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müssen, damit das Publikum nicht betrogen werde usw. usw.“ heißt es in der Erklärung Reissigers[1].

Wirklich gelungene Arbeiten sind, um auch noch diese Gattung zu streifen, die Sonaten für Pianoforte und Violine (op. 45) und für Pianoforte und Cello (op. 147). Die Voranstellung des Klaviers sagt schon, daß dieses selbständig an der Arbeit teilnimmt, also dem Streichinstrument nicht untergeordnet ist.

Das erste (diatonische) Thema der Sonatensätze hat gewöhnlich energischen, hingegen das zweite (oft chromatische) zu weichlichen sentimentalen Charakter.

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Überblicken wir das ganze Schaffen Reissigers, so stehen wir, wie schon der kurze Abriß erkennen läßt, vor einer Fülle von Erscheinungen, die uns Achtung abnötigt. Ein unbedingter Beherrscher der Formen, der großen und kleinen, wie sie nur je vor ihm erdacht worden waren. Er erfüllte sie alle mit Inhalt, mehr oder weniger glücklich. Die Grenzen seines Schaffens finden wir in einem abgeklärten, hauptsächlich heiteren Gemüt begründet, welches für das irdische Leben sehr schätzbar ist, aber andererseits natürlich des faustischen Ringens, welches neue Formen gebiert, entbehrt. Die ganze Epigonen-Epoche erscheint wie ein Genießen im Schaffen, nicht ein Ausschauen nach Neuland, sondern ein Auskosten des schon Errungenen. Und seien wir nicht hart. Gab nicht den Klassizisten der große Erfolg das Recht, auf ihrer Bahn zu bleiben? Sie waren auch nur Menschen. Sollte etwa Reissiger, dessen Liederschaffen z. B geraume Zeit in Deutschland das Gebiet fast allein beherrschte[2], oder dessen Kammer- und Kirchenmusik nach klassischem Muster großen Ruf genoß, lieber nichts in dieser Richtung schreiben? Das klassische Ideal, welches die Epigonen hoch hielten, war ja wahrhaftig kein schlechtes. Wenn dazu noch ein liberales Verhalten gegenüber größeren Modernen, wie es Reissiger übte, hinzukommt, so kann die Geschichte versöhnt sein.

Reissiger war von den Nachklassikern einer der besten, was die Wirksamkeit mehrerer Kompositionen bei der Wiedererweckung in der Gegenwart („Es ist ein Ros’“, der Goldschmiedgeselle, Studentenlieder, Kammermusik, Messen) beweist. Hochzuschätzen ist, daß, wie schon Rellstab betont[3], Reissiger in der „an Kontrapunkten so armen Zeit“ des Überganges immer auch die strengen Formen mit gepflegt hat. Er hat z. B. einmal ein Menuett kanonisch behandelt. Reissigers Kunst ist also zwar keine bahnbrechende, so doch eine achtunggebietende Äußerung eines ehrlichen deutschen Talentes. Wir fügen zum Schluß dieses Kapitels einige Urteile über sein Schaffen von ihm selbst an. An Raff schreibt er[4]: „Papa bleibt gesund, er kann sich nicht anders geben, als er ist. Er meint, was er habe lernen können, habe er gelernt. Weit mehr habe er aber vom lieben Gott empfangen. Und letzteres sei ihm ein anvertrautes, heiliges Gut. Das müßte unfrisiert, ungeschminkt,


  1. A. M. Z. 1829 S. 488. NB. Es gab damals auch einen „letzten Gedanken von Bellini“.
  2. Daher auch viele Auflagen mancher Kompositionen zu Lebzeiten R.s.
  3. Iris 1840 S. 66.
  4. Unveröffentlichte Raffiana in der Hof- und Staatsbibliothek München.