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in die Reihen des Feindes zu lanzieren. Bei genügender Aufmerksamkeit wird man sicher bessere Erfolge damit erzielen, als die Oesterreicher 1849 vor Venedig erzielt haben.

Fallschirme haben nur eine sekundäre Bedeutung, indem sie entweder als Rettungswerkzeuge dienen oder dazu verwendet werden, Beobachtungsoffiziere herabschweben zu lassen, die ihre Meldungen persönlich abgeben sollen, wenn eine Landung des Luftschiffes zu zeitraubend sein würde.

Die Haupttätigkeit fällt in einem zukünftigen Kriege den Luftschiffen und Flugzeugen zu, die sich wirksam ergänzen. Diese haben in den meisten Fällen die grössere Geschwindigkeit für sich, jene dafür die Möglichkeit, das Ergebnis der Erkundung durch Funkspruch sofort zu melden. Das grosse Ziel, das Luftschiffe für die Beschiessung bieten, zwingt sie weiter vom Gegner abzubleiben oder sich in niedrig ziehenden Wolken zu verbergen, was in den Manövern schon vielfach mit Erfolg versucht worden ist. Luftschiffe sind hinwiderum für die Nacht geeigneter als Flugzeuge, ausserdem können sie ein weit höheres Gewicht von Sprengmunition an Bord nehmen. Ihre Flugsicherheit ist überdies viel grösser als diejenige der Flugdrachen. Diese werden namentlich in schwer begangbaren, durch Sümpfe, dichte Wälder, Flüsse usw., durchsetzten Gelände auch der Beförderung von Befehlen und Meldungen dienstbar gemacht werden. Die Verbindung der eigenen Truppe mit dem Oberkommando wird durch Flugzeuge schneller als durch Kavallerie erfolgen können. Ihre grosse Schnelligkeit erhöht noch die Vorteile, die die Wahl des direkten Luftlinienweges mit sich bringen.

C. Der Zukunftskrieg.

Sofort nach erfolgter Mobilmachung werden alle Luftgeschwader an die bedrohten Grenzen befohlen. Im Frieden schon sind genau die Aufgaben festgelegt, die den Luftschiffen und Flugzeugen zufallen. Die Verwendung im Osten gegen Russland wird wegen der weiten Ausdehnung dieser Grenze und aus anderen Gründen wahrscheinlich nicht so umfassend ausfallen können, wie im Westen gegen Frankreich und England. Mit grossen Mengen Sprengstoffen an Bord werden die Luftschiffe, von Strassburg, Baden-Oos, Mannheim, Frankfurt a. M. und Cöln nach Frankreich fliegen, um Brücken, wichtige Eisenbahnverbindungen, Tunneleingänge sowie Luftschiffhallen und Flugzeugschuppen durch Bombenwurf zu zerstören. Alle Privatluftschiffe, also vornehmlich diejenigen der Delag werden sofort vom Heere übernommen. Ein Teil der Luftschiffe wird nach England entsandt, dessen insulare Lage durch die Möglichkeit eines Luftkriegs tatsächlich ernstlich bedroht ist.

Zur Abwehr der Angriffe hat der Feind an allen wichtigen Punkten Abwehrgeschütze, Posten und Scheinwerfer aufgestellt. Vornehmlich werden nämlich die Luftschifführer ihr Ziel bei Nacht zu erreichen suchen, wenn niedrig ziehende Wolken sie tagsüber nicht der Sicht entziehen. Das Geräusch der Luftschrauben erleichtert allerdings die Abwehr, aber die eigenen Scheinwerfer müssen versuchen, baldmöglichst den Standpunkt der feindlichen Geschütze zu finden, damit sie die Bedienung durch ihr eigenes Licht blenden können. Sicher wird es gelingen, den einen und anderen Punkt plangemäss zu zerstören, sicher wird aber auch das eine und andere Luftschiff von feindlichen Geschossen aus der Luft herabgeholt werden.

Die Flugzeuge, die geschwaderweise zur Erfüllung einer Aufgabe bei Tage hauptsächlich entsandt werden, werden ähnliche Aufgaben wie die grossen Luftschiffe erhalten. Der Funkspruchverkehr des Oberkommandos mit den Luftschiffen wird eine einheitliche Operation erleichtern. Bei Tage werden Flugzeuge ausgesandt werden, die feindlichen Luftschiffe zu bekämpfen, aber hierdurch wird hinwiederum die eigene Artillerie an der Beschiessung gehindert; überhaupt wird der Kampf von unten nach oben ausgeschlossen, wenn sich die Luftschiffe von Flugdrachen begleiten lassen, und wenn infolgedessen von unten nicht zu erkennen ist, ob man eigene Fahrzeuge vor sich hat, die zur Bekämpfung der fremden Schiffe entsandt sind, oder ob es der Feind ist!

Besonders aussichtsvoll erscheint der Kampf gegen englische Kriegsschiffe. Die Treffsicherheit der Luftschiffe ist ziemlich gross und den Schiffen ward es nicht leicht sein, in voller Fahrt die Geräusche der Luftschrauben rechtzeitig zu vernehmen. Ein von Luftfahrzeugen unbemerktes Heranfahren der englischen Flotte dürfte in Zukunft so gut wie ausgeschlossen sein. Im rasend

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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/322&oldid=- (Version vom 12.12.2021)