daß die seinige eine besondere Zierde in dieser Sammlung bilden würde, ließ er die „Fliegenden“ konfisciren. Er suchte und fand in den unschuldigsten Erzählungen staatsgefährliche Umtriebe, und die Beschlagnahmen folgten auf einander. Um dem tückischen und rabiaten Herrn zu entgehen, beschlossen Braun und Schneider, mitsammt ihrem ganzen Mitarbeiterstab nach der Türkei, dem Lande der Preßfreiheit, auszuwandern, – das ganze Blatt enthielt von jetzt ab nur noch Türkisches, türkische Bilder, türkische Kostüme, türkische Menschen mit dem altbekannten Staatshämorrhoidarius an der Spitze. Die Wirkung blieb nicht aus: die Razzia gegen die „Fliegenden“ wurde eingestellt, und die Emigranten kehrten nach einigen Wochen nach Deutschland und München zurück.
Gegen das Jahr 1860 traten als neue Kräfte in die „Fliegenden“ u. a. Stieler und Bodenstedt, W. Diez und Wilhelm Busch sowie ein gewisser Oberländer ein, von dem es in dem Förster’schen Aufsatz heißt, daß er „besonders in den Darstellung dummer Jungen und ihrer Tanten köstlich“ sei.
1859 hatte Braun seine Frau, geb. von Effner, mit der er seit 1843 in glücklichster Ehe zusammengelebt, durch den Tod verloren. 1864 schied auch sein Freund und Kompagnon Friedrich Schneider. Seitdem war Braun nicht mehr derselbe Mann wie vorher. Früher mit seinem unermüdlichen Arbeitsfleiß eine heitere und gesellige Natur, wurde er jetzt immer mehr ein Einsiedler in seiner Redaktionsstube; wegen seines 40jährigen Herzleidens hatte er sich auch – bei größter geistiger Rüstigkeit – an vollständige Bewegungslosigkeit gewöhnt. Eine Anfang 1877 gegen den Wunsch der Aerzte von einem Laien unternommene Operation befreite ihn von einem lästigen Schwammgewächs, und er lebte anscheinend wieder auf. Sein siebzigster Geburtstag verlief in aller Stille; er wurde dabei von König Ludwig II. mit einem Handschreiben und dem Verleihen des Michaelsordens erster Klasse ausgezeichnet. Bald darauf stellten sich Atembeschwerden ein; und nach schwerem Leiden starb er am 29. Oktober 1877.
Am Abend zwischen fünf und sieben, sowohl Winters wie Sommers, kann man einen kleinen, untersetzten Herrn von bescheidener Haltung und kindlich offenem Blick sich die Briennerstraße hinab nach dem Hofgarten bei der Residenz begeben sehen. Ist es schlechtes Wetter, so gelangt er nicht weiter als bis zu den Arkaden, wo er ein Dutzend Mal im Damenstrom, der aus den Cafés kommt, auf und niederschwimmt, um dann wieder durch die Briennerstraße zu seinen Penaten im Braun- und Schneiderstock zurückzukehren. Wenn es aber gutes Wetter ist, so verläßt er den Hofgarten und begiebt sich mit langen Schritten und vergrübeltem Aussehen nach der Siegessäule über die am 15. September 1899 von der wilden Isar weggerissene Prinz-Regentenbrücke, die erst in letzter Zeit wieder aufgebaut worden. Er
Ola Hansson: Oberländer und die „Fliegenden“. S. Schottlaender, Breslau 1904, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hansson_Oberl%C3%A4nder_und_die_Fliegenden.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)