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kennen zu lernen, die er jetzt mit Witz und Humor rügte, und Studien darüber zu machen, die sich jetzt verwerten ließen. In den ersten Jahrgängen der „Fliegenden“ sind die meisten Zeichnungen sowie auch viel vom Texte von Brauns eigener Hand. Zugleich aber schaarte sich jetzt schon eine große Anzahl mehr oder weniger hervorragender Künstler und Schriftsteller um das lebenskräftige Unternehmen; auch die „ernsthaften“ und „klassischen“ bestalten Träger des zeitgemäßen Kunstgeschmacks verließen momentweise ihre Nibelungenrecken und griechischen Typen und sonstige höhere Ideale, griffen zum Bleistift und betätigten sich wie gewöhnliche gemütliche Menschen. Unter den Mitarbeitern der „Fliegenden“ in dieser Entstehungszeit derselben befinden sich – neben Namen, die mehr zur engeren Lokalgeschichte gehören, – auch solche wie Schwanthaler, Auerbach, Justinus Kerner, Emanuel Geibel, Pocci, Gerstäcker, Moriz von Schwind. Der langjährige Freund Brauns, Muttenthaler, der mit ihm und Rehle die ersten Versuche in der neuzubelebenden Holzschnittkunst mitgemacht, lieferte massenweise Illustrationen; und besonders beliebt waren die Jagdscenen eines früh verstorbenen Malers Veit, die auf Bierkrugdeckel und Scheiben, Pfeifenköpfe und Dosen übergingen.

Im Sturm- und Flutjahr 1848, gingen auch in den „Fliegenden“ die politischen Wellen hoch; „der politische Nachtwächter“ Dingelstedt hielt als ein Zeichen der Zeit auch dort seinen Einzug. Dann folgten wieder ruhigere Jahre, wo Viktor Scheffel in den „Fliegenden“ seine Lieder schrieb. Unter den übrigen neuen Namen aus der Zeit der Jahrhundertmitte heben sich Hermann Schmid und Ernst Fröhlich hervor. Die Jagdzeichnungen, die ja während des mehr als halbhundertjährigen Bestehens der „Fliegenden“ eine stehende Rubrik und eine Specialität derselben geblieben sind, wurden nach dem Tode Veits von Hohe und Max Haider, dem Leibjäger des Königs Max, übernommen. Caspar Braun war immer noch selbst einer der fleißigsten Mitarbeiter und voller Einfälle und Phantasie, obgleich seinen neuen Figuren, dem Wühlhuber und dem Heulmaier, die sich angesichts der drohenden Reaktion, beziehungsweise wegen der allzu großen Freiheit der alten Welt nach Amerika geflüchtet hatten, nicht mehr der jubelnde Empfang zu Teil wurde, dessen sich seine ersten Schöpfungen, die beiden Reisenden Eisele und Beisele erfreut hatten. Seit der Gründung des rein politisch-satirischen Berliner Witzblattes „Kladderadatsch“ segelten die Münchener „Fliegenden“ in das stillere Fahrwasser der harmloseren Gemütlichkeit über – hieß es. Denn das war wohl doch nur ein Schein; daß die Spitze noch darin saß und nicht weniger gefährlich und fühlbar war, weil sie versteckter war, durfte anzunehmen sein. Davon zeugt auch das Intermezzo politischer Verfolgungen aus der Mitte der 50er Jahre, wovon Erwin Förster zu berichten weiß: Die „Fliegenden“ hatten von einem Mann erzählt, der sich eine Sammlung von unleserlichen Unterschriften angelegt hatte; und da der Herr Polizeidirektor allzu gut wußte,

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Ola Hansson: Oberländer und die „Fliegenden“. S. Schottlaender, Breslau 1904, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hansson_Oberl%C3%A4nder_und_die_Fliegenden.djvu/5&oldid=- (Version vom 1.8.2018)