Seite:Handbuch der Politik Band 3.pdf/58

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

zusteht. Die Wirkung dieser Bestimmung (§ 576) auf die Haftpflichtversicherungsgesellschaften dürfte nicht gering sein. Insbesondere wird von berufsgenossenschaftlicher Seite die Übertragung der Erstattungspflicht von dem Unternehmer auf die Berufsgenossenschaft getadelt, obwohl diese Bestimmung den Wünschen einzelner Unfallversicherungsträger entspricht. Man weist aber darauf hin, dass bei der weit überwiegenden Zahl der Berufsgenossenschaften keine Entlastung der privaten Haftpflichtversicherungsgesellschaften gegenübersteht. Diese gewähren neuerdings fast durchweg den haftpflichtversicherten Unternehmern auch Deckung gegen die Folgen des bisherigen § 12 G.U.V.G., jetzt § 576, sie erstatten also dem Unternehmer den von ihm gezahlten Krankengeldzuschuss. Die Reichstagskommission hat nun auch die Vorschriften über den sogen. Krankengeldzuschuss und die sonstigen Leistungen während der Wartezeit genauer ausgebildet. Die Leistung wird den einzelnen Unternehmern abgenommen und auf die Berufsgenossenschaften übertragen für die Fälle, in denen der Unfall überhaupt eine Entschädigungspflicht für die Zeit nach Ablauf der Wartezeit begründet. Für die übrigen Fälle kann eine solche Übernahme der Last auf die Berufsgenossenschaften durch die Satzung bestimmt werden (vgl. §§ 579 ff.). Weiter sieht die R.V.O. eine Rente vor für voreheliche oder aus einer früheren Ehe stammenden Kinder einer weiblichen Versicherten im Falle ihres Todes auch dann, wenn die Verstorbene Ehefrau war. Bisher hatten die Kinder nur dann einen Rentenanspruch, wenn die Mutter allein dastand. Die Renten der Kinder einer alleinstehenden Person sind auch dann zu zahlen, wenn die Witwe im Falle ihrer Wiederverheiratung ¾ des Jahresarbeitsverdienstes als Abfindung erhält (§§ 588, 589). Das ist entschieden eine sehr weitherzige Massnahme. Die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach § 588 Abs. 2 auch an voreheliche Kinder oder Kinder aus früherer Ehe einer durch Unfall getöteten weiblichen Person ist nur durchaus zu billigen. Tatsächlich werden ja auch derartige Kinder von dem hinterbliebenen Ehemann in derselben Weise wie seine ehelichen Kinder unterhalten.

Eine Belassung der Abfindung in der Höhe von des Jahresarbeitsverdienstes für eine Witwe eines tödlich Verunglückten im Falle ihrer Wiederverheiratung ist zu loben (§ 589). Allerdings laufen ja die Kinderrenten weiter, und es bleibt beim Vorhandensein von 3 oder mehr Kindern die gesamte Hinterbliebenenrente zunächst unverändert. Wenn nun vorgeschlagen wurde, diese Entschädigung zu vermindern und zu einer niedrigeren Abfindung zu kommen, so spricht das nicht gerade für den sozialen Geist des Vorschlages. Wenn in Wirklichkeit die Witwen tödlich Verunglückter als „gute Partien“ gelten, so muss eine so groteske Erscheinung von dem Gesetzgeber ruhig unbeachtet bleiben. Die bisherigen Vorschriften über die Gewährung der Rente von Verwandten aufsteigender Linie des Verstorbenen, wie sie im § 18 und § 20 Abs. 2 G.U.V.G. geregelt waren, bleiben aufrechterhalten. Sie betragen des Jahresarbeitsverdienstes, werden aber nur bis zum Wegfall der Bedürftigkeit gezahlt (§ 593 Abs. 1). Man hat in der Praxis die Schwierigkeit des Nachweises betont, die Bedürftigkeit im einzelnen Falle festzustellen, doch wird man hier wegen der Geringfügigkeit dieser Rente keine allzugrosse Strenge walten lassen dürfen. Sind aus der aufsteigenden Linie Verwandte verschiedenen Grades vorhanden, so wird die Rente den Eltern vor den Grosseltern gewährt. Neu ist die Vorschrift, dass beim Ausscheiden eines Hinterbliebenen die Renten der übrigen bis zum zulässigen Höchstbetrage zu erhöhen sind (§§ 593 Abs. 2, 595 Abs. 2).

Die Bestimmungen über die Heilanstaltspflege sind erweitert worden. Hat der Verletzte eine eigene Haushaltung, oder ist er Mitglied der Haushaltung seiner Familie, so bedarf es seiner Zustimmung. Diese ist jedoch nicht erforderlich, wenn 1. die Art der Verletzung Anforderungen an die Behandlung oder Verpflegung stellt, denen in der Familie des Verletzten nicht genügt werden kann, oder 2. die Krankheit ansteckend ist, oder 3. der Verletzte wiederholt den Anforderungen des behandelnden Arztes zuwidergehandelt hat oder 4. der Zustand oder das Verhalten des Verletzten eine fortgesetzte Beobachtung erfordert. Bei einem Minderjährigen über 16 Jahre genügt seine persönliche Zustimmung (§ 597). Zu 1 wäre ein Zusatz, dass es der Zustimmung nicht bedürfe in den Fällen, wenn nur unter Gefährdung oder Beeinträchtigung des Heilerfolges den Anforderungen an die Behandlung oder Verpflegung in der Familie genügt werden kann, recht nützlich gewesen. Neu ist die Vorschrift, dass nach § 604 neben dem Verletzten auch die Krankenkasse, der er angehört, die Wiederaufnahme des Heilverfahrens beantragen kann. Haben Krankenkassen, knappschaftliche Krankenkassen, Ersatzkassen oder Träger der Unfallversicherung einen Verletzten in

Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/58&oldid=- (Version vom 7.11.2021)