksamkeit entfaltet sich vornehmlich im Gebiete der „Heiden“ und in der Welt des Hinduismus und Buddhismus, während der Islam bisher allen Versuchen zur Bekehrung spröde widerstrebt hat. Ausführliches bringt über den Gegenstand das erschöpfende Buch von Warneck „Geschichte der evangelischen Missionen“. Die ältesten deutschen Missionen wurden von den Herrnhutern gegründet, von denen einer, Ziegenbalg, schon um 1720 nach Indien gelangte. Jänecke rief 1800 die Missionsgesellschaft zu Berlin ins Leben; 1815 wurde die Baseler Missionsgesellschaft gegründet, die noch jetzt mit grosser Emsigkeit arbeitet, und die aus dem deutschen Reiche ihre Inspektoren und Lehrer, wie die meisten ihrer Sendlinge, und einen grossen Teil ihrer Einnahmen bezieht. Im Jahre 1824 entstand die Gesellschaft zur Beförderung des Evangeliums unter den Heiden zu Berlin, 1828 die Rheinische Missionsgesellschaft in Barmen, 1836 die Norddeutsche Mission in Hamburg, dann Bremen, die Gossnersche in Berlin, und die evangelisch-lutherische in Dresden, dann Leipzig, endlich 1894 die Hermannsburger Missionsgesellschaft durch den Hannoveraner Harms, die z. B. für Natal und Zululand massgebend wurde. Ein Frauenverein für christliche Bildung des weiblichen Geschlechts im Morgenlande tat sich 1842 auf, und 1850 der Berliner Frauenmissionsverein für China. Ein Jerusalemverein wurde 1852 in Berlin errichtet. Eine frische Regsamkeit erblühte im neuen Deutschen Reiche. Jenssen stiftete 1877 die schleswig-holsteinische, Doll 1882 die Neukirchener Mission, beide mit pietistischem Einschlag. Aus liberalem Geiste ging der allgemeine evangelisch-protestantische Missionsverein 1884 hervor, für den der Grossherzog von Weimar und Oberkonsistorialrat Ehlers viel taten. Weiter wäre die Seemannsmission und die Auswanderermission zu nennen. Die Kolonialära brachte sodann eine ganze Reihe von evangelischen und katholischen Kolonialmissionen hervor. Um die Wende des Jahrhunderts betrug die Zahl der deutschen ev. Missionaren getauften Heidenchristen an 4 320 000. In vierzig Sprachen wurde der Unterricht erteilt. Ueber die Zahl derer, die von deutschen Katholiken bekehrt wurden, scheint keine Statistik vorhanden zu sein.

Manche Missionare sind bedeutende Sprachenforscher und Historiker. So schrieb Haas eine grundlegende Geschichte des Christentums in Japan, und Christaller und Meinhof sind die ersten

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/290&oldid=- (Version vom 9.12.2021)