Carl Gottlieb Reissiger. Sein Leben nebst einigen Beiträgen zur Geschichte des Konzertwesens in Dresden
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[Inhalt]
Einleitung | Seite | 1 | |
Kapitel 1: | Kinderzeit in Belzig | " | 3 |
Eltern, Vorfahren.
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Kapitel 2: | Aufenthalt in Leipzig 1811 – 1821. | " | 4 |
Aufnahme in das Thomasgymnasium, Chorsänger. Theorieschüler von Schicht. Abgangszeugnis. 1818 Universität stud. theol. Musizieren in Leipziger Familien. Mitwirkung in den Gewandhauskonzerten. Musiklehrer in Leipzig. Völlige Hinwendung zur Musik. R.s Motetten in der Thomaskirche gesungen. Bewerbung um das Torgauer Kantorat und freiwilliger Verzicht. 1820 R.s erstes Konzert als Pianist. Reisestipendium, Zeugnis von Schicht. | |||
Kapitel 3: | Erste Studienreise. Wien – München – Berlin 1821 – 1823 | " | 11 |
Musikzustände in Wien. R.s erste Oper. Studien bei Salieri und Czerny (?); Öffentliches Auftreten als Pianist und Sänger. München. Studien bei P. v. Winter. Zeugnisse von Winter und Poissl. Bewerbung um das Leipziger Thomaskantorat. 1. Berliner Aufenthalt. Stobwasser, Chr. G. Körner, v. Altenstein, Witzleben, Berliner Singakademie. Eingabe an den König. R.s Oper: „Dido“ auf Webers Empfehlung in Dresden aufgeführt. R. in Dresden. | |||
Kapitel 4: | Zweite Studienreise. Belgien, Frankreich, Italien 1824 –1826 (mit vielen Briefen) | " | 25 |
Abschiedskonzert in Leipzig. Nürnberg, Frankfurt a. M., Rheinfahrt bis Aachen. Lüttich, Brüssel. Paris. (Wertvolle Bekanntschaften mit Cherubini, Rossini, Paër, Neukomm, Pixis, Auber usw. Französische Musikzustände.) Berichte nach Berlin. Plan, zur Bühne zu gehen. Abreise nach Lyon. Turin. Mailand (Musikverhältnisse, Generalin Ertmann). Bologna (Padre Mattei). Rom (Umgang mit bildenden Künstlern: Thorwaldsen u. a. Musikhistorisch-theoretischer Unterricht bei Baini. Bunsen). 2. Berliner Aufenthalt, R.s Konservatoriumsplan. Lehrer an der „Musikalischen Lehranstalt“ (neben Zelter, B. Klein, A. W. Bach). |
[Inhalt]
Kapitel 5: | Reissiger in Dresden 1826 – 1859. | Seite | 52 |
Mitbewerber: Hummel, Wolfram. R. geeignet zur Überbrückung des Gegensatzes zwischen italienischer und deutscher Oper. Schwerer Stand für R. R. leitet beide Institute. 1827 fest angestellt. R.s Weberaufführungen. Gebaltszulage. Statuten der Anstellung, R.s Heirat. Die 30er Jahre, die glücklichsten Lebensjahre R.s. Dresden vereinigt viele führende Geister. Die Dresdener Oper wird die erste Deutschlands, Dresdener Gesellschaftsleben (Major Serre, Oppenheim, v. Kaskel). R.s Verdruß wegen Kommunalgarde. Dresdener Konzertleben. R. führt Beethovens 9. Sinfonie zum ersten Male in Dresden auf R. inauguriert eine eigentliche Gluckpflege in Dresden. Pflege der Musik in der katholischen Hofkirche, Krisis. „Rienzi“-Uraufführung, Wagners Anstellung in Dresden. Verhältnis zwischen R. und Wagner. Die Oper während der 40er Jahre. 25jähr. Amtsjubiläum, Berlioz in Dresden (Brief B. an Reissiger). Die 50er Jahre. R. kunstl. Leiter des Kgl. Konservatoriums. Auswärtige Ehrungen. Familienleben. Religion. Lebensende, Ehrungen. Schlußbetrachtung.
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Kapitel 6: | Allgemeines über Reissiger als Komponist | " | 94 |
Kapitel 7: | Reissiger als Lehrer und Schriftsteller | " | 105 |
Kapitel 8: | Urteile R.s über berühmte Zeitgenossen und Werke | " | 107 |
Anhang: | Verzeichnis der Werke Reissigers | " | 111 |
NB. Abkürzungen: | A. M. Z. = Allg. musikal. Zeitung (Breitkopf & Härtel, gegr. 1798). |
N. Z. f. M. = Neue Zeitschrift für Musik (Rob. Schumann). |
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Wenn man sich mit dem Leben einzelner Künstler aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der an musikalischen Individualitäten vielleicht reichsten Zeit der Musikgeschichte, eingehender befaßt, so wird einem ein Name immer wieder begegnen, der in das Leben aller hineingespielt hat, der C. G. Reissigers, und er ist es daher wert, daß man auch ihm eine nähere Betrachtung schenkt. Reissigers außerordentliche Popularität bei seinen Zeitgenossen kann nicht befremden, wenn man bedenkt, daß er ein Menschenalter hindurch das musikalische Oberhaupt von Dresden, einer Stadt, welche von jeher in der Musikgeschichte eine Rolle spielt, gewesen ist, also mit allen nur einigermaßen bedeutenderen Künstlern, die Dresden besuchten, Fühlung bekam; und daß er außerdem ein vielseitiger, fruchtbarer Komponist war, der schnell beim Publikum Eingang gefunden hatte. Wir haben aber sogar die Pflicht, uns mit ihm zu beschäftigen, denn er hat bisher das Unglück gehabt, in einseitiger Beleuchtung in der Musikgeschichte dazustehen, während die Geschichte jedem zu seinem ihm zukommenden Rechte zu verhelfen hat. Reissiger hat das tragische Schicksal gehabt, gerade auf sonniger Höhe in den Schatten eines Größeren, Richard Wagners, treten zu müssen, der seinem nicht immer gerechtfertigten Urteil, infolge seiner überragenden künstlerischen Größe, eine solche Macht verleihen konnte, daß die Welt alle anderen Urteile vergaß und Reissiger nur noch durch die Brille Richard Wagner gesehen hat. Wir werden finden, daß er, in freierem Lichte gesehen, auch ein verehrungswürdiger, deutscher Künstler war, der in seinem Amte nicht unwesentlich einer deutschen Sache mit zum Siege verhalf, der deutschen Oper im Kampfe mit der italienischen.
Der Mensch und reproduzierende Künstler Reissiger wird im ersten Teile der Arbeit hauptsächlich behandelt werden, während der zweite, später zu bearbeitende Teil ausschließlich den Werken gewidmet sein soll. Diese Disposition ist durch den Krieg veranlaßt, da von den ca. 600 Einzelkompositionen [2] Reissigers nur ein kleiner Teil zu erlangen war, weil es selbst großen Verlagsfirmen, wie Schlesinger & Simrock-Berlin, Siegel-Leipzig, infolge Personalmangels unmöglich war, die zahlreichen Werke, die z. T. nicht mehr im Handel sind, herauszusuchen. Dennoch soll versucht werden, aus der vorhandenen, alle Seiten des Reissigerschen Schaffens berührenden Auswahl seiner Werke ein vorläufiges Urteil zu gewinnen. Der Anhang enthält ein vollständiges Verzeichnis der Werke.
Zu besonderem Dank für wertvolle Förderung der Arbeit bin ich, nächst den Herren Professoren DDr. Hugo Riemann und Dr. Arnold Schering in Leipzig, verpflichtet dem Herrn Bürgermeister Ludwig Reissiger, dem 82 jährigen Sohne des Komponisten, welcher in rührendem Interesse alles noch irgend vorhandene Material (Dokumente, unveröffentlichte Briefe, Musikalien) in liebenswürdigster Weise zur Verfügung stellte, ferner Herrn Professor Otto Schmid-Dresden, welcher mir die Abschriften einer großen Anzahl unveröffentlichter Briefe über Reissigers große Reise, ferner Abschriften von Zeugnissen der Lehrer Reissigers, Schicht und P. v. Winter, überließ, was von um so größerer Bedeutung ist, als die Originale heute nicht mehr aufzufinden sind. Herr Prof. Schmid hatte sich vor Jahrzehnten die Abschriften der Originale angefertigt, wodurch allein ihr Inhalt auf uns gekommen ist; sodann der Kgl. Landes-Bibliothek Dresden, insbesondere dem Kustos der musikalischen Abteilung, Herrn Arno Reichert; sowie der Generaldirektion der Kgl. mus. Kapelle und der Hoftheater Dresden, insbesondere Herrn Kanzleirat Frenzel.
Ferner danke ich (alphabetisch geordnet) Herrn Prof. Anacker-Dresden, Herrn Komponist Hofrat Prof. Reinhold Becker-Dresden, dem Magistrat der Stadt Belzig und Herrn Superintendent Bree daselbst, der Kgl. Bibliothek Berlin, dem Kgl. preuß. Kultusministerium und dem Geh. Staats-Archiv Berlin, dem Rat zu Dresden (besonders den Herren Prof. Dr. Minde-Pouet und Dr. Müller), Herrn Oberlehrer Kreisig (dem Leiter des Schumann-Museums in Zwickau), Herrn Kgl. Musikdirektor Kretzschmer-Dresden, dem Rat zu Leipzig, der Besitzerin der Sammlung Liebeskind in Leipzig, Frau Liebeskind, Herrn Prof. Dr. Mandyczewski-Wien, den Musikverlegern Breitkopf & Härtel, C. A. Klemm und C. F. Peters in Leipzig, der Musikbibliothek Peters in Leipzig (besonders Herrn Prof. Dr. R. Schwartz), der Kgl. Hof- und Staats-Bibliothek München, Herrn Kgl. Hofkapellmeister Pembaur-Dresden, Herrn Prof. Dr. jur. et phil. Prüfer-Leipzig, Fräulein Helene Raff-München, Herrn Thomaskantor Prof. Dr. Schreck †-Leipzig, Herrn Privatdozent Dr. Schmitz-Dresden, Herrn Direktor Stein in Kassel, dem Tonkünstler-Verein Dresden, Fräulein Prof. Marie Wieck †, Kammervirtuosin in Dresden, Herrn Prof. Wolff in Kassel.
- 1. Artikel in dem Musiklexikon von Schilling, Mendel-Reißmann, Riemann.
- 2. Riemann, Geschichte der Musik seit Beethoven.
- 3. Ca. 130 von mir gesammelte, zum größten Teil unveröffentlichte Briefe Reissigers.
- Die kleine 1854, noch zu Lebzeiten Reissigers, bei Pfeil (Balde in Kassel) erschienene Biographie von Neumann ist bereits in den Lexikonartikeln enthalten.
- Weitere Literatur ist an den Stellen ihrer Verwendung am Ende der betr. Seite zu ersehen.
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„Wer mit einem Talente geboren ist, findet in demselben sein |
schönstes Dasein! Nichts auf der Erde ist ohne Beschwerlichkeit, |
und der innere Trieb, die Lust, die Liebe helfen uns |
Hindernisse überwinden, Wege bahnen, und uns aus dem |
engen Kreise, worin sich andere kümmerlich abängstigen, |
emporheben. |
(Goethe, Wilhelm Meister.)
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C. G. Reissiger entstammt einem Hause, in welchem die Musik Lebenselement war. Am 31 Januar 1798 wurde er als Sohn des „Herrn Christian Gottlieb Reissiger, wohlbestallter Direktor Musices und Kantor, wie auch Schulkollega II[1]“ in dem kleinen Städtchen Belzig, unweit Wittenberg, geboren. Schon der Großvater hatte der edlen Frau Musika gedient, der Vater aber konnte sogar drei vollständige Sinfonien zum Druck bringen, denn Gerbers hist. biogr. Lexikon der Tonkünstler 1791/92 erwähnt unter dem Namen Reissiger drei Sinfonien, welche letzterer „im Jahre 1790 bey Hilschern zu Dresden für das Klavier hat stechen lassen [2]“. Er war geboren am 26. Januar 1762 zu Schmiedeberg (Preußen) als Sohn des Kantors und zweiten Lehrers an der Knabenschule. „Ich stamme,“ so schrieb Christ. Gottlieb selbst an seinem 70. Geburtstag nieder, „aus seiner zweiten Ehe mit der zweiten Tochter des damaligen zweiten Diaconi an der Stadtkirche zu Wittenberg, namens Laurentius Kettner, Christiane Sophie. Mit dem 14. Jahre kam ich nach Halle auf das lutherische Gymnasium. Im Jahre 1780 bezog ich die Akademie zu Wittenberg, von meiner Mutter unterstützt. Im Jahre 1783 verließ ich die Universität und kam zum Kaufmann Hensel in Schmiedeberg in Condition, wo ich ¾ Jahre war und dann zu seinem Bruder Dr. med. und Apotheker ein Jahr lang. Ich wurde Kantor in Seyda und 1792 Kantor in Belzig, verheiratete mich am 17. Oktober 1793 mit der ältesten Tochter des Collaborator Friedrich daselbst und hatte 10 Kinder mit ihr (Sophie Friederike Gottliebe, geb. 27. Oktober 1778, gest. 9. November 1827), wovon 5 am Leben: 1. Carl Gottlieb, Kapellmeister in Dresden, 2. Charlotte Wilhelmine Auguste (spätere Frau) Stadtgerichtsregistrator Wesenberg in Brandenburg, 3. Carl Wilhelm, Knopfmachermeister in Jüterbog, 4. Friedrich August, stud. theol. in Berlin, 5. Therese Henriette, noch unverheiratet. Ich ging 1825 in Pension.“
[4] Er lebte noch bis 1839 in Brandenburg, wohin er sich zurückgezogen hatte. Seine musikalische Ausbildung hatte er einst bei keinem Geringeren als dem beliebtesten Theoretiker der Zeit, Daniel Türk, dem Lehrer Carl Loewes, in Halle genossen. Der Name bürgt für einen soliden Unterricht, welchen dann der Vater auch auf den Sohn, unseren Meister, übertrug. Es schließt sich gewissermaßen ein Kreis, die Dresdner, der Kreuzkantor Homilius und der Hofkapellmeister Naumann, waren die Lehrer Türks, welcher wiederum der Lehrer Christian Reissigers wurde, dessen Sohn und Schüler C. G. Reissiger wieder Dresdner Hofkapellmeister wurde.
Letzterer hatte mit seinem Bruder Friedrich August[3] die musikalische Begabung geerbt. Schon von früher Kindheit an erhielt Carl von seinem Vater Unterweisung in Klavier- und Violinspiel. Er zeigte sich so talentiert, daß er mit zehn Jahren schon öffentlich auf dem Klaviere vortragen konnte. Ja Sonntags durfte er sogar die Gemeinde auf der Orgel begleiten. Doch der Vater hatte nicht die Absicht, einen Musiker aus ihm zu machen, obwohl er von befreundeten Fachleuten dazu aufgefordert wurde. Da er kein Vermögen hatte, wollte er die Söhne lieber gesichertere Lebensstellungen einnehmen sehen. Sein Wunsch war, daß der Älteste Theologe würde. Zu diesem Zwecke aber mußte er an eine andere Vorbildungsanstalt, als die Heimatstadt bot, denken, und er faßte die altberühmte Thomasschule in Leipzig ins Auge.
Zu Ostern 1811 verließ Carl Gottlieb, 13 Jahre alt, das romantisch gelegene heimatliche Städtchen mit seinem alten Bergschloß Eisenhard, an welches er in späterer Zeit noch so gern erinnerte, und begab sich, vom Vater geleitet, nach der Stadt des Thomaskantors. Der Vater erstrebte, damit ihm die Ausbildung nicht zu teuer würde, die Aufnahme des Sohnes als Alumne. Dies war aber u. a. von musikalischer Begabung und einer guten Stimme sowie von einer schulärztlichen Untersuchung abhängig, welche die vollkommene Gesundheit des Aufzunehmenden festzustellen hatte. Die letztere Bedingung konnte insofern augenblicklich erfüllt werden, als von den Folgen eines in früher Kindheit erlittenen Bruches des linken Schlüsselbeins und damit zusammenhängender Erschütterung der Halsnerven vorläufig nichts mehr zu bemerken war[4]. Die musikalischen Fähigkeiten wurden durch eine Prüfung, die der damalige (seit 1810) Thomaskantor Schicht vornahm, erwiesen. Er ließ den Kleinen eine Arie: „Singt dem göttlichen Propheten“ a prima vista singen. Die Probe verlief günstig, und der Vater war glücklich, daß der Sohn gleich von Anfang an ins Alumneum aufgenommen werden konnte. So hatte seine ausgezeichnete Stimme dem [5] kleinen Reissiger schon hier den Lebensweg bahnen helfen. Wir werden sehen, daß ihm noch mancher Vorteil aus ihr erwuchs. Erwähnt sei, daß auch in diesem Jahre, wie schon seit Bachs Zeiten fast regelmäßig, ein Einvernehmen zwischen Kantor und Rektor bei der Aufnahme neuer Alumnen nicht bestand. Dem Kantor kam es besonders auf gute Stimmen an, und er achtete daher weniger der Einwendungen, die der Rektor etwa in wissenschaftlicher Beziehung machte. Rektor Rost sah sich „genötigt, beim Consistorio klagbar zu werden und zu bitten, über die Verhältnisse in welchen Rektor und Kantor der Schule zueinander stehen, definitiv zu entscheiden, damit die Quellen der unseligen Streitigkeiten zwischen diesen Männern endlich einmal kräftig verstopft werden“[5]. Mit Reissiger konnte Rektor Rost aber auch in wissenschaftlicher Beziehung zufrieden sein. Schon nach einem halben Jahre bekam er eine Prämie als fleißiger Schüler. Während der ferneren Schulzeit in der Thomana (bis 1. April 1818) erhielt er noch vier Prämien, und es heißt, daß er wegen seines Fleißes ein Liebling der Lehrer war. Besonders in den alten Sprachen soll er sich ausgezeichnet haben. Für seine innere musikalische Bildung konnte es nichts Geeigneteres geben, als als Mitglied im altberühmten Thomanerchore zu wirken. Hier konnte er in den Sonnabendmotetten und Sonntagskirchenmusiken die besten Kompositionen (Oratorien, Psalmen, Hymnen, Messenteile) eingehend kennen lernen. Bach hatte daselbst immer seine Pflege gefunden[6]. Haydn, Mozart, welcher seit 1800 populärer geworden, und selbst Beethoven erklangen neben den Dresdnern Naumann und Schuster[7], deren einstiger Nachfolger Reissiger werden sollte. Hier im Thomanerchor besonders, wenn auch schon im Elternhause vorbereitet, wird der Keim zum Kirchenkomponisten, als welcher er später die besten seiner Werke schuf, gelegt worden sein. Leider mußte die äußere musikalische Weiterbildung, besonders im Klavierspiel, während der ersten Schuljahre etwas zurücktreten. Es stand ihm kein Instrument zur Verfügung, weil er zu arm war, um sich ein Klavier zu mieten, und der Flügel im Musiksaal der Schule nur von den älteren Alumnen benutzt werden durfte. Über das Leben im Alumnate zu schreiben, würde uns hier zu weit führen. Erwähnt sei nur, daß Reissiger 1811 bei seinem Eintritt noch die alte Tracht (Mantel, Dreimaster und Perücke) bekam. Aber glücklicherweise wurde sie schon 1812 abgeschafft. „In ihrer Freude“ über die Befreiung von der Perücke, heißt es in Stallbaums Biographie[8] „schleuderten die Alumnen die verhaßten Dinger auf den nach der Westseite zu gelegenen Zwinger“. Reissiger hatte das Glück gehabt, eine von den zwei sogenannten „Ratsdiskantistenstellen“ zu erhalten. Sie gewährten [6] dem Inhaber den Vorteil, von dem anstrengenden Kurrendesingen[9] in den Straßen befreit zu sein und dafür mehr Zeit für die Studien zu behalten. Der andere Ratsdiskantist zu Reissigers Zeit war Stallbaum, der spätere bekannte Rektor der Thomana. Noch eines Ereignisses muß ferner gedacht werden, das auch auf Reissigers sonst sehr heiteres Gemüt einen tiefen Eindruck gemacht haben wird. Er erlebte gerade als Thomasschüler die Völkerschlacht bei Leipzig. Die Schule sollte in ein Lazarett verwandelt werden. Rektor Rost wandte sich deshalb mit der Bitte um Schutz an den russischen Generalgouverneur, den Fürsten Repnin. Diese Bitte wurde auch gewährt. Aus Dankbarkeit huldigte Rost dem Fürsten in einer Dichtung, welche Schicht komponierte. Dieser Gesang wurde dann vom Thomanerchor dem Beschützer feierlich dargebracht. Überhaupt war Reissigers Kinder- und Jugendzeit, also die Zeit, in welcher das Gemüt am empfänglichsten ist, eine vaterländisch ereignisreiche. Er erlebte die Jahre des gehobenen Nationalgefühls, und der Erfolg der Befreiungslieder Arndts, Körners, Schenckendorfs, Rückerts wird auf den dereinstigen Liederkomponisten anregend gewirkt haben.
Reissigers musikalische Begabung war nach den ersten Jahren zu auffallend geworden, um von einem Manne wie Schicht nicht erkannt zu werden. Nachdem Reissiger zum Altsolosänger aufgerückt war, wurde Schicht mehr auf ihn aufmerksam und bot ihm freien Klavierunterricht an. Wie erstaunte er aber, als er hörte, daß Reissiger sich während der Freistunden der Schule heimlich auch schon mit Musiktheorie befaßt hatte. Er hatte sich Türks „Anweisung zum Generalbaẞspielen“ verschafft, welche er bis ins spätere Leben in ständigem Gebrauche hatte, und sie lenkte sein Denken und Trachten der Musik immer mehr zu. Alle Regeln erschienen ihm dank seiner Begabung so leicht, daß er sich 1816 eigenhändig die oben zitierten Sätze aus Goethes „Wilhelm Meister“ in das Buch schrieb. Außerdem wird er beim Vater während der Ferien manchmal einen verstohlenen Blick in Kirnbergers „Kunst des reinen Satzes“ oder vielleicht gar Marpurgs „Abhandlung von der Fuge“ geworfen haben, denn diese Werke bevorzugte Türk beim Unterricht, und der Vater Reissiger wird sie in seinem Besitze gehabt haben. Schicht gab ihm nun auch nebenher manche Unterweisung in Komposition, so daß Reissiger, als er 1816 Präfekt einer Chorabteilung geworden war, und damit das Recht erlangt hatte, dem Chore eine eigene Motette vorzulegen, schon recht talentierte Proben abgeben konnte, die der Chor in der Sonnabendmotette aufführte. Dies alles geschah aber noch ohne die Absicht, sich der Musik einmal ganz zu widmen. Mancher Seelenkampf wird sich indessen in der Brust des jungen, bereits aufgeführten Tonsetzers abgespielt haben, zumal sich in den letzten Schuljahren sein musikalischer Gesichtskreis noch erweitern konnte. Er gehörte nämlich zu den auserwählten Sängern des Chores, welche im Abonnementkonzert des Gewandhauses mitwirken durften, und dabei lernte er nun auch weltliche Musik kennen.
Bald kam das Jahr 1818, wo er das Gymnasium verlassen konnte. Wie er sich in den Schuldisziplinen bewährt hatte, bezeugt das vorliegende, von Rost unterschriebene Abgangszeugnis, in welchem es u. a. heißt: „A magna enim contentione, qua literarum studia puer persequebatur, adolescens factus [7] nihil remisit, sed mentem, antiquo literarum amore incensam, novo semper discendi ardore inflammavit. Quare factum est, ut severiorum et reconditarum literarum cestam sibi atque idoneam scientiam compararet, a nullius ingenuae artis cognitione abhorreret, et in musicis a deo rebus ita excelleret, ut paene artifex videretur.“
Dem Willen des Vaters folgend, schickte er sich zunächst an, die theologischen Vorlesungen der Universität zu belegen[10]. Da er sich seinen Unterhalt aber hauptsächlich durch die Musik verdienen mußte, kam er in immer engere Beziehungen zur Kunst. Er gab Klavier- und Orgelunterricht, sang und spielte in Leipziger Familien. Unter seinen damaligen Schülerinnen befand sich u. a. Henriette Kuntze, die später als Frau Voigt in ihrem Musiksalon in Leipzig alle bekannten Größen des musikalischen Himmels begrüßte und besonders durch Robert Schumann bekannt geworden ist[11]. Ihr widmete Reissiger später sein siebentes Trio. Er wurde ferner Solosänger im Gewandhauskonzert und spielte auch abwechselnd Violine und Bratsche im Orchester mit. Das Violinspiel hatte er ja, wie wir schon wissen, im Elternhause zu erlernen begonnen und dann in der späteren Schulzeit weiter gepflegt. Der Konzertmeister des Gewandhausorchesters, Matthäi, ein Spohr-Schüler, hatte sich seit 1817 „um die Darstellung der Sinfonien, vornehmlich der Beethovenschen, besonders verdient“ gemacht[11]. Der junge Theologe war begeistert, in diesen Werken aktiv mitwirken zu können, und trieb, dadurch weiter angespornt, immer eifrig Musiktheorie neben dem Studium der Theologie. Letzteres sollte aber bald einen Stoß erhalten. Schicht erhielt Kenntnis von zwei neuen Motetten Reissigers. Die Beherrschung des Satzes (stellenweise achtstimmig und fugiert) sowie der wirksame Aufbau bestimmten ihn, dieselben an Breitkopf & Härtel zu empfehlen und sie auch in der Thomaskirche aufzuführen[12]. Der Verlag druckte sie 1819 als Op. 2, und Reissiger widmete sie seinem verehrten Lehrer Schicht. Dieser sollte nun fernerhin sein Wohltäter werden. Er redete ihm ernstlich zu, sich der Musik ganz zu widmen und wollte ihm selbst weiteren Kompositionsunterricht unentgeltlich erteilen. Auch Schicht war einst erst auf dem Umwege des akademischen Studiums zur Musik gelangt. Marschner hatte er bereits mit Erfolg vom Jus zur Musik bekehrt, und Zöllner überredete er später ebenfalls, die Alma mater zu verlassen und Komposition zu studieren[13]. Schicht hatte außerdem einen großen Bekanntenkreis, worunter sehr wohlhabende Bürger waren, bei denen er sich für Reissiger verwenden wollte[14]. Ferner [8] besaß Schicht eine außerordentlich umfangreiche Bibliothek, in der alle nur erdenklichen Werke zur Musiktheorie vorhanden waren und die er seinem Lieblingsschüler wohl sehr gern zur Verfügung stellte[15]. Reissiger war nicht schwer zu gewinnen, denn die Theologie hatte er ohnehin nicht mit Leib und Seele betrieben und – wen die Musik einmal gepackt hat, den läßt sie nicht so leicht wieder aus ihren Fesseln. Dazu erhielt er noch eine aufmunternde Kritik in der A. M. Z. für einige neue geistliche Kompositionen, die der Thomanerchor gesungen hatte, und das Gewandhausorchester hatte sogar eine Ouvertüre von ihm aufgeführt, ja Matthäi überließ ihm schon zeitweilig die Orchesterführung im „Großen Konzert“. Er konnte also unter den günstigsten Aussichten die Theologie mit der Musik vertauschen. Ein Brief aus jener Zeit (8. Juli 1819), in welchem sich Reissiger um das Kantorat in Torgau bewirbt[16], gibt uns Zeugnis, wie bald er sich in der Musik vervollkommnet hatte. Wir lesen:
„Ich hätte nicht so lange gesäumt, in dieser Angelegenheit meine ergebenste Bitte vorzutragen und um die vakante Stelle des Kantorats anzusuchen, hätte mich nicht Ungewißheit über das Nähere, das man bei solchen Fällen zu wissen nötig hat, ebensosehr als die mir von meinen hiesigen Gönnern und Freunden oft vorgeworfene Bescheidenheit zurückgehalten, dieses eifrigst zu tun. Es ist von jeher mein Wunsch gewesen, und ich kann sagen, ich habe stets mit Sehnsucht den Zeitpunkt erwartet, der mir die Gelegenheit darbieten möchte, mich ganz dem Fache widmen zu können, zu dem ich mich ganz geboren zu sein glaube. Ich komponierte schon in kurzer Zeit für das Thomaschor elf größere und kleinere Motetten, nebst sehr vielen Arien, und habe auch in der Instrumentalmusik gearbeitet, indem ich mehrere Ouvertüren, deren eine vergangenen Winter im großen Konzert aufgeführt wurde und auch eine Missa[17] schrieb, und fortfahre, Kirchenstücke zu bearbeiten. Wenn nun von einem Kantor Ihrer Stadt, die sich zu den Mittelstädten zählt, verlangt wird, nächst anderen Kenntnissen nicht allein einem Sängerchore gut vorzustehen und es in Flor zu erhalten, sondern auch selbst Kirchenstücke zu komponieren und anderen in der Nähe befindlichen Kantoren mit gutem Beispiel voranzugehen und selbst mit Rat und Tat in musikalischer Hinsicht zu unterstützen, und das muß wohl verlangt werden, und ich mich diesem Amt gewachsen fühle, so wollen Sie, Wohlgeborene und Hochgelahrte Herren! es nicht für unbescheiden halten, daß ich mich nächst dieser meiner Neigung auch durch die fast gewisse Erhöhung dieser Stelle, die mich, wenn sie auch nicht so groß sein sollte, wohl zufrieden stellen würde, bestimmen ließ, es zu wagen, und Sie gehorsamst zu bitten, bei Besetzung dieser Stellung auch auf mich Rücksicht zu nehmen, und wenn beiliegende Testimonia mich nicht ganz unwürdig schildern sollten, mich Ihrer Wohlgewogenheit und Aufmerksamkeit zu empfehlen.“
Den darauf vom Rat bestimmten Termin zur Probe konnte Reissiger aber nicht einhalten, da die Mitteilung davon erst nach dem Probetag in [9] seine Hände gelangte. „Nun aber bin ich“, heißt es in der Antwort an den Rat vom 28. Juli 1819, „hier durch die Reise des hiesigen Konzertmeisters und ersten Violinisten, Herrn Matthäi, ins Karlsbad gebunden, indem ich dessen officia in der Kirche und Theater übernommen habe, weil ich nicht erwartete, daß die Probe so bald vor sich gehen würde. Da er nun leicht unter acht Tagen nicht zurückkehren dürfte, so bitte ich gehorsamst, wenn es irgend möglich ist, die Probe zu völliger Sicherheit auf den 9 t. p. Tr. als den 15. August festzusetzen.“
Der Rat entschied sich infolgedessen nun für den 22. August, aber schon unterm 1. August zog Reissiger seine Bewerbung zurück. Er fürchtete, die aufreibende Praxis eines Doppelamtes – der Kantor war zugleich Lehrer – werde ihn von seinem vorgesteckten Ziele, der Musik allein sich zu widmen, ablenken. Es heißt in dem betreffenden Schreiben u. a.: „Die näheren Erkundigungen aber, die ich durch mehrere selbst Torgauer Freunde über diese Stelle eingezogen habe, sowohl über das Chor, als über die anderen Verhältnisse, haben mich leider nur zu stark überzeugt, daß mir bei meinem Plan, den ich mir für die Zukunft gemacht und demzufolge ich fest entschlossen bin, in Torgau das nicht werden kann, was ich anfangs hoffte, daß mir viel zu wenig Zeit übrig bleibt, mein Talent auszubilden, indem ich sowohl die zu gebenden Schulstunden, sind es auch nur wenige und in den unteren Klassen, als die vielen bei der Mittelmäßigkeit dieser Stelle zu gebenden Privatstunden abhalten würden. Ich habe mich daher nun entschlossen, in Leipzig zu bleiben und die mir von Ihnen geschenkten Ansprüche auf das Kantorat nicht weiter gültig zu machen und, indem ich einem anderen, würdigeren Manne in Ihre Mitte zu kommen wünsche, Ihnen aufrichtig und mit der dankbarsten Rührung meines Herzens für das gütige Zutrauen zu danken, mit dem Sie mich beehrt haben. Es wird mir stets eine ehrenvolle Erinnerung sein.“
Die fragliche Stelle erhielt alsdann ein anderer Schichtschüler, Johann David Breyer. Wurde Reissiger jetzt zwar nicht Torgauer Kantor, so hatte ihn das Schicksal doch später als Leiter für ein Institut ausersehen, welches einst aus der Torgauer Kantorei hervorgegangen war, das Dresdner Kgl. Orchester.
Reissiger blieb also zunächst noch einige Zeit in Leipzig. Da das Gewandhausorchester zugleich den Theaterdienst mit versah, so bekam er auch hier schon einen Einblick in das musikdramatische Schaffen der Zeit. Die Deutschen, P. v. Winter, Dittersdorf, Schenk, Gyrowetz, vor allem aber Mozart, wurden von der Bühne gepflegt. Von Italienern und Franzosen hörte er Cimarosa, Paër, Méhul. Die Kammermusik, der er später selbst so viele Werke schenken sollte, konnte er in den von Matthäi eingerichteten Quartettabenden in praxi studieren.
Nun veranstaltete er 1820 auch ein eigenes Konzert, in welchem er als Pianist auftrat. Er spielte ein Klavierkonzert von C. Kreutzer, welches der Komponist im vergangenen Jahre selbst in Leipzig vorgetragen hatte. Der Kritiker der A. M. Z.[18], vielleicht Rochlitz, der Leiter der Zeitung, selbst, schreibt dazu: „Man verspricht sich von Herrn Reissiger viel und [10] wohl nicht mit Unrecht, da man an ihm zugleich Bescheidenheit, Bildung und Fleiß rühmt.“
Sein treuer Lehrer und Freund Schicht hatte ihn inzwischen auch nicht im Stich gelassen. Das Verhältnis Reissigers zu ihm war im Gegenteil förmlich das eines Sohnes geworden. Wir werden nicht fehl gehen, wenn wir vermuten, daß Reissiger auch Schicht, der nun schon älter war (geb. 1753), in seinen Amtsgeschäften unterstützte und gewiß auch an der vor kurzem erschienenen großen, historisch bedeutsamen Leipziger Choralsammlung (1819) durch seine Assistenz beim Sammeln des Materials beteiligt war. Als Frucht dieser Tätigkeit können wir die Komposition von 300 Chorälen einige Jahre später für Bunsen in Rom ansehen. Sein Versprechen, sich für Reissiger zu verwenden, hatte Schicht in selbstlosester Weise immer zu erfüllen getrachtet. Nun aber sollte sein edles Streben bald eine herrliche Krönung erfahren. Es war ihm gelungen, von seinem Schwiegersohn Weisse und Leipziger und Berliner Bekannten eine größere Summe zu erhalten[19], die er Reissiger als Stipendium für eine dreijährige Studienreise übergab. Wahrlich, so einen Freund zu haben, konnte sich Reissiger glücklich schätzen. Schicht selbst stellte damit seiner wahren Kunstbegeisterung ein schönes Zeugnis aus. Wie er über seinen Schützling dachte, wir haben es schriftlich in der Empfehlung, welche er ihm mit auf die Reise gab: „Wenn vielseitige Verdienste in der Musik, Literatur, Unterrichtsmethede und Moralität einen jungen Mann zu einer guten Anstellung berechtigten, so würde zuverlässig Herr Carl Gottlieb Reissiger, gebürtig aus Belzig bei Wittenberg, der obigen Anforderungen vollkommen Genüge geleistet, eine besondere Auszeichnung und Vorzug vor vielen andren seines Faches verdienen. Da auch gedachter Herr Reissiger ein Zögling unserer Thomasschule war und besondere Lust zum Gesange, Orgel- und Pianofortespiel, wie auch zur Komposition bezeigte, so nahm ich keinen Anstand, ihm in diesen Zweigen der Tonkunst besondere Unterweisungen zu geben. Zu seinem Ruhme und zu meiner Freude machte er darinnen so schnelle Fortschritte, daß man ihn gegenwärtig, nachdem er sich nun ganz der Musik gewidmet und noch mehr Zeit auf eigene Übung hat wenden können, unter die Virtuosen im Pianofortespiel, im Gesange, und zu den erfindungsreichen, mit guter Melodie und Harmonie ausgerüsteten Komponisten zählen kann. Beweise seines Fleißes und ausgezeichneten Talentes hat er schon öffentlich abgelegt, indem von ihm schon mehrere Werke im Stiche bei Breitkopf und Härtel und bei Peters erschienen sind und die weit größere Zahl seiner Motetten und anderer Tonstücke sich noch im Manuskript befindet. – Bescheidenheit, Rechtlichkeit und humanes Betragen sind überdies die Grundzüge seines Charakters.“ (Bisher unveröffentlicht.)
Schicht riet ihm, als Ziel zunächst Wien ins Auge zu fassen, und so verließ er denn 1821, nach zehn glücklichen Jahren in Leipzig, die gastliche Musenstadt, um auf Reisen seinen Gesichtskreis zu weiten. Die Dankbarkeit aber für alles, was er in Leipzig Liebes erfahren hatte, kam durch eine große Anhänglichkeit an diese Stadt noch im späteren Leben zum Ausdruck. Oft kehrte er in ihr ein und Beziehungen zu ihr brachen nie ab.
[11]
Reissiger begab sich, nachdem ihm noch von den Freunden eine für seine ferneren Studien geeignete Bücherei geschenkt worden war, direkt nach Wien. Was Wien damals für die Musikwelt bedeutete, wir wissen es ja genügend aus dem Leben der Großen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereits war es ein Lieblingssitz der Muse der Tonkunst geworden und blieb es Jahrzehnte hindurch. Neben den großen Gestirnen Gluck, Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert kreiste noch eine Unmenge kleiner Trabanten. Die ganze Bevölkerung der Stadt war, und ist es immer geblieben, im Banne der Musik. In den vaterländischen Blättern 1808 heißt es an einer Stelle: „In dieser Residenz wird man wenig Häuser finden, in denen nicht an jedem Abend diese oder jene Familie sich mit einem Violinquartett oder einer Klaviersonate unterhielte.“ Als Reissiger nach Wien kam, lebten von den Größten noch Beethoven und Schubert, und das Jahr 1821 ist in der Musikgeschichte ein geweihtes. Beethoven schrieb die Missa solemnis, Schubert die unvollendete Sinfonie. Michael Vogl, der bekannte Sänger, hatte am 7. März zum ersten Male Schuberts Erlkönig öffentlich gesungen, und die Ballade erschien als Opus 1 in diesem Jahre im Druck. Bedauerlicherweise ist Reissiger mit den beiden Großmeistern nicht persönlich bekannt geworden. Beethoven war schon der infolge seiner völligen Taubheit ganz zurückgezogen lebende Meister. Über Reissigers Verhältnis zu Schubert klärt uns ein sechsunddreißig Jahre später (20. Dezember 1857) geschriebener Brief des Ersten auf[20]:
„Auf Ihr sehr wertes Schreiben bedaure ich Ihnen erwidern zu müssen, daß damals meine große Schüchternheit mich leider nicht zu einer näheren Bekanntschaft mit dem uns allen unvergeßlichen Franz Schubert kommen ließ, von dem ich schon anno 1821 soviel Rühmliches hörte, der mir aber von meinen näheren Freunden als schwer zugänglich geschildert wurde. Auch in den wenigen Tagen meiner Durchreise anno 1825, wo ich mich sehnte, Schuberts Bekanntschaft zu machen, gelang mir dies nicht, da derselbe krank war. Möchte Ihnen Ihr Bestreben durch Herrn v. Schober gelingen. Derselbe wohnt seit einem Jahre hier, und ich ermangle nicht, Ihnen seine Adresse mitzuteilen“ (folgt Adresse).
Mußte Reissiger also auf die beiden genialsten musikalischen Ratgeber, die die Welt damals besaß, verzichten, so nützte er dafür alles andere fleißig aus, was ihm wertvoll werden konnte. Es war, wie gesagt, nicht wenig in Wien um diese Zeit. Zuerst müssen wir des Theaters gedenken[21]. Reissiger [12] kam gerade nach Wien, als im musikdramatischen Schaffen der Kampf zwischen Deutsch und Italienisch am heftigsten tobte[22]. Der Rossinitaumel der Wiener am Anfang der zwanziger Jahre ist ja bekannt. Barbier, Tancred, Diebische Elster, Zelmira wurden maßlos bejubelt, daneben war der Erfolg der biederen Singspiele und Opern der Deutschen Weigl, Gyrowetz, Umlauf, die Reissiger persönlich kennen lernte, allerdings klein. Weigls „Schweizer-Familie“ war noch das erfolgreichste dieser Werke. Aber die Deutschen arbeiteten langsam, doch sicher vorwärts. Der Dichter Holtei, die Kritiker Mosel und Kanne traten für die deutsche Oper ein, und ein Sieg, wie er seit Mozart nicht dagewesen, sollte bald kommen. Am 3. November 1821 wurde der „Freischütz“ zum ersten Male in Wien gegeben und fand begeisterte Aufnahme. Bald darauf (20. Dezember 1821) hatte noch eine deutsche, wenn auch etwas italienisierende, romantische Oper Erfolg: Spohrs „Zemire und Azor“. Das alles erlebte der junge Reissiger persönlich, und es verfehlte natürlich auch nicht seine Wirkung auf ihn, denn mutig sehen wir ihn seine erste Oper „Das Rockenweibchen“ komponieren. Wenn auch das Werk selbst wegen des Textes die Zensur nicht passierte – bei den berüchtigten Zensurverhältnissen der Ära Metternich nichts Ungewohntes –, also eine Aufführung nicht zustande kam, so führte doch die erfolgreiche Ouvertüre[23] den jungen Komponisten sehr günstig beim Theater ein. Er erhielt freien Eintritt in die K. K. Hoftheater. Unter den weiteren Ouvertüren, die er für dieselben schrieb, befindet sich auch eine Schauspielouvertüre „Käthchen von Heilbronn“. Wie schlug ihm das Herz, als er von dem berühmten Hoforchester, in welchem Mayseder, der Schüler Schuppanzighs, und Böhm, der Schüler Rodes, die führenden Geiger waren, seine Werke gespielt hörte. Die Hofoper war ferner schon immer ein Mittelpunkt künstlerischer Gesangspflege gewesen, und Reissiger lernte die Sänger persönlich kennen. Für Caroline Unger, die gefeierte Bühnensängerin und Verlobte Nik. Lenaus, schrieb er in Wien die „Geheimen Schmerzen“. Ferner gingen gerade damals am Wiener Gesangshimmel die Sterne Wilhelmine Schröder und Henriette Sontag auf. Das Rollen echten Theaterblutes konnte Reissiger hier fühlen, besonders nachdem nach I. v. Mosels und Graf Dietrichsteins Direktion der Theatermann Barbaja (1. Januar 1822) das Hoftheater pachtete. Von den Vorstadttheatern Wiens konnte Reissiger besonders im „Theater an der Wien“ lehrreiche Studien machen. Dort regierte J. v. Seyfried[24], und große Sänger, wie Haizinger und Spitzeder glänzten daselbst. Ferner waren gerade um diese Zeit die Ballettaufführungen dieses Theaters in gutem Rufe (Horscheltsches Kinderballett).
Daneben setzte Reissiger aber auch die theoretischen Studien fort, und zwar bei Salieri, dem Italiener, der als Opern- und Kirchenkomponist trotz seiner Abstammung später Glucksche Prinzipien vertrat und von Gluck selbst begünstigt worden war. Beethoven und Schubert waren schon seine Schüler gewesen. Die praktischen Studien im Pianofortespiel hat [13] Reissiger natürlich in Wien ebenfalls fortgesetzt[25]. Wir wissen, daß er mit Czerny bekannt war, und da dessen Unterricht um diese Zeit schon ein gesuchter in Wien war, so ist wohl zu vermuten, daß Reissiger ihn genossen hat. Reissiger hat in Wien ein Klavierkonzert komponiert und dasselbe auch öffentlich vorgetragen. Wir lesen in der A. M. Z. (1822 Seite 114, Kärntner-Thortheater betr.): „. . . . so erntete unlängst unser Landsmann Reissiger zwiefache Lorbeeren, zuerst als Sänger durch den kraftvollen Vortrag der herrlichen Baẞarie in H-Moll aus Händels Messias, sodann als Virtuose auf dem Pianoforte in einem ungemein solid gearbeiteten Konzerte aus Es-Dur“[26]. Wir sehen aus diesem Bericht, daß Reissiger auch wieder als Sänger aufgetreten ist. Dieses erwähnte Konzert ist aber nicht das einzige, in welchem er sang. Außer in Privatzirkeln, so im Hause des großen Kunstfreundes, des Herrn v. Hochenadel, wo Reissiger „sich als wackerer Baẞsänger bewährte[27]“, wirkte er in einem Sonderkonzert der erst 1819 von Gebauer gegründeten „Concerts Spirituels“ mit, und zwar sang er in Schneiders damals sehr bekanntem Oratorium „Das Weltgericht“ die Baẞsolopartie[28]. Wir erkennen, wie vielseitig sich Reissiger in Wien betätigte. Sein Fleiß wurde aber auch anerkannt, denn nicht nur im Hoftheater, auch in anderen Konzerten[29] wurden seine Kompositionen vorgetragen; nicht zuletzt aber dadurch, daß einige seiner Werke von Artaria und Steiner in Verlag genommen wurden[30]. So hatte sich der junge Komponist in der lebensfrohen Kaiserstadt rasch einen Namen gemacht. Sein Sinn aber strebte weiter. Ein anderes deutsches Musikzentrum hatte bereits Reissigers Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im Mai 1822 verließ er Wien, um sich noch bei einer anderen zeitgenössischen Autorität Anregungen zu holen, bei dem Hofkapellmeister Peter v. Winter in München.
Vielleicht war Reissiger von Salieri auf Winter hingewiesen worden, denn Salieri und Winter waren sehr befreundet. Letzterer selbst war einst von Salieri entscheidend beeinflußt worden[31], indem dieser ihm, dem in Mannheim-Münchener Überlieferungen Aufgewachsenen riet, besonders „all sein Studium auf eine echte Behandlung der ersten Stimme zu richten[32].“ Wenn Winter einmal Meister „des Satzes der ersten Stimme“ genannt wird, so heißt das in bezug auf Gesangskompositionen nichts anderes, als daß er den Text hervorragend gesanglich vertonte, ohne Vergewaltigung der Worte eine melodisch recht ansprechende Linie erfand[33]. In dieser Hinsicht [14] hoffte Reissiger wertvolle Winke zu erhalten. Tatsächlich ist die gute Deklamation auch ein an Reissigers Kompositionen zu rühmender Vorzug geworden. Winter, dessen deutsche Oper „Das unterbrochene Opferfest“ nach Mozarts Zauberflöte den meisten Beifall fand, war vielseitig. Neben Kirchenmusik lernte Reissiger bei ihm auch originelle Kammermusik kennen, originell vor allem in bezug auf die Besetzung, was auf Mannheimer Einflüsse zurückgeht. Wenn Reissiger später Kammergesänge oder Konzertanten für Bläser mit Orchester schrieb, so werden wir die Anregungen dazu bei Winter zu suchen haben.
Reissiger entwickelte nun in München eine ebenso fleißige Tätigkeit wie in Wien. Winters Freundschaft gewann er durch die Komposition einer Konzertouvertüre, zu welcher Winter ein Thema in fünf Noten gegeben hatte. Bei der öffentlichen Aufführung fand dieselbe solchen Beifall, daß der Hoftheater-Intendant bei ihm sogleich eine Schauspielmusik bestellte, und zwar zu einer Tragödie „Nero“. Reissiger schrieb die Ouvertüre, die Chöre und einige Zwischenakte[34], und erntete damit auch Beifall, so daß sich Winter ernstlich um ein Opernlibretto für Reissiger bemühte. Er hielt „Didone abandonata“ des berühmten Librettisten Metastasio für geeignet, auch von Reissiger komponiert zu werden; denn der Text war bereits vielfach vertont worden. Dido wurde etwas zurechtgestutzt, und Reissiger komponierte nun seine zweite Oper (die einzige italienische). Aber das Schicksal, das ihm sonst so wohlwollte, spielte ihm auch in München einen Streich wie damals in Wien, als es sich um die Aufführung einer Oper von ihm handelte. Der Brand, welcher das Hoftheater in Schutt legte, verhinderte die Aufführung der bereits angenommenen Oper.
In München vollendete Reissiger dann fernerhin noch eine feierliche Messe, welche er schon in Wien begonnen hatte, und mit welcher er Winter sehr erfreute. Winter hatte um diese Zeit (1822) schon lange die dramatische Komposition aufgegeben und komponierte nur noch für die Kirche. Noch eine Komposition Reissigers sei schon hier erwähnt, wenn wir auch später noch einmal auf sie zurückkommen werden. 1822 entstand nämlich der Walzer, der unter dem Namen: „Webers letzter Gedanke“ sehr beliebt wurde.
Die Vermutung, daß Reissiger seine überall gerühmten stimmlichen Anlagen noch von Winter, der eine noch bis auf den heutigen Tag geschätzte Singschule herausgegeben hatte, besonders hat schulen lassen, wurde uns durch Einsichtnahme eines in den Akten des Leipziger Ratsarchivs befindlichen Gesuches bestätigt, worin Reissiger schreibt, daß er bei Winter auch Gesangsunterricht genommen habe.
Dreiviertel Jahr war Reissiger bereits in München, als er aus Leipzig die Kunde von einer Erkrankung (es war die letzte) seines Wohltäters Schicht bekam, und zwar erhielt er gleichzeitig eine Aufforderung, begleitet von einem sehr ehrenvollen Schreiben des Leipziger Rates, die Vertretung des Thomaskantors zu übernehmen. Reissiger schreibt später an den Rat: „Seinem Gebot folgend, langte ich erst wenige Tage vor seinem Tode hier an, und hatte nur die Freude, ihm noch einmal mündlich meinen heißen Dank für seine Lehre sagen zu können und für seine Wohltaten.“
[15] Ehe aber Reissiger München verließ, schrieb ihm Winter folgende Zeilen (bisher unveröffentlicht):
„Endesunterzeichneter macht es sich zur angenehmen Pflicht, dem Herrn C. G. Reissiger, Tonkünstler aus Leipzig, das Zeugnis zu geben, daß derselbe während seines Aufenthalts in München mit Fleiß und Beharrlichkeit der Komposition oblag und in dem Unterrichte, den er hierin zur gänzlichen Ausbildung seiner Talente und Kenntnisse von mir erhielt, Beweise von Gründlichkeit im Kontrapunkt und ein in seinen Jahren höchst seltenes tiefes Studium der Musik an den Tag legte; seine Kompositionen im strengen und galanten Stil verraten eine reiche, lebhafte Phantasie, tiefen Geist, und zeichnen sich sowohl hierin als in der ihnen eigenen Charakteristik besonders aus. Auch wurde ihnen allgemeiner Beifall zuteil, und seine Oper Didone kann besonders als ein Meisterstück gelten. Herr Reissiger besitzt außerdem treffliche Kenntnisse im Gesang, einen raschen Überblick der Partituren. Überdies vereinigt er mit diesen seltenen Eigenschaften ein brillantes, meisterhaftes Spiel auf dem Piano, und wird durch seine musterhafte moralische Aufführung jeder Stelle mit Würde und Verdienst vorstehen.“
Außerdem können wir noch ein anderes Zeugnis aus München bringen, und zwar von dem Freunde C. M. v. Webers, Johann Nepomuk Poissl[35], welcher bald (1823) Hoftheater-Intendant wurde. Es lautet (bisher unveröffentlicht):
„Nachdem der Tonkünstler Herr C. G. Reissiger während seines neunmonatlichen Aufenthalts dahier in München mir Unterzeichnetem hinreichend Gelegenheit gegeben hat, den ganzen Umfang seiner musikalischen Kenntnisse, sowie auch seiner ästhetischen und artistischen Bildung im allgemeinen vollkommen kennen zu lernen, und glaubt, daß eine freimütige Erklärung meiner von demselben gefaßten Meinungen ihm zur Empfehlung dienen könnte, so fühle ich mich aus Liebe zur Wahrheit und Achtung für jedes wirkliche Talent verpflichtet, demselben hiermit folgendes aus meiner festen Überzeugung hervorgehendes Zeugnis auszustellen: Herr Reissiger besitzt neben ebenso tiefen als ausgebreiteten Kenntnissen in der gesamten Theorie der Musik, eine bis zur Fertigkeit gebrachte Übung im Spiel, und hat von der Vorsehung soviel Genialität erhalten und durch anhaltendes Studium so viele Erfahrungen erworben und einen solchen Grad der Geschmacksbildung erreicht, daß seine zu meiner Kenntnis gekommenen Werke im galanten Stil ebenso vorteilhaft für die großen Talente ihres Verfassers zeugen, als jene im strengen Stil. Belege dieses Zeugnisses sind für den strengen Stil eine große, solenne Missa, für den galanten Stil die italienische Oper Dido, beides Werke, die meines Erachtens jedem bereits im besten Kredit stehenden Komponisten Ehre machen würden. Außerdem besitzt Herr Reissiger die Fähigkeiten, jedes Sängerchor und Orchester mit Präzision und Gewandtheit zu dirigieren, und vereinigt mit einer sehr bedeutenden Gesangskunde und Virtuosität als Klavierspieler eine seltene Fertigkeit im Lesen und Vortragen von Partituren, so wie er sich auch die so sehr [16] wichtigen Kenntnisse der alten und neueren Sprachen, in denen sich die Musik zu bewegen pflegt, eigen gemacht hat. Diese sämtlichen Kenntnisse qualifizieren nach meiner Überzeugung zu jeder Kapellmeisters und Direktors Stelle; da aber Herr Reissiger mit denselben eine ganz besondere Fähigkeit zu unterrichten, sein Wissen ebenso systematisch als klar mitzuteilen, vereinigt, und auch seine Moralität ungeachtet seiner Jugend die vorteilhafteste ist, und in voller Übereinstimmung mit seinem guten und soliden Charakter steht, so würde derselbe als Kantor an einer Kathedrale oder als Vorstand einer Chorschule vielleicht noch am besten an seinem Platze stehen und für die Kunst wie für das anvertraute Institut am nützlichsten wirken können. Indem ich auf mein Ehrenwort erkläre, daß ich die hier aufgezählten Eigenschaften an Herrn Reissiger wahrgenommen, mich von denselben völlig überzeugt habe, empfehle ich denselben jedermann, dem er seine Dienste anbieten könnte, aufs angelegentlichste und habe zu größerer Gewißheit für alle diejenigen, welche meiner Empfehlung Glauben und Gehör schenken wollen, gegenwärtigem Zeugnisse meine Handunterschrift und mein angestammtes Wappen beigefügt. Johann Nepomuk Freiherr v. Poissl, Königl. Bayrischer Kammerherr, des hohen St. Georg Ordensritter und Kommandeur des Großherzogl. Haus- und Verdienstordens.“
Diese Zeugnisse sind so ausgezeichnet, daß man sich nicht zu wundern braucht, wenn Reissiger auf Grund derselben und bei dem ihm eben entgegengebrachten Wohlwollen des Leipziger Rates sich nun gleich um die Nachfolge im Thomaskantorat bewirbt[36]. „Ich kenne die ganze Wichtigkeit des Amtes eines Kantors an der Thomasschule, aber mit dem Bewußtsein redlichen und eifrigen Strebens nach dem Höheren, mit dem Vertrauen auf die mir von Gott verliehene Kraft getraue ich mir, wahrlich ohne alle Anmaßung mit den Bewerbern um diese Stelle in die Schranken zu treten.“ Außer ihm bewarben sich noch neun andere Künstler, unter anderen Theodor Weinlig aus Dresden und Karl Loewe aus Stettin, der spätere berühmte Balladenmeister.
Wenn Reissiger nicht gewählt wurde, so war seine für dieses Amt zu große Jugend (25 Jahre) der einzige Hinderungsgrund gewesen. Gewählt wurde bekanntlich Theodor Weinlig, den C. M. v. Weber, welcher seit seinem Freischütz-Erfolg zur Weltberühmtheit aufgestiegen war, empfohlen hatte.
Reissiger ging nun im Mai 1823 nach Berlin, wo er sich auf Anraten als Lehrer niederlassen wollte, bis sich einmal irgendeine bessere Gelegenheit finden würde. Zunächst hatte er das Glück, im Hause des sehr kunstsinnigen Fabrikanten Stobwasser, an den er wohl noch von Schicht empfohlen worden war, die freundlichste Aufnahme zu finden. Stobwasser war ein begeisterter Dilettant (das Wort noch im guten Sinne), ein tüchtiges Mitglied der Berliner Singakademie[37]. Die Tochter Marie wurde Reissigers Klavierschülerin[38]. Außer dieser Bekanntschaft mit der Tochter, aus welcher, wie wir noch sehen [17] werden, später zartere Bande entstanden, machte Reissiger in diesem Hause noch andere für sein Leben sehr nützliche Bekanntschaften. So mancher Name, den wir auf Kompositionen finden, gehört Trägern aus dieser Berliner Zeit an, die ihm mit Förderung zur Seite standen, und die er durch solche Aufmerksamkeit ehren wollte. Stobwasser führte ihn in die Kreise der Singakademie ein, und der junge Sänger, Pianist und Komponist war schnell ein überall geschätzter Gast. Zu seinem aufrichtigen Freunde wurde ihm neben Stobwasser der Geh. Oberregierungsrat Chr. Gottfried Körner, der Vater Theodor Körners, welcher 1817 in das neugebildete erste preußische Kultusministerium unter Altenstein eingetreten war und daher von Dresden nach Berlin übergesiedelt war. Schon in Dresden hatte Körner sich in musikalisch künstlerischer Weise hervorragend betätigt. Hatte er doch in seinem Hause einen wöchentlichen „Musikalischen Zirkel“[39] eingerichtet, in welchem größere Werke der Tonkunst, z. B. Mozarts Don Juan und Requiem, geübt und aufgeführt wurden und aus welchem dann im Jahre 1807 die noch heute bestehende Dreyßigsche Singakademie hervorging, mit Körner als Mitbegründer[40]. Von den Künstlern, die Körner in Dresden in seinem Hause versammelte, sei nur der italienische Opernkomponist Paër genannt. Er war 1802 als Nachfolger Naumanns zum Hofkapellmeister in Dresden ernannt worden. 1806 folgte er Napoleon I. nach Warschau und Paris. Nach seiner Übersiedelung nach Berlin wurde Körner Mitglied, später Ehrenmitglied, der Berliner Singakademie (Zelter), welcher alle namhaften Musiker und vornehmen Dilettanten angehörten, und auch der „jüngeren Liedertafel“ (Reichardt, A. W. Bach). Für den Komponisten B. Klein, den wir noch später erwähnen werden, verfaßte Körner in Berlin den Text zu dessen Oratorium „David“. Im Kultusministerium hatte er Kunst und Wissenschaft zu vertreten, und, um sich vielleicht über den Verlust seines Heldensohnes Theodor zu trösten oder sonst aus edlem Sinn, hatte er sich zur Aufgabe gemacht, junge versprechende Talente wirksam zu fördern, wobei ihm der Einfluß seines Amtes zustatten kam. Reissiger konnte sich freuen, einen solchen Protektor gefunden zu haben, nachdem ihm schon Schicht so wertvolle Dienste geleistet hatte. Der als erster Kultusminister von Preußen bekannte Freiherr von Altenstein (1817 – 37) sowie der musikalisch sowohl praktisch als wissenschaftlich tätige General Witzleben, ein Freund und Verehrer Spontinis, wurden neben Körner ebenfalls wohlwollende Freunde Reissigers. Auch das Berliner Publikum gewann sich Reissiger durch seine Kompositionen, die jetzt immer zahlreicher wurden (Liedersammlungen und Klaviersachen), aber ebenso auch durch öffentliches Auftreten. Wir lesen[41]: „Das letzte Konzert des Jahres gab Herr Joseph Fischer[42]. Er sang eine für ihn von Herrn Reissiger neukomponierte Szene und Arie, mit seiner Pflegetochter Anna ein Duett aus Rossinis Gazza ladra und mit ihr und Herrn Reissiger, einem kräftigen und angenehmen Bariton, das Terzett aus derselben Oper.“ In diesem Konzert war auch der König Friedrich Wilhelm III., der selbst auch komponierte, anwesend. [18] Waren also seine Erfolge immer erfreulich, so war doch das Streben nach einem festen Wirkungskreise, wo er seine vielseitige Bildung so recht entfalten konnte, also etwa als Opern- und Kirchendirigent oder fest angestellter Lehrer an einem Institut, noch nicht erfüllt worden.
Doch bald sollte eine interessante Wendung in seinem Leben eintreten. Die obengenannten hohen Protektoren hatten schon längst den Plan gehabt, das Talent Reissigers dem preußischen Staate irgendwie nutzbar zu machen. Die Regierung beschäftigte sich gerade jetzt ernstlich mit dem Gedanken einer staatlichen Fürsorge für das Musikbildungswesen, was auch wir heute noch hoch anerkennen müssen. Für die Musik hat man in Preußen schon immer von Staats wegen mehr als anderswo getan. Schon 1821 wurde z. B. Stöpel, ein bekannter Schriftsteller und Lehrer, von der preußischen Regierung nach London geschickt, um das neue Musikbildungssystem von Logier zu prüfen, worauf Logier später selbst nach Berlin berufen wurde. (Bekanntlich benutzte Richard Wagner für seine ersten theoretischen Studien auch das System Logier.) Auch Karl Loewe prüfte 1823 im Auftrage das System, um darüber zu berichten. Jetzt, 1824, wollte man gern zu dem erstgenannten Zwecke Vorbilder studieren. Das konnte man aber nur im Auslande, denn Deutschland hatte noch keine Konservatorien. Das klassische Land der Konservatorien ist Italien; als erstes Konservatorium außerhalb Italiens wurde das Pariser gegründet (1784). 1811 folgte Prag, 1813 Brüssel, 1817 Wien.
Zu einer Studienreise auf Staatskosten hatte man nun sein Augenmerk auf Reissiger gerichtet, welcher schon selbst immer danach getrachtet, hatte, zur Erweiterung seines Horizontes, gewissermaßen als letzte Krönung seines, wie wir wissen, guten Bildungsganges einmal eine größere Auslandsreise zu unternehmen. Die Herren von Altenstein, Witzleben, Körner regten ihn daher an, eine Eingabe an den König wegen der Bewilligung des Geldes zu machen. Dieses Gesuch wollten sie dann befürworten mit dem Hinweis, daß Reissiger gleichzeitig für den preußischen Staat genaue Einsicht in das Musikbildungswesen des Auslandes nehmen könnte. Reissiger machte die Eingabe an den König in diesem Sinne[43]. In der Befürwortung spricht sich von Altenstein folgendermaßen aus, um die allerhöchtse Aufmerksamkeit auf Reissiger zu lenken: „Es ist sehr selten, daß sich alle diese Eigenschaften (lobenswerte Bescheidenheit, Eifer für die Kunst sind vorher erwähnt) eine solche natürliche Anlage und eine so vollkommene Ausbildung nach allen Richtungen bei einem jungen Manne mit einem solchen musikalischen Wert vereinigt finden. Vorzüglich in den beiden letzten Beziehungen ist er für das Ministerium von großem Wert, da sich in ihm ein Mann erwerben läßt, der einst an die Spitze der Zentralanstalt gestellt werden kann, welche vorzüglich zur Ausbildung für die höhere Musik wirksam ist. Daß er eine solche vielseitige Ausbildung, sowohl für den kirchlichen, als auch für den Theaterstil hat, ist höchst wichtig, um bei dieser höheren Anstalt eine gewöhnlich höchst nachteilige Einseitigkeit zu verhindern. Seine große Lehrgabe und seine moralische Haltung werden ihn ganz vorzüglich zur [19] Anleitung junger Männer in diesem Fach geeignet machen. Zu einer Anstellung für ihn ist zwar jetzt (vorläufig) in meinem Wirkungskreise keine Gelegenheit vorhanden, ich zweifle aber nicht, daß sich solche in einiger Zeit darbieten wird. Sehr wünschenswert wäre es daher, daß diesem hoffnungsvollen, jungen Tonkünstler in der Zwischenzeit zu seiner weiteren Ausbildung durch eine Kunstreise die erforderliche Unterstützung zuteil werden könnte.“
Ehe Reissiger den Erfolg der Eingabe erfuhr, war er mit einer anderen Angelegenheit beschäftigt. Schon im Gesuche wird die Einstudierung der Oper Dido in Dresden erwähnt. Er hatte nämlich das Glück gehabt, daß auf C. M. v. Webers Empfehlung seine Oper in Dresden angenommen worden war. Weber hatte Reissiger schon 1820 in Leipzig kennen gelernt und dem damaligen Novizen in der Tonkunst gewissermaßen den Weihekuß gegeben. Bei M. M. v. Weber[44] lesen wir: „Bei Professor Ch. Weiß traf er (Weber) mit Friedrich Wieck, dessen Gattin, die mit ihrem kleinen, wenige Monate alten Töchterchen Clara schäkerte, und einem jungen Schüler Schichts, Gottlieb Reissiger, zusammen, der nach Webers eigenem Urteil sehr talentvoll selbst komponierte Variationen spielte und mit prachtvoller Baẞstimme eigene Lieder sang. Der junge Mann wurde der Komponist der Yelva und Webers Nachfolger auf dem Dirigentenstuhle zu Dresden; das kleine Mädchen, mit guter Musik genährt und aufgezogen, zu einer der edelsten Priesterinnen der Kunst und Meister Robert Schumanns Gattin.“
Dies ergänzt gleichzeitig das Bild der Leipziger Zeit Reissigers. Dann hat Reissiger vermutlich Weber in Wien wieder getroffen, wo letzterer gerade während Reissigers Aufenthalt ein Konzert gab. Über die Vorverhandlungen der Aufführung unterrichten uns folgende Briefe zwischen der Generaldirektion der Hoftheater in Dresden und Reissiger[45]. Der erste Brief Reissigers vom 8. Oktober 1823 aus Berlin, worin zugleich seine Liebe zum Heimatland zum Ausdruck kommt, lautet unter anderen: „Daß ich Ihnen, hoch zu verehrender Herr Geheimrat, mit dem größten und lebhaftesten Danke verpflichtet bin, indem Sie mir zuerst Gelegenheit geben, eines meiner größeren Werke und namentlich dieses, worüber sich Peter v. Winter und Frh. v. Poissl so äußerst günstig ausgesprochen haben, dem musikalischen Publikum vorführen zu können, können Sie gewiß glauben, und es freut mich besonders, daß meine erste Oper in Dresden gegeben werden soll, da ich das Glück habe, ein geborener Sachse zu sein. Da es mir nun darum zu tun sein muß, recht bald der musikalischen Welt bekannter zu werden, so überlasse ich Ew. Hochwohlgeboren gänzlich, das Honorar nach der Aufführung zu bestimmen, bei welcher sowie bei den Proben ich nicht ermangeln werde, und gebe die Versicherung, daß ich mit allem zufrieden sein werde. Nehmen Sie nochmals herzlichen Dank. Der gütige Gott erhalte Sie und das ganze Haus und segne alle Ihre Unternehmungen. Indem ich mich Ihrer besonderen Protektion zu empfehlen wage, habe ich die Ehre, mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und tiefer Ergebenheit zu verharren Ew. Hochwohlgeboren ganz gehorsamster Carl Gottlieb Reissiger, Schüler von Peter Winter.“
[20] Die Beifügung zu seinem Namen deutet auf den Ruf, den Winter genoß. Reissiger übersandte nunmehr die Partitur (Brief vom 26. Oktober 1823 im Hoftheaterarchiv) und erhielt von der Generaldirektion folgende Antwort (Akten im Hoftheaterarchiv, 21. November 1823):
„Lüttichau hat Ihre Partitur der Oper Didone abandonata erhalten und ist nicht abgeneigt, dieselbe zur Darstellung zu bringen, sobald Zeit und Verhältnisse dazu gelegen sein werden. Gewohnt jedoch, die Arbeiten der Künstler, welche sie annimmt, sogleich zu honorieren, ersucht sie dieselbe, eine Anweisung auf ein Honorar von 20 Dukaten auf die hiesige Königl. Theaterkasse zu stellen, wo diese Summe für Sie zur Auszahlung bereit liegt. Da es übrigens noch unbestimmt ist, wann Ihre Oper aufgeführt werden kann, hier auch nicht gewöhnlich, daß fremde Komponisten ihre Arbeiten selbst dirigieren, so wird die Ihrige von Herrn Kapellmeister C. M. v. Weber geleitet werden.“
Es kam also wirklich einmal zu einer Aufführung einer Oper Reissigers. Wir erinnern uns, daß bisher (Wien, München) immer ein Mißgeschick die Aufführung verhinderte. Am 31. Januar 1824 ging Dido zum ersten Male in Dresden in Szene. Reissiger wollte sich zur Erstaufführung nach Dresden begeben und bekam auch von Körner einen Brief an dessen Freund, den Hoftheatersekretär Hofrat Winkler (sein Dichtername war Theodor Hell), zur Empfehlung mit[46], worin es unter anderem heißt: „. . . . um so lieber, da ich diesem jungen Manne das beste Zeugnis geben kann. Seine Anspruchslosigkeit und Gefälligkeit nimmt sehr für ihn ein. . . . . “. Die Oper war mit folgenden italienischen Künstlern besetzt: Didone – Luiggia Sandrini, Enea – Carlo Tibaldi, Jarba – Alfonso Zezi. Der Erfolg der ersten Aufführung kam aber über einen Achtungserfolg nicht hinaus. A. M. Z. äußert sich dazu[47]: „Der Text zu dieser Oper, woran schon Pär (gemeint: Paër) mit seiner Komposition scheiterte, ist durchaus nicht interessant und für den Komponisten günstig. Der junge Tonsetzer, den wir hier zum ersten Male kennen lernten, scheint sich vorzüglich nach Spontini gebildet zu haben. Er ist nicht ohne Talent, allein sein Werk ist noch viel zu breit und zu wenig im Theaterstil. Dies wird sich aber gewiß in der Folge finden, wenn er einen ihm günstigeren Stoff komponieren kann und die Schreibart fürs Theater mehr kennen lernen wird.“
Wir vernehmen also die Klage über den ungünstigen Text, und dies war ein Mißgeschick, welches Reissiger bei allen weiteren Opernkompositionen verfolgte. Zur ersten und zweiten Aufführung war Reissiger selbst noch nicht in Dresden eingetroffen. Erst am 5. Februar langte er an und folgender interessante Brief an Stobwasser bringt Genaueres[48]:
„Sehr wertgeschätzter Freund und Gönner! Gestern in der Mitternachtsstunde bin ich glücklich und gesund, trotz der fürchterlichen Stöße, in die [21] mich der durch vorhergehenden Schmutz und durch darauffolgenden Schmutz erbärmlich gemachte Weg versetzt hat (schönes Deutsch!) hier angelangt und säume nicht, nachdem ich Sie alle herzlich begrüße, Ihnen folgende erhebliche Data aus meiner Lebensschaukel mitzuteilen. Was Ihnen auch vielleicht für Nachrichten über die erste Aufführung zu Ihren lieben Ohren gekommen sein mögen, so viel habe ich gewiß erfahren, daß die erste Aufführung, ob sie gleich schlecht war, doch gefallen hat und die Oper beifällig aufgenommen wurde. Vorgestern, am Mittwoch, ist sie weit besser gegangen, und sind die meisten Stücke applaudiert worden. C. M. v. Weber hat mir sehr viel Elogen gemacht, von dem ersten Akt hat ihm auch das Buch gefallen, der zweite, meinte er, schleppte sich, da sich’s ganz allein um die Dido drehe. Er sagte mir, sowie mehreren meiner Freunde, daß die Sandrini ihr Möglichstes geleistet und schön gespielt habe, Tibaldi aber gar keine Stimme mehr habe, hingegen Zezi, der Basso (nicht Sassaroli) sehr gut gesungen habe. Auch dem König hat sie gefallen. Vorzüglich die zweite Aufführung, und wenn der Herzog von Koburg nicht hier wäre, der immer etwas anderes zu sehen wünscht, so hätte ich die Dido schon nächsten Mittwoch wieder gehört. Indes hat mir Weber (der sich Ihrem ganzen, lieben, guten Hause bestens empfiehlt) versprochen, daß ich sie bald zu hören bekommen soll. – Auch das Publikum ist mit der Musik sehr zufrieden gewesen und hat nur andere Sänger gewünscht. Zezi soll die Baßarie sehr schön gesungen haben. Ich ging wirklich mit großer Bangigkeit hierher, allein ich hätte es nicht nötig gehabt, denn so leicht wird hier nicht ausgepocht. Heute will ich nun den Sängern und Sängerinnen einen Besuch machen. Fürstenau ist sehr artig gegen mich und läuft überall mit mir herum. Nehmen Sie mit diesen wenigen Zeilen vorlieb und denken Sie meiner in Berlin. Teilen Sie diese beruhigenden Nachrichten allen mit, die teil an mir nehmen. Es kommt mir sehr närrisch an, so allein hier zu leben. . . . Gott erhalte Sie gesund und schenken Sie ferner Ihre Liebe Ihrem dankbaren C. G. Reissiger. Dresden, 6. Februar 24.“
Ein anderer, zwölf Tage späterer Brief berichtet humoristisch von Dresdener Eindrücken; doch scheint die Oper noch nicht wieder gegeben worden zu sein (teilweise veröffentlicht)[49]:
„Drähsen, am 18. Febr. 24. Verehrtester Herr Stobwasser! Ich glaubte nicht, daß mein langweiliger Aufenthalt solange dauern würde, sonst hätte ich Ihnen schon früher geschrieben. Immer hoffte ich noch zu Ihrer lieben Frau Gemahlin Geburtstag mit einer schmelzenden Musik aufwarten zu können, aber es ist unmöglich, und ich bitte Sie herzlich, mich deshalb bei Ihrer wertesten Frau Gemahlin zu exkusieren, zugleich aber, da ich nolente marito füglich nicht selbst an dieselbe schreiben kann, auch meine herzlichen Glück- und Segenswünsche, insonders eine recht häufige unter bestem Wohlsein wiederkehrende Repetition dieses benannten Festtages, derselben als meinen eigenen Wunsch herzudeklamieren. Was nun mein Treiben dahier anbelangt, so ist mir dasselbe höchst zuwider, ob ich gleich überall die beste Aufnahme finde und ich unverschämt gelobt werde, allein ich bin nicht heimisch, fühle mich fremd und kann nicht arbeiten, wozu [22] denn wohl die Ungewißheit meines Schicksals viel beiträgt. Den zweiten Akt meiner Oper habe ich verkürzt. Und ich hoffe, es wird dadurch der Effekt vergrößert. Heute sollte sie gegeben werden, aber nun ist die Sandrini krank und ich abandonato! Schrecklich, daß ich nun bis über acht Tage warten muß.
Die Veltheim habe ich gestern gehört und bewundert, die Stimme sowie ihre Manier erinnert an die Seidler, aber alles im verjüngten Maßstab. Die Funk hat eine mächtige, hinreißende Stimme in der Kehle, aber sie kann durchaus nicht rein singen, bald ist sie zu hoch, bald zu tief. Die Sandrini hat als Julia in der Vestalin das Möglichste geleistet, und wenn sie verhältnismäßig so als Dido aushält, so kann ich zufrieden sein, denn sie singt rein und spielt gut. – Ich kann mir wohl denken, daß Sie mich wegen meiner Reise hierher tadeln, allein, was hilft’s? Ich möchte mir selber Ohrfeigen geben, es ist nun einmal geschehen und da muß ich aushalten, denn sonst hätte ich die ganze Reise umsonst gemacht. An Vergnügen fehlt es indes nicht, und die herrlichen Empfehlungen des Herrn Appell-Rat Körner und auch des lieben Hellwig[50] haben viel beigetragen. Die Bekanntschaft der hiesigen Dichter hat mir viel Freude gemacht. Theodor Hell ist vorzüglich freundschaftlich gegen mich; Gehe hat mir halb und halb ein Opernbuch versprochen, doch ist darauf nicht zu bauen und ich habe daher an Hofrat Georg Döring nach Frankfurt a. M. geschrieben, den Spohr empfohlen hat. Die Herren Richard Roos, Kind und Fr. Laun treffe ich stets auf der Harmonie. Gestern führte mich die Tarnow zur Frl. Winkel, einer ausgezeichneten Künstlerin, sowohl in Musik als Malerin. Nun die Bekanntschaft hat mir Freude gemacht! Aber denken Sie sich, was einem zugemutet wird. Von ½7 Uhr bis ¾10 Uhr hat sie Harfe gespielt, acht verschiedene Pièçen, und das alles wurde bei einer Tasse Tee abgemacht! Weber hat mir aufgetragen, Sie zu grüßen, ebenso empfiehlt sich Ihnen mein lieber Fürstenau.“
Mochte es der junge Komponist auch bedauert haben, nur um seiner Oper willen, die ihn so auf sich warten ließ, die Reise nach Dresden unternommen zu haben, so hatte er trotz mancher Widerwärtigkeiten doch einen Vorteil mit seiner Oper errungen, die Gunst des Königs Friedrich August I., welcher ein großer Musikfreund war und besonders die italienische Oper bevorzugte. Reissiger selbst schreibt es in einem Briefe und auch bei R. Wagner (Ges. Schriften) ist zu lesen: „Reissigers Dido abandonata gewann dem Komponisten die Gunst eines sächsischen Monarchen.“ Dieses Moment ist beachtlich, denn wenn Reissiger später (1826) Leiter der deutschen Oper in Dresden wurde, so hatte er, der ja deutscher Komponist war und mit Dido nur einen kleinen Abstecher gemacht hatte, gerade durch diese kleine Abschweifung die persönliche Gunst des Königs gewonnen, welche er dann für die Ausbreitung der deutschen Oper ausnutzen konnte. Weber stand einst dieses Moment der persönlichen Zuneigung leider nicht zur Verfügung. Vorläufig eröffnete sich ihm jetzt eine Aussicht, die er nicht ahnen, die ihn aber in seinen Plänen schwankend machen konnte. Lassen wir ihn selbst erzählen:
[23] „Dresden, 22. Februar 24. Hochgeehrter Herr Stobwasser! Die Krankheit des hiesigen Musikdirektors Schubert, dem der Arzt keine Hoffnung der Genesung gibt, und die Abwesenheit des Kapellmeisters Morlacchi haben einen Stillstand in die hiesige Oper gebracht, und man ist eifrigst bemüht, einen Musikdirektor an Schuberts Stelle zu wählen, der König will eine baldige Entscheidung. Wie ich gehört habe, muß sich der neue Musikdirektor bis zu Schuberts Tode zwar mit einem geringern Gehalt: 600 bis 800 Taler, begnügen, jedoch bekömmt er später das Ganze: 1200 Taler. – Weber und mehrere hiesige bedeutende Männer bedauerten, daß ich zu spät nach Dresden gekommen war, und gaben mir zu verstehen, daß ich vielleicht mit leichter Mühe reüssierte. Der Minister von Einsiedel hat Marschner diese Stelle versprochen und protegiert diesen sehr, jedoch ist Marschner gar nicht geliebt, sehr arrogant und roh, und Herr von Könneritz mag ihn nicht.
Gestern kam Theodor Hell zu mir und encouragierte mich, mich dem Direktor von Könneritz zu dieser Stelle anzutragen, er vertraute mir, daß ich Könneritz schon gefallen habe und er sein Bedauern geäußert, daß ich nicht früher gekommen sei, indem ich auf jeden Fall würdiger zu dieser Stelle wäre.
Sie wissen, daß ich mich lieber in Berlin versorgt sehe, als hier, besonders da die Stelle hier mit viel Arbeit verbunden ist. Ich sehe demnach in Berlin mit Sehnsucht einer baldigen Entscheidung entgegen. Ja ich weiß, welchen tätigen und herzlichen Anteil Sie an meinem Schicksal nehmen, so wollte ich nicht verabsäumen, Ihnen dieses zu schreiben, mir aber auch zugleich Ihren gütigen Rat in dieser Angelegenheit zu erbitten. Dürfte ich Sie bitten, darüber mit dem Herrn Geheimrat Frick zu sprechen? Jedoch muß die Sache sehr geheim gehalten werden. Gern hätte ich meine Testimonia hier, allein diese werde ich schwerlich bekommen können, da sie in den Händen des Herrn Ministers sind. Oder sollte ich vielleicht den Herrn Minister selbst um baldige Entscheidung bitten?
Sie sehen in dieser Sache immer weiter und klarer als ich und bitte Sie herzlich, mir Ihren gütigen Rat darüber nicht zu versagen und was Ihnen gut dünkt, für mich zu tun. . . . . . “
Hatte so die Zukunft schon ihre Strahlen auf den Lebensweg Reissigers, der freilich damals sehnsüchtig auf das entscheidende Wort des preußischen Königs harrte, geworfen, so kam nun am 25. Februar endlich die ersehnte Aufführung, übrigens die letzte, die das Werk erlebte. Hören wir ihn selbst und beachten die Ehrlichkeit, mit der er selbst das Ungünstige berichtet:
Gestern Abend ist meine Dido meinen Augen und Ohren vorbeipassiert und vieles davon recht gut eingedrungen. Da ich nun Ihnen bereits vieles davon nur vom Hörensagen geschrieben habe, so will ich es nun vom Hörensehen tun und will mich weiter auslassen. Zuerst muß ich Weber die größte Achtung und Dankbarkeit zollen, denn er hat das Möglichste getan, das Orchester hat mich überrascht und, ich wünschte wohl, Sie könnten diese Oper einmal hören, bloß um das Orchester zu bewundern. Was die Sänger anbelangt, so war erstens Mad. Sandrini von Anfang herein sehr unrein [24] und detonierte. Von dem „povero cor tu palpiti“, welches an sich viel Schnörkeleien hat, hörte man gar keine Melodie, und das Publikum konnte öfters nur vermuten, daß dieses schwere Variationen sein müssen und die Sängerin stecken geblieben sei. Sie können sich meinen Jammer denken, ich saß tutto solo versteckt und bekam gewaltiges Magendrücken. – Die Arie „son regina“ hat sie aber nach Kräften gut gesungen und wurde sie zweimal sehr stark applaudiert, überhaupt hat sie die Rezitative wunderschön gespielt und gesungen, und oft hat mich die alte, liebe Seele ganz entzückt. – Das Quintett mit Chor wurde ebenfalls gut ausgeführt und macht einen herrlichen Effekt. Überhaupt geht im ersten Akte alles recht gut vorwärts, und er schließt mit dem Ihnen bekannten Finale, welches mich durch die Ausführung von seiten der Sänger und des Orchesters wahrhaft überrascht hat. Es wurde zweimal stürmisch applaudiert, was bei der Kälte des hiesigen Publikums viel sagen will. – Zweitens: Sig. Tibaldi ist ein alter Enea, der, wenn er ein freundliches Gesicht machen will, die Zähne fletscht, auch bemerkte ich, daß, sobald er freundlich und zärtlich ist, seine Stimme am meisten überschlägt und kixt. Seine erste Cavatine hat er sehr gut gesungen, und wurde er ein wenig beklatschelt. Die Traumszene wurde sehr gelohnt und die Herren Hornisten und Fagotts, welche immer in der Tiefe gehaltene Noten haben darinnen, baten sich bei mir Schmerzensgeld aus, wurden aber refusiert. – Der Glanzpunkt des Enea ist die Einschiffungsszene im zweiten Akt, welche er gut sang; denn ich merkte, er hatte seine ganze Kunst und Kraft bis dahin gespart und wurde sehr applaudiert. – Übrigens ist dieser Enea nicht zum Aushalten, denn sein Spiel ist so schlecht, daß man während der Szene, wo Dido ihn mit Eifersucht quält, denkt, er hat Leibweh oder der Schuh drückt ihn stark. – Drittens: Zezi (Jarba) ist außerordentlich gut, schöne Stimme, seine Arie „son qual fiume“ hat den von den Solostücken meisten Effekt gemacht und sehr gefallen. Seine Stimme ist so stark und sonor, daß man im Finale ihn stets deutlich durchgehört hat. – Sehr schön hat er mit der Sandrini das Duett: Ti calma al fin etc. vorgetragen, welches ebenfalls applaudiert wurde.
Wunderbar ist’s, daß die Arie der Selene, die ich erst in Ihrem Hause nachkomponiert habe und sehr schnell gearbeitet habe, ein Lieblingsstück dieser Oper geworden ist. Sig. Miller singt sie sehr schön und mit Gefühl, sie hatte den meisten Beifall.
Ohne Applaus gingen vorüber die Cavatine: Povero cor im ersten Akt, im zweiten Akt das Duett: Morir oh dio, welches ein paar starke Stimmen verlangt – – auch das Terzett, wo man die Sandrini gar nicht durchhört.
Ouvertüre und Mohrenmarsch machen guten Effekt und gefielen außerordentlich. Einige unausstehliche Längen im zweiten Akt hoffe ich wegzuschneiden, damit der zweite Akt sich nicht so sehr dehnt. Die Chöre waren vorzüglich, in den Finales gut und auch die Branddekoration recht gut; und ich bin mit meiner ersten Arbeit recht wohl zufrieden, denke auch etwas Besseres noch hervorzubringen.
Eben habe ich von Hofrat Georg Döring das Szenarium einer großen heroischen Oper Coriolan erhalten, ich werde Weber, die Tarnow und Hell darüber fragen, auch Ihnen das Ganze zur Durchsicht geben, da mir einige Bedingungen anstößig sind, die er dabei macht. Dienstag früh hoffe [25] ich hier abzureisen, und ich werde dem Hofrat erst von Berlin aus antworten. Mein Protektor, der Herr von Könneritz, darf jetzt gar nicht nach Hofe, da seine Kinder die Masern haben, und dürfte ich deswegen wohl gar nicht weiter auf die Stelle spekulieren, um so weniger, da der Minister durchaus Marschner haben will, der seit fünf Jahren in seinem Hause Unterricht gibt. Heute abend bin ich bei der Kammerherrin Elise v. d. Recke, wo auch Tiedge[51] lebt, ich habe in diesem Hause schon manche schöne Stunde verlebt . . . . . . . . . . “
Unter dem 1. März 1824 wurde Reissiger der Bescheid, daß der König von Preußen ihm 500 Taler zu einer Kunstreise nach Paris und Italien unter der Bedingung zu bewilligen geruht habe, daß er sich bereit erkläre, seine Dienste nur dem preußischen Staate zu widmen. Das kam zur rechten Zeit, denn inzwischen hatte auch die Musikdirektorfrage in Dresden ihre Lösung, wenn auch freilich nur provisorisch, gefunden. Die andauernde Kränklichkeit des Dirigenten der italienischen Oper, Morlacchi, die diesen zwang, von Zeit zu Zeit in seinem südlichen Vaterlande Linderung zu suchen, sowie der Tod des Kirchenkomponisten Franz Anton Schubert hatten die auf Webers Schultern ruhenden Arbeitslasten dermaßen erhöht, daß man ihm, besonders im Hinblick auf seine eigene Schwächlichkeit, eine helfende Kraft zur Seite stellen mußte. Man fand sie in dem seit dem Jahre 1822 in Dresden weilenden Heinrich Marschner, der nunmehr durch Reskript vom 4. September 1824 als Musikdirektor der deutschen und solches vom 20. November auch der italienischen Oper angestellt wurde. Das Amt eines Kirchenkomponisten übertrug man Vincenzo Rastrelli. der schon früher dasselbe bekleidet hatte.
Reissiger hatte dem Ministerium angegeben, daß er nach einem halben Jahre, also im September 1824, gedenke, die mehrjährige Reise anzutreten. Aber bereits im Mai sehen wir ihn in Leipzig, wo er die erste Station macht. Im Berichte an den Minister[52] vom 26. November 1824 aus Paris heißt es: „Ich hatte zuletzt die Ehre, Ew. Exzellenz von Leipzig aus zu schreiben, wo ich mich besonders wegen der Vielseitigkeit, in der man dort die Musik ausübt, etwas länger, als ich mir vorgenommen hatte, aufhielt. Leipzig ist wegen seiner schönen Kirchenmusik von den größten Städten ausgezeichnet. Der Choralgesang in den Kirchen ist einfach edel, und ich habe ihn nirgends so gut gefunden.“
Auch wollte er sich in Leipzig von seinen Freunden verabschieden und veranstaltete daher ein öffentliches Konzert. Die Kritik schreibt[53]: „Am 14. Mai gab uns Herr C. G. Reissiger im Saale des Gewandhauses [26] ein in mehrfacher Hinsicht angenehmes, auch mehr als gewöhnlich besuchtes Konzert. Symphonie A 7 von Beethoven, Duett aus Zelmire usw. alles vortrefflich. Herr Reissiger ließ uns Hummels A-Moll-Konzert hören. An Fertigkeit und seelenvollem Vortrag hat er sehr bedeutend gewonnen, so daß das Perlende auch in schweren Aufgaben, was notwendig zur Meisterschaft gehört, sich gewiß bald dem schon Errungenen beigesellen wird. Seine Ouvertüre zu Dido, welche sehr gut und voll instrumentiert ist, rund und melodiös ist, nur daß sie zu sehr spontinisiert. Arie mit Chor aus derselben Oper voll Melodie, nach Art Rossini. Das Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello wurde ebenso sicher vorgetragen, als es besetzt ist.“
Reissiger berichtet dann weiter[54]: „Mein Weg führte mich über Nürnberg, wo ich mit Herrn Hofrat G. Döring wegen eines Opernbuches für mich sprechen mußte, nach Frankfurt a. M., da ich gerade zur Zeit der Messe viel Gelegenheit zu hören hatte, indem einen Tag um den anderen große Oper war. Ich habe mich über den guten Geschmack, der hier herrscht, sehr gefreut. Die hier erst kürzlich errichtete Singakademie, wenn auch bei weitem nicht so ausgebreitet und ausgebildet als die Zeltersche, wird von Herrn Schelble[55] geleitet, und beweist, ebenso wie in Berlin, welchen großen Einfluß das Hören und Treiben guter Kirchenmusik und Studieren gediegener Werke auf die Bildung des Geschmacks habe. – Schlechter wird die Musik in den Kirchen getrieben; der Chorgesang ist schlecht; die Organisten wissen nichts vom Kirchenstil; statt daß sie gebunden spielen, spielen sie unbändig und klaviermäßig, und ich habe wirklich eine recht merkliche, stufenweise Abnahme in dem einfach-edlen, religiösen Stil gefunden, je näher und je weiter ich innerhalb Frankreich kam.“
Ein Brief an seinen „liebsten Herrn Stobwasser“ vom 25. September 1824 aus Paris ergänzt in humoristisch-freierer Art das Reisebild: „Seit drei Tagen bin ich hier, und da sich mir eine so günstige Gelegenheit, Ihnen zu schreiben, durch einen Berliner, der hier im Hause Mendelssohns war, darbietet, so ergreife ich dieselbe, um Sie alle recht herzlich zu begrüßen und meine glückliche Ankunft in den Elysäischen Gefilden zu melden. Meine ganze Reise glich einer Wanderung in den himmlischen Regionen, und nur selten wurde ich durch eine ungeheure Rechnung im Wirtshause an das Irdische erinnert. Jedoch ich muß mich recht kurz fassen, da der Genannte bald abreisen will und ich es leider erst im Augenblicke, wo ich seine Bekanntschaft machte, erfuhr. Meinen Frankfurter Brief werden Sie doch bekommen haben? Ich hielt mich in allem vierzehn Tage dort auf, hörte sehr viel und viel Gutes im Theater, und zwar acht Opern, worunter Cortez, Faust, La Neige, Zauberflöte, und habe vorzüglich die letzten vier Tage recht angenehm in Bockenheim auf dem Landsitze eines Bankiers Ganslandt verlebt, der ein leidenschaftlicher Musiker ist. Von hier aus machte ich die Reise zu Wasser [27] nach Cöln, und zwar in zwei Tagen, habe Bingen, Coblenz, Neuwied, Bonn und Cöln recht angesehen, mich in letzterer Stadt einen Tag aufgehalten und mir Ihre Nähe ersehnt und recht angenehm geträumt. Von hier aus ist eine langweilige Gegend bis Aachen, ich blieb dort einen Tag und reiste über Jülich und Lüttich nach Brüssel. Von Aachen nach Lüttich ist der Weg sehr schön, Berge und Täler wechseln in immer neuen Farben, jedoch wird der Weg nach Brüssel zu höchst einförmig und flach, ebenso nach Paris. Ach, du gottlose Stadt, was kostest du für Geld, wie verstehen es deine Einwohner, einem das Geld aus den Taschen zu locken! Aber dafür hört, sieht und hat man auch etwas. Ich bin noch, obgleich ich schon sehr viel gesehen habe, zu sehr Neuling hier, um einen Vergleich aufzustellen, aber Wien ist nur ein kleinstädtisches Nest gegen Paris. Heute werde ich zum ersten Male die berühmte Pasta[56] in Romeo und Julie von Zingarelli hören. – Rossinis „Donna del lago“ ist hier ausgezischt worden –, dem ohngeachtet ist er aber Direktor der italienischen Oper geworden und engagiert jetzt mehrere neue Sänger. – Ich hoffe noch von Paër ein Billett zu erhalten – anders ist’s hier nicht auszuhalten, macht braucht zu viel Geld, für ein sehr einfaches Stübchen muß ich 45 Francs pro Monat zahlen. – Nächstens mehr.“
Einige Zeit darauf nimmt der Kunstjünger die Gelegenheit war, „die sich durch einen Herrn Hofmann aus Leipzig darbietet, um seinen lieben Freunden in Deutschland etwas hören zu lassen“. Eine ernstliche Erkrankung hatte ihn heimgesucht. „Ihnen die Ursache meiner Krankheit, meiner Not, meinen Ärger zu beschreiben, würde Sie langweilen, und mich würde es an eine schreckliche Zeit meines Lebens erinnern, wo es mir recht elend ging, wo ich ohne Wartung und Pflege war und die Habsucht und Mitleidlosigkeit der französischen Nation erfuhr. Was macht die edle Musika? – Meine Musik befindet sich ebenfalls wohl und denkt bedeutenden Zuwachs an Geschmack erhalten zu haben, wenn ich selbige gesund ins Vaterland zurückbringe. Du lieber Gott, wo soll ich anfangen, Ihnen zu erzählen? Von der hiesigen Lebensart? Daß ich um 8 Uhr aufstehe, um 5 Uhr zu Mittag esse, ½7 Uhr ins Theater gehe und um 12 Uhr ins Bett, das ist gewöhnlich. – Daß ich hier recht hübsche Bekanntschaften gemacht habe, daß ich oft bei Paër bin, daß ich Neukomm[57], den besten Schüler Haydns, sehr gut kenne, daß mich Neukomm bei der Herzogin von Lothringen eingeführt hat, wo ich singen, spielen usw. muß, daß ich dort die Gräfin de Merlin, Vicomtesse de Lacroix usw. kennen lernte, wo ich oft eingeladen bin, und daß mir diese Bekanntschaften, die ich kultivieren muß, viel Geld kosten, weil man immer fahren muß, das ist schon richtiger. Die vorteilhafteste Bekanntschaft hat mir Körner durch seinen Brief an Paër gemacht, der mich oft zu Tische bittet (da profitiert man denn doch noch) und mir Billetts in die italienische Oper schickt. Cherubini ist ein sehr finsterer, trockener Mann, und ich würde ihn hassen, wenn er nicht so schöne Sachen geschrieben hätte. Pixis[58] hat [28] mich bei ihm eingeführt. Kreutzer[59] ist ein lieber, scharmanter Mann, durch ihn erhalte ich ebenfalls oft Billetts für die große französische Oper, wo er Direktor ist. Auch Baillot[60], von dem die ganze Welt spricht, habe ich ein ganz erbärmlich komponiertes Violinkonzert, von seiner Komposition meisterhaft vollendet, göttlich vortragen hören.“
Im Bericht an den Minister erzählt Reissiger von den Meistern, die er persönlich kennen lernte: „Die Bekanntschaft mit den großen Meistern, die die Hauptstadt zu ihrem Sitze ersehen haben, teils weil sie im übrigen großen Frankreich keine Gelegenheit haben, sich auszuzeichnen oder dem Staate zu nützen, die Menge der jungen Künstler, die sich alle nach der Hauptstadt wenden, um von diesen Meistern zu profitieren; das Konservatorium, alles ist interessant, und ein Fremder findet eine Masse von Talenten in einer Stadt, die er in ganz Deutschland nicht vereinigen kann. Die großen Meister Cherubini, Kreutzer, Paër, Lesueur[61], Boieldieu usw. können aber durchaus nichts beitragen, um die leichte französische Nation vielseitig oder doch wenigstens gebildet in ihrem Geschmack zu machen. Für gediegene Musik, für Werke, die gut gearbeitet, gut durchdacht sind, ist der Franzose nicht geeignet; er hat keinen Sinn für Kirchenmusik, die denn auch in Paris ganz schläft. Nur in der Hofkapelle hört man unter Cherubinis Leitung zumeist eine gute Musik. Der Kirchengesang und die Organisten sind schlecht, letztere werden sehr schlecht bezahlt, und man ist schon zufrieden, wenn man zu solchen Kapellen Subjekte findet, die notdürftig einen Choral spielen können. – Messen, Oratorien, überhaupt Werke strengen Stils sind Kompositionen, die vorzüglich in neuerer Zeit hier ganz vernachlässigt werden, weil sie nichts eintragen, und selbst Cherubini hat deren wenige nur bei außerordentlichen Gelegenheiten für die Hofkapelle geschrieben; mit diesem und mit den Mozartschen und Haydnischen wird abgewechselt, und nur selten zum Glück fällt es einem anderen Kapellmeister ein, eine ältere französische Messe aufzuführen, die im allgemeinen schlecht sind. Werke wie die Haydnischen Oratorien, die Händelschen, die Tongemälde von Beethoven kennt man nicht, die Namen Hasse, Graun usw. sind unbekannt, weil man sich in Frankreich nicht so, wie in Deutschland, beeilt, fremde Werke zu übersetzen und zu würdigen, und es ist ein Glück, daß das Requiem von Mozart lateinischen Text hat, sonst würde man es nicht kennen. Jedoch wird man bald auch in Frankreich darin gewiß fortschreiten, wenigstens ist es eine gute Vorbedeutung, daß man hier theoretische Werke, wie G. Webers Theorie der Tonsetzkunst, Schichts Grundregeln der Harmonie usw., anfängt, ins Französische zu übersetzen, daß man sogar dramatische Werke in kurzer Zeit zur Ehre der Deutschen, nämlich Winters „Opferfest“ und Webers „Freischütz“, übersetzt und mit Beifall aufgenommen hat, und das zu einer Zeit, wo Rossini anfängt, in Paris zu dominieren.“
[29] In Briefen heißt es dann über sein Leben in Paris weiter: „Die Zeit vergeht hier schrecklich schnell, kaum habe ich die Sehenswürdigkeiten, die ich notwendig vor Ende des Herbstes sehen mußte, alle in Augenschein genommen, geschweige denn alles gehört, was zu hören ist. Ich habe seit drei Wochen müssen die Nächte zu Hilfe nehmen, um mir etwas zu verdienen, wie könnte ich sonst hier bestehen – ich mache ja das ganze preußische Ministerium arm. Denken Sie, daß man den Tag über unter 6 Francs (inkl. Logis) nicht leben kann, denken Sie, daß die Theaterpreise (Parterre 3 – 4 und 5 Francs) sind, und ich fast täglich ins Theater gehe, so haben Sie einen Begriff. Ich war so glücklich, an einen hiesigen Verleger mein neues Trio (das zweite) zu verkaufen und ein Heft Variations brilliantes für 600 Francs, und dieses kommt mir dabei wohl zustatten, ob ich mich gleich wunderte, daß der Verleger dieses nahm, da ich hier noch nicht bekannt bin. – Alles ist hier enorm teuer, jede Gefälligkeit muß man von den Franzosen teuer erkaufen, und dann erlangt man noch nichts ohne Vorteil (?). Jedoch, was schwatze ich Ihnen da für uninteressantes Zeug vor? I nun, klagt doch sogar Rossini über das teure Leben hier. Ich hatte gestern abends bei der de Merlin das Glück, diesen großen Mann näher kennen zu lernen, da er sich viel mit mir unterhielt und mich sogar bat, ihm etwas von meiner Oper hören zu lassen, woraus ich ihm die Ouvertüre spielte, womit er sehr zufrieden war. – Denken Sie sich, Rossini wird die hiesige italienische Oper übernehmen, wird in Paris bleiben!!! Nun in den Schranken muß er gehalten werden, da werden die Deutschen und auch die vernünftigen Franzosen schon dazu beitragen. Wenn er in der italienischen Oper herrscht, à la bonheur, das verdient er, denn er ist einmal der erste italienische Komponist, aber wenn er sich erkühnt, seine „Gazza ladra“ in der großen Academie royale zu geben, dann wird er gewiß immer ausgezischt, wie dies neulich geschehen ist. Dafür mag er in der italienischen Oper vergöttert werden, und da verdient er’s.“ An anderer Stelle äußert sich Reissiger über Rossini (Bericht): „Ich habe nun auf meinen Reisen alle Rossinischen Opern gehört, manche sehr oft, bin nun endlich ermüdet davon. Der Laie hält freilich das für gut, was er in Paris, in der Pariser italienischen Oper, in einer der ersten Städte Europas hört, allein ein Künstler wird sich, wenn er sich alles Gute, dessen Rossini wirklich nicht wenig besitzt, ins vorteilhafteste Licht zu setzen sucht, doch immer und ewig über die Fehler, die das Gute bei weitem übersteigen, ärgern. Rossinis Melodien sind leicht, reizend, er schreibt mit Gefühl, versteht den Effekt, allein seine Musik ist nie ein Ganzes, seine Opern sind keine Kunstwerke wie die eines Mozart, die von Anfang bis zu Ende durchdacht und den Anforderungen, die Deklamation, Ästhetik usw. machen, Genüge leistet, er läßt in seiner Musik nicht selten den Traurigen fröhlich sein und macht den Greis zum Kinde, macht und behandelt oft die ernsthaftesten Gegenstände komisch und zieht das Edle ins Niedrige herab. Jedoch gefällt seine Musik und sie verdient es; allein, daß sie so außerordentlich verehrt wird, ist unrecht. Rossini hat nur drei Originalopern geschrieben, den „Othello“, „Tancredi“ und den „Barbiere di Seviglia“, alle anderen Opern sind nur Wiederholungen und Kopien seiner früheren und sind entweder aus Geldgierde oder aus Einseitigkeit seines Talents entstanden. Jedoch glaube ich das Erstere, da ich die Ehre habe, ihn näher zu kennen.“
[30] Was nun die Sänger derselben anlangt (der italienischen Oper), so steht obenan Mad. Pasta, eine vollendete Sängerin, groß als Desdemona im Othello, als Tancredi, als Romeo vom Zingarelli unnachahmlich, vollkommen im Spiel, vollendet in ihren höchst geschmackvollen Koloraturen, hinreißend durch ihre Kunstfertigkeit, bezaubernd durch ihre Stimme, rührend durch die Tiefe des Gefühls und durch den unerklärbaren Zauber ihres ganzen Wesens, das dabei etwas Männliches hat. Beschreiben läßt sich das nicht – aber das ist auch der ganze Schatz der italienischen Oper, wenn man nicht von den höchst mittelmäßigen Sängern und von den wenigen bedeutenden, wie man sie in Dresden, München, Wien bei der italienischen Oper genug findet, noch den Bassisten Levasseur und einige junge Talente, wie die Damen Demery und Cinti, auszeichnen will. Die Ensembles habe ich in Wien besser gehört. Das Orchester ist hier ganz vollendet, die meisten sind Zöglinge des Konservatoriums, ebenso wie in der Großen französischen Oper (Académie Royale) und in der Opéra Comique (Feydeau), zwei in ihrer Art vollendete Institute. Beide Theater haben ebenso wie das italienische ein bestimmtes Publikum, weil jedes derselben sich in einer bestimmten Gattung der Komposition bewegt und die Grenzen sehr streng gehalten werden. Die Académie Royale ist durchaus nur für die größeren dramatischen Werke älterer und neuerer Zeit und für die großen Balletts, deren Muttertheater sie genannt zu werden verdient, wenigstens kenne ich noch nicht etwas Vollkommeneres[62]. Hier hören sie die Meisterwerke von Grétry, Piccini, Sachini, Gluck, Mozart (leider Mozarts Mystère d’Isis in die Misères d’Isis verwandelt, d. h. ganz verstümmelt, denn der echte Franzose kennt Mozart nicht genug), Spontini höchst vollkommen, kurz alles, was deklamatorischer, großer Gesang heißt, weshalb man auch diesem Theater den Vorwurf macht, daß seine Sänger schrien, was ich auch gefunden habe, aber auch bei der Größe des Theaters und des starken Orchesters sehr notwendig finde, denn man würde nichts hören, wenn man weniger artikuliert und daher gesangsmäßig singen wollte. – Dagegen hört man im Théatre Feydeau[63], daß die Franzosen auch singen können, und dies ist das echte französische Theater, die Schule der französischen Musik, hier herrscht Boieldieu, Auber, Herold. Der Ruhm des Ersteren ist entschieden, die beiden Letzteren sind sehr talentvolle Männer, nur sind sie in meinen Augen infame Schelme und schlechte Franzosen, denn sie verwischen in ihrer Komposition den französischen Genre mit dem rossinischen, und das ist erbärmlich. Ich würde, wenn ich Franzose wäre, laut mich dagegen auflehnen, daß der herrliche Geschmack, der edle französische Stil, wie ihn Méhul und andre ihrer Vorgänger rein und lieblich in den Romanzen zu erhalten gesucht haben, daß dieses Theater, welches der Stolz der Pariser sein könnte, wenn diese Schlingels nicht selbst die französische Musik mit Füßen träten, so ganz aus der Art schlüge. Dieses Theater besuche ich fleißig, um womöglich das Beste zu behalten, nirgends kann man den Theatereffekt mehr kennen [31] lernen, und gewiß ist mir diese französische Oper nützlich, wenn mich der liebe Gott vor Abwegen bewahrt und vor Mißverständnissen, die leider unser Compositeur Blum[64] in Berlin in vollem Maße aufgegriffen hat, wenn er glaubt, er gibt den Deutschen etwas französische Musik, und er habe sich gar die französische Schule anzueignen gewußt.“
Nebenbei sei eine Stelle erwähnt, wo Reissiger von einem der Vorläufer unserer heutigen Schutzfrist- und Tantiemegesetze Bericht erstattet (im Ministerbericht): „So schlecht es nun aber auch um die Franzosen in Ansehung des strengen Stiles steht, so sind sie im Dramatischen zu einer bedeutenden Höhe gestiegen, und es wird in dieser Gattung der Komposition viel getan, da sie sehr einträglich ist; und ich kann dabei nicht unterlassen, nicht allein die Regierung zu loben, welche so, wie für andere Künste, so auch für die Musik und besonders dramatische Komposition sehr schöne Einrichtungen gemacht hat, sondern muß eine andere besonders erwähnen, da sie von großem Nutzen ist. In Frankreich erhält jeder Komponist, sobald eine Oper von ihm gefällt, zeitlebens einen Teil der Einnahme von allen Theatern in Paris und in den Provinzen, wo sie gegeben wird, so daß ein talentvoller Musiker, der davon zwei bis drei mit glücklichem Erfolge auf die Bühne gebracht hat, anständig und sorgenfrei leben kann. Natürlich strengt sich jeder an, etwas Gutes zu liefern. Damit aber auf den vier königlichen Theatern keine unwürdigen Werke aufgeführt werden, ist ein Komitee ernannt, bestehend aus sechs der berühmtesten Männer: Cherubini, Kreutzer, Paër, Catel[65], Lesueur, Boieldieu, welche über den Wert oder Unwert eines musikalischen Werks unparteilich entscheiden und die Komposition im letzteren Falle verwerfen können, in welchem sogar der Autor die Kopialien bezahlen muß, die sich immer auf 1500 Francs belaufen. Dadurch wird jeder schon abgeschreckt, der sich nicht etwas Gutes zu liefern getraut, und im Gegenteil jeder talentvolle Künstler aufgemuntert, in dieser Gattung der Komposition alles zu wagen, um sich ein sorgenfreies Leben zu verschaffen, was einem bloßen Komponisten in Deutschland, wenn er nicht das besondere Glück hat, ein einträgliches Amt zu erhalten, nicht so leicht wird. Ebenso hat jedes Theater seine Dichter, die eine gewisse Zahl neuer Opernbücher liefern müssen, die ebenfalls bei uns so schwer und mit so großen Kosten nur zu erhalten sind, und wodurch die deutschen Theater genötigt werden, zu Übersetzungen französischer Werke zu schreiten.“
Im vorher angeführten Briefe fährt Reissiger dann fort:,,Nun ich schwatze Ihnen da recht viel albernes Zeug, und es tut mir wohl, meine freie, Meinung heute äußern zu können, da ich diesen ganzen Abend bei Paër wo auch Berton[66], Auber, Canetti[67], Lafont[68], Baillot[69] waren, das nicht tun konnte. Denken Sie, was haben wir den ganzen Abend gemacht? Lotto gespielt mit mehreren Personen vom Theater! Dann wurde noch um ½12 Uhr [32] ein Spaziergang auf den Boulevards gemacht. Nun, Ihnen dieses Leben unter den Boulevards zu beschreiben, ist unmöglich – hier tanzt eine arme Familie auf Stelzen, dort singt ein Blinder mit einem Pudel ein Duett, jetzt kommt ein Pulcinelltheater, Drehorgeln, Katzen, die nach der Musik tanzen, Affenkomödien, abgerichtete Kanarienvögel, Laterna magica, dort geigt ein Armer und singt: Le roi est mort, ein paar Schritte weiter singt ein anderer: Vive le Roi! Hier schreit ein Bilderhändler: Charles dix pour deux Sous! Dort laden cabinets d'aisänce ein, hier ein grand restaurateur, vor den kleinen Theatern suchen einem die commissionairs ebenso gierig Billetts in die Hand zu bringen, als die unzähligen filles de joie ihre Adressen. Mad. Korerga ist auch hier angekommen, hat aber noch nicht viel Anbeter, sie ist bedeutend häßlicher geworden. Auch die erste Sängerin des Münchner italienischen Theaters, Mlle. Schiasetti, ist hier, und ich schmachte manchmal mit diesem liebenswürdigen Bilde. Der berühmte Zucchelli ist auch wieder hier und tritt morgen in Centerentola als Baron auf. Ich freue mich, diesen herrlichen Künstler sehen zu können. Ich sehne mich sehr, etwas von Berlin und vorzüglich von Ihnen zu hören; ich bin jetzt so abgeschnitten von allen meinen Freunden, und es ist gar zu drückend, von denen entfernt zu sein, die man liebt und mit denen man so manche fröhliche Stunde verlebt hat, ein kleines Briefchen wäre doch eine kleine Entschädigung für dieses Entbehren; nicht wahr? Nun, Sie würden mir eine rechte Freude machen, nur foppen Sie mich nicht so sehr über meinen ungeratenen Brief. Wenn ich von hier abreisen werde, weiß ich noch nicht, in keinem Fall vor Mitte Januar, und ich habe wohl große Lust, länger hier zu bleiben, da ich hier – jedoch nur mit der Zeit, denn hier dauert es lange, ehe man bekannt wird – mein Brot recht gut werde verdienen können. Jedoch möchte ich sehen, was mir der Minister antworten wird auf mein Schreiben, das ich im nächsten Monat an ihn erlassen will. Italien will ich durchaus kennen lernen.“
Als Postskriptum fügt der Briefschreiber hinzu: „Den bekannten Bolero, welchen ich mir in Berlin geschrieben habe und den Linchen öfters sang, habe ich mir für den Baß eingerichtet und er gefällt überall, ebenso habe ich zwei französische Romanzen in Musik gesetzt und habe schon einen Verleger gefunden, der beide Stücke stechen läßt. Gestern hat eine neue Oper: „Léocadie“ von Auber wieder entschiedenen sucçès gehabt. Dieser Komponist hat Glück, denn eine einzige Oper, die er geschrieben: „La neige“ hat ihn in so guten Kredit gesetzt, daß er schreiben kann, was er will, das Publikum denkt, es ist gut, und applaudiert beständig. Das war auch der Fall in dieser Oper, die wirklich viel Gutes hat, aber auch das Schlechte, wie z. B. die Ouvertüre und mehrere Stücke, wurden wütend applaudiert.“
Im folgenden Briefe hören wir von Reissiger weiter: „Ich langweile mich schon in dem großen Paris, wenn auch nicht als lebenslustiger Mensch, aber doch als Künstler – kurz, mir ist zumute, wie dem Wanderer, der sich an der freundlich einladenden Quelle hinlänglich gelabt hat und welchem nun die Quelle ziemlich gleichgültig geworden ist. – Das Merkwürdigste in der hiesigen musikalischen Welt ist die große Veränderung der Direktion der Königl. Theater und die Umwälzung, welche diese auf alle musikalischen Dinge gehabt hat. Die Veranlassung ist der neue Minister und Chef des [33] Musikwesens, Vicomte Sosthènes de Rochefacault, der von der Musik nichts weiß und ihre feinen Fugen (Zusammenfügungen) nicht kennt. Als ihm Cherubini seine Aufwartung machte, mußte ihm der Bediente erst sagen: „Excellence, c'est le Directeur du Conservatoire.“ Beim Eintreten fragte ihn der Minister vornehm: „Est ce que vous avez déjà composé un opéra?“ Dieser Herr Vicomte läßt sich einfallen, die Direktion der Académie royale umzustürzen. Unter vielen anderen dankt er den braven Kreutzer ab, der noch ein sehr rüstiger Mann ist, er setzt Habeneck an dessen Stelle, der Kreutzer nicht das Wasser reicht! Diese Eingriffe geschahen, ohne daß Cherubini, Lesueur, Berton, Boieldieu, die Direktion dieses Theaters, im geringsten davon unterrichtet wurde. Diese vier gaben sogleich ihre Entlassung ein und Cherubini zugleich auch die seinige am Conservatoire. Es wird also große Mühe für den neuen Simson haben, das eingerissene Gebäude wieder aufzuführen. Diese Geschichte beschäftigt alle Theaterliebhaber, ebenso wie die Journale und Musiker. Letztere sprechen seit vierzehn Tagen nichts anderes, alle ihre Sinne sind darüber ins Stocken geraten. Beim italienischen Theater geht es ebenso. Dem Paër ist die Stelle als erster Direktor genommen worden. Rossini ist ihm vorgesetzt und mit 24 000 Francs engagiert worden. Dieser macht Veränderungen und Neuerungen nach Herzenslust. Die ganze musikalische Theaterwelt ist in Aufruhr versetzt worden.“
Beinahe hätte Reissiger hier in Paris die Bühnenlaufbahn ergriffen. Wir lesen: „Die Aufforderung Paërs, als Sänger zum italienischen Theater zu gehen, ist bei mir gehörig überlegt worden, aber diese Revolution hat mir das Theater etwas verleitet, so daß ich wohl nie ein sogenannter Theaterheld werden möchte! Obgleich Rossini sehr viele italienische geübte Sänger engagiert hat, so würde er gern auf mich reflektiert haben, aber, wie gesagt, ich fühle keine rechte Lust dazu in mir und will lieber den Weg gehen, den mir Berlin gezeigt hat, obgleich ich keine rechte Spur von ihm kenne und nicht ganz eigentlich weiß, wohin er mich führen wird! Mein Entschluß ist, Mitte Januar über Lyon, Turin nach Mailand zu reisen, dann Genua zu sehen, von da über Florenz nach Rom zu gehen und dort während der Karwoche zu bleiben. Ob ich Neapel werde berühren können, wird von der Güte des Ministers abhängen. Ich habe ihm ein sehr wahres Gemälde von 500 Talern gemacht, die in Paris allein draufgehen, wenn man dorthin reisen, leben – hören – sehen und sich kleiden soll, um anständig zu leben, zu hören und zu sehen! Ich hoffe, der Minister wird mir gewiß noch 200 Taler zulegen und mir noch ein Jahr Urlaub geben. Wäre ich nicht in preußische Dienste getreten, so böte mir Paris jetzt ein sorgenloses Leben an. Ich könnte sehr vorteilhafte Stunden geben, und meine Kompositionen würden mir viel einbringen, wenn ich mich in die Franzosen schicken will!
Binnen vier Wochen hoffe ich meinen Operntext von Hofrat Döring zu erhalten. Alles gefiel mir sehr gut, nur eine Ähnlichkeit mit dem „Freischütz“ behagte mir nicht darin. – Döring hat die Fabel sehr gut bearbeitet. Finales sind darin von ungemeinem Effekt, Stoff zu guten Chören ist hinreichend vorhanden und Gelegenheit zu schönen Dekorationen für die schaulustige Menge – Döring wird hoffentlich ändern, was ich ihm an dem Buche ausgesetzt habe.
[34] Meine Eltern sind sehr betrübt, da mein ältester Bruder Carl (d. h. von den zwei jüngeren Brüdern der ältere) noch immer krank ist, indem er an Geisteszerrüttung leidet. Sie können sich denken, wie diese Krankheit meine armen Eltern ängstigt. Ihre beschränkten Mittel erlauben ihnen kaum, ihn im großen Krankenhaus in Brandenburg zu erhalten. Möchte ich nur bald etwas über seine Genesung hören! Wie gern möchte ich meine Eltern unterstützen! Wenigstens wünschte ich, ihnen 50 Taler zu geben, und ich bitte Sie, meinen Eltern 50 Taler auszahlen zu lassen. Mein drittes Trio wird mir wohl wieder etwas eintragen. Auch sind wohl noch andere Sachen bald fertig, die in Deutschland etwas eintragen!“
In dem nun folgenden Briefe vernehmen wir zunächst von seiner abermaligen Erkrankung. Ein schmerzhaftes Leiden am Arm hatte ihn heimgesucht. Alsdann lesen wir weiter: „Sie haben mich in dem Briefe an Herrn Weise ein wenig gehänselt in betreff des Ministers und das ist brav, denn ich brauche immer solche Erinnerungen – fragen Sie nur Ihre liebe Frau, wie oft sie mich an meine notwendigen Visiten und Geschäfte zu erinnern die Güte gehabt. – Aber Sie kommen nur zu spät, denn ich habe schon ein stocklanges Schreiben abgehen lassen, worin ich mir viel Mühe gegeben habe, hinsichtlich der kirchlichen Sachen den Minister auf Rom vertröstet habe, denn hier weiß man gar nicht, was eine Kirche ist, noch weniger was Kirchenmusik. Nur in der Hofkapelle schreit der Franzose einmal eine Messe herunter. Ha! Ha! Ha! Es ist hier noch schlechter bestellt als im katholischen Deutschland, hier könnte man unsere Missa comica schon aufführen, ohne ausgelacht zu werden – ich habe mich wenigstens bald tot gelacht über die Aussprache des Lateinischen in der Kirchenmusik – Osanna eng eselsi – Dona nobi pasang. – Oh, wenn werden wir wieder unser lex tibi, ars mihi singen? – Doch, um nicht auf Abwege zu kommen, hoffe ich, daß der Minister mit meinem Bericht über den Zustand der Musik in Frankreich und einiger musikalischer Anstalten zufrieden sein wird, für das, was er eigentlich wollen mag (ich glaube, er will mich zum obersten Choralsänger zum Professor der aufgeschriebenen Anfangsgründe für den Kontrapunkt und zum Inspektor aller bestäubten Partituren und Schwarten, nur nicht Schweineschwarten, denn sonst würde ich den Juden verdächtig, machen), habe ich nach Kräften gesorgt, denn ich habe ein bißchen geschimpft und das Meiste verschwiegen. Eins ist mir nur unbegreiflich: was der Minister gedacht haben mag, wie er mir 500 Taler gab zu einer Reise von Paris nach Italien?, hat er sie bloß zum Verreisen gegeben, nun, so geht es an, und dann kann man nicht davon leben, sondern hungern, und dann schreibt und denkt sich’s nicht gut, hat er sie mir bloß zum Sehen und Hören gegeben, nun, dann ist’s auch gut, aber dann fällt das Reisen weg; eins muß wegfallen, denn entweder gehen die 500 Taler in Reisen auf oder im Leben, und meine Rechnung stimmt jetzt à – 500, das heißt, mit einmal 500 macht man Schulden!
à -500,
Nun eine andere Materie, bester Freund! Nachdem ich Ihnen nur noch nachhole, daß ich den Herrn Minister um Zulage gebeten habe und überhaupt um etwas Näheres, das heißt um beständiges tägliches Brot, Suppe, Fleisch, Braten und Wein, hi, hi! nicht etwa, als wenn mir es unlieb wäre, daß Ihnen Herr Weiße sub sigillo der Verschwiegenheit meinem olim, [35] d. h. in Paris kürzlich gehabten Plan mitgeteilt hat, nämlich auf die Bühne zu gehen, nein, es ist mir im Gegenteil recht unlieb – weil es bloß eine vorüberfliegende Laune von mir war und Sie gewiß eine üble Meinung von mir bekommen, da Sie die Ansichten von Herrn Weiße gewiß nicht ganz teilen. Ohnedem, daß mir der Schritt, den ich tun wollte, nicht einträglich genug schien, war er auch zu riskant, vorzüglich auf einer italienischen Bühne, worin ein Fremder auch mit der größten Bekanntschaft der Sprache doch noch Klippen genug findet – dazu die Ansichten vieler Leute über diesen Schritt, besonders Ansichten meiner Eltern, die sich sehr gegrämt haben würden und die ich jetzt doppelt zart zu behandeln mich verpflichtet fühle, da sie von seiten meines älteren Bruders, der seit dem August in Brandenburg liegt, an Geisteszerrüttung leidet, sehr angegriffen sind – kurz, ich fand soviel dawider, daß ich mich entschloß, meine guten Aussichten in Berlin weiter zu verfolgen und mich kümmerlich, aber recht, ehrlich und fleißig weiter durchzuschlagen. Dieses wollte ich Ihnen nur noch mitteilen. Auch habe ich den Glauben, daß mir ja, wenn es mir später dennoch schlecht gehen sollte, meine Wünsche unbefriedigt blieben, dieser Weg immer noch offen bliebe, zu dem ich doch keinen rechten Trieb in mir fühlte.
Das einzige Gute, was mir bei meinem längeren Aufenthalte hier bleibt, sind die Bibliotheken und vorzüglich die des Konservatoriums, wo man schöne und seltene Werke findet. Alles andere habe ich nunmehr satt. Die Große Oper hat, seit ich hier bin, noch nichts produziert, woran wohl die Streitigkeiten in der Direktion Schuld haben mögen. Auch bei der italienischen ist Rossini zum Direktor ernannt. Die mittelmäßige Truppe hat auch noch nichts Neues geliefert. Bekanntschaften, die man immer kultivieren muß, wie einen Cherubini, der den ganzen Tag beschäftigt ist, und die ebenso wie die übrigen einmal einladen, wenn sie Zeit zur Gesellschaft haben, läßt man sich gefallen, allein alle diese Leute, wie es einem immer geht, sind größer in ihren Werken als in ihrem Leben. Die anderen Bekanntschaften rauben Zeit und Geld, und da ich davon wirklich keinen einzigen Nutzen sehe (ausgenommen den des Vergnügens und des fidelen Lebens, welches man gewiß so nicht wieder findet, mais cela m'est égal), der aus meinem längeren Herumlaufen und Sitzen in dem großen Paris ersprösse, so habe ich mich entschlossen, diesen teuren Ort bald zu verlassen, in welchem ich recht viel Gutes habe kennen lernen, in dem ich ebensoviel könnte profitieren, wenn ich noch einmal meine Carrière von vorn anfangen wollte, denn Reicha[70] ist hier einer der ersten Kontrapunktisten und vielleicht einer der ersten in Europa.“
In dem nächsten Briefe (vom 14. Januar 1825) schreibt Reissiger: „Meine Abreise von hier wird sich wohl bis zum 20. verzögern. Ich hoffe nur noch einen Brief vom Minister zu erhalten, allein es scheint, daß ich nicht darauf warten kann und lieber das Gewisse für das Ungewisse nehmen muß – d. h. Italien mit dem vorhandenen Gelde zu sehen, als hier länger mein Geld zusetzen und am Ende aller Enden wegen der gebetenen Zulage eine abschlägige Antwort zu erhalten – ohne Italien sehen zu können! – Wenn mein Trio bei Peters erschienen ist, so haben Sie die Güte, sich zwei Exemplare für mich zu erbitten und eins davon unfrankiert an Mr. Farrenc, [36] auteur et éditeur de musique à Paris, zu schicken, der es nachstechen wird, da er mein zweites gekauft hat und sich wegen des dritten, welches ich hier geschrieben, vielleicht noch arrangieren wird. Kalkbrenner[71] ist jetzt hier, wir haben uns liebgewonnen und sind viel zusammen.“
Am 26. Januar verließ Reissiger die Seinestadt, nicht ohne vorher seinen Freunden in Berlin noch einmal von sich Bericht erstattet zu haben; „Ich benutze die wenigen Augenblicke, die ich vor meiner morgen stattfindenden Abreise meinen vielen Abschiedsvisiten und Paßgängen abgewinnen kann, um Sie noch von der Art meines Weggehens zu unterrichten. Mein Aufenthalt war für mich sehr lehrreich und würde einträglich geworden sein, denn ich hätte jetzt eben durch die Gräfin Merlin usw. sehr bedeutende Lektionen oder vielmehr einträgliche Lektionen in bedeutenden Häusern bekommen. Mit dem Verleger Farrenc habe ich für 800 Franks Geschäfte gemacht. Ohne dies wäre ich nicht imstande gewesen, weiter zu reisen. Er bedauert, daß ich schon jetzt weggehe und hat bei mir noch ein Quintett, ein Quartett, ein Trio und eine Sonat mit Violine bestellt, wofür ich gleich Geld bekomme[WS 1], wenn ich ihm das Manuskript einschicke. Für Schlesinger habe ich einige Kleinigkeiten geschrieben und dann und wann eine Korrektur übernommen. Er wird mich sehr vermissen. Mein hiesiger Aufenthalt hat mich 1330 Franks gekostet, und ich habe noch 300 Franks bar in der Tasche, gedenke also erst in Turin das erste Reisegeld zu heben.
Es war für mich sehr nötig, etwas zu verdienen, wie hätte ich sonst nach Italien kommen können? Sollte mir wohl der Minister die sicheren Hoffnungen ersetzen können, welche sich mir in Paris darboten? Sollte er mir gute Aussichten für Paris zeigen? In Paris kann ein fleißiger Musiker sein Brot spielend verdienen. Man bekommt 10 bis 15 Franks für die Lektion, und mit Kompositionen kann man sich einen Sparpfennig zurücklegen. Wenn ich Paris gekannt hätte, so hätte ich das Ding angegriffen. Aber die kgl. Mittel waren allerdings der Hebel, durch den ich hierher kam. – Es durchkreuzen sich bei mir die Sorgen mit den Hoffnungen des Lebens! Ich bedauere, daß ich jetzt fortgehen soll, wo ein jeder zuredet, zu bleiben und hier mein Glück zu machen, wo es mir anfängt zu blühen. Da ich mich aber zur Abreise entschlossen habe, so vertraue ich fest auf die Hilfe des Ministers. Er hat mir einen recht artigen Brief geschrieben, in welchem er sich recht zufrieden zeigt, allein von 200 Taler Reisegeldern steht nichts drin! Er entschuldigt sich, daß er mir noch keine ganz feste Zusicherung geben kann, glaubt aber, mir Hoffnungen machen zu können usw.
Nur mit der größten Not und Mühe habe ich seine Forderung befriedigen können, ihm eine ganz ausführliche Beschreibung des Conservatoire einzusenden. Gestern ist der detaillierteste Bericht an die Gesandtschaft abgegeben worden[72]. Über meine künftige Anstellung hätte gern mehr Licht und muß mich ihm gänzlich in die Arme werfen. – Sie sehen, wie unruhig mich meine Abreise macht, hinsichtlich meiner Zukunft, da man mir hier die lachendsten Aussichten zeigt und dort gar keine.“
[37] Der nächste Brief, datiert Lyon, den 30. Januar 1825, ist zunächst die Antwort auf ein Schreiben Stobwassers, worin er Reissigers Abreise von Paris gemißbilligt hatte: „Sie sind mit meiner Abreise von Paris (die sich übrigens noch ganze vierzehn Tage verspätet hat!) nicht zufrieden, lassen Sie sehen, verehrter Herr, was ich Ihnen entgegensetzen werde. Meine Abreise nach Italien war in mir so fest und in meinen Augen so notwendig, daß ich wirklich nicht anders konnte, als dieses Jahr noch dahin zu reisen. Sie werden sagen: ich hätte können nächstes Jahr dahin gehen, allein das darf ich ja dem Minister noch gar nicht merken lassen, daß ich noch ein Jahr wegbleiben möchte, da er mir noch nicht einmal meine erste Bitte (Zuschuß von 200 Talern) bewilligt hat – und wie denn, wenn mir der Minister längere Unterstützung abschlägt? – dann habe ich in Paris gesessen und Italien nicht gesehen. Sehen Sie, so sitze ich denn seit gestern abend hier, um morgen nach Turin abzureisen und spekuliere nunmehr so: Seit 14 Tagen habe ich in Paris bloß für den Minister gearbeitet (der Minister hat mir einen sehr artigen Brief geschrieben, hat meine Nachrichten sehr interessant gefunden und mich seiner vorzüglichen Hochachtung versichert, er schrieb mir, daß er sehr wünsche, ich möchte ihm über das Konservatorium die möglichst vollständigsten Nachrichten einschicken, und machte mir besonders unter dieser Bedingung Hoffnung zur Zulage) und die möglichst vollständigste Schilderung des Konservatoriums eingesandt, welches mir ungeheure Mühe gemacht hat, weil ich in Ermangelung eines gedruckten Etats alles einzeln von den Professoren erfragen mußte; ich hoffe also, daß der Minister, dem ich noch geschrieben habe, daß er mir erlauben möchte, meine eigenen Bemerkungen und Ansichten über das Zweckmäßige und Nachahmungswerte dieses Instituts (damit ich nicht wieder nachhinken muẞ) solange zurückzuhalten, bis ich sie noch geläutert und gestärkt hätte, was vorzüglich durch die Untersuchung und Vergleichung mit dem schönen Prager Konservatorium und durch Betrachtung des Fortschreitens des Wiener Konservatoriums, das ich vor drei Jahren erst im Entstehen fand, und wo ich selbst Ehrenmitglied wäre, mit größtem Nutzen geschehen würde und könne, wenn anders Se. Exzellenz mich ferner unterstützten, mir die 200 Taler Zulage geben wird, damit ich in Italien, wo ich nicht so viel verdienen kann oder vielmehr gar nichts verdienen kann, leben kann und die ungeheuren Reisekosten decken kann. (Denken Sie, daß allein der Platz von Paris nach Lyon 70 Franks und der nach Turin 75 ohne Bagage kostet, und daß man nur 10 kg (25 Pfd.) frei hat); habe ich diese 200 Taler erst erwischt, nun so hoffe ich später einkommen zu können um Verlängerung meiner Reise. Gibt mir der Minister keine längere Unterstützung, nun so müßte ich eigentlich nach Berlin zurückkehren – gibt mir der Minister aber keinen guten Platz in Berlin oder keine ganz feste Hoffnung, so fegte ich augenblicklich wieder nach Paris, wo ich in alle Verbindungen wieder eintreten kann, wo ich gern gesehen bin und mir so viel spielend verdienen kann, als ich brauche, um recht honett alle Vergnügungen von Paris zu genießen. – Sie werden über meinen Entschluß sich wundern, allein, warum sollte ich nicht eine Stadt liebhaben, wo ich in so kurzer Zeit, in einem Aufenthalt von 4½ Monaten als Kompositeur (als Fremder!) so gesucht worden bin, daß ich an 1400 Franks Kompositionen verkauft habe und wo noch für [38] ebensoviel bestellt sind, wenn ich zurückkehren werde? – Eine Stadt, wo die Lektionen von 12 bis 18 Franks bezahlt werden, deren ich mehrere hätte haben können, wenn ich lange hier geblieben wäre! – Habe ich da Unrecht? – Daß meine Kompositionen hier gekauft werden, habe ich nächst meinem zweiten Trio, das Sie noch nicht kennen und das ich hier einmal in einer großen Soiree gespielt habe, vorzüglich dem Pixis zu verdanken, der sich als recht braver Mensch und Landsmann an mir gezeigt hat und mich und meine Kompositionen überall empfohlen hat. – Bin ich dann wieder durch Wien und Prag passiert, so komme ich dann auch nach Berlin, um Sie vor meiner Rückreise nach Paris alle noch einmal zu sehen – denn anders könnte ich es doch nicht übers Herz bringen –. Sehen Sie, das ist jetzt meine Ansicht, Paris ist freilich ein Ort, wo eben nicht viel mehr zu hören ist als in Berlin, aber doch viel Mannigfaltigeres als in Berlin und noch viel mehr, als in anderen Städten, und wenn man ein halbes Jahr in Paris gewesen ist, kennt man alles und kann wieder abreisen mit gutem Gewissen. Es wäre denn, daß einer eine Oper dort schreiben wollte, dann müßte er wenigstens zwei Jahre dort bleiben, um sich so bekannt zu machen, daß er von einer Kgl. Theaterdirektion ein Buch bekäme. – Über meine künftige Existenz bin ich nunmehr ganz außer Sorgen und es wäre mir nur meine Entfernung von meinen Angehörigen und Freunden schmerzlich.“
Wir müssen uns nun im folgenden versagen, die interessanten, von Naturbegeisterung diktierten Reiseberichte, soweit sie sich auf Ort und Landschaften (z. B. die Romantik der Alpen) beziehen, wiederzugeben, ferner von Reissigers Streben, alles nur erdenklich Fesselnde, was sich ihm bot (er hat z. B. eine Wallfahrt mitgemacht), mitzunehmen, zu handeln, sondern wir beschränken uns nur auf das die Musik Betreffende.
Über Lyons Verhältnisse erzählt Reissiger: „Der Handel erstickt in dieser Stadt den Sinn für die schönen Künste, vorzüglich für die Musik. Ich mußte lachen, als mich jemand fragte, welche Oper mir wohl besser gefiele, die Pariser oder die Lyoner. In den Entreactes des Schauspiels wollen zwei Geigen das Haus erfüllen, und zwar mit malitiöser Musik, die kein Mensch außer Lyon kennt. Zuweilen hört man nur ein einziges Geigelchen! Ich hörte Une Folie von Méhul und eine andere Oper von d'Alayrac und Hérold. Die Pantomime ist ganz vortrefflich und das Ballett gut. Was nun überhaupt den Glanz der Musik anbelangt, so ist alles auf Paris beschränkt. In der Provinz herrscht Finsternis. Kirchenmusik gibt’s gar nicht, und wenn einmal ein Fest in der Kirche gefeiert wird, so werden dazu Rossinische Ouvertüren gewählt, welche während der Messe den Geistlichen zum Ruhepunkt dienend, von den Militärbanden ausgeführt werden. Die Kirchen werde ich heute zum lieben Sonntag ein wenig durchstöbern, und dann wie gewöhnlich des Sonntags, wo ich mich recht unbehaglich fühle und immer im Kreise der lieben Familie in Berlin sein möchte, auf Ihr Wohl ein Fläschchen trinken.“ Und von Turin heißt es weiter: „Im Theater gab man eine schlechte Oper von Niccolini[73] „Tenzone“ – für diesen Karneval komponiert – aber ein sehr schönes Ballett: Jeanne d’Arc. Das Theater ist wunderschön, ebenso groß als das Berliner Opernhaus, nur freundlicher und eleganter. [39] Wie groß war meine Freude, als unsere kleine Canzi[74] hervortrat! Sie singt hier mit vielem Beifall, obgleich die Partie in dieser fatalen Oper viel zu tief für ihre Stimme war und keine Gelegenheit gibt, sich zu zeigen. In der ersten Karnevalsoper von Mercadante[75] hat sie sich nach dem Ausspruch der Turiner mit großem Beifall gezeigt. Ihr Gesang gefiel mir demohnerachtet, ich fand, daß ihre Stimme stärker geworden war. Sie hat mehr Bühnenkeckheit bekommen (Routine).“
Von der Schauspielpflege in Turin berichtet Reissiger an den Minister: „Das Schauspiel[WS 2], welches, wie ich hörte, das erste in Italien sein sollte, hat mir einen niedrigen Begriff von dem Standpunkte der Deklamation gegeben. Findet man es in Paris schon empörend, wenn die Schauspieler durch unmäßiges Schreien und durch Grimassen Effekt hervorzubringen versuchen, wie sehr muß einem hier befremden, wenn man außer den französischen Untugenden noch Unanständigkeiten und Gemeinheiten eingemischt, um dem Publikum zu gefallen. Das zweite Operntheater in Turin (Teatro Sutera) ist nicht der Rede wert. Ich ging ins Teatro Sutera, um die weltbekannte Oper von Generali[76]: „La Donna del colle erboso“ anzuhören. Aber auch hier erbaute ich mich nicht sehr, weil die Sänger gar schlecht arbeiteten. Montag sang die Canzi im Teatro Reale ein Duett von Mercadante mit Signora Lorenzani, welches sie mir gewaltig gerühmt hatte. Es war aber eine sehr schwache Rossinische Lozie (?). M. Lorenzani gilt in Italien für den zweiten Musico in der Oper. Als erster wird Signora Pisaroni hier angenommen, welche ich leider nicht hören kann, da sie noch krank ist. Die Lorenzani hat mir sehr gefallen. Die Stimme ist schöner als die der Vespermann[77] und ihre Tiefe ist sehr volltönend.
Auf Anraten des Barons Zinnica ging ich gerade nach Mailand, da in Genua für die Musiker nichts zu holen ist. In Mailand will ich die letzten Tage des Karneval noch genießen.“
Von Mailand hat Reissiger nun einen sehr eingehenden, fesselnden Bericht über das Konservatorium abgesandt, wozu der alte, ehrwürdige Direktor Censore Minoja ihm in größter Gefälligkeit die Unterlagen geliefert hatte[78]. Der Dank des Ministers zeugt von hoher Befriedigung und Anerkennung der Dienste Reissigers. Auch hat Reissiger erneuten Zuschuẞ aus Berlin erhalten. Wir heben aus diesem Bericht nur die Mahnungen Reissigers an junge Komponisten hervor: „Auch sollten Komponisten und Virtuosen oder vielmehr die Jünglinge, die sich dazu bestimmen, mehr zum Gesang angehalten werden. Der Gesang vorzüglich leitet uns auf das Wahre und Richtige im Vortrag und Ausdruck, durch ihn wird der Sinn für das Schöne geweckt und unser Herz aufgeschlossen, durch ihn wird unser Gefühl am kräftigsten geweckt. Wir finden diese Behauptung in der theoretischen und praktischen Tonkunst bestätigt, man sagt, dieser Komponist [40] schreibt mit Gefühl, er schreibt fürs Herz, hat guten Gesang; sein Gesang, tief in seinem Innersten empfunden, spricht angenehm die Herzen der Zuhörer an – fehlt ihm jedoch der Gesang, so mag er die größten Künsteleien machen, viel Kenntnis, Phantasie, Erfindung zeigen, mag gut und effektvoll instrumentieren und gut deklamieren, aber er wird kalt lassen. Das Nämliche erfährt ein Geiger und ein Bläser, wenn er ohne Gefühl spielt und keinen Gesang hat. Im Gesange liegt die größte Kraft der Musik. In unserm Innersten erzeugt, quillt er als die belebteste Sprache dessen, was wir innerlich fühlen, hervor. Und wie wünschenswert wäre es, daß sowohl die Musiker als die Zuhörer sich ruhig und mit prüfendem Urteil und reinem Gefühl auf diesen Standpunkt stellten, dann würde es nicht mehr möglich sein, einer Musik Beifall zu zollen, die es mit nichts als dem äußeren Sinn zu tun hat; man würde eine Musik nur mit steter Beziehung auf das Innere hören und geben. Das leere Wesen, der geistlose und herzlose Klingklang müßten von solchen Instituten, wo Knaben und Mädchen gebildet werden, um dereinst durch ihr Talent den Ton anzugeben und aufs Publikum zu wirken, völlig verbannt sein.“
Über die Mailänder Musikzustände heißt es sodann an späterer Stelle: „Überhaupt ist die Musik in Mailand (und von der Capitale aufs ganze Königreich zu schließen) höchst bedauernswürdig, und ich habe aus den Besuche der Kirchen, Opern und Gesellschaften aller Art gesehen, wie tief das berühmte Italien gefallen ist. – Kirchenmusik findet man sehr wenig, und ist man einmal so glücklich, so bekömmt man höchstens etwas alte, gute Musik, aber mit Neuerem geflickt, entstellt und profaniert.“ Die neueste Kirchenmusik aber bezeichnet Reissiger als „ein Gemisch moderner Opern-, Militär- und Tanzmusik.“ „Die Organisten hören in der Oper, sobald eine neue Oper oder Ballett gegeben wird, so außerordentlich aufmerksam zu, daß man gewiß das am meisten applaudierte Stück nächsten Morgen schon in der Kirche hört. O warum gibt es darüber keine Inspektion?
Die Oper (das berühmte Teatro della Scala) ist unter der Mittelmäßigkeit, und ist erst so erstaunlich gefallen, seit es nicht mehr unter dem Gouvernement steht. An ein gutes Ensemble, an Fleiß im Einstudieren ist nicht mehr zu denken. Die Sängerinnen, die wirklich einen Ruf haben, wie Madame Feron[79], M. Garcia[79] und M. Favelli, sind, mit Ausnahme der ersten, die jetzt, weil sie ihre Niederkunft erwartet und also nicht viel singen darf, so liederlich und nehmen sich so wenig in acht, daß öfters in diesem großen, berühmten Theater gar keine Oper sein kann und man sich mit einer niedrigen Farce und Ballett begnügen muß, und das Publikum amüsiert sich bei diesem tollen Leben der Sängerinnen, denn es freut sich, die armen Sängerinnen auspfeifen zu können.“ In einem Briefe schreibt er dann: „Das Orchester ist sehr stark – dem ungeheuren Hause angemessen, aber welcher Unterschied mit dem Pariser, Violinen und Bässe gut, Blasinstrumente niederträchtig, nicht einmal reine Stimmung. Schon in Turin fand ich die Blasinstrumente schlecht, vorzüglich Klarinetten, Oboen und Hörner. Ebenso schlecht ist es hier. Geiger sind ausgezeichnet, aber sobald die famosen (?) [41] Blasinstrumente dazukommen, so weiß man nicht mehr, was man bei diesem unreinen, teuflischen Lärm denken soll. – Die Dekoration übertrifft alles, was ich gesehen habe.“ Über den Gesang schreibt Reissiger lobend: „Auf der Lehre des Gesanges allein scheint noch der Segen der entschlafenen klassischen Meister zu ruhen, die in einem Zeitraum von hundert Jahren so zahlreich in Italien lebten und wirkten und uns Deutschen zum achtungswürdigen Vorbild geworden sind. Mit der Komposition muß es hier zu Ende gehen, wenigstens wird kein Deutscher und hoffentlich auch kein Franzose in kurzer Zeit sich noch an diesem Klingklang erbauen; wir, die wir noch Kraft besitzen, um uns an dem wahren Gediegenen und Größen, was unsere unbestochenen, kräftigen Vorfahren geschaffen haben, zu erheben und zu stärken. Die Schätze des Altertums, die herrlichen Arbeiten des Scarlatti, L. Vinci, Pergolesi, Leo, Porpora, Durante, Jomelli, Piccini, Sacchini modern in den Bibliotheken und liegen unbenutzt. Gebt sie uns Deutschen, ihr geist- und körperschwachen italienischen Süßlinge! Wir wollen sie ehren und ihnen die Unsterblichkeit sichern. Italien ist nicht mehr!“
Man beachte, daß das in einer Zeit geschrieben ist, in welcher noch keine musikhistorische Wissenschaft im heutigen Sinne dazu auffordern konnte.
In Reissigers Enttäuschung über die italienischen Musikverhältnisse fallen aber auch Lichtstrahlen, die ihm Mailand sogar unvergeßlich gemacht haben. Abgesehen von den Karnevalsfreuden, bei denen er „außerordentlich lustig“ war, hat er noch Höheres erlebt. Wir lesen: „In einigen musikalischen Häusern, namentlich bei der Generalin Ertmann[80], Beethovens bester Schülerin, habe ich Genüsse gehabt, die ich nicht wieder in Italien haben werde. Die Generalin Ertmann, eine der ersten jetzt lebenden Klavierspielerinnen, hatte mich sehr an Mailand gefesselt[WS 3]. Diese liebenswürdige Frau und ihr Gemahl, welche mich sehr herzlich aufgenommen haben, leben beide nur für gute Musik. Acht Tage lang hatte ich von ein bis zwei Uhr den hohen Genuß, sie alle Beethovenschen Kompositionen spielen zu hören. Viele von diesen Beethovenschen Sonaten waren mir unbekannt, und Sie können denken, wie interessant es mir war, sie mit neuem Geist vortragen zu hören und mit einer musterhaften Vollendung, so daß ich gestehen muß, daß ich diese Kompositionen für Klavier erst jetzt recht verstehen gelernt habe. Ich mußte ihr auch von meinen Klaviersachen vorspielen, von denen ihr besonders meine Fantasie (die ich Hofmeister verkaufte) und mein letztes Trio außerordentlich gefielen. Meinen Liedern schenkte sie ihren ganzen Beifall, vielleicht, weil sie lange keine einfachen deutschen Lieder gehört hatte[81]. Die Nachmittage spielten wir vierhändig Sonaten usw. und lebten uns in sämtliche Beethovensche Symphonien ein. Wir trachteten danach, sie ganz in Beethovens Geist vorzutragen. Gern würde ich in Mailand länger verweilt haben, denn es gab dort noch viel für mich, aber es ist ein teures Nest für einen armen Teufel, dem die Paoli spärlich zugemessen sind und [42] der immer nur von Scudi und Dukati reden hören muß! Unsereiner kommt in die ersten Zirkel und muß daher leben, als wenn er ein Cavaliere wäre, man kann sich in den Wirtshäusern doch nicht zurückziehen, wenn einen die anderen Preußen auffordern, zu Ehren der vaterländischen Majestät anzustoßen usw. – hätte ich’s nur –, ach Gott, ich stöße gerne an, aber man stößt gar zu leicht den Geldbeutel durch und durch!“
Die Sorge um seine spätere Existenz spricht doch immer wieder aus seinen Berichten. Um so befreiender mag der Inhalt zweier Briefe von Stobwasser und Weiße gewirkt haben, den wir aus der Antwort Reissigers an Weiße vom 10. Mai aus Bologna erraten können[82]: „Im Abreisen begriffen, empfing ich in Mailand Ihren lieben Brief mit der Kopie des Stobwasserschen. Die beiden Briefe hoben mich wieder empor. Denn sie sagten mir, daß noch in Deutschland Freunde leben, die mir wohlwollen und die mein Glück da befördern wollen, wo ich es am liebsten erwarte, in der Mitte des lieben deutschen Vaterlandes. – Ich muß mich schämen, kleinmütig genug gewesen zu sein, ungerecht gegen mein Vaterland gedacht zu haben auf Kosten jener großen, eitlen Stadt, die ich kennen lernte und die mir herzlich gleich darbot, was meine kühnsten Wünsche in Deutschland nie erwartet hätten. – Beifall, Ehre, Brot, Erwerb! – Was mich am meisten rührt ist, daß der Minister sogar meinen armen Vater unterstützen will, und die Art, wie er die Lage meines guten Vaters erfahren hat, wirft mich zum Dankgebet gegen Gott. – Gottes Hand, die mich so wunderbar geleitet und geführt hat, wird mich ferner leiten und führen.
Wie mir Stobwasser schreibt, werde ich mich zu etwas Bestimmtem entschließen müssen! An Mut, gutem Willen und Kraft wird es mit Gottes Hilfe nicht fehlen, wenn ich nur bestimmt weiß, welchen Zweig ich ergreifen soll – soll ich einen Plan einreichen oder wird er mir gemacht werden! – Mit Tätigkeit werde ich überall den Weg betreten, der mir wird vorgeschrieben werden und mich bald hineinarbeiten! – möchte sich nur der Minister selbst deutlich darüber ausgesprochen haben und mich interimistisch anstellen, damit ich als Angestellter reisen und gewiß meine Zeit zum Besten der Wissenschaft anwenden kann, denn es gibt in Italien Schätze der Musik, wenn auch das Wesen selbst jetzt hier verkannt wird! Gewiß wird der gute Geheimrat Körner in dieser Hinsicht sorgen, damit ich ruhig und unbesorgt weiter wirken kann! Unvergeßlich wird mir bleiben, wie der herrliche Mann für mich antichambriert hat. Gott segne ihn dafür.“
Demselben Briefe aus Bologna entnehmen wir noch folgende Stelle: „Ich wohne in Bologna bei Mr. Trouvé; dem Zusammenfluß aller Franzosen und Deutschen. Schweizer gibt’s ebenfalls entsetzlich viele, und alle haben ein sonderbares Urteil über Musik. Ein Österreicher, dem ich meine Ansicht über sie mitteilte, meinte, es sei bekannt, daß folgende Abstufung in der Musik wäre: Erst kämen die Maulwürfe, dann die Krähen, nachher die [43] Bären und zuletzt die Schweizer[83]. Das ganze Haus hier ist musikalisch, und ein Glück für mich ist’s, daß Mr. Trouvé ein Wiener Fortepiano hat. Madame singt nämlich und bildet sich viel darauf ein, vor fünfzehn Jahren drei Lektionen bei Brizzi[84] gehabt zu haben, auch hat sich Crescent[85], der gewöhnlich in diesem Hause aẞ, den Kaffee bei ihr gefallen lassen. Die Tochter spielt auch ein bißchen und der cameriere sopraintendente di casa schreit den ganzen Tag Arien und Duette, Fragmente im Hause herum – ja selbst die Köchin will nicht zurückbleiben. Ein Mensch, wie ich bin, wird ein professore di musica genannt, weil ich den guten Leuten etwas vorgespielt habe. Aber wird der Maestro und professore di musica nicht gewaltig bezahlen müssen? Ich fürchte, ich fürchte! Heute hatte ich das Glück, den alten, berühmten professore di musica, Abbate Mattei[86], Schüler von Martini, kennen zu lernen und die Bibliotheca musicale oder das berühmte Archiv in Liceo musicale filharmonico zu sehen, den Sitz der Academia filharmonica. Mattei ist ein schwacher Greis. Da er im Begriff war auszugehen, als ich zu ihm kam, so bat er mich, ihm eine andere Zeit zu schenken. Ich freue mich sehr, ihn recht kennen zu lernen, denn Mattei in Bologna, Asioli in Corregio[87] und Zingarelli[88] in Neapel sind die einzigen, gründlichen, würdigen Musiker, welche Italien noch besitzt. Ich verdanke diese Bekanntschaft dem Marquis Sampièr, einem wütenden Komponisten im Rossinischen Stil, der schon eine Menge Opern auf die Bühne brachte, weil er die Unternehmer bestechen konnte, und der nur den Ärger hatte, seine Dinge auszischen zu sehen. In Mailand hatte ich diesen Herrn durch mein allgemein anerkanntes, perfektes Akkompagnieren aus dem Sattel gehoben – er vertraute mir daher, er schriebe wieder eine Oper, er müßte sich durch sein Akkompagnieren die ersten Leute zu gewinnen suchen und ich möchte ihm also den Platz am Klavier überlassen. Ich ließ ihn sogar die Canzi akkompagnieren, und so gewann ich mir den Nachahmer des Samiel Rossini. Dieser Rossini, dieser wirklich talentvolle Mensch, ist dennoch derjenige, dem Italien seinen ganzen musikalischen Fall verdankt, weil er uns nur kitzelt und nirgends wacker und tüchtig zugreift!
In der Bibliotheca musicale führte mich der alte, brave Archivar Barbieri freundlich umher und zeigte mir alle Seltenheiten, die hier in großer Menge vorhanden sind, und die man zum Teil dem rastlosen Sammeln und der großen Ordnungsliebe des Barbieri zu danken hat. Aus dem Konzertsaal [44] tritt man in ein Zimmer, in welchem sich eine Sammlung der ältesten Instrumente befindet. Man sieht dort Harfen und Lyras, die uns jetzt ganz unbekannt sind, in den seltensten Formen. Aus diesem Zimmer tritt man in die Bibliotheca selbst. Nach vielem Anschauen der mannigfaltigsten Seltenheiten habe ich mich endlich in eine alte 16 stimmige Scharteke verliebt und bin entschlossen, mich mit ihr vertraut zu machen. Hierher wird mich täglich mein Genius leiten, und hier will ich studieren, was mir nur wird meine Zeit erlauben, denn der freundliche Archivar schließt mir gern und willig jeden Schrank auf. Eines Vormittags schlug ich mir Martini Saggio fondamentale del Contrapuncto auf, und ich fand dort einen Schatz von Beispielen von Fugen aller Art, von den besten, ältesten Meistern. Es ist zwar sehr breit und weitschweifig, aber doch ewig nützlich und kostbar. Mit dem eigentlichen Musiktreiben in Liceo filharmonico will es nicht viel heißen. Die Einrichtung gefällt mir nicht, die Schüler ganz ohne Aufsicht zu lassen, ob sie studieren wollen oder nicht. Es fehlt der Einrichtung der Ernst, ohne welchen nichts gegründet werden kann. Gewöhnlich hören die jungen Leute auf zu studieren, wenn sie an irgendeinem Orchester angestellt worden sind und sich nun fähig glauben, die Studien links liegen zu lassen. Wer aber könnte jemals aufhören, wenn er nicht verblendet, ist?
Der gute Abbate Mattei gibt den Unterricht in seinem Hause, da er alt und schwach und ein geplagter Podagrist ist. Ich habe viel mit ihm geschwatzt, obgleich er sehr unverständlich ist, da er keine Zähne mehr hat. Aber ich habe einen alten Heros im Kontrapunkt und einen tüchtigen Rechenmeister in ihm erkannt, den ich wohl benutzen möchte, wenn ich von Neapel über Bologna und Ferrara nach Venedig zurückgehen würde. Sein Kopf ist höchst ehrwürdig – seine Miene die Gefälligkeit und Gutmütigkeit selbst! – Zum Palmsonntag muß ich in Rom sein. Diesen Tag versäume ich auf keinen Fall! Mattei sagte mir, daß ich in diesem anno santo recht viel Gutes in Rom hören würde, und ich freue mich gar kindisch darauf.“
Folgende Stelle ist für das ausgeprägte Heimatgefühl bei Reissiger charakteristisch: „Aber welches kalte Wetter! Ich drehe mich wie ein Braten an dem fatalen Kamin herum und friere nur an der Seite, die ich dem Feuer nicht zukehre, während ich an dieser brenne! Was würde mir ein deutscher Kachelofen hier eine liebe Figur spielen. – Hin und wieder kommen doch heiße Sehnsuchten nach dem geliebten Deutschland, welche alle Reize Italiens nicht wegzaubern können; es ist nicht der Boden, sondern es kommt aus dem Innern des Menschen. Die Menschen selbst sind so ganz verschieden von uns – sie sind sehr abgeschliffen, sehr höflich und gewandt, aber im Grunde viel ungebildeter, viel roher, als wir Norddeutschen – ihre Höflichkeit ist nur äußeres Hören und Angewohnheit!“ Er fährt dann fort: „Noch habe ich den Pariser Text nicht, und es fragt sich, ob ich Zeit haben werde, und ob meine Komposition noch zur rechten Zeit eintrifft. Erhalte ich den Text zum Concours, so will ich’s wagen, obgleich den Franzosen der Text leichter werden wird als uns Deutschen und obgleich ich weiß, daß ich mit Catel, Berton, Boieldieu und Paër konkurrieren werde.“ In einem anderen Briefe spricht Reissiger sich über die Preisbewerbung folgendermaßen aus: „Was die Preisbewerbung in Paris anbelangt, so bin ich sehr gut davon unterrichtet. Der König von Frankreich hat nämlich einen Preis demjenigen [45] Dichter ausgesetzt, der das beste Opernbuch schreibt. Aus diesem Buche wird eine Szene herausgenommen, und diese sollen alle in Paris lebenden fremden und einheimischen Künstler komponieren. Welche Szene von der musikalischen Jury als die beste anerkannt wird, der erhält das ganze Buch und einen Preis von 4000 Franks, wenn nachher seine Oper dreimal mit dem entschiedensten Beifall aller Kenner sowohl, als des ganzen Publikums gegeben wird. Diese Einrichtung soll sich alle Jahre einmal wiederholen. Es können aber nur in Paris lebende Künstler daran teilnehmen. Ich habe an Pixis geschrieben, daß er mir die Szene nachschicken soll. Es fragt sich aber, ob ich Muse finden werde, an dem Wettkampfe teilnehmen zu können, der meine Kollegen in Paris aufregen wird.“
Wir wissen, daß Reissiger nicht dazu kam.
In der zweiten Hälfte des März 1825 siedelte er endlich nach der ewigen Stadt über. Am 15. April 1825 schreibt er aus Rom: „Ich denke einen ganzen Monat noch hier zu bleiben, da es von Nutzen ist, indem ich mir sowohl alte, seltene Werke abschreibe und daraus lerne, als auch viel Gutes höre, was ich weiter zu erläutern mir aufspare. Den Abend verbringe ich in fremden Zirkeln, wie beim Grafen Ingelheim, dem ich etwas vorphantasiere, beim Oberst Löpel, Adjutant des Prinzen Heinrichs[89], bei der Vera, bei Catel usw. und lebe sehr angenehm. Rom ist für Künstler höchst gesellig. Von hiesigen Künstlern zähle ich zu meinem Umgang die Maler Catel, Hänsel, Grahl, Thorwaldsen und Wolff. Lauter herrliche Menschen! Thorwaldsen wohnt in demselben Hause, und ich benutze sein ziemlich gutes Fortepiano; was mir um so schätzenswerter ist, da es hier unter den zu mietenden Fortepianos schreckliche Schlagtastensaiten-Tonkasten gibt. Der hiesige päpstliche Sängerdirektor Baini ist ein Mann von den seltensten Kenntnissen, besonders in der alten Musik. Er hat die Palestrinaschen Kompositionen studiert und dieses System ganz auf die alten, griechischen Tonarten zurückgeführt und ihre Regeln gebildet an den Fingern. Der preußische Legationsrat Bunsen hat mich bei ihm eingeführt, und ich hoffe ihn zu benutzen und mir einigen Aufschluß zu holen. Noch habe ich keine Zeit dazu gehabt, weil ich erst Rom kennen lernen muß. Unterdessen habe ich Studienarbeiten gefertigt und zwei vierstimmige lateinische Psalmen und einen achtstimmigen zweichörigen Psalm komponiert, die ich in Berlin mit Ehren hören lassen kann, wenn sich Gelegenheit dazu bietet oder dem Könige schicken kann. Ich suche wie ein Spürhund nach alter, seltener Musik herum und mache Bekanntschaft mit den alten musikalischen Abbés, welche meistens sammeln. Drei achtstimmige Sachen habe ich schon abgeschrieben und durchstudiert.
Vorgestern bekam ich mein Opernbuch[90]. Gottlob, daß ich’s habe. Soviel ich’s mir durchsehe, so sehr gefällt es mir immer mehr! Ich werde wohl beim letzten Finale anfangen müssen, welches ungeheuer schwer ist, um nicht zu ermatten. Schreiben Sie Döring einige Worte, um ihm sein Honorar anzuweisen und vertrösten Sie ihn auf einen ausführlichen Brief, wenn ich sein Buch gehörig geprüft haben werde. . . . . . . .
Nach einer Schilderung des große Beschwerden verursachenden Sirokkowindes schreibt Reissiger von seiner Musik: „Ich habe mich wieder in den [46] Frühling meines Musikstudiums versetzt, sintemal ich hier bei Baini[91] ein sehr gelehriger Schüler geworden bin. Dieser stützt mich jetzt wie eine junge Pflanze mit seinem Stabe und will mir, wie er sagt, das wahre Lebenswasser aufgießen, indem er mich in die Geheimnisse der alten griechischen Tonarten und ihre Geschichte, überhaupt in die Kapellmusik einweiht. Dieser Baini ist Chorsänger bei den Leibsängern des Papa Corento, sowie Kastratendirektor und ein wahres, altes, gelehrtes Buch und Fundgrube aller alten Musika und ihrer Geschichte. Die neue Musik liebt er unter keiner Gestalt. Ich zeigte ihm moderne Sachen von mir, aber da stand er gewaltig aus – bei jedem verminderten Intervall oder bei den durchgehenden Noten – note di gusto –, bei jeder eleganten Verzierung verzerrte er das alte Gesicht. Kurz, ich hatte mich den ersten Tag schlecht bei ihm empfohlen. Den zweiten Tag aber zeigte ich ihm einen im Kontrapunkt der Oktave durchgearbeiteten Kanon in der Quinte, und ich merkte, daß etwas Respekt vor deutscher Gründlichkeit bei ihm sich einfand, denn seit diesem Augenblicke ist der ganze Mann für mich ein anderer geworden. Ich gehe wöchentlich zwei Abende zu ihm und fühle mich jederzeit gestärkt und erquickt. Er ist der rechte Mann, den man frequentieren muß, wenn man über die griechischen Tonarten, über Canto Fermo, über die alten Choräle und die ganze Kapellmusik recht klar werden will. Das ist mein Zweck, denn alles, was ich bis jetzt aus dem Wirrwarr vorhandener Schriften herausstudierte, war teils unzulänglich, teils sehr dunkel, und da will’s denn gegenüber einem Manne wie Baini, der so deutlich erklärt, was Mattei in Bologna in ein unglaubliches Dunkel hüllte, daß man den Mann bewundern muß (??? K. K.). Baini läßt mich jetzt alte Choräle nach der alten Tonart harmonisieren, lehrt sie mich nach den alten Prinzipien übersetzen und gibt mir mit einem Wort über jeden Zweifel ebensoviel Aufschluß, als andere mich mit vielen Reden verdutzt machten und mir die klare Sache recht geheimnisvoll darzustellen suchten[92]. Weswegen sollte ich mich nicht auch in dieser Musikgattung sattelfest zu machen suchen, da ich in der modernen Musik und in unserem galanten. Kirchenstil (so nennt Baini unsere geistlichen Musiken) viel Gutes zu leisten mich imstande fühle. Ich muß ein gelahrter Musiker werden, denn so scheint’s der Minister auch zu wünschen, da er in seinem Briefe an den preußischen Geschäftsträger Bunsen sagt, daß ich bei meiner Rückkehr einen ausgedehnten Wirkungskreis, die höhere musikalische Bildung in Preußen betreffend, erhalten würde! Am Ende werde ich noch dereinst ein gelahrter Professor und Verfasser theoretischer Werke, da ich bis jetzt nur Bassist, passabler langfingriger Klavierspieler, schwacher Bratschiste und Komponist für den galanten Stil und für das Gefühl gewesen bin.“
[47] Über seine Tageseinteilung lesen wir: „Von 7 Uhr an trifft man mich schon bei der Arbeit, entweder schreibe ich mir gute, alte Kompositionen ab, die für mich lehrreich sind, oder ich komponiere. Von 1 bis 3 Uhr spiele ich Pianoforte, sodann wird gespeist und nach 4 Uhr werden die Besuche gemacht. Eine sehr schöne Signora Giormetti spielt sehr gut Fortepiano. Zu ihr begab ich mich sehr oft. Da ich nun der beste der jetzt hier lebenden Fortepianospieler bin, so hat sie sich viele meiner Kompositionen zu eigen gemacht und sie mit Beifall in Gesellschaften vorgetragen. Man ist in Italien sehr freigebig mit dem Beifall und gibt ihn mit Furore – deshalb kann ich wohl sagen, daß ich als Fortepianospieler hier viel Furore gemacht habe. Um 7 Uhr geht man spazieren. Von 8 bis 10 wird wieder gearbeitet, sodann gespeist oder in Gesellschaft gegangen. Da meine Hausfamilie eine sehr liebenswürdige ist, so versammeln sich gewöhnlich in dieser Zeit die Hausbewohner bei ihr. Ich speise dann mit Thorwaldsen. Wolff, Senf und anderen Künstlern, die im Hause wohnen und speisen, und ich fühle mich in dieser Gesellschaft sehr glücklich – man erheitert sich zu Lust und Scherz und lernt dabei die leichten Wendungen im Gesprächsstil, da unsere Damen feine Römerinnen sind.
Der Adjutant des Prinzen Heinrich, Baron v. Löpel, wird mich Sr. Königlichen Hoheit vorstellen. Auch besitze ich die ganze Achtung des Grafen Ingelheim, der sehr musikalisch ist. Ich hoffe, daß er mir in Berlin nützlich sein wird, wohin er in den nächsten Monaten reist, da er mit dem Fürsten Wittgenstein und mit dem General Witzleben sehr gut bekannt ist.
Mit dem preußischen Geschäftsträger Bunsen bin ich genau bekannt worden[93]. Dieser Herr hat die alte Musik zu seinem Hauptzeitvertreib gemacht und vorzüglich die Kirchenmusik. Er hat alle alten Lieder hervorgesucht und einen Vers wie den anderen prosodisch zugestutzt, damit einer wie der andere nach dem Choralschema gesungen werden kann, so daß die langen Silben nur auf einen guten Zeitteil fallen. Alles das ist gut und löblich, aber nun hat er die Idee,daß alle Choräle rhythmisch bearbeitet werden können, und hat Baini bewogen, ihm solche Verse zu bearbeiten. Dieser aber, der die deutsche Sprache nicht kennt und ebensowenig unseren Chorgesang, kann gar nicht wissen, daß dieses in den meisten Chorälen, die wir zu singen gewohnt sind, gar nicht angeht. Jetzt hat er seine Augen auf mich geworfen und auch mir Versuche aufgetragen. Nach seiner Idee könnten die Psalmen auch sehr gut in unseren Kirchen eingeführt werden, etwa so, daß ein Vers vom Priester und der andere vom Volke abgesungen würde. Nun ist es aber freilich nicht schwer, solche Schemas zu machen, aber wie schwer würde die Einführung dieser Gesangsart sein – welche Änderungen müßten in den Schulen deshalb stattfinden, um die Jugend so weit zu bringen, die Psalmen so richtig zu deklamieren, daß ein ganzes Chor einen solchen [48] Psalmvers richtig und gleichmäßig auf einen vorgeschriebenen Ton absingt und einen alten Schluß formiert usw. – wie verschieden sind die Versschlüsse. Wie lange müssen die hiesigen Kapellsänger eingesetzt werden, ehe sie fest darin werden, geschweige unsere Stadt- und Dorfjugend.“
Bekanntlich wollte Bunsen ca. 10 Jahre später auch Otto Nicolai (den Komponisten der Lustigen Weiber), als dieser ebenfalls auf Staatskosten nach Rom geschickt worden war, für seine Ideen begeistern, aber fand auch bei ihm wenig Anklang.
Wir lesen dann: „Meine Oper fange ich an, reiflicher zu überdenken und einzelne Sachen, die mir die schwersten scheinen, in Ton zu modellieren, dann kommt der Gips und zulezt der Marmor. Zu den schwersten Sachen gehört eine Arie des Bösewichts (die ich in der Skizze schon fertig habe und mich weidlich daran ergötze, dann das zweite Finale und zuletzt das dritte Finale, in welchem ich mich sehr tapfer halten muß. Das letzte mache ich jetzt, denn sonst ermüde ich. Wenn ich nach Deutschland zurückkomme, werde ich wohl anfangen können, sie zu instrumentieren. Das Ganze ist eine große Arbeit, und ich werde meine ganze Kraft aufbieten müssen, um sie zu überwinden.
Denken Sie sich, das Mädchen, für welche ich die „Geheimen Schmerzen“ in Wien schrieb, Mamsell Unger[94], kam vorige Woche hier durch, um nach Neapel zu gehen. Wir freuten uns gar sehr, uns nach vier Jahren in Rom wiederzusehen und über das alte Wien sprechen zu können! – Benedict, der Schüler von Weber, hier Signor Benedetto getauft, reiste mit der Unger und der Tänzerin Brugnoli zu meinem Erstauen nach Neapel. Ich erkundigte mich sogleich, wie dieses Wunder zusammenhinge, und erfuhr, daß er dem Barbaja, der ihn durchaus nicht haben wollte, weil er eine Menge Maëstros und Kapellmeister zu ernähren hat, die besten Worte gegeben hat, ihn doch mitzunehmen, und daß er sich endlich erboten hat, wenn er ihn Kapellmeister nennen wollte, ihm als Repetitor ganz gratis zu dienen, um nur Italien zu sehen und einen Titel zu haben. – Je nun, der Mensch hat Geld und ist Kapellmeister! Auch bedroht er die Welt mit einer Oper, von welcher ich mir aber nichts verspreche, denn er ist ein Leichtfuß und jetzt schon gänzlicher Rossinianer. Ich habe ihn als ehrlicher Freund gebeten, der deutschen Schule und der Theorie von Maria von Weber treu zu bleiben.
Sie wollen etwas von der Vera wissen. Sie ist eine Sängerin der echten, guten, gediegenen Manier. Von Rossiniaden hat sie nichts studiert, da ihr Theaterjahr vor Rossinis Zeit war, hat auch nachher nichts angenommen, sondern singt die Kompositionen alter italienischer Meister mit Ausdruck und im großen deklamatorischen Stil. Ihre Stimme ist in den oberen Tönen schon sehr scharf, und man merkt an ihrer Anstrengung und dem eckigen Wesen, daß sie seit langer Zeit nicht mehr studiert, sondern nur hin und wieder den alten Triumphwagen vorführt.“
Am 14. Mai 1825 schreibt Reissiger aus Rom: „Daß mir mein hiesiger Aufenthalt von großem Nutzen als wissenschaftlicher Musiker ist, werden Sie aus dem Ende April an Herrn Weiß abgeschickten Briefe ersehen haben, Jetzt bin ich nun entschlossen, da mir das hiesige Klima sehr gefährlich, [49] den 20. Mai nach Neapel zu gehen und mich bei meiner Ende Juni erfolgten Rückkehr nur noch wenige Zeit hier zu verweilen, um die Hauptstücke meiner Oper zu skizzieren und soweit zu fertigen, daß ich sie in Deutschland nur zu instrumentieren brauche, obwohl ich noch nötig habe, über einige Kleinigkeiten mit Döring zu korrespondieren, wenn ich ihm näher sein werde. Kleins[95] werden bis zum 16. Mai zurück erwartet, und ich bewohne jetzt ihre Zimmer. Glücklich in dem Umgange mit talentvollen Landsleuten und anderen Künstlern, die mit mir die Sehenswürdigkeiten beschauen und mich dieselben von der wahren Seite anschauen lehren, so daß ich mir ordentlich auf meine Erfahrung und meinen Kennerblick in Kunstsachen aller Art etwas einbilden kann!!! Thorwaldsen ist mein Tischgenosse, und ich besuche ihn oft in seinem Atelier.“
Ende Oktober 1825 verließ Reissiger Rom und kehrte über Loreto, Bologna, Padua, Venedig, Triest, Wien, Prag nach einundeinhalbjähriger Abwesenheit nach Berlin zurück. Eine inhaltvolle Zeit hatte der Künstler hinter sich. Die Reise hatte der unermüdlich Strebende verstanden, sich tatsächlich zur Krönung seines Bildungsganges werden zu lassen. So hatte auch er, wie so unendlich viele deutsche Komponisten, im Auslande einen wertvollen Fonds an Anregungen für das eigene Schaffen gewonnen. Wenn auch die ausländische Musik zu dieser Zeit in jedem Lande fast nur in einem Zweig tatsächlich vorbildlich war – in Frankreich war es vor allem die komische Oper, welche vor den anderen Gattungen im Augenblick den Vorrang hatte, in Italien, dem Lande der Melodie, die virtuose Violin- und Gesangsmusik, während z. B. in der Kirchen-, Kammer-, Orchestermusik Tiefstand herrschte, so war dies für den vergleichenden Deutschen gerade um so lehrreicher, als durch Kontraste das Gute leichter herauszufinden war. Dazu kommt, daß er die Sachen von den nationalen Kräften, für die sie geschrieben waren, dargeboten hörte, dabei auch Werke, die über die Grenze ihres Entstehungslandes noch nicht hinausgedrungen waren, kennen lernte. Wie das Ausland auf Reissiger gewirkt, werden wir bei seinem Schaffen zu berühren haben. Auffällig ist, daß Reissiger gar keine besonderen Lobeserhebungen über die Musik der Sixtinischen Kapelle in Rom verlauten läßt, die er ja auf jeden Fall gehört hat. Er schreibt nur, daß er viel Gutes gehört hat. Es wird ihm ähnlich gegangen sein wie den anderen deutschen Künstlern: er war enttäuscht[96]. Durch die vielen für ihn wertvollen Bekanntschaften ist ferner der Reisebriefwechsel über seine Zeit hinaus interessant geblieben. Die Reise selbst aber stellt, da sie im Auftrage der Regierung geschah, mit dem Zwecke, für die Errichtung eigener Musikbildungsanstalten Erfahrung fremder Institute zu sammeln, den ersten Schritt zur Verstaatlichung von Konservatorien in Deutschland dar.
In Berlin angekommen, arbeitete Reissiger sogleich den umfassenden Plan für eine schon lange beabsichtigte Neuorganisation der Berliner Musikhochschule [50] aus. Das Ministerium hatte nun aber gegen Reissigers Idee „das bestehende Institut für künftige Musiklehrer, Kantoren und Organisten mit einer Musikschule für das Kgl. Theater zu verbinden“, Bedenken und forderte Reissiger auf, einen neuen Plan zu entwerfen, nach welchem „das allhier vorhandene zunächst für geistliche Musik bestimmte Institut zu einer vollständigen Lehranstalt für Komponisten jeder Gattung erweitert werden könnte. Es würde hier besonders noch einer höheren Klasse bedürfen, in welcher die geübteren Schüler Anleitung zum Studium älterer und neuerer klassischer Werke und zu eigenen Arbeiten jeder Art des Stils erhielten. Durch ein solches Institut könnten für die vorzüglichsten Städte des preußischen Staats Männer gebildet werden, die, wenn auch nicht alle durch eigene musterhafte Produkte, doch gewiß durch nicht bloß eine fehlerfreie, sondern auch völlig befriedigende und geistvolle Direktion musikalischer Aufführungen sich auszeichnen würden.“
In demselben Schreiben kommt nun endlich auch eine Aussicht auf eine Anstellung zur Sprache. Man wollte sich Reissigers gewonnene pädagogische Erfahrungen nicht entgehen lassen. „Inmittels wird Ihnen eine Gelegenheit zu einer Ihren Kenntnissen und Talenten angemessenen Beschäftigung bei der allhier bestehenden musikalischen Lehranstalt gegen eine jährliche Remuneration von vierhundert Talern hierdurch angeboten, und der Professor Zelter hat dieserhalb unter heutigem Dato Auftrag erhalten, sich unter Zuziehung der bereits angestellten Lehrer des Instituts mit Ihnen hierüber zu beraten.“
In Reissigers Dankschreiben vom 4. April 1826 „für die neuerdings durch Übertragung einer Stelle bei der musikalischen Lehranstalt bewiesene Gnade“ meldet er, daß er nach Rücksprache mit Zelter „nächsten Freitag (7. April) 1826 den Unterricht beginnen werde“ und verspricht, daß es sein eifrigstes Bestreben sein soll, sich des ihm gnädig geschenkten Vertrauens würdig zu machen.
Es war aber auch höchste Zeit für Reissiger, eine amtliche Stellung zu erhalten, denn einmal war ihm seine abhängige Lage unerträglich (wobei er seinen nunmehr emeritierten Vater mit zu unterstützen hatte), und andererseits war zu bedenken, daß Reissiger durch seine vorteilhaften Beziehungen und seine Leistungen im Auslande sehr bald glänzende auswärtige Rufe zu erwarten hatte, die er bei seinen geringen Geldmitteln schwerlich ausschlagen würde. Stobwasser hatte daher, um schnellere Entscheidung des Ministeriums herbeizuführen, sich erneut für ihn verwendet. Er schrieb: „In diesem jungen Manne ehre ich eins der bedeutendsten musikalischen Talente Deutschlands, verbunden mit tüchtiger, wissenschaftlicher Ausbildung bei großem moralischen Wert und nähre die begründete Hoffnung, daß den Musikbildungsanstalten des preußischen Staats durch seine Anstellung ein neuer Schwung verliehen werde, dem Staat aber ein in seinem Fach höchst bedeutender Mann erhalten bleiben würde.“
Reissiger wirkte nun am „Musikalischen Lehrinstitut“ (das spätere Kgl. Institut für Kirchenmusik) neben Zelter (seit 1819 Gründer und Direktor), Bernh. Klein, den er bereits in Rom kennen gelernt hatte, und dem berühmten Orgelspieler A. W. Bach (1796 – 1869), welcher 1832 nach Zelter Direktor wurde. Freilich als endgültige Lösung seiner Existenzfrage konnte [51] Reissiger diesen Wirkungskreis noch nicht ansehen, denn dazu war sein Amt zu wenig ergiebig. Er hoffte aber, sobald sein Konservatoriumsplan verwirklicht werden würde, besser zu fahren. Den neuen umgearbeiteten Plan hatte er auch bald dem Ministerium eingereicht[97], aber wegen Mangel an Geld konnte die Regierung die Idee jetzt überhaupt nicht weiter verfolgen, und so unterblieb die Verwirklichung des Reissigerschen Konservatoriums gänzlich. Der Plan ist allerdings im wesentlichen für den späteren Ausbau der Berliner musikalischen Hochschule grundlegend geblieben.
Während die Angelegenheit noch schwebte, erhielt Reissiger 1826 im Juli einen Ruf nach dem Haag, um dort ein Konservatorium zu gründen und zu leiten. In einem Berliner Brief vom 13. Oktober 1826[98], in welchem er schon wegen Dresden verhandelt, schreibt Reissiger: „Eine mir angetragene Stelle als Direktor des Konservatoriums im Haag mit 900 Talern habe ich ausgeschlagen, weil man hier ebenfalls mit Einrichtung eines ähnlichen Instituts schwanger geht und ich undankbar gegen das Ministerium zu handeln glaubte, das mich auf meinen Reisen unterstützte.“ Nun wurde aber leider aus Berlin nichts, und der Ruf im Oktober desselben Jahres nach Dresden brachte eine neue, willkommene Wendung.
Doch zunächst müssen wir noch von Berlin weiter berichten. Im vorerwähnten Briefe ist ebenfalls zu lesen, daß Reissiger ein Fixum von 500 Talern am musikalischen Lehrinstitut erhielt, also hatte er binnen kurzer Zeit 100 Taler zugelegt bekommen. Dabei brauchte er nur wenig Unterricht zu erteilen, so daß er durch Privatstunden noch viel verdienen konnte. Er steigerte sein Einkommen auf 900 bis 1000 Taler. Seine kompositorische Tätigkeit war auch wieder neu belebt und erfolgreich. Die von der Reise mitgebrachte Oper „Der Ahnenschatz“ ließ er zwar unbeendet liegen, weil ihm die textlich zu große Ähnlichkeit mit dem Freischütz immer mehr unpassend erschien, aber die Ouvertüre, die bei Hofmeister in Leipzig gedruckt wurde, fand überall Aufnahme. Seine Lieder wurden gern gesungen. Besonders Madame Schultz, die bedeutendste Sängerin neben der großen Catalani, machte Reissigers Gesänge populär[99]. Nun wurde Reissiger 1826 auch aktives Mitglied der Berliner Singakademie. Für sie komponierte er und wirkte ebenfalls als reproduzierender Künstler[100]. Auch wurde er mit Rellstab, dem Kritiker der Vossischen Zeitung, und Ludwig Berger[101] befreundet. Reissiger schien in Berlin seit der kurzen Zeit seiner Rückkehr sogar außerordentliches Aufsehen als Künstler zu machen, so daß sogar Spontini, der Generalmusikdirektor (seit 1820 in Berlin herrschend, dabei nicht immer altruistisch denkend), ihn mit Angst betrachtete. Dieser hatte bereits C. M. v. Webers Wunsch, in Berlin Kapellmeister zu werden, zu [52] zerstören verstanden. Nun erschienen aber wieder neue Anwärter, die in der deutschen Oper oder als Dirigenten etwas leisten würden, und ihm damit gefährlich werden konnten (Marschner, Reissiger usw.). Bei Rellstab[102] lesen wir, daß Spontini bei Neubesetzung einer Musikdirektorstelle mit Absicht „den berühmten“ F. Ries und den talentvollen Reissiger übergangen habe. Reissiger brauchte sich allerdings nicht zu grämen, denn schon winkte der neue Wirkungskreis, der für sein Leben endgültige Entscheidung brachte, die Kgl. Hofoper in Dresden.
„Es sollte mich freuen, wenn mein längst im stillen gehegter Wunsch, nach Dresden zu kommen, sich realisiert“, so schreibt Reissiger am 13. Oktober 1826 in dem schon erwähnten Briefe an Hofrat Winkler (Theodor Hell)[103]. Man mußte in Dresden an einen Ersatz für Weber in der Leitung der deutschen Oper denken. Den Musikdirektor Marschner wollte man anscheinend nicht als Webers Nachfolger, weshalb dieser Dresden 1826 verließ. Der jungen deutschen Oper versetzte man aber eigentlich einen Schlag, indem man Webers Kapellmeisterposten vorläufig überhaupt unbesetzt lassen und nach Marschners Weggang nur dessen Musikdirektorposten neu besetzen wollte. Bei der Umschau unter den Deutschen kam der weimarische Hofkapellmeister Hummel ernstlich in Frage, ferner der Teplitzer Bürgermeister Wolfram, dessen Oper „Die bezauberte Rose“ soeben in Dresden Erfolg gehabt hatte. Letzterer war ein Günstling sowohl des musikliebenden preußischen, als auch des musikalischen sächsischen Königs, welche beide mit ihm im Bade Teplitz infolge seines Amtes in Berührung gekommen waren[104]. Als Dritten hatte man den bereits 1824 mit der italienischen Oper „Dido“ in Dresden eingeführten Reissiger ins Auge gefaßt, welchem damals zugleich eine Aussicht auf einen Musikdirektorposten gemacht worden war, die aber durch Marschners Anstellung, wie berichtet, wieder zerstört wurde. Die Entscheidung fiel auf den jüngsten der drei Kandidaten, auf Reissiger.
Wenn wir nun in der Biographie Wolframs[105] von Intrigen einer ihm nicht wohlwollenden Partei lesen, welche vielmehr sehr für Reissiger eintrat, so mögen dieselben existiert haben oder nicht, das eine ist sicher, daß Reissigers Person selbst daran vollständig unbeteiligt ist. Das geht hervor erstens daraus, daß Reissiger die Stellung des königlichen Musikdirektors in Dresden jetzt noch gar nicht als Lebensstellung für sich ansah. Im Schreiben an den [53] Minister v. Altenstein vom 11. November 1826 heißt es: „Hauptsächlich aber bitte ich untertänigst, Ew. Exzellenz wollen sich überzeugt halten, daß ich dieses neue Geschäft nur als eine Vorschule betrachten werde, um dereinst imstande zu sein, meinem Vaterlande, wenn es meine Dienste und meine Kräfte, die ich demselben schuldig bin, verlangt, auch in diesem Bereich der Tonkunst von Nutzen sein zu können.“ Zweitens weist Reissiger die Gehaltsangebote aus Dresden entschieden zurück und bedeutet, da er sich verschlechtern würde, lieber in Berlin zu bleiben, weil ihn dort „die schönsten Aussichten fesseln“. „Wenn diese auch durch meinen Abgang von hier (Berlin) für die Zukunft gerade nicht verloren gingen, so ist es doch riskant (nach Dresden zu gehen).“ Unter 800 Talern wollte er nicht kommen, und auch nur, wenn er Aussicht auf Zulage haben könnte, in dem Falle, „daß die Direktion mit ihm ganz zufrieden sei“. Ich bin überzeugt, daß Sie (Th. Hell) das Honorar für einen geplagten Musikdirektor mäßig finden, und ich selbst finde das; indes schmeichelt mich die Hoffnung, daß ich als Klaviervirtuos oder Akkompagnateur bei irgendeinem Gliede des königlichen Hauses noch dazu verdienen kann.“
Um ihn ganz an Dresden zu fesseln, bewilligte man nun sogar 1000 Taler. Letzten Endes wird die Entscheidung vom Könige selbst herbeigeführt worden sein, welcher eine persönliche Neigung zur italienischen Oper hatte und Reissiger schätzte, vor allem wegen dessen italienischer Oper „Dido“. Diese Tatsache zeigt uns sogleich, wie die Sache in Dresden lag. Die junge deutsche Oper, welche gerade vor jetzt hundert Jahren (1817) von Weber gegründet worden war, kämpfte ihre Kinderjahre durch. Erst Schritt für Schritt konnte sie Boden gewinnen. Das Publikum und besonders der Hof begünstigten immer die italienische Oper vor der deutschen. Die Dresdner italienische Hofoper hatte einen gewissen Ruf, welcher auch auf Fremde anziehend wirkte, und so kann man es dem Hofe in finanzieller Hinsicht gar nicht einmal so sehr verübeln, wenn er das sich besser rentierende Institut bevorzugte. Eine Stelle in den „Erinnerungen einer alten Dresdnerin“[106] ist interessant: „Es gab damals viele fremde, distinguierte Familien, welche, da der Gebrauch der böhmischen Heilquellen ihnen durch zwei Sommer hindurch verordnet war, den Winter über hauptsächlich der italienischen Oper wegen gern in Dresden verweilten. Die italienischen Opernvorstellungen boten mitunter wahrhafte Kabinettstücke von Präzision und Abrundung der Gesamtleistung, ganz besonders in der Opera buffa, die damals hier ihresgleichen suchte.“ Ferner bedenke man, daß die Mitte der zwanziger Jahre alle deutschen Städte in den Zustand der fast krankhaften Rossinivergötterung fand, mit anderen Worten, die italienische Oper ein Höchstmaẞ an Verehrung erfuhr. Um diese Zeit hätte wahrscheinlich selbst ein so radikaler Gegner der Italiener, wie R. Wagner es war, mit wenig Erfolg gekämpft. Als dann 1842 Wagner nach Dresden kam, war der äußere Kampf bereits durchgefochten. Die Italiener hatten das Feld vollständig geräumt. Diesen Sieg der Deutschen, nach der Vorarbeit Webers, allmählich herbeigeführt zu haben, ist aber das unbestreitbare Verdienst Reissigers. Keiner war durch seine Persönlichkeit mehr dazu geeignet als Reissiger, der mit [54] seiner vermittelnden Tätigkeit sowohl bewußt durch kluge Gestaltung des Spielplanes, als unbewußt durch seinen Charakter die Italiener einkreiste und Hof und Publikum für die deutsche Sache gewann. Das konnte man jetzt bei seiner Verpflichtung zum Musikdirektor noch nicht ahnen. Er hatte ja eine italienische Oper geschrieben, und man konnte in ihm, dem Deutschen, zugleich eine Stütze auch für die Italiener mit sehen. Zur Überbrückung der Gegensätze mußte ein Mann wie Reissiger jetzt nach Dresden kommen. Webers und Marschners Verdienste um die inneren Werte einer deutschen Oper voll anerkennend, müssen wir doch sagen, daß sie rein äußerlich die deutsche Oper in Dresden bei den maßgebenden Personen nicht so zu fördern vermochten, wie es nötig war. An Weber konnte bei aller Feinfühligkeit ein gewisser revolutionärer Zug, wie er allen Neuerern eigen ist, von einem strengen Hofe nicht unbemerkt bleiben, und Marschner war in seinem Wesen manchmal grob und unverträglich, was selbst Weber störte. Im Gegensatz dazu war Morlacchi, der Leiter der italienischen Oper, wie es in den zitierten „Erinnerungen“" heißt, „bei Hofe sehr beliebt und wegen seines feinen Tones im geselligen Leben allgemein geschätzt“. Gegen ihn standen die beiden Deutschen bei Hofe etwas zurück. Jetzt kam nun Reissiger, ein weltmännisch gebildeter, liebenswürdiger, in allen Formen gewandter, junger Kapellmeister. Man unterschätze nicht, was für ein junges Unternehmen allein schon das Wesen des Leiters bedeutet, und dazu kamen noch Reissigers musikalische Qualitäten.
Immerhin hatte Reissiger bei seinem Antritt in Dresden nicht allzu leichten Stand. Daß die italienische Partei ihn von der Seite ansah, war natürlich. Daß man ferner den Nachfolger eines Weber mit ziemlich gespannten Erwartungen kommen sah, ist ebenso verständlich, da letzterer zwar nicht beim Hofe, so doch beim Volke schon allein durch den „Freischütz“ als einziger Deutscher einen großen Namen hatte. Gaßner schreibt in seinem Universallexikon der Tonkunst 1849 (Artikel Reissiger), die Lage schlaglichtartig beleuchtend: „Von dem ersten Augenblicke seiner Wirksamkeit in Dresden an war Reissiger in eine unaufhörliche Kette von Reibungen verflochten mit einer Partei, die in ähnlicher Richtung ihr Wesen getrieben hat schon so lange, als eine italienische Oper zu Dresden bestand, und der auch C. M. v. Weber so manche trübe Stunde verdankte. Dann konnte es bei dem frischen Andenken, in welchem C. M. v. Weber besonders in Dresden noch lebt, kaum wohl vermieden werden, in eine Komparation ihn zu stellen, welche die Anforderungen an sein Talent und Geschick schon im voraus bis zu einem ungleich hohen Grade hinaufschraubte.“
Reissiger, der bisher ein ziemlich ungebundenes Künstlerleben führen durfte, stürzte sich nun mit dem alten, trotz aller Freiheit stets geübten Fleisse in die Fesseln des „so beschwerlichen als instruktiven Amtes“ eines Theatermusikdirektors, wie C. B. v. Miltitz, den wir noch mehr zu erwähnen haben, es einmal nannte.
Zunächst mußte Reissiger seine Kräfte fast ganz den Italienern widmen, denn Morlacchis frühere Kränklichkeit trat wieder auf, und Reissiger leitete für ihn die italienische Oper neben der deutschen. Also erfuhr er gleich am Anfang eine große Arbeitsüberlastung. Aber willig nahm er alles auf sich und gewann sich durch die Art seiner Amtsführung allgemeine Beliebtheit [55] (auch des italienischen Personals). Sein ihm angeborener, alle in Bann schlagender Humor, dazu seine außerordentlichen Dirigentenfähigkeiten – er war hervorragender Partiturspieler und mit überlegener Geistesgegenwart, die gerade fürs Theater notwendig ist, gerüstet – ebneten ihm schnell die Bahn. Morlacchi war nicht Klavierspieler.
Am Ende des ersten Jahres bekundete Reissiger selbst in einem Schreiben an Lüttichau[107], daß er nun gern in Dresden bleiben möchte und ihm die lebenslängliche Anstellung erwünscht wäre. Dazu hätte er gern nach einem weiteren Jahr den Titel Königlicher Kapellmeister. Lüttichau schrieb daraufhin an den König, und ich kann nicht unterlassen, den Wortlaut mitzuteilen. Es heißt[108]: „Seit dem Dezember vorigen Jahres ist der Musikdirektor Reissiger in dieser Qualität mit einem Gehalt von 1000 Talern bei dem Kgl. Hoftheater angestellt gewesen. Da jedoch der mit ihm deshalb abgeschlossene Kontrakt nur auf ein Jahr lautet, so würde dieses Verhältnis mit dem Schlusse des Monats November dieses Jahres zu Ende gehen. Reissiger hat mir daher seine Wünsche in dieser Beziehung zu erkennen gegeben und würde sich sehr glücklich schätzen, wenn ihm der Posten eines Musikdirektors nun ad dies vitae als förmliche Dienstanstellung zugesichert, ihm dabei eine Zulage von 2 bis 300 Talern bewilligt und zugleich die Aussicht auf künftige Übertragung der Stelle eines Kapellmeisters eröffnet würde. Was nun Reissigers bisherige Qualifikation betrifft, so ist ihm in dieser Hinsicht das unbedingteste Lob nicht zu versagen. Er hat seit seiner Anstellung einen Eifer und Fleiß gezeigt, welche wahrhaft musterhaft zu nennen sind, indem er nicht bloß den Dienst bei der deutschen Oper ganz allein verwaltet, sondern auch bei Morlacchis eingetretener Kränklichkeit und nachheriger längerer Badekur bei der italienischen Oper nicht nur fleißigst assistiert, sondern solche länger als sechs Monate fast allein dirigiert hat. Seine musikalische Kenntnis hat er durch mehrere seitdem gelieferte Kompositionen von Sonaten, Liedern usw. an den Tag gelegt, auch wird eine von ihm in Musik gesetzte Messe Ew. Königl. Majestät Allerhöchstes Urteil selbst darüber bestimmen. Hiernächst hat er sich die Achtung und Liebe seiner Untergebenen, namentlich der musikalischen Kapelle, in hohem Grade erworben, und auch ich habe stets Ursache gehabt, mit seinem Benehmen zufrieden zu sein.
Bei solchen Vorzügen und Talenten scheint es mir daher allerdings wünschenswert und für den königlichen Dienst zweckmäßig, einen so bewährten und brauchbaren Mann demselben für immer zu gewinnen.“
Weiter unten heißt es dann: „Ew. Königl. Majestät möchte geruhen, den Posten eines Musikdirektors nunmehr auf Lebenszeit mit der Aussicht auf eine künftige Anstellung als Kapellmeister zu übertragen, wobei es ganz in Ew. Königl. Majestät Gnade gestellt bleibt, ob Allerhöchst dem Reissiger bereits mit dem ersten Jahre seiner neuen Anstellung mit einer Zulage zu seinem bisherigen Gehalte von 200 Talern zu beglücken oder diese Allerhöchste Gnade ihm erst für das zweite Jahr angedeihen lassen wollen.“
[56] Der König war sofort bereit, das Gesuch zu genehmigen, auch gleich die Zulage zu gewähren, und zwar befahl er, um seiner persönlichen Anerkennung für Reissiger Ausdruck zu verleihen, aus eigener Entschließung, daß die Zulage auch schon für das Probejahr nachzuzahlen sei. Zugleich wurde Reissiger von nun an zur Erleichterung ein Korrepetitor beigegeben[109]. Wie große Beliebtheit sich Reissiger in dem einen Jahre erworben hatte, bezeugt auch das Bittgesuch an die Intendanz mit der eigenhändigen Unterschrift sämtlicher Mitglieder des Kgl. Orchesters, worin dieselben um Reissigers ständige Anstellung ersuchen: „Mit welcher Einsicht, mit welcher Dexterität und, was wohl höher noch zu stellen sein möchte, mit welchem Geschmack er bisher diesem Amte zu genügen bemüht gewesen sei, welche Anerkennung ihm hiernächst seines eigenen musikalischen Schaffens gebühre, darüber dürfen wir uns, so beifällig auch der Herr Kapellmeister Morlacchi selbst sich darüber ausgesprochen hat, ein Urteil nicht anmaßen, müssen solches vielmehr lediglich höherem Ermessen anheim stellen; aber das dürfen wir mit gnädiger Erlaubnis freimütig erwähnen, daß die Art und Weise, wie er im Verhältnis zu uns seine Funktionen verwaltete, nicht bloß kalte Anerkennung seiner Verdienstlichkeit, nicht bloß unverdrossenes, williges Entgegenkommen, sondern auch einstimmige, wahrhafte Anhänglichkeit und Liebe zur Folge gehabt hat, ohne daß jemals dieser gegenseitige freundschaftliche Verband bei der Strenge und Pünktlichkeit musikalischer Ausführungen störend eingewirkt hätte.“
Reissiger war nun ganz für Dresden gewonnen. War ihm auch endlich ein Korrepetitor beigegeben, so überlege man sich aber, was es an Arbeitslast bedeutete, ein Institut wie die Dresdner Hofoper mit ihren zwei Teilen, dem deutschen und dem italienischen Personale, einem einzigen Musikdirektor und einem Korrepetitor (ein Jahr lang sogar nur dem Musikdirektor allein) anvertraut zu haben, während früher zwei oder drei Kapellmeister und ein Musikdirektor sich in die Arbeit teilten. Im Winter kamen auch noch Konzertdirektionen dazu, wovon später noch geredet werden soll. Morlacchi genoß jetzt Ferien gleich bis zu dreiviertel Jahr. Er war überzeugt, daß in Reissigers Händen alles wohl verwahrt war. Unter Hintansetzung seiner eigenen Gesundheit erfüllte nun Reissiger seine Pflichten peinlich. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als nutzte man seine fabelhafte Arbeitskraft und seinen Fleiß aus, denn das Interregnum zwischen Webers Verlust und der offiziellen Ernennung des Nachfolgers dauerte doch nun schon etwas sehr lange.
Die bisherigen Leistungen der italienischen Oper waren Reissiger ein Ansporn, Webers deutsche Oper womöglich noch über dieselben zu erheben und die Abhängigkeit der deutschen von der italienischen zu vermindern. Sein unvollständiges deutsches Ensemble suchte er zu ergänzen und Publikum und Hof allmählich mit deutschen Werken vertraut zu machen. Nach einigen Singspielen und Boieldieus neuer Oper „Die weiße Dame“ und Aubers „Maurer und Schlosser“ (ebenfalls neu) kam vor allem Webers „Oberon“ zum ersten Male in Dresden in geradezu glänzenden Aufführungen heraus. Die bereits genannten „Erinnerungen einer alten Dresdnerin“ (Seite 174) widmen diesen [57] Oberon-Aufführungen unter Reissiger einen besonderen Aufsatz. Nachdem erst der Solisten (Schröder-Devrient als Rezia, Babnigg als Hüon, Wächter als Scherasmin) Lob gesungen, heißt es: „. . . . . um mit dem Trefflichsten zu schließen, unser stets vorzüglich geschulter Singechor unter Meister Mikschs[110] Leitung und unsere unvergleichliche Kapelle unter Reissigers begeisterter und begeisternder Direktion für alle eine Erinnerung, welche unvergeßlich ist. Eine Aufführung, mit der sicher C. M. v. Weber zufrieden gewesen wäre.“ Was der letzte Satz bedeutet, leuchtet ein, wenn man in Ernst Scherzliebs Satire: „Dresden wie es ist“ 1830 liest: „Der Enthusiasmus der Dresdner für Weber ist beinahe der einzige Gegenstand, der bei uns zu einer Art von Nationalsache geworden ist. Es ist der einzige, bei dem Widerspruch den Dresdner erhitzt, den er mit Leidenschaftlichkeit verteidigt, wo Vorliebe, Eifer, ja Begeisterung sich bei ihm zeigt.“ Bei einer geringen Äußerung über Weber wäre das Dresdner Publikum imstande, zum „Tiger zu werden“. Und wehe dem Dirigenten, der ihm seinen Weber falsch aufgeführt hätte. Ihren Weber kannten die Dresdner zu genau. Eine Verzerrung durch falsche Temponahme vornehmlich der früheren Werke (Freischütz), bei denen noch die Tradition von Weber selbst bekannt war, wäre dem Dirigenten wohl schlecht bekommen. Mit Reissigers Weberaufführungen waren aber Publikum, Presse[111] und, wie wir sehen werden, auch die Intendanz außerordentlich zufrieden. Über eine Euryantheaufführung unter Reissiger hieß es schon früher[112]: „Die Aufführung war von Seiten des Orchesters und der Chöre ganz gelungen, und selbst unser unvergeßlicher Weber würde sich über den feurigen Dirigenten gefreut haben, der bewies, wie tief er in Webers Geist eingedrungen sei, und durch seine sorgfältige Direktion die hohe Achtung darzulegen suchte, die er dem Verewigten zollte.“
Hier sei nun auch noch Reissigers als Konzertdirigent gedacht. Wir bekommen dabei von ihm ein anderes Bild, als wie es Richard Wagner gegeben hat. Gelegentlich eines „Musikfestes im alten Opernhause in Dresden 1828“ dirigierte Reissiger Beethovens C-Moll-Sinfonie und Händels Judas Makkabäus. Dazu hatte er Verstärkungen im Orchester nötig, weshalb er aber mit akustischen Störungen rechnen mußte. Diese glich er, wie berichtet wird[113], durch eine geschickte Aufstellung der Mitwirkenden vollkommen aus. Dann heißt es: „Das Ganze durchdrang ein Feuer, das aus des Direktors Allgegenwart mit Blicken und Winken mit beiden Händen stets neue Nahrung sog“. Reissigers jugendliches Feuer ging dann sogar so weit, daß nach des Kritikers Meinung der letzte Satz der Sinfonie zu schnell geriet, daneben sei aber der wahre Charakter des ersten Satzes, das sehnsüchtige Regen und Streben, noch niemals so leuchtend und klar vor Augen getreten als unter Reissigers Direktion. Vom Oratorium wird folgendes Interessante berichtet: „Jeden Zuhörer muß es erfreuen, im Direktor als der Seele des Ganzen, den wärmsten und sogar aufopfernden Eifer für die Kunst flammen zu sehen. Herrn Reissigers Direktion ruft das Andenken an die bessere alte Zeit zurück, [58] wo ein Direktor vor allen Dingen durchaus nicht bequem sein durfte, sondern nur der prior inter pares war, und wo man die Direktoren nicht nach ihren pompösen Opern und ihrem europäischen Ruf (vergl. Spontini, Rossini, K. K.), sondern nach ihren Kapellkenntnissen wählte. Wäre auch Herrn Reissigers Taktieren manchmal durch allzu große Lebhaftigkeit auffallend, so ist mindestens das Übermaß im Eifer besser, als eine phlegmatische Ruhe, die sich vom Orchester beherrschen läßt. Sein Kraftaufwand an jenem Abende war in der Tat zu bewundern, indem er nicht nur die meisten Chöre selbst mitsang, sondern auch, wie ich höre, das Ganze nach dem bloßen Klavierauszuge leitete, folglich mehr im Gedächtnis haben mußte, als mancher andere in der Partitur wirklich nachzulesen gewohnt ist.“
Reissigers Geistesgegenwart wurde dann in derselben Aufführung noch ganz besonders in Anspruch genommen durch ein Versehen des Tenors. Dieser hatte die Noten plötzlich verlegt, aus denen er ein Rezitativ zu singen hatte, und versagte im gegebenen Augenblicke. Da sang Reissiger schnell entschlossen das Rezitativ selbst, was er bei seiner guten Stimme sehr wohl wagen konnte.
Wie stimmt nun dies alles zu dem immer behaupteten Phlegma Reissigers? Gerade im Gegenteil stimmen alle Berichte über Reissiger darin überein, daß er ein lebensprühender Dirigent war.
Künstlerisch konnte Reissiger auf seine bisherige Arbeit in Dresden stolz sein, wenn sich nur nicht immer materielle Sorgen eingestellt hätten. Trotz Gehaltserhöhungen waren 1200 Taler für seine jetzige Stellung immerhin eine geringe Bezahlung, da er durch seine Arbeitslast auch die ihm anfangs zugesicherte freie Zeit zum Nebenverdienst nicht erhielt. Infolge seiner Stellung als Hofbeamter hatte er noch besondere Abgaben (Armenhaus- und Prämiensteuer) zu leisten. Von denselben hatte er vor der Anstellung nichts erfahren. Glücklicherweise fand er bei Lüttichau Verständnis, der beim Könige wegen Erlaß der Sondersteuern vermittelte. Er schrieb, „daß Reissiger kein eigenes Vermögen besitze, hilfsbedürftige Eltern und Geschwister zu unterstützen und die Kosten einer neuen Einrichtung zu bestreiten habe, folglich durch den mindesten Verlust in die sorgenvollste Lage versetzt werden würde“, „daß Reissiger, unbekannt mit den hiesigen Verhältnissen, dem Rufe zu seiner gegenwärtigen, ehrenvollen Stellung gefolgt sei, im Auslande Verhältnisse verlassen habe, die ihm eine sorgenfreie Existenz gewährleistet“ usw. usw. Der Intendant schließt mit den Worten, daß er es „bei den ausgezeichneten, unermüdeten und so beschwerlichen Dienstleistungen dieses so fleißigen und talentvollen Mannes“ für nötig hält, für ihn beim Könige einzutreten.
Das war im Januar 1828. Schon im darauffolgenden April machte Lüttichau eine Eingabe, die die dringend werdende Nachfolge Webers nun endlich regeln soll. Er zählt Reissigers Verdienste erneut auf (gesamte Leitung der deutschen und italienischen Oper, der Kirchenmusik im Verein mit Rastrelli, Anordnung aller Hofkonzerte und sonstigen musikalischen Unterhaltungen). Er schreibt dann: „Wenn nun Reissiger auf diese Art seine Fähigkeit, jenes so ausgezeichnete Institut musikalisch zu leiten, auf das Deutlichste und während eines längeren durch Einstudierung von Oberon, Elisabeth und anderen schwierigen Opern vielfach beschäftigenden Zeitraums [59] bewährt habe, so hat er auch ebenso eine Geschicklichkeit, sein gründliches Studium durch mehrere eigene Tonschöpfungen bewiesen, welche teils von Ew. Königl. Majestät Höchstselbst mit Beifall beehrt, teils im allgemeinen von Kunstfreunden mit ausgezeichnetem Beifall aufgenommen worden sind. Dahin gehört besonders die von Reissiger komponierte und bereits in Ew. Königl. Majestät katholischen Hofkirche aufgeführte Messe, eine bei Allerhöchster Thronbesteigung (seit 1827 war König Anton Friedrich August dem Ersten gefolgt) komponierte Sinfonie, mehrere Ouvertüren zu neuen Opern, welche noch bearbeitet, und verschiedene durch Lieblichkeit und Korrektheit sich auszeichnende Gesangsstücke.
Mit allen diesen vorteilhaften Eigenschaften ausgerüstet und noch in der Blüte seiner Jahre und Kraft seiend, scheint Reissiger sich mir daher ganz zu jener Stelle zu eignen, welche seit dem Ableben des Kapellmeisters C. M. v. Weber noch nicht wieder besetzt worden ist und Reissiger seit fast 1½ Jahr den Dienstgeschäften derselben nach bereits mit Beifall verwaltet hat.“
Am 3. Mai 1828 erfolgte durch allerhöchste Entscheidung die Ernennung zum „Kgl. Kapellmeister“ „zum Zeichen unserer Zufriedenheit mit seiner bisherigen Dienstleistung“, wie der König schrieb, und zwar mit 1500 Talern Gehalt vom Anfang des „heurigen Jahres“ ab. In der Nachzahlung für das verflossene Vierteljahr sollte auch eine Auszeichnung liegen, denn das hatte Lüttichau nicht mit beantragt. Am 8. Mai erhielt Reissiger dann folgende, für die frühere Zeit äußerst charakteristische Dienstanweisung, die wir deshalb mit abdrucken.
Der Kapellmeister Sr. Maj. des Königs von Sachsen ist gehalten, diesem seinem allergnädigsten Herrn treu, gehorsam und ergeben zu sein und dessen Befehlen, sowie den Anordnungen der Generaldirektion der kgl. Theater und musikal. Kapelle stets pflichtmäßig Folge zu leisten. Seine Pflichten beziehen sich a) auf die Kirchenmusik, b) auf die Kammermusik, c) auf das kgl. Theater.
In bezug auf die Kirchenmusik ist der Kapellmeister verpflichtet, von drei Wochen zu drei Wochen jedesmal sieben Tage hintereinander alle in diese Zeit fallenden Kirchenmusiken, welcher Art sie auch sein mögen, zu leisten.
Im Fall eintretender Krankheit des anderen Kapellmeisters oder des Kirchenkompositeurs hat er sich mit dem Anderen in Übertragung des Geschäfts zu teilen, sowie überhaupt in bezug auf die Kirchenmusik mit dem dabei angestellten Dirigenten stets in gleichem Verhältnis der Dienstleistungen zu bleiben, ja selbst eintretendenfalls die Direktion zu übernehmen.
Jegliches Jahr ist er verbunden, unentgeltlich eine Messe und eine Vesper, auch so oft, als es Se. Kgl. Maj. befehlen wird, gleichermaßen ein Oratorium zu komponieren.
[60]Was die Kammermusik anbetrifft, so gehört selbige zwar ausschlieẞlich zu dem Ressort des I. und ältesten Kgl. Kapellmeisters, im Falle derselbe jedoch durch Krankheit oder Abwesenheit behindert sein sollte, oder Se. Kgl. Maj. ausdrücklich den jüngeren Kapellmeister zu beauftragen geruhen würden, so liegt ihm ob, bei Tafelmusiken oder Hofkonzerten die Anordnung und Leitung derselben zu übernehmen.
Er hat alsdann der Generaldirektion deshalb die nötigen Vorschläge zu tun, die behufigen Musikstücke auszuwählen und die benötigten Proben zu halten.
Bei den Konzerten oder Tafelmusiken führt er die Direktion und erhält dafür, wenn dieselben außerhalb Dresdens stattfinden, nächst freiem Fortkommen nur die vorschriftsmäßige Auslösung.
In allen Fällen gehört es aber zu seiner Anstellung, daß, wenn von dem kgl. Hofe dabei seine eigene Mitwirkung auf dem Fortepiano verlangt würde, er solche ohne weitere Entschädigung zu leisten habe.
In Ansehung endlich der Theatermusik, so ist derselbe zwar hauptsächlich für das deutsche Singspiel angestellt, er hat jedoch in Krankheits-, Abwesenheits- oder sonstigen Verhinderungsfällen, sowie bei eintretender Vakanz des anderen Kapellmeisters dessen ganze Besorgungen auch bei der italienischen Oper zu übernehmen und dasjenige zu verrichten, was diesem dabei obliegt.
Bei der deutschen und in den nach den vorgehenden §§ eintretenden Fällen bei der italienischen Oper hat er für gute und zweckmäßige Auswahl derselben zu sorgen und hierüber sowohl, als wegen Besetzung der Parten seinen Vortrag auch der Generaldirektion zu machen und von dieser die Genehmigung zu erwarten.
Ist solche erfolgt, so liegt ihm das Einstudieren der neuen Opern dergestalt ob, daß er die ersten Proben mit den Sängern davon zu halten hat, wie dieselben zweckmäßig zu leiten, dann kann er zu seiner Erleichterung das Geschäft dabei dem Korrepetitor übertragen, ist aber verbunden, die Orchester- und Generalproben wieder selbst zu dirigieren.
Alle Opernpartituren hat er genau durchzugehen und nötigenfalls nach dem Bedürfnis des hiesigen Theaters einzurichten, so wie es ihm auch obliegt, im Falle ein oder das andere Stück darin fehlte oder eine Einlage wesentlich notwendig wäre, solche selbst und unentgeltlich zu fertigen.
[61]Sollten in Schauspielen wesentliche Musikpartien vorkommen, so hat er solche ebenfalls zu dirigieren, in der Regel aber bleiben solche dem Konzertmeister oder nach Befinden dem Korrepetitor überlassen.
Hiernächst soll derselbe in der Regel jährlich eine neue deutsche Oper für die Kgl. Theater schreiben, wofür ihm die gewöhnliche, verhältnismäßige Gratifikation verabreicht wird.
Endlich hat er überhaupt alle diejenigen Befehle Sr. Kgl. Maj. pünktlich zu besorgen, welche ihm Allerhöchst derselbe in bezug auf seine Anstellung als Kapellmeister noch außerdem zu erteilen für gut erachten werden.
Dresden, am 8. Mai 1828.
Besonders fallen uns heute mit unseren veränderten Anschauungen über das künstlerische Schaffen die §§ 4 und 14 auf. Aber doch müssen wir sagen, daß der übliche Zwang namentlich für kleinere Talente auch sein Gutes hatte. Manches gelungene Werk, welches wir sonst nicht hätten, verdanken wir gerade diesem Zwange, der für die Kleineren wie eine Schaffensnotwendigkeit wirkte, die sie in Feuer kommen ließ. Reissiger ist übrigens der letzte Kapellmeister, welcher noch verpflichtet wurde, Messen und Opern für Dresden zu schreiben (die Kapellmeister nach ihm: R. Wagner, Rietz, Krebs wurden nicht mehr gezwungen), so daß mit ihm gewissermaßen die „Musik am sächsischen Hofe“ in dem Sinne, daß die Kompositionen nur für Dresden geschrieben werden, aufhört. Streng eingehalten wurde das
Gebot ohnehin nur für die Kirchenmusik, aber schon bei Reissiger scheint man auch darin nachgiebiger verfahren zu sein, denn wir lesen, daß z. B. einige seiner Messen auch auswärts aufgeführt wurden (Wien, A. M. Z. 1840, S. 723, Erfurt, A. M. Z. 1842, S. 778).
Als Kgl. Kapellmeister war Reissiger auch verpflichtet, bei festlichen Gelegenheiten die Hofuniform zu tragen, wie überhaupt alle Mitglieder der Kapelle bei Gelegenheit Uniform trugen.
Reissiger hatte nun einen Höhepunkt seines Lebens erreicht. Um die Freude teilen zu können, dachte er jetzt ernstlich daran, seine Herzenskönigin heimzuführen. Seine frühere Klavierschülerin, die Tochter seines Gönners, Marie Stobwasser, war, wie wir wissen, die Auserwählte. Der letzte, schlichte, innige Brief vor der Hochzeit an seine Braut zeigt uns, wie Reissiger, der überall hochgeehrte Mann, ein bescheidenes Herz bewahrt hatte[114]:
„Mein einzig inniggeliebtes Mariechen! So lasse ich denn den letzten Brief an Dich, als meine teure Braut, vom Stapel laufen. Viel, ach viel Vergnügen hat uns der Briefwechsel gemacht. Der heutige Brief aber blickt ohne Neid auf alle früheren zurück, denn er ist doch der größte Freudenbringer und schließt nun das Ganze in einem kräftigen pompösen Finale. So geh [62] denn hin, du lieber Brief, und sage meiner Marie zum letzten Male durch Schriftzüge, wie unendlich ich sie liebe. Ja mein Mariechen, bald bin ich in Deinen Armen und eine, will’s Gott, lange Reihe glücklicher Jahre liegt unseren Augen enthüllt, wo wir uns nun das beweisen wollen, was wir uns so lange versprachen und immer wiederholen mußten, Liebe und Treue bis zum Tode. Unser Tun und Treiben tritt nun an die Stelle der schönen Worte, und wenn es an Herzlichkeit und Wahrheit ihnen gleichkommen wird, so sind wir gewiß glücklich. Was soll ich Dir nun noch schreiben? Noch einen Tag hast Du nach Ankunft dieser Zeilen zu verleben ohne Deinen Reissiger. Freust Du Dich so auf seine Ankunft, als ich mich auf meine Abreise von hier, so muß unser Wiedersehen nach beinahe halbjähriger Trennung ein freudiges, entzückendes sein. – Die Karten bringe ich mit, grüße alle herzlich, besonders die lieben Eltern. Morgen abend 6 Uhr reise ich ab. Lebe wohl, meine Marie. Ewig Dein C. G. Reissiger. Dresden, vom 8 ten Mai 28.“
Daß man in Dresden das Ereignis nicht unbeachtet vorübergehen lieẞ, ist selbstverständlich. Der bekannte Dichter der „Urania“, Tiedge, den Reissiger schon 1824 kennen gelernt hatte, widmete der Braut ein tiefes Gedicht[115]. Sämtliche Mitglieder der Kgl. Kapelle überreichten ferner ihrem „verehrten Herrn Kapellmeister bei seiner Rückkehr nach Dresden mit seiner geliebten Gattin Marie geb. Stobwasser in Liebe und Hochachtung“ einen gedruckten Huldigungruß, von dem wir hier nur den humoristisch gefärbten Schlußvers bringen:
„Denn wie kein Ton sich einzeln kann gestalten,
Und nur Verein Bedeutung ihm gewähret,
So wird auch hier die Harmonie stets walten,
Wo sich gefunden, was sich liebt und ehret.
Es einen sich der Töne freie Geister
Zum Vollakkord in gleicher Liebe Brande:
Drum lebe hoch der vielgeliebte Meister
Und hoch Maria, seine Dominante.“
Als Dichter wurde der Schauspieler Kriete vermutet, der später auch den Text zu Reissigers Oper: „Der Schiffbruch der Medusa“ geschrieben hat.
Das folgende Jahrzehnt war nun für Reissiger das glücklichste und erfolgreichste seines Lebens, für die deutsche Oper in Dresden und für Dresdens Musikleben selbst eine große Blütezeit. Sein Ruf als Dirigent und Komponist drang weit über Dresden hinaus, ja sogar jenseits Deutschlands Grenzen wird Reissiger populär. Einen besonders großen Erfolg verdankte er seiner Bühnenmusik zu dem Scribeschen Drama: „Yelva oder die Stumme“ (deutsch von Th. Hell, 1828). Die Komposition erbringt den Beweis, daß Reissiger tatsächlich Anlagen zum dramatischen Komponisten hatte, wenn sie nur durch einen geeigneten Text geweckt wurden, aber niemals wieder hatte er das Glück gehabt, einen so dramatischen Vorwurf, wie Yelva, zu erlangen. Ein halbes Jahrhundert nach der Entstehung war, wie die Berichte belegen, Yelva durchaus noch ein Zugstück der deutschen Theater; und selbst zur Feier des hundertsten Geburtstages Reissigers (31. Januar 1898) hat sie in der Dresdner Oper unter Schuch Wirkung ausgeübt, so daß [63] sie wohl heute noch von Zeit zu Zeit möglich wäre. Nach Dresden brachte zuerst Kassel 1829, Wien 1830, Stuttgart, Weimar die „Yelva“ auf der Bühne, während die Konzertmusik durch Aufführung der Ouvertüre den Namen des Komponisten in ganz Deutschland verbreitete. Von den vielen lobenden Kritiken sei hier nur eine einzige wiedergegeben, die aber die Musik sehr treffend bezeichnet. Aus Wien wird berichtet bei Gelegenheit des Gastspiels einer kgl. spanischen Ballettänzerin[116]: „An ihrem Benefizabende erschien sie als Yelva im Drama gleichen Namens, und die Genauigkeit der Mimik zu einer Handlung, wovon ihr nicht eine Silbe der Mitspielenden verständlich war, mußte jedenfalls Bewunderung erregen. Ein neuer Beweis der wahren ausdrucksvollen Charakteristik in Reissigers Komposition.“
1829 folgte die Oper „Libella“ mit der Schröder-Devrient in der Titelrolle, die auch viel Anerkennung fand. Neunmal wurde sie in einem Jahre in Dresden aufgeführt. Die Kritiken sprechen immer nur von der „lieblichen“ Libella, und tatsächlich ist hier alles in Melodie getaucht, aber keine angekränkelte, sondern eine frische Melodik ist vorherrschend. Die Tänze sind gefällig, rhythmisch einfach, aber gesund melodiös. Auch dämonische Klangfolgen kommen vor, die aber Webers oder Marschners Vorbild nicht erreichen, der Text stammt von Theophania (Deckname für Fräulein v. Brochowska). Die Ouvertüre wurde ebenfalls, wie die anderen Ouvertüren Reissigers (Dido, Nero usw.), in allen Konzerten gespielt[117]. Alle diese Werke aber sollte die Ouvertüre zur Oper „Die Felsenmühle“ übertreffen. Mit ihren prägnanten, französisch prickelnden Rhythmen und weichen, melodischen Linien nach italienischer Art hat sie sich bis auf den heutigen Tag gehalten. Wir können aus der energischen Rhythmik, wie sie ebenso vielen anderen Kompositionen Reissigers eignet, folgern, daß Reissiger auch als Dirigent ein straffer, präziser Rhythmiker war. Die Ouvertüre zur „Felsenmühle“ verschaffte ihm Weltbekanntheit. Die Oper selbst, nach dem Text von v. Miltitz[118], zeigt nun, wie alle kommenden Werke (Turandot 1835, Adele de Foix 1841, der Schiffbruch der Medusa 1846), die Erscheinung, daß bei völlig undramatischer Anlage des Textes, gelungene Nummern neben vielen mittelmäßigen stehen. Der Text war totes Schema und gab dem Komponisten zu wenig individuelle Anregungen, so daß der Letztere auch einem Schematismus (italienische Arie) verfallen mußte. Die tatsächlich wirkungsvollen Nummern aber, die auch zu Lebzeiten Reissigers den Werken den Erfolg, von dem man allerorts liest, verschafften, sollte man nicht in ihrer alltäglichen Umgebung stehen lassen, um das Urteil über Reissiger zu wandeln. Nach Dresden brachte 1831 das Kgl. Hoftheater zu Leipzig (1829 – 32 eine Filiale von Dresden) „Die Felsenmühle“ und ehrte den selbst dirigierenden Komponisten unter anderem durch Überreichung eines seidenen Theaterzettels. Dieselbe Ehrung hatte Reissiger auch gelegentlich der „Yelva“"-Erstaufführung 1829 in Leipzig erfahren. Der musikalische Leiter der Leipziger Hofoper war Dorn, der in seiner Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1870 – 79) öfter erwähnt, daß er durch Reissigers Empfehlung diese Stelle erhalten habe. Interessant ist, daß ferner Kopenhagen die Oper aufführte. Beziehungen [64] hat ja der sächsische Hof immer zum Norden gehabt. Von Schütz, Naumann u. a. ist ihre dortige Tätigkeit bekannt, und auch zu Reissigers Zeit gaben z. B. die Virtuosen des Dresdener Kgl. Orchesters (Fürstenau) im Norden Konzerte. Eine besondere Ehrung erfuhr Reissiger auch dadurch, daẞ 1834 in Berlin die „Felsenmühle“ als Festoper zu Königs Geburtstag unter seiner Leitung aufgeführt wurde. Der Herrscher war derselbe, welcher Reissiger früher unterstützt hatte. Der Vorstellung ging ein von Spontini komponierter und dirigierter Festmarsch und Gesang, sowie eine Festrede vorher. Mit Spontini zusammen wurde Reissiger im selben Jahre auch noch als Ehrengast zum zweiten märkischen Gesangsfest nach Potsdam eingeladen.
Außer der Oper bearbeitete Reissiger besonders schöpferisch das Gebiet des Solo- und Chorliedes und der Kammermusik. Wir werden ja gegen Ende noch auf alles zurückkommen. Hier sei nur gesagt, daß man förmlich vor einem Rätsel steht, wie Reissiger bei seiner anstrengenden Amtstätigkeit eine solche Fülle von Kompositionen liefern konnte. „Nulla dies sine linea“, dieses Wort scheint uns fast zu wenig auszudrücken. Jede kleine Pause im Amt scheint er benützt zu haben, um nur die Lieder so hinzuschreiben. Dabei sind zufolge der Unmenge nicht etwa alle, wie man vermuten könnte, qualitätslos, wenn auch ein großer Teil den Stempel der schnellen Gelegenheitsarbeit trägt. In Rob. Schumanns N. Z. f. M. wird Reissiger einmal ein „Liederpascha“ genannt, der so verliebt ist, daß er seine Kinder doch kaum noch alle kennen kann. Wir müssen heute bedauern, daß Reissiger sich nicht mehr konzentriert hat, um dafür lieber mehr gute Sachen zu liefern, wozu er das Zeug hatte, wie mehrere sehr gelungene Lieder beweisen. Heute ist über Reissiger als Liederkomponist der Stab gebrochen, woran nur die Menge schneller Arbeiten schuld ist, welche, wie es meist zu sein pflegt, die guten Würfe mit in die Vergessenheit reißen. Eine Ungerechtigkeit der Geschichte! Zu seiner Zeit waren alle Gaben Reissigers hochbegehrt, und man kann es dem Komponisten, der für seine Familie nun auch erhöhte finanzielle Anforderungen zu befriedigen hatte, nicht gar so sehr verübeln, wenn er sein Einkommen auf die ihm vom Publikum selbst angebotene Art vermehrte. Er hat wohl selbst nicht geahnt, daß es ihm einst so schaden würde, denn er war ja sonst als Musiker ein ernster, pflichtbewußter Mann. Für die Beliebtheit zu seiner Zeit zeuge nur der Umstand, daß, wie die Verlagskataloge von damals beweisen, Reissigers Themen vielfach zugrunde gelegt wurden in Transkriptionen, Fantasien, Paraphrasen usw. für Klavier, Klarinette u. a. Instrumente.
Ein anderes erfolgreiches Gebiet war die Männerchorkomposition, und wir sehen Reissiger auf den Programmen aller deutschen Männergesangs- und Musikfeste, die ja, von dem Thüringer Kantor Bischof ins Leben gerufen, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine wahre Hochblüte erlebten. Reissiger besucht dieselben als Ehrengast und Ehrendirigent, vom vierten Musikfest an der Elbe in Nordhausen 1829 angefangen, fast alle. Er erwies dadurch gleichzeitig der Kunstpflege einen großen Dienst, denn die Musikfeste förderten mit ihrer großzügigen Anlage das Gedeihen der deutschen Kunst ganz besonders. Weite Kreise des Volkes, namentlich Kleinstädter, die sonst von Musik wenig hörten, bekamen Fühlung mit bedeutenden Werken in musterhafter Aufführung. Vorgreifend nennen wir hier nur das [65] größte Musikfest, welches Reissiger in seinem Leben geleitet hat, das fünfundzwanzigste Niederrheinische Musikfest zu Aachen 1843. Daß er gerade das Jubiläumsfest leiten durfte, war eine besondere Auszeichnung. In „meisterhafter“ Ausführung gelangten unter ihm mit einem Chore von 465 Sängern und einem Orchester von 133 Instrumentisten am ersten Tage das Magnifikat von Durante, die G-Moll-Sinfonie von Mozart und Händels Samson zum Vortrag. Als Solisten hatte Reissiger sich seinen berühmten Dresdener Tenor Tichatschek mitgenommen (seit 1838 von Reissiger nach Dresden engagiert). Am zweiten Tage erklangen die Sinfonia eroica von Beethoven, ein eigens für das Fest komponierter Psalm Reissigers und Hymnen von Cherubini und Vogler.
Das Institut der deutschen Oper in Dresden hatte nun inzwischen auch wieder gute Fortschritte gemacht. 1830 hatte Dresden in einem Jahre bereits mehr deutsche Werke aufgeführt, als Berlin, wo doch schon lange keine italienische Oper mehr Konkurrenz machte (seit 1805), während ja bekanntlich in Dresden die italienische Oper sich am zähesten von allen bestehenden gehalten hat (bis 1832)[119]. Zustatten kam Reissiger allerdings bei der Gestaltung des deutschen Spielplans, daß Morlacchi infolge seiner Krankheit doch nicht mehr so für sein Institut wirken konnte. Reissiger wechselte geschickterweise, um Hof und Publikum im Übergang allmählich an die ernsten deutschen Kunstwerke zu gewöhnen, in der ersten Zeit immer mit leichter verständlichen, schnell beliebt werdenden deutschen Singspielen und italienischen Werken ab. Er hatte die Freude, daß tatsächlich das Interesse für die deutsche Oper immer größer wurde. Nur von einer Seite suchte man immer noch das Gedeihen zu verhindern. Konnte man auch der Person des Leiters selbst nichts anhaben – dieser hatte sich durch Können und Charakter alle Herzen gewonnen –, so liest man doch, daß dem Unternehmen im Prinzip von einem Teile der Presse immer noch Erschwerungen bereitet wurden. Eine herzhafte Erwiderung müssen wir deshalb wiedergeben, die die Lage treffend kennzeichnet. Wir lesen in der A. M. Z. 1829, S. 726: „Destomehr habe ich mich über die deutsche Oper gefreut, für welche dank der lebhaften Teilnahme des Hofes und des Publikums, die Direktion mehr zu tun anfängt. Konnten auch wegen der angestrengten Kräfte der deutschen Sänger, die während des Juni, Juli, August zwei- und dreimal in der Woche auftreten mußten, nur Wiederholungen älterer Opern stattfinden, so waren diese doch so vollkommen und von seiten der Sänger sowohl als des Orchesters so vollendet ausgeführt, daß man hinlänglich für die Neuheit entschädigt wurde. Ich erwähne nur die gelungenen Vorstellungen des Oberon, der Euryanthe, des Jakob und seine Söhne, der Libella, der zum ersten Male deutsch gegebenen Vestalin und des neu einstudierten Fidelio[120]. Der unvergeßliche Weber würde sich freuen, könnte er Zeuge sein, welche herrlichen Früchte das von ihm mit vielem Schweiß unter unaufhörlichen Kämpfen errichtete deutsche Institut trägt. Und dennoch wird die deutsche Oper jetzt noch von parteiischen Korrespondenten wie früher angegriffen. Die [66] Wahrheit zu sagen, so ist hier unter allen gebildeten Musikern und Kunstverständigen nur eine Klage darüber, daß sich den meist oberflächlichen parteiischen Aufsätzen in fremden Zeitschriften, die – wunderbar genug – nur lange Lobhudeleien der italienischen Oper enthalten, während selbst die besten deutschen Aufführungen mit Stillschweigen übergangen oder ganz kurz und mit Geringschätzung abgefertigt werden, kein einziger Mann entgegenstellt, der in der literarisch-musikalischen Welt einen ehrenvollen Platz behauptet. Unter letzteren bedauere ich vorzüglich Herrn B. v. Miltitz, den gewiß nur Kränklichkeit und daraus entspringende längere Abwesenheit von Dresden abhält, seinen Beruf als Rezensent zu erfüllen. Seit ich durch längeren Aufenthalt in Dresden mit dem dortigen Musiktreiben vertraut geworden bin, lege ich die meisten Zeitschriften, welche Korrespondenznachrichten über Dresdens Theater enthalten, mit Widerwillen, ja mit Ingrimm über die Parteilichkeit ihrer Verfasser zurück. Von den letzteren Unberufenen kenne ich besonders eine Harfenspielerin, welcher schon von Weber, wie ich aus seinem Munde weiß, einmal das Handwerk gelegt wurde, ferner einen gewissen Herrn Ex-Professor und einen Ex-Musikdirektor, der früher bei de Bach[121] fungierte. Mundus vult decipi! Auch ist es eben von seiten der Kunst nicht so sehr zu bedauern, daß diese Leute schreiben, denn der Erfolg lehrt es, daß sich das Publikum in Dresden darum nicht kümmert, denn die deutsche Oper ist stets zum Erdrücken voll, die italienische, trotz der unendlichen Lobhudeleien und des forcierten Applauses, von dem ich auch Zeuge war, leer.“
Der erwähnte C. B. v. Miltitz, Geh. Rat und Oberhofmeister, ist der durch seinen Verkehr mit den Romantikern bekannte Dichter und Komponist, zugleich Mitarbeiter der A. M. Z. Er schreibt einmal, daß er sich „glücklicherweise um die Gunst keiner Partei zu bewerben brauche“ (A. M. Z. 1840, S. 89), ferner daß „der echte Kenner zu keiner Partei, weder Klassiker noch Romantiker schwört, sondern sich von jeder Erscheinung im Gebiete der Kunst wissenschaftlich Rechenschaft gibt“. Dies, sowie folgende Tatsachen möchten wir seiner Biographie (Schmidt, „Fouqué, Apel und Miltitz“, Leipzig 1908) noch hinzufügen, nämlich, daß er in seinen Kritiken schon energisch für eine Verdeutschung der Fremdwörter eintritt und auch beim sächsischen Hofe für das Deutschtum wirkte. Er bemängelte z. B. 1834, daß die Programme der Hofkonzerte italienisch gedruckt würden. Schumann forderte ihn 1834 auf zur Mitarbeit an der N. Z. f. M., was er mit der Begründung, nur der A. M. Z., der er schon so lange gedient hätte, nicht untreu werden zu wollen, ablehnte[122].
Daẞ Reissiger bestrebt war und es sein mußte, die Leistungen des königlichen Instituts auf die höchste mögliche Höhe zu bringen, so daß Dresden schließlich im Laufe der dreißiger Jahre die führende Oper besaß, hat auch seinen Grund in dem gerade damals hochgehenden geistigen Leben der Stadt selbst. Eine seltene Vereinigung von großen Künstlern und Gelehrten, die ja dann auch noch während Wagners Dresdner Zeit (vierziger Jahre) weiter bestand, bildete sich jetzt. Um einige glänzende Namen zu [67] nennen, seien von den bildenden Künstlern genannt: Rietschel, Semper, L. Richter, Hübner, Bendemann, später Hähnel, von den Dichtern: Tieck, Tiedge, Julius Hammer, Reinick, F. Kind und Th. Hell mit ihrem Kreise, später noch Auerbach, Gutzkow, Roquette, der nordische Märchendichter Andersen, O. Ludwig, von Gelehrten: den Begründer der Bibliothekswissenschaft Hofrat Ebert, Hofrat Böttiger, Wolf Graf v. Baudissin. Solch ein Publikum stellte natürlich an eine Bühne die höchsten Ansprüche. Da es noch dazu ein Publikum des romantischen Zeitalters war, welches, wie es heißt, in seinen Dichtungen „eine fortlaufende Huldigung vor dem Throne der Musik darstellt“, mit anderen Worten, welches die Musik über die anderen Künste stellte, ist es besonders erklärlich, daß das musikalische Oberhaupt Dresdens diesem Publikum entgegenzukommen hatte. Reissiger verstand es, die größten zeitgenössischen Künstler nach Dresden zu ziehen. In gesangskünstlerischer Hinsicht hatte er ja, da er selbst Gesang studiert hatte, ein maßgebendes Urteil und konnte infolgedessen ein glänzendes Ensemble zusammenstellen: Tichatschek, Mitterwurzer, Scaria, Wilhelmine Schröder-Devrient, Maschinka Schneider, Henriette Wüst, um nur die allergrößten Namen zu nennen. Dazu ließ ihn seine Orchester- und Instrumentalkenntnis u. a. den Violinisten Lipinski, den Paganini-Rivalen, Cellisten wie Dotzauer, Kummer, den Klarinettisten Kotte, „eine Zierde Deutschlands“, den Flötisten Fürstenau, die Hornisten Haase und Levy, alles berühmteste Virtuosennamen der Zeit, in die Kgl. Kapelle berufen oder sie derselben erhalten. Ja Lipinski, der bei seiner Berufung 1839, trotzdem er 49 Jahre alt war, auf vollster künstlerischer Höhe stand und nur noch Paganini neben sich hatte, erschien Reissiger beinahe zu alt, so scharf war dessen kritisches Urteil bei Anstellungen und so groß die Fürsorge für die Zukunft seines Orchesters[123]. In den Sommermonaten, wenn manche der großen Künstler auswärts gastierten, sorgte Reissiger für Heranziehung fremder guter Kräfte als Ersatz. 1833 lesen wir[124]: „Der steten Wirksamkeit des Kapellmeisters Reissiger danken wir es, daß uns der dreimonatliche Urlaub der Mad. Schröder-Devrient keine Störung im Opernrepertoire macht, da dafür während dieser Zeit Mad. Kraus-Wranitzky auf unserer Bühne gastieren wird und die Sängerin Dem. Maschinka Schneider aus Berlin auf ein Jahr engagiert worden ist.“ Dabei müssen wir bedenken, daß es oft bei plötzlichen Urlaubsreisen der launischen Künstler (Schröder-Devrient) sehr schwer war, schnellen, wertvollen Ersatz zu erhalten.
Auch war Reissiger immer mit den neuesten Werken auf dem Plane. 1835 finden wir in der A. M. Z. S. 13 eine Ermahnung an andere Operninstitute, neue Werke nicht so lange dem Publikum vorzuenthalten, sondern – und dabei wird auf Dresden angespielt – sie schneller zur Aufführung zu bringen. Reissigers Persönlichkeit selbst spielte dabei natürlich in den geistigen Kreisen eine Rolle. Seine umfassende Bildung führte ihn überall ein. Er gehörte ja zu den Komponisten und Dirigenten des 19. Jahrhunderts die neben [68] vielseitiger Fachbildung auch große allgemeine Vorbildung besaßen. Er hatte z. B. auch in den anderen Künsten durch seinen früheren Umgang mit Thorwaldsen u. a. in Rom einige Erfahrung. Dazu kam, daß er mit seinem sonnigen Humor – auch in dem tieferen Sinne einer optimistischen Weltanschauung – ein liebenswürdiger Gesellschafter war. In der Gesellschaft Albina[125], einer Vereinigung von Künstlern und Gelehrten, ließ er öfters seine schöne Baẞstimme erklingen. In den Salons der Dresdner Herrschaften, der Bankiers Oppenheim und v. Kaskel und vor allem des Majors Serre, war Reissiger musikalischer spiritus rector. Die Töchter Kaskels[126] waren besonders musikalisch. Ihnen widmete Reissiger auch einige Gesänge. Der bekannteste Dresdner Salon war der des Majors Serre. Serre wurde infolge seiner Tätigkeit für die Schiller-Lotterie und die Tiedge-Stiftung in ganz Deutschland genannt. Auf seinem Landsitze in Maxen bei Dresden versammelten sich im Sommer, in der Stadtwohnung im Winter alle in Dresden ansässigen oder auch nur auf der Durchreise hier weilenden führenden Geister. Rich. Wagner verkehrte z. B. später auch bei Serres[127]. Das Album, in welches sich jeder Gast einzutragen hatte, ist vor Jahren einmal im Autographenhandel aufgetaucht, während der Briefwechsel zwischen Serre und seinen Besuchern leider nach einer testamentarischen Bestimmung Serres vernichtet wurde.
In diesen Salons erfuhren viele Kammermusikwerke Reissigers ihre Aufführung, und wir müssen in der Beurteilung der Kompositionen sehr wohl in Betracht ziehen, daß ein Teil derselben, nicht alle, gleich für die Aufführung in den geselligen Kreisen berechnet waren, das heißt: der Aufwand an motivisch-kontrapunktischer Arbeit nicht zu groß sein durfte, um das Verständnis nicht allzusehr zu erschweren. Reissiger konnte ja bei seiner soliden musikalischen Durchbildung auch wirklich „gearbeitete“ Werke liefern, wie manches Beispiel zeigt, aber sie wären hier, wo es mehr auf eine gesellige Unterhaltung ankam, gar nicht so am Platze gewesen. Das musikalische Leben der geschlossenen Zirkel führt uns nun überhaupt zu der Frage des Dresdner Konzertlebens der Reissigerzeit. Doch ehe wir davon sprechen, sei hier, da es in die dreißiger Jahre gehört, noch ein Vorfall aus Reissigers Leben berichtet, welcher ihm großen Verdruß bereitete.
Es bestand in Dresden eine Kommunalgarde, in welcher auch die beiden Hofkapellmeister Morlacchi und Reissiger mit exerzieren mußten. Die ersten Jahre schien es Reissiger trotz seiner reichen Amtstätigkeit zu ertragen. Er hatte sogar ein überall in Dresden gesungenes Kommunalgardenlied (gedichtet von Tiedge) komponiert. 1835 aber machte sich bei ihm, wie es ja dem kräftigsten Menschen bei übergroßer Anspannung ergeht, eine körperliche Erschöpfung fühlbar, wozu noch eine durch den Exerzierdienst hervorgerufene Überanstrengung der rechten Hand, welche unter Umständen Berufsstörung veranlassen konnte, ihn ernstlich bekümmerte. Er hatte bereits zwei erfolglose Schreiben wegen Entlassung eingereicht. Im dritten Gesuch heißt es [69] wörtlich[128]: „Meine gegründete Angst und Besorgnis, da die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit meiner rechten Hand, deren Gelenke ohnedies schwächlich ist und fortwährend zittert, durch Handhabung auch des leichtesten Säbels gefährdet, und ich dadurch sowohl für die mir obliegenden allgemeinen Pflichten als königlicher Kapellmeister, welche keineswegs auf marschiermäßiges Taktieren allein, sondern hauptsächlich auf fertigem Partiturspiel beim Einstudieren der Opern usw. – – –, als Solospieler, als Akkompagnateur bei Konzerten und als Klavierlehrer bald gänzlich untauglich gemacht werden könne, diktiert mir dieses dritte Gesuch“, wobei er auf ein amtliches Reskript hinweist, nach welchem diejenigen Mitglieder der königlichen Kapelle freizusprechen sind, welche nachzuweisen vermögen, daß sich der Kommunalgardendienst nicht mit der Fähigkeit zum Spielen ihres Instruments vertrage, „indem ich mehr als irgend ein Virtuos auf dem Blasinstrumente dieses behaupten und beweisen kann.“
Unterschrieben ist es: „C. G. Reissiger, Gardist der 15. Kompagnie 5. Batl.“
Prof. Dr. Haase, ein damals bekannter Dresdner Arzt, hatte das Gesuch mit einem Zeugnis unterstützt, wonach die „Schwäche der oberen Extremitäten auf einen in der Kindheit erlittenen Schlüsselbeinbruch zurückgeführt wird[128]. Es erfolgte nun lange Zeit keine Entschließung. An einem Tage, an welchem Reissiger die Kirchenmusik zu leiten hatte und außerdem abends eine Oberonaufführung, entschuldigte er sich, daß er nicht zu den Exerzierübungen kommen könne, wofür ihn aber der Hauptmann bestrafen wollte. Auf seine Entschuldigung antwortete derselbe, wie Reissiger selbst berichtet, „daß er mich nicht dispensieren könne, daß er mich zum Nachexerzieren kommandieren werde und, im Fall ich auch da nicht erschiene (was wiederum leicht möglich ist, da meine beiden Kollegen verreist sind und ich sämtlichen Dienst allein zu versehen habe), stünde mir Zitation vor der Kompagnie (welche Entehrung und Demütigung für einen redlichen Diener, der nur seiner Pflicht getreu nachzukommen sucht und sich nie etwas zuschulden kommen ließ) und Geldstrafe bevor.“ Dies schrieb Reissiger in einer Beschwerde an den Prinzen Johann und fährt dann mit folgenden Worten fort, die für das Standesbewußtsein eines damaligen Kapellmeisters erfreuliches Zeugnis sind: „entweder will oder mag der Hauptmann nicht einsehen, daß meine Pflichten als Kapellmeister dem Dienst der Kommunalgarde vorgehen. Es ist das empörendste und zugleich demütigendste Gefühl, mich der Willkür von Personen bloßgestellt zu sehen, die weder die Wichtigkeit des Amtes, das ich durch die Gnade Sr. Maj. des Königs zu verwalten habe, ermessen, und meine Pflichten und meine Verantwortlichkeit kennen, noch einen Begriff von der Kunst haben, und so habe ich denn, nachdem ich seit Jahren dergleichen Kränkungen, Ärgernisse und Kollisionen erduldet, die mir meine Ruhe und Heiterkeit rauben, mein Lebensglück trüben, meine Kräfte und meinen Kunsteifer schwächen, und mit ihm meinen Ruf als Kapellmeister zu untergraben drohen usw. usw.“
Die Entlassung wurde Reissiger denn nach vielem Hin und Her gewährt. Bemerkenswert ist noch die Erwähnung Morlacchis in einem Schreiben [70] des Hauptmanns. Es heißt dort: „Übrigens hat die 15. Komp. die Ehre, Herrn Kapellmeister Morlacchi beinahe vier Jahre in ihren Reihen zu haben, ohne daß ich ein einziges Mal denselben zum Nachexerzieren habe kommandieren dürfen, da derselbe stets nach Möglichkeit seinen Dienst zu leisten gesucht hat.“ Hierauf erwidert Reissiger: „Daß Sie Herrn Kapellmeister Morlacchi nie Ursache hatten, zum Nachexerzieren zu kommandieren, glaube ich gern. Derselbe hat aber kaum den dritten Teil von dem Dienste, den ich zu leisten habe, indem des Jahres kaum 20 italienische Vorstellungen, deutsche Opern aber auf 90 und mehr kommen.“ (1835.)
Wir kommen nunmehr zur Besprechung des Konzertlebens in Dresden zur Zeit Reissigers, wobei auch die außerhöfische Musikpflege, welche bisher nirgends behandelt wurde, bedacht werden soll. Das deutsche Konzertwesen macht am Beginn des 19. Jahrhunderts eine große Wandlung durch, deren Wesenskern man darin erblicken kann, daß man von einer intimen Musikpflege (höfischen oder gesellschaftlichen) allmählich zu einem auf breiterer Grundlage stehenden öffentlichen Konzertleben übergeht. Durch Gründung einer Unzahl von Musikvereinen (Singakademien, Männergesangvereinen, Instrumentalvereinigungen) wurden Verständnis und Begeisterung für die klassische Literatur in größere Kreise getragen. Den größten Erfolg hatten diese Bestrebungen in den schon erwähnten Musikfesten zu verzeichnen, auf denen sich viele kleine Vereine zu größeren Komplexen und Wirkungen vereinigten.
Reissiger war nun schon während seiner Leipziger Studienzeit in ein reiches, in dieser Weise geartetes Musikleben gekommen, wo er ja sogar zeitweilig die Gewandhauskonzerte dirigierte. Namentlich war von Leipzig eine systematische Beethovenpflege ausgegangen. Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn Reissiger in seinem Dresdner Wirkungskreise nun auch dem Konzertleben sein Interesse zuwendete. Es standen ihm in seinem Hoforchester und den Künstlern der Oper ja auch die trefflichsten Hilfstruppen zu Gebote. Zunächst gab es allerdings noch kein sogenanntes „stehendes Konzert“ (eine Konzertreihe mit Abonnenten). Weber hatte einst einen vergeblichen Versuch gemacht, diese Einrichtung einzuführen. Wenn wir aber in den Anzeigen und Berichten nachschlagen, so finden wir, daß im Winter die königliche Kapelle durchschnittlich alle vierzehn Tage ein öffentliches Konzert („musikalische Akademie“ genannt) gab, also die Zahl fast die gleiche war wie heute. Den Anlaß zum Konzert bot gewöhnlich einer der berühmten Dresdner oder auswärtigen Virtuosen, welche alle damals schon, genau wie heute, Dresden besuchten: Paganini, Hummel, Moscheles, Kalkbrenner, F. Ries, Klara Wieck und wie sie alle heißen. Von den Virtuosen des Dresdner Orchesters durfte jeder jährlich ein Benefizkonzert veranstalten[129]. Deren Vortragsnummern hatte die kgl. Kapelle erstens zu begleiten, dann aber auch durch eigene Nummern zu ergänzen. Außerdem war immer noch ein Duo oder Trio von Opernsängern beteiligt. Das Orchester trug außer der Ouvertüre, wobei gleich hier bemerkt sei, daß Reissiger gern die Weberschen bevorzugte, noch eine Sinfonie oder einen Sinfoniesatz vor. Die Konzerte waren infolge der Vielseitigkeit der Programme [71] eigentlich keine reinen Sinfoniekonzerte, sondern wir würden sie heute vielleicht „Philharmonische Konzerte“ nennen. Interessant ist, daß man damals noch häufig Bläservirtuosen begegnete. Klarinetten-, Flöten- und sogar Fagottkonzerte sind nichts Seltenes. Klavier- und Violinvirtuosen tragen nur Konzertsachen vor; Sonaten und andere Kammerwerke sind jetzt noch ausschließlich in den Aristokratensalons zu hören, welche ja nebenher immer noch Stätten der Kunst geblieben waren. In den zwanziger Jahren finden wir in Dresden selbst die Konzertmusik im Banne der Italiener, bis nach und nach deutsche Programme erscheinen. Hier hat vor allem Reissiger mit seiner Beethovenpflege vorbildlich gewirkt. 1835 lesen wir in der N. Z. f. M. (Seite 148): „Die Kapelle, früher an den Vortrag großer, selbständiger Instrumentalsätze nicht gewöhnt, trägt jetzt die genialen Werke Beethovens mit großer Energie vor.“ Wir erinnern auch an die schon früher erwähnte Aufführung der C-Moll-Sinfonie unter Reissiger. Die anderen Kapellen in Dresden, worüber wir gleich sprechen werden, ahmten Reissigers Beethovenpflege nach. Die Beethovenverehrung fand schönsten Ausdruck in einem von Reissiger geleiteten Konzert zum Besten eines Beethovendenkmals in Bonn, worüber man in der A. M. Z. (1839, S. 777) liest: „Indes trug auch die Kapelle sehr viel dazu bei, daß der kühne Geist Beethovens in dem Maße verstanden wurde, wie er verstanden sein will; nur solches kräftiges Ineinandergreifen, solche exakte Ausführungen vermögen es, den nach allen erdenklichen Richtungen ausgesponnenen Gedanken so vollständig und präzis wiederzugeben, wie es der Geist der Komposition durchaus fordert. Diese eigentümliche geistige Belebung des Orchesters hängt aber hauptsächlich von dem Dirigenten ab, der gewissermaßen die Seele desselben zu nennen ist, und hier müssen wir vor allem dem sehr verdienstvollen Kapellmeister Reissiger unseren aufrichtigen Dank zollen; er zeigte uns jene beiden Tongemälde, die Sinfonia eroica und die Ouvertüre in C, mit feinen Schattierungen in ihrer Großartigkeit so klar und deutlich, daß auch nicht das Mindeste verloren ging.“
Die Virtuosen, welche nach Dresden kamen, gaben gewöhnlich zwei oder drei Konzerte gleich hintereinander, und zwar zuerst ein Privatkonzert vor dem Hofe in Dresden oder Pillnitz, ein zweites im Hoftheater während der Zwischenakte – eine Einrichtung, die uns heute verloren gegangen ist[130] – und endlich ein drittes in der erwähnten Art mit dem Hoforchester in einem Konzertsaale[131]. Es kam auch vor, daß ein Virtuos in einer Familie ein Privatkonzert gab.
Die ersten Konzerte hatte Reissiger anzuordnen. Bekanntlich hatten die Wettiner immer eins oder mehrere Glieder, welche musikalisch interessiert waren. Prinzessin Amalie und König Anton haben ja sogar selbst komponiert. König Friedrich August I., der Bruder Antons, soll trotz [72] seiner Vorliebe für die Italiener auch Bach und Zelenka immer auf dem Flügel liegen gehabt haben. Reissiger hat oft mit der königlichen Familie musiziert.
Außer den Konzerten, in welchen die kgl. Kapelle zur Mitwirkung herangezogen wurde, veranstaltete sie selbständig jährlich mehrere Wohltätigkeitskonzerte, die sogenannten „Armenkonzerte“ und das seit 1826 bestehende Palmsonntagskonzert. Die Armenkonzerte gab es ja auch anderswo, z. B. in Leipzig, wo das Gewandhausorchester jährlich mehrere veranstaltete. Bei Gelegenheit dieser Konzerte kamen immer größere Werke zur Aufführung so daß man sie auch als Musikfeste bezeichnete. Die Dreyßigsche Singakademie, die Singakademie des Frauenkirchenorganisten Ehlich und die des Kantors Mühle, der Kreuzchor Julius Ottos, der Seminarchor[132], ferner das Stadtmusikkorps Zillmann ergänzten das königliche Orchester und den Opernchor, so daß man wirklich eine stattliche Zahl von Mitwirkenden zur Verfügung hatte. Die Liste einer Reihe von Palmsonntagskonzerten zur Zeit Reissigers, welche unten[133] nach dem Verzeichnis, welches v. Brescius in seiner Festschrift zum 350 jährigen Jubiläum der Kgl. Kapelle (Dresden 1898) zusammengestellt wurde, gibt ein erfreuliches Bild musikalischer Kultur. Das Armenkonzert im Sommer fand immer im Palais des Kgl. Großen Gartens statt, während die Winterkonzerte im Saale des alten Opernhauses abgehalten wurden. Eins der Winterkonzerte fand immer zur Fastnachtszeit statt, woraus dann 1850 das heute noch bestehende Aschermittwochskonzert wurde.
In einem dieser Armenkonzerte (27. August 1838) erklang im Palais des Großen Gartens zum ersten Male für Dresden Beethovens Neunte unter Reissigers Leitung. Im November desselben Jahres wurde dann die Sinfonie im Hoftheater wiederholt.
[73] Diese Erstaufführung ist in der Geschichte bekannt geworden durch die schlechte Beurteilung seitens Richard Wagners und seiner Anhänger.
Zunächst vom Äußeren zu sprechen, so ist es falsch, wenn behauptet wird, Reissiger hätte den Chorsatz weggelassen. Dies ist ein Irrtum, denn in der Ankündigung und im Berichte (A. M. Z. 1838, S. 800) ist er ausdrücklich erwähnt[134] Daß ferner Reissiger eine einzige Probe abgehalten hätte, wie eine andere Stelle behauptet, ist bereits widerlegt durch O. Schmids Veröffentlichung eines Briefes von einem damals mitwirkenden Kammermusikus (Hiebendahl) in der Zeitschrift: „Das Orchester“ 1886, Nr. 13. Es fanden drei Proben statt, wobei man bedenken muß, daß Reissiger es mit allerersten Mitwirkenden zu tun hatte.
Wenn nun Wagner Reissiger das Verständnis der Neunten absprach, so widerspricht das erstens dem sonst Reissiger immer – eben nur mit Ausnahme Wagners – nachgerühmten tiefen Verstehen Beethovens. Zwar war Reissiger durch die solide klassische Schule eines Schicht gegangen, welche vielleicht dem letzten Beethoven nicht mehr ganz gerecht werden konnte, aber Reissiger selbst war doch in der Erkenntnis Beethovens weiter gedrungen. Man erinnere sich der ihm wie Offenbarung erschienenen Belehrungen über Beethoven durch die Generalin Ertmann in Bologna, ferner seiner begeisterten, anderen Dirigenten vorbildlichen Leitung der übrigen Sinfonien, welche durch ihn eine eigentliche Stätte in Dresden fanden[135]. Seine Freunde Rellstab und Spohr waren allerdings erklärte Gegner des letzten Beethoven; er aber hatte großes Interesse für Neues. Dafür spricht einmal sein warmes Eintreten als Dirigent für die Moderne, wovon wir noch handeln werden, dann auch die Komposition von Werken neuerer Richtung, wie Programmouvertüren, Liedern ohne Worte.
Warum sollte Reissiger die Neunte nicht verstanden haben, wo er doch einige Jahre später (1845 und 1854), wie wir vorgreifend erwähnen, ein so begeisterter Fürsprecher für die noch moderneren Schöpfungen eines Berlioz wurde? Hätte Reissiger wirklich, wenn ihm das Werk zuwider gewesen wäre, eine Wiederholung der Sinfonie ca. drei Monate später veranstaltet? Die Erfahrung aber, die er bei diesen zwei Aufführungen gemacht hatte, daß nämlich Publikum und Kritik nicht mitgingen[136], wird ihm das Bedenken, welches wenigstens Wagner von ihm behauptet, gegen eine Aufführung 1846 zu wohltätigen Zwecken, wo man das Publikum wegen eines finanziellen Erfolges gerade heranziehen mußte, erregt haben.
[74] Interessant ist, daß kaum ein halbes Jahr später ein anderes Werk des letzten Beethoven erklang, was vielleicht durch die Aufführung der Neunten mit veranlaßt war. 1839 führte die Dreyßigsche Singakademie zum ersten Male im Bereiche des heutigen Deutschen Reiches die „Missa solemnis“ auf. Dies ist ein Beweis, wie hochstehend das außerhöfische Musikleben in Dresden war. Es lebten aber auch Persönlichkeiten daselbst, deren Namen auch heute noch guten Klang haben, Julius Otto, der Hoforganist Dr. Johann Schneider, den Mendelssohn für den größten lebenden Organisten erklärte, ein Bruder des „Weltgerichts“-Schneider, sein Vorgänger der tüchtige Agthe, einige Jahre später Robert Schumann mit Gattin, Wagner, F. Hiller u. a.
Hatten in den zwanziger Jahren schon einmal öffentliche Kammermusiken existiert (von einem Quartett der Hofkapelle: Peschke, Schmiedel usw.), so erwachten diese nach mehrjähriger Pause, während welcher die Kammermusik nur in den Salons erklang, in den dreißiger Jahren zu neuer Blüte (Kgl. Konzertmeister Schubert, Rolla, Morgenroth, Dotzauer u. a. Mitglieder der Kgl. Kapelle). Ein Ereignis für Dresdens gesamtes Musikleben war Lipinskis Anstellung. Seine Quartettabende waren weithin berühmt. Auch vereinigte er sich mit fremden Künstlern zu Kammerveranstaltungen in Dresden, z. B. mit Liszt. In den vierziger Jahren kamen die Mittags- und Abendkonzerte des Schumannschen Ehepaares[137] hinzu, ferner die Hillerschen Veranstaltungen. Nach Schumanns Übersiedlung nach Düsseldorf 1850 wurden die Konzerte von Marie Wieck weitergeführt. Jul. Schnorr v. Carolsfeld[138], der Direktor der Gemäldegalerie, berichtet weiter von Elternabenden im Blochmannschen Erziehungsinstitut[139], in denen die königlichen Kammermusiker Quartette boten. Ebenso rief 1854 der Bildhauer Hähnel Kammermusiken mit Mitgliedern der Kgl. Kapelle ins Leben[138]. Viel Beachtung, auch von Fachleuten, fanden damals in Dresden und auswärts die Konzerte des Akustikers Kaufmann mit seinen von ihm erfundenen Instrumenten, Harmonichord (aufwärtsstehendes Flügelpiano, dessen Saiten gestrichen wurden), Äolsharfen, Trompetenautomat usw. C. M. v. Webers Opus 37, ein Konzertino, ist für das Harmonichord komponiert und wurde in einem von Reissiger geleiteten Konzert in der Dreikönigskirche aufgeführt[140]. Erwähnt seien auch die beiden Haupt- Männergesangvereine Liedertafel (gegr. 1830) und Orpheus (gegr. 1834), welche heute noch bestehen. Daß Reissiger, einer der ersten Männerchor-Komponisten der Zeit, diesen Vereinen seine ganz besondere Teilnahme zuwendete, ist selbstverständlich. Reissiger war selbst der erste Dirigent der Liedertafel.
Bekannt sind ja auch die ersten großen deutschen Männergesangsfeste in Dresden 1842 und 1843. Der Orpheus-Müller, Leiter des Orpheus, war Reissigers besonderer Freund. Auch der in Dresden lebende, Liszt und Chopin [75] bekannte Hofpianist Krägen war mit ihm befreundet. Krägen war Lehrer am Hofe und war gewissermaßen der Leiter der familiären Musikpflege der Wettiner, während Reissiger die nach außen gerichtete vertrat. Es sind in der Geschichte der Musik am sächsischen Hofe immer zwei Vertreter in dieser Weise festzustellen.
Wir müssen nun endlich auch der von der Kgl. Kapelle unabhängigen Orchestermusik in Dresden gedenken. Dieser wird in den zeitgenössischen Berichten ein ganz besonderes Lob gesungen. A. Wendt[141] erzählt folgendes: „Weber brachte hieher den Geist des neuen deutschen Gesanges. In der letzten Zeit ist man aber auch in der Ausführung der großen Instrumentalwerke rasch vorgeschritten, und selten wird man von zwei großen Instrumentalchören wie dort im Großen Garten die Meisterwerke vorgetragen hören.“ Immer fielen auswärtigen Besuchern die stark besetzten Orchester an Vergnügungsorten besonders auf. 1828[142] bereits macht man in Berlin den Vorschlag, auch solche Konzerte „mit ganzem Orchester“, wie sie in Dresden im Linckeschen Bade, im Großen Garten und auf der Brühlschen Terrasse so vorzüglich zu finden sind, einzuführen. Eigentümlich war dabei, daß man ganze Sinfonien in den Gartenkonzerten aufführte, weshalb allerdings die Sinfonie, wie Moritz Hauptmann schreibt[143], dem eigentlichen Konzertsaale länger vorenthalten blieb. „Auch gelangte sie dort (im Garten) zu so tüchtiger Aufführung, als man sie sonst unter freiem Himmel wohl selten hören wird.“ Daß man dafür im Saale wenig Sinfonien hörte, ist aber wohl ein zu schroffes Urteil, denn schon in den zwanziger Jahren spielen die Militärkapellen und das Stadtmusikkorps (Zillmann) jede Woche wenigstens eine Sinfonie (ältere von Haydn, Mozart, Beethoven, neuere von Weber, Romberg, Kalliwoda, Spohr) in Creutzens Kaffeehaus am Altmarkt oder in der Großen Wirtschaft im Großen Garten[144]. Andere Lokale waren Findlaters Weinberg (heutiges Albrechtsschloß), Italienisches Dörfchen und die Brauerei-Restaurationen, eine ziemlich große Anzahl, so daß z. B. das Stadtmusikkorps Sommer und Winter fast täglich an einem anderen Orte beschäftigt war. Stadtmusikkorps, also „Städtische Kapelle“", dieser Begriff will dem heutigen Dresdner zunächst sehr befremdlich erscheinen; denn er kennt kein Stadtorchester mehr. Und doch hat es bis Ende 1872 tatsächlich neben dem Kgl. Orchester ein solches gegeben. Da bis jetzt außer der Liste der Stadtmusici („Dresdner Anzeiger“, Sonntagsbeilage, Jahrgang 1905, von Joh. Techritz zusammengestellt) nichts weiter erschienen, so verfolgten wir in kurzem Abriß die Geschichte der Stadtkapelle, bringen denselben aber, da er uns zu weit vom Hauptthema abbringt, in einer besonderen Veröffentlichung in den Dresdener Geschichtsblättern 1918.
Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts bringt fast in allen größeren Städten die Einrichtung von Abonnementkonzerten. Dresden besaß in seiner Hofkapelle eins der ersten Orchester der Welt, und doch bekam es [76] von dieser Seite her die Einrichtung stehender Konzerte mit einem festen Zuhörerkreis erst nach der Jahrhundertmitte (1858). Es war dies eine der letzten verdienstvollen Einrichtungen unter Reissiger. Von diesem etwas späten Termin ab datieren die Abonnement-Sinfoniekonzerte der Hofkapelle, die dann von Dauer bis heute geblieben sind. Zwar hat es vorher nicht an Versuchen gefehlt. Wir erwähnten in dieser Hinsicht schon Weber. 1848 gab R. Wagner vom Januar ab drei Konzerte im Abonnement im Hoftheater[145], die dann in der folgenden Spielzeit auch wieder aufgenommen wurden; aber die politischen Verhältnisse der Zeit waren neuen Unternehmen nicht günstig, und so verschwanden auch diese Konzerte mit dem Aufstand in Dresden. Eine Hemmung für die Konzerte bedeutete auch immer der Mangel eines geeigneten großen Konzertsaales. Schon in den zwanziger Jahren wollten die Kammermusiker einen Aktienverein gründen, der das Geld aufbringen sollte. Wagner trat dann ebenfalls für einen Saal ein, aber nie bis auf den heutigen Tag erhielt Dresden trotz schöner Säle ein Konzertgebäude wie etwa das Leipziger Gewandhaus. Die Hofkapellkonzerte, die dann seit Reissiger von Dauer geblieben sind, finden, nachdem sie einige Jahre außerhalb des Hoftheaters stattfanden, nun schon seit Jahrzehnten wieder im Opernhause statt.
Lieẞ nun zwar das erste Dresdner Orchester lange auf sich warten, so hatten doch andere Kapellen schon in den vierziger Jahren Versuche mit Abonnementskonzerten unternommen. Stadtmusikdirektor Hartung ist zuerst zu nennen, ebenso eine Militärkapelle (Regiment Prinz Max), jedoch der höfische Geist der zurückgezogenen Dresdener Gesellschaft ließ die Konzerte nicht genügend besuchen, so daß sie wieder eingingen. Der nächste Unternehmer war 1845 der in Dresden lebende F. Hiller, der Dirigent der Liedertafel, welcher allerdings großzügig vorging, indem er von vornherein ein Finanz- und Kunstkomitee zusammenbrachte[146], welches größere Sicherheiten für ein Bestehen bot. Konsul Kaskel, Kammerherr v. Könneritz, Graf Baudissin, Dr. Rob. Schumann, Fr. Wieck sind nur einige Namen daraus. Hiller vereinigte mehrere Orchester (Stadtkorps, Kommunalgardenkorps und freie Musiker) zu einem großen Instrumentalkörper, ja er gründete für die Konzerte sogar einen besonderen gemischten Chor. Das klassische und moderne Programm des ersten Konzertes unter Hillers Leitung am 11. November 1845 sei mitgeteilt: 1. Ouvertüre „Meeresstille“ von Mendelssohn, 2. C-Moll-Sinfonie von Beethoven, 3. Gesänge der preußischen Kammersängerin Tuczek (zum ersten Male in Dresden) aus: Cosi fan tutte und Arien von Bériot, 4. Violinkonzert von Mendelssohn (der jugendliche Jos. Joachim).
Den ersten Winter fanden sechs, im zweiten sogar acht Konzerte statt. Hiller hatte das Glück immer für Dresden unbekannte Solisten zu gewinnen. Ehe aber tiefere künstlerische Wirkungen durch mehrjähriges Zusammenspiel der Orchester erreicht werden konnte, mußten auch die Hillerschen Konzerte wieder eingehen, da das Interesse des Publikums nicht treu blieb. Es ist eben von jeher in Dresden schwer, neben den erstklassigen Darbietungen [77] des Hoftheaters noch etwas Ähnliches zu bieten, das von Dauer wäre. Bestanden auch damals noch keine königlichen Sinfoniekonzerte, so kannte man doch das Hoforchester aus den schon erwähnten Akademien, und Vergleiche konnten leicht gezogen werden, die – bei den reicher fließenden Mitteln kein Wunder – natürlich stets zugunsten des Hoforchesters ausfielen, selbst wenn auf der anderen Seite Künstler wie Schumann, der öfters neben Hiller dirigierte, wirkten.
Vom übrigen Konzertleben in Dresden seien nur noch die Konzerte der damals ebenfalls in Mode kommenden reisenden Orchester erwähnt. Joh. Strauß (Vater) mit seinen Wienern, Gungl mit den Berlinern, Bilse mit dem Liegnitzer Orchester waren sehr beliebte Gäste.
Die junge Musikwissenschaft begann in Dresden ihr Feld zu bebauen durch musikhistorische und -theoretische Vorlesungen im Abonnement, die von Seminarlehrer Schütze und dem bekannten Brendel gehalten wurden, welcher immer von Leipzig herüberkam, wo er Redakteur der N. Z. f. M. war.
Wir verfolgen nunmehr wieder das Leben Reissigers. Wir hatten gesehen, wie unter seiner Leitung in den dreißiger Jahren die Dresdner Oper und das Konzertleben auf große Höhe gelangten. Die Oper war am Ende der dreißiger Jahre die erste in Deutschland. Die italienische Zeit des Dresdner Musiklebens, welche weit über hundert Jahre gedauert hatte, hatte sich nun ihrem Ende zugeneigt. Wir lesen noch um 1830[147] von einem den Italienern wieder glücklich abgerungenen Tag im Wochen-Spielplan. Nun aber war nach dem Eingehen der italienischen Oper[148] freie Bahn für deutsche Kunst. Reissiger begründete in Dresden eine eigentliche Gluckpflege, welcher sonst nur noch in Berlin (Spontini) gespielt wurde (Iphigenie auf Tauris, Orpheus und Euridike), wandte seine Aufmerksamkeit Mozart zu, durch Aufführung von dessen Werken in deutscher Sprache[149]. Eine wackere Fürsorge traf er aber auch für Vorstellungen moderner Werke. Wir nennen die glänzende Hugenottenaufführung, der Meyerbeer beiwohnte (1838). Reissiger nahm zu gern neue Opern an[150], wobei ihm die Intendanz öfter wegen der Kosten Schwierigkeiten machte, denn die Unterstützung junger Talente hatte nicht immer etwas eingebracht. Die Annahme des Rienzi, die wir noch näher besprechen werden, ist auch ein Beweis des Eintretens für junge Kräfte. Vorerst müssen wir noch ein paar Worte der Pflege der Kirchenmusik unter Reissiger (Katholische Hofkirche) widmen. Die Aufführungen bestehen bekanntlich heute noch und behaupten durch die Verbindung mit der Hofoper, indem deren Künstler auch für die Kirche mit verpflichtet werden, eine erste Stellung. Als Reissiger antrat, überkam er ein glänzendes Ensemble für die Kirchenmusik. Die italienische Oper war mit ihren Sängern und besonders ihren Kastraten noch auf voller Höhe. Frauen durften aber nach dem „mulier taceat in ecclesia“ während Reissigers ganzer Amtszeit (bis [78] 1859) noch nicht in der Kirche mitwirken[151], da erst 1864 ein entsprechender Erlaẞ kam. Infolgedessen hatte Reissiger nach Eingehen der italienischen Oper mit ihren Kastraten eine Krisis in der Kirchenbesetzung durchzumachen. Während erst Sassaroli und Tarquinio, die, nebenbei gesagt, die Summen von 17 000 und 14 000 Talern Gehalt schluckten, was dafür anderen Sängern entzogen werden mußte, die Koloraturen und Schnörkel der älteren Kirchenkompositionen herunterperlten, mußten nach 1845, als Tarquinio, der letzte Kastrat in Deutschland, abging, begabte Chorknaben die Sopran- und Altsolopartien übernehmen. Die vorgeschrittenen sittlichen Anschauungen hatten schon lange gegen das Kastratenwesen gearbeitet, nur in Dresden hatte es sich, wie ja auch die italienische Oper, sehr lange behauptet. Zuccalmaglio, einer der Davidsbündler, wettert in den Jahrbüchern des Nationalvereins (1839, S. 194) gegen die Dresdener Unsitte, wobei er Reissiger im Kampfe hilft und lobt, daß er „schon mehrere Messen gesetzt, in denen er eine strenge Stimmführung im Gesange beobachtet, aus denen er alles Singspielartige verbannt und alles Bunte der Begleitung weggelassen“. Aber die „Gurgeleien“ der Kastraten kitzelten eben die Ohren noch immer[152]. Reissiger interessierte sich sehr für die zu seiner Zeit betriebene Reform der katholischen Kirchenmusik, wie er überhaupt an allen Gegenwartsfragen Anteil nahm. Er wurde deshalb auf Spontinis Vorschlag zum Ehrenmitglied der „Akademie der Heiligen Cäcilia“ in Rom ernannt.
Der Kirchendienst war sehr umfangreich. Das Kgl. Orchester hatte im Jahre ca. zweihundertundfünfzig Dienstleistungen, die noch neben der Oper zu erledigen waren. Dazu kamen auch noch Aufführungen in der Neustädter katholischen Pfarrkirche, die heute weggefallen sind[153]. Ein Teil der instrumentalen Aufführungen ist heute in rein vokale umgewandelt worden. Die Programmzusammenstellung der Kirchenmusik war durch verschiedene Gesetze und Stiftungen eingeengt.
Eine ähnliche Krisis wie in der Kirchenbesetzung sollte bald, wenn auch nicht so schlimm für die Oper eintreten. Die Dresdner Oper war, wie wir wissen, am Ende der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre zur ersten Pflegestätte der Bühnenmusik in Deutschland aufgestiegen. Ein Aufsatz in der Zeitschrift „Komet“ 1842, Nr. 177/78 (teilweise abgedruckt in der A. M. Z. 1842, S. 918) berichtet davon, indem alle deutschen Bühnen verglichen werden. „Die Trefflichkeit der königlichen Musikanstalten zu Dresden muß ihm,“ so wird von Reissiger als dem Leiter berichtet, „Lohn für viele Mühen und Sorgen, für manchen harten, langen, bestandenen Kampf sein.“
[79] Und Ehre, dem Ehre gebühret, wir dürfen auch des Intendanten v. Lüttichau nicht vergessen, der immer wieder, wenn auch manchmal etwas zögernd, dem musikalischen Leiter zur Erreichung des Zieles unterstützend zur Seite stand.
In dieser erlesenen Kunststätte mit ihren reichen Mitteln war nun von einem ehrlichen deutschen Künstler, Reissiger, der Boden bereitet für die glanzvolle Einführung des größten deutschen Künstlers des 19. Jahrhunderts, Richard Wagners. Schulden wir nicht Reissiger Dank, daß er das Instrument geschaffen, auf dem dann Wagner spielte? Wie aber konnte Wagner, nachdem er selbst erst Dank empfunden, dieser Tat später so uneingedenk bleiben? Ihn selbst zu entschuldigen, wird allenfalls gelingen, nicht aber die Mehrzahl der Biographen Wagners, die in blinder Verehrung des „Meisters“ das Urteil über dessen Umwelt, und damit auch Reissiger, vollständig am „Meister“ orientierten und diese daher einseitig verkannt hat. Gedenken wir gleich des ersten mit Dresden zusammenhängenden Ereignisses, der Annahme des Rienzi. Was wird da nicht alles von einer Verzögerungspolitik der Dresdner Intendanz, womöglich sogar Reissigers, geredet. Untersuchen wir aber die Sache, so finden wir, daß nur ein ungünstiges Zusammentreffen von widrigen Umständen die Schuld trägt, wenn der infolge seiner Notlage in Paris die Zeitdauer selbstverständlich härter empfindende Wagner etwas in Unruhe geriet.
Erstens schickt Wagner die Partitur mit Textbuch nach Dresden. Bei der Ankunft fehlt aber auf unerklärliche Weise das letztere. Hofrat Winkler teilt dies Wagner nach Paris mit, denn ohne das Textbuch zu kennen, kann natürlich keine Entscheidung getroffen werden. Wagner entschuldigt sich und schickt nunmehr das Textbuch, wobei wir immer auch die lange Postdauer von ca. zehn Tagen zwischen Paris und Dresden mit in Betracht ziehen müssen. Nun aber machen sich kleine Änderungen am Text nötig, die Wagner auch sofort erlaubt. Das Schlimmste aber war, daß Lüttichau über einen Monat lang schwer erkrankte (Wagner schreibt selbst davon), so daß alle endgültigen Entscheidungen so lange unterbrochen werden mußten. Reissiger hatte aber schon vor Lüttichaus Erkrankung sein Urteil über Rienzi abgegeben und auch Wagner mitgeteilt (vergl. Brief Wagners an Lüttichau vom 4. Juni 1841, worin erst von Meyerbeers Fürsprache die Rede ist, es dann aber heißt: „Dies, verbunden mit dem Beweis von herzlicher Gewogenheit, dem mir Herr Kapellmeister Reissiger in dem Briefe gibt, in welchem er seine Zufriedenheit mit der ihm zur Durchsicht zugestellten Partitur meiner Oper gegen mich ebenso schmeichelhaft als bieder ausspricht[154].“ Auf diesen Brief, in welchem bereits von Wagner selbst Reissigers Urteil mitgeteilt wird, ist von irgendeiner Hand die bekannte Randbemerkung gemacht worden: „Die Partitur wie Textbuch hat Herr Kapellmeister Reissiger“, welche die Wagner-Biographie so ausgelegt hat, [80] als läge die Partitur noch zur saumselig betriebenen Beurteilung bei Reissiger, während dieser bereits sein Urteil abgegeben hatte, und die dann erst erfolgende Randbemerkung nur den augenblicklichen Aufbewahrungsort dem Intendanten oder irgendeiner anderen Person, vielleicht dem Chordirektor Fischer, der ja auch für die Annahme der Partitur war, anzeigen soll. Übrigens war auch gerade dieses Jahr ein so arbeitsreiches, daß alle Kräfte des Instituts übermäßig in Anspruch genommen waren. Wagner schreibt: „. . . . . .ich weiß, daß selbst die seit langer Zeit zur Aufführung bestimmte neue Oper von Herrn Kapellmeister Reissiger (Adèle de Foix K. K.) nicht vor Herbst dieses Jahres in Szene gehen können wird.“
Eine absichtliche Verzögerung hätte ja auch gar keinen Sinn gehabt. Der noch unbekannte Wagner hatte noch keine Gegner wie später; der „Rienzi“ war noch im älteren Stil, wenn er auch alle bisherigen Schwierigkeiten übertraf, und Dresden suchte nach dem großen Hugenotten-Erfolg von 1838 wieder nach etwas Ähnlichem, hatte aber unter Reissigers Eintreten für deutsche Opernneuheiten[155] längere Zeit ungünstige Erfahrungen gemacht, so daß der „Rienzi“ endlich wieder einen Erfolg versprach. Die Uraufführung desselben aber bleibt eine unbestrittene Tat der Dresdner Hofoper und Reissigers, welcher sich keine Mühe verdrießen ließ, daß an Länge und Schwierigkeit unübertroffene Werk peinlichst einzustudieren. Gerade der große Erfolg der von Reissiger geleiteten Rienzi-Uraufführung (20. Oktober 1842) hatte auf Wagners spätere Entwicklung einen erheblichen Einfluß, denn von da an hatte er besonders vor sich selbst den Befähigungsnachweis erbracht. Reissigers Annahme des Rienzi bedeutete somit einen Wendepunkt in Wagners Leben. Durch den „Rienzi“ erlangte Wagner eine Beliebtheit, wie später zu Lebzeiten nie mehr, und er wußte es auch zu schätzen, was die Protektion eines Hoftheaters für einen jungen Komponisten bedeutet. Alle Briefe aus dieser Zeit sind in zufriedenem Tone gehalten, und zu Reissiger gewinnt er ein herzliches Verhältnis.
Nun wurde Wagner aber bekanntlich 1843 als Hofkapellmeister neben Reissiger angestellt. Reissiger war froh, nach sechzehn so außerordentlich aufreibenden Jahren, in welchen er oft lange Zeit hindurch die ganze Leitung allein hatte (erst kürzlich wieder nach Morlacchis [1841] und des Musikdirektors J. Rastrelli Tode, so daß er die Rienzi-Vorbereitungen nur auf seinen Schultern ruhen hatte), eine junge, deutsche Kraft zur Unterstützung zu erhalten, da sich gerade jetzt eine sehr verständliche Nervenüberspannung bemerkbar machte. Freilich eine größere Entlastung wird Wagner nicht herbeigeführt haben, denn, da dieser wieder, wie Morlacchi, keine Klavierfertigkeit hatte, blieb Reissiger ein großer Teil der mühsamen Klavierproben. Der andere Teil wurde von dem eben auch neu angestellten Musikdirektor Röckel übernommen.
Die Bedingungen bei Wagners Antritt waren gegen dieselben bei Reissigers Anstellung ungleich günstigere. Der Sieg der Deutschen über die Italiener war entschieden. Ferner hatte der Rienzi-Erfolg seinem Schöpfer beim Intendanten einen großen Einfluß gesichert, so daß Wagner als Kapellmeister von vornherein größere Zugeständnisse erhielt. Das einschmeichelnde [81] Wesen, welches Wagner „in so hohem Grade zu Gebote stand[156]“, gewann ihm auch andere Freunde. Dem einflußreichen Kollegen Reissiger kam er anfangs mit Fleiß entgegen. So bot er ihm einen von ihm abgefaßten Operntext (Die hohe Braut, nach Königs Roman) an, den dieser aber ausschlug, künstlerisch jedenfalls zu seinem Nachteil; denn Reissiger hatte mit guten Texten nie Glück gehabt. Von Wagner, dem geborenen Dramatiker, hätte er sicher einen wirksamen Text erhalten. Natürlich schlug Reissiger den Text nicht, wie die Wagner-Biographie in höhnischer Weise mitteilt, auf Anraten seiner Frau ab, sondern es fehlte Reissiger – eine Tragik für ihn – tatsächlich der Blick für größere dramatische Wirkungen in einem Libretto. Er war geborener Lyriker mit einem nur geringeren dramatischen Einschlag.
In Wagners erster Dresdner Zeit konnte niemand, vielleicht er selbst nicht recht, den Kunstrevolutionär vermuten, der bald aus ihm hervorbrechen sollte. Der Wagner der vierziger Jahre, wie er in der Geschichte bekannt ist, der Schüler des Philosophen Feuerbach, begann sich alsbald zu regen. Er fühlte einen Drang nach vorwärts, sein Ziel kannte er selbst noch nicht. Es kam die Periode des „noch nicht bewußten künstlerischen Wollens“, wie sie Glasenapp nennt[157]. Eine Individualität erwachte, suchte aber erst eine Richtung. Die in der Literatur bekannte Bewegung des jungen Deutschland sollte eine parallele Erscheinung in der Musik finden. Wagner gerät dabei in ein unglaublich gesteigertes Selbstbewußtsein und in einen fortwährend gereizten Zustand gegenüber seiner Umwelt, so daß wohl kein zeitgenössischer deutscher Kapellmeister um seine Kollegenschaft zu beneiden war. Kurze, vorübergehende, ungünstige Erscheinungen im Theaterbetriebe, die bisher nicht vorgekommen, aber gerade jetzt auftreten, wie die durch Zwangsbeurlaubungen der großen Künstler (Schröder-Devrient, Tichatschek, Dettmer) entstehende Pause für größere Werke, welche diesmal nicht gelungen war, durch Verpflichtung von gleichwertigem Ersatz auszufüllen[158], dazu Reissigers Erkrankung lassen den Heißsporn gleich von verlotterten Zuständen reden, die er zu reformieren gehabt hätte. Ein Institut, das kurz vor Wagners Antritt die erste deutsche Stelle einnimmt, soll dann gleich verlottert sein? Wir merken schon, daß solche Urteile nur von einer äußerst subjektiv gerichteten Individualität stammen können. Eine starke Individualität, wie z. B. das Genie Wagner, begeht stets den Fehler des Fällens von absoluten Urteilen. Relativität ist ihm fremd, weil sie nur sich selbst als Ausgangspunkt anerkennt. Schlimm ist es aber, wenn das Genie dann in der Periode des „bewußten künstlerischen Wollens“ und in der Nähe des Sieges über die der vorhergehenden Gärungsperiode angehörende Mitwelt nicht klarer zu sehen vermag oder um seinetwillen nicht [82] klarer sehen will, und ungerechte Urteile austeilt, wenn schließlich die Anderen die Verteidigungsmöglichkeit verloren haben. Wagner hat z. B. die Urteile über seinen Kollegen Reissiger fast alle erst nach dessen Tode geschrieben. Es fällt uns dabei ein Satz aus dem schon erwähnten Briefe des Oboisten Hiebendahl ein, welcher ehrlich schreibt: „Bedauerlich erscheint es immer wieder, auf Kosten Toter spätere Leistungen zu illustrieren und dadurch jene herunterzusetzen.“ Das Allerschlimmste aber ist, daß dann die Schriftsteller unbekümmert alles vom „Meister“ übernehmen, auch in noch aufgebauschteren Formen. Liebte Wagner schon selbst die Superlative, so geraten seine blinden Verehrer dazu in einen hämischen Ton. Dabei stehen ihnen im Falle Reissiger nicht einmal Tatsachen zur Verfügung, sondern alles, was gegen denselben vorgebracht wird, beruht auf Vermutungen und Anekdoten. Wir werden einzelne Fälle besprechen.
Es muß auffallen, daß Reissiger als Mensch und Künstler in der ziemlich umfangreichen Literatur, welche wir aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts über Dresden haben, immer als vornehmer, edelgesinnter, gerechter, dabei liebenswürdiger, herzlicher, solider Charakter gezeichnet ist. Nur von der Wagnerschen Seite wird ihm ein Zug von Verstellung und Falschheit angedichtet. Wagner war ein Kämpfer und vermutete – sicher behaupten konnte er es selbst nie – immer in Reissiger einen Gegner seiner künstlerischen Anschauungen. Hierin täuschte sich Wagner. Wohl waren Wagner und Reissiger menschlich und künstlerisch stark verschiedene Charaktere. Wagner, der große Tragiker, Reissiger der heitere Lebenskünstler, der Humor als Weltanschauung besaß, bilden Gegensätze, die zu heftigen Zusammenstößen hätten führen können, wenn eben nicht immer die besonnene Lebenskunst des älteren Reissiger das elementare, spontane Verhalten des Stürmers und Drängers Wagner, welcher er ja in der Dresdner Zeit war, durch ihre abwartende Ruhe ausgeglichen hätte. Wer aber nicht zu Wagners damals natürlicherweise noch etwas grellfarbener Fahne mit Begeisterung schwur, der galt gleich als Feind. Daß es noch eine Mittelgattung von Menschen geben kann, die zunächst Ruhe bewahren, wenn es anderswo gärt, und dies sogar pflichtmäßig tun müssen, selbst wenn sie Interesse für den Anderen haben, das verstehen kühne Neuerer nicht. Wagner selbst war noch nicht zu voller Klarheit über sein Wollen gelangt. Erst nach den vierziger Jahren, also nach Dresden, erschienen seine ästhetischen Schriften, in denen er sich und der Welt Rechenschaft gibt, aus denen erst die richtige Deutlichkeit über die Stellungnahme zu seiner Kunst hervorbricht. Das sei auch bedacht, wenn man die Verdammungsurteile liest, die Wagner über die Dresdener Musikkritiker fällt. Sie standen einem noch unfertigen Prozeß gegenüber, den sie aber schon für beendet nehmen sollten, obwohl der Erreger selbst noch keinen festen Weg zum Ende gefunden hatte. Wenn man gelegentlich heute noch der falschen Anschauung, bei Wagners Kunstwerk Text und Musik jedes für sich zu beurteilen, begegnet, während es gerade als Gesamterscheinung gewürdigt werden will, so braucht man sich bei der großen Neuheit für die damaligen Kritiker nicht zu wundern, wenn sie nicht gleich die richtige Einstellung trafen.
Reissiger war nun nicht der Philister, als den man ihn gern hinstellt; als Mensch schon gar nicht, infolge seiner lebenslustigen „jovialen“ Art, [83] durch welche er bei allen, vom entfernten Bekannten bis zum geringsten Untergebenen, geschätzt war, was alle Zeugnisse belegen. Dabei zeichnete ihn zugleich eine moderne Allgemeinbildung aus. Als reproduzierender Künstler ebenfalls nicht; denn dagegen spricht sein Eintreten für unbekannte, moderne Komponisten, was auch Wagner an sich selbst erfahren hatte. Als produzierender Künstler strebte er auch nach vorwärt; er schrieb selbst auf ein Albumblatt[159]: „Die Kunst leidet keinen Stillstand.“ Nur blieb hier hinter dem Wollen – eine Tragik für ihn – die Kraft der Begabung zurück, so daß er über einen Klassizismus nicht hinauskam. Wer aber kann ihm das zum Vorwurf machen? Programmouvertüren, Lieder ohne Worte belegen das Streben nach Anschluß an die neue Zeit. Den Neudeutschen aber war er sogar sehr freundlich gesinnt, was wir aus folgendem Briefe an seinen Schüler Raff (Sohn genannt) deutlich entnehmen können[160]: „Daß in Weimar durch Liszt ein reges Musikleben begonnen hat und derselbe viele junge Virtuosen hingezogen, freut mich absonderlich. Papa meint, wenn nur durch die Herren Leipziger nicht auch die exklusive Partei, die nur Mendelssohn und Schumann und ähnliche Geister verdauen kann, nach Weimar transloziert wird?! Ob die Herren auch die Schere zur Phantasiebeschneidung und zum neuromantischen Formengewühl und die Schnürbrust zur Bewegung des Herzens und seiner melodiösen Ergüsse mitgebracht haben?“ Weiter unten heißt es: „Grüße er Liszt von mir aufs Hochachtungsvollste und Freundschaftlichste.“ Und hätte Reissiger, wenn er sich nicht innerlich zur neuen Kunst hingezogen fühlte, etwa gewagt, im Jahre 1852, drei Jahre nach Wagners Flucht von Dresden, den Tannhäuser, der bei der Uraufführung 1845 nicht einmal durchgeschlagen hatte, wieder einzustudieren, in einer Zeit, in welcher man noch nicht wissen konnte, wie der Versuch abläuft. Tatsache war ja auch, daß „Hof und Adel sich demonstrativ fernhielten und in regierungstreuen Lokalblättern eine heftige Polemik gegen die landesverräterische Oper anhob.“ (Glasenapp II, 439.) Reissiger gab damit einen Beweis für die Bewahrung seiner künstlerischen Freiheit und auch Neidlosigkeit, denn Neid vermutete Wagner immer bei Reissiger. Wir haben aber die Empfindung, als wäre die andere Partei nicht ganz neidlos gewesen. Reissiger wurde um seine Stellung und sein Ansehen als Komponist beneidet. Er hatte es mit seiner kleinen Kunst leichter, als Komponist Erfolge zu erlangen, während Wagner mit seiner großen Kunst so schwer um Erfolge ringen mußte. Dazu kamen gerade in der Dresdner Zeit offensichtliche Mißerfolge Wagners als Dirigent. Abgesehen von dem allerhöchsten Tadel wegen einer miẞlungenen Meßaufführung unter Wagner, der dem Dirigenten mitgeteilt werden mußte (1844)[161], ferner von den Kritiken an Wagners Temponahme in Mozartschen Werken[162], so gibt doch der eine Fall der Tempoverzerrung in den Hugenotten, welche noch nicht lange vorher unter Meyerbeers persönlicher Anleitung einstudiert waren, zu denken. Wagner war [84] aber als Schaffender eine viel zu starke Individualität, um als Reproduzierender noch genügende Objektivität für andere Individualitäten aufbringen zu können. Damit erledigen sich auch gleich Wagners Vorwürfe gegen Reissigers Auffassung des Menuettsatzes in der achten Beethovenschen Sinfonie, wo bekanntlich Mendelssohn mit Reissiger übereinstimmte, während Wagner in eine „Leere“ zu blicken glaubte; sowie gegen Reissigers Orchesteraufstellung. Das spielt so sehr in das Gebiet der subjektiven Dirigentenauffassungen, in welchem unbedingte letzte Richtersprüche nicht fällbar sind, hinein, daß die Sache auf sich beruhen bleiben kann. Es führen viele Wege nach Rom. Reissiger hatte auch selbst das Orchester schon immer anders gesetzt[163], um den Klang zu probieren, und das tut bis auf den heutigen Tag fast jeder Dirigent nach seinem Ohre.
Als Interpret eigener Werke und als Beethovendirigent glauben wir, daẞ Wagner eine kongeniale Leistung schuf, da er dem faustischen Titanen verwandt war. Im allgemeinen aber wird Reissiger als Dirigent über Wagner gestanden haben, da er wandlungsfähiger in viele Stilarten sich hineinlebte. Er hatte eben keine so ausgesprochen subjektive Eigenart, die, wie bei Wagner, im Wege gewesen wäre. Die Lobpreisungen der Dirigententätigkeit Reissigers beginnen gleich bei seinem Antritt in Dresden (1826) und sind nicht besondere Machenschaften einer Antiwagnerpartei der vierziger Jahre. Schon in Reissigers ersten Jahren, als noch die frische Weber-Tradition in der Erinnerung lebte, wird, wie wir an der betreffenden Stelle wörtlich angeführt haben, hervorgehoben, daß Reissiger seinem Vorgänger getreu in der Auffassung nachkommt[164]. Wagner will ja Reissiger auch das absprechen. Es soll eben immer nur seine Auffassung die einzig mögliche sein.
Zu der Behauptung, daß Reissiger Weber nicht richtig auffasse, fand Wagner Aufmunterung in einer Äußerung der Gattin Webers, worin sie Reissiger gleichzeitig faul nennt. Wir können von ihr rein menschlich verstehen, daß der Nachfolger ihres geliebten Gatten im Amte für sie natürlich nie das bedeuten konnte, was er war, und wäre er noch besser gewesen. Ihr Gemüt ließ nur ein befangenes Urteil zu. Andererseits gehört es zu den Mitteln eines Kämpfers wie Wagner, alle nur irgend zu erlangenden Auskünfte über den Gegner (oder vermeintlichen Gegner) für sich voll auszunutzen.
Wer unserer Darstellung gefolgt ist und auch noch die Schluẞkapitel in Betrachtung zieht, der weiß, daß die Behauptung von Faulheit bei Reissiger einfach Ironie ist. Wir brauchen hier nicht noch einmal von den Schulfleißprämien, von dem ununterbrochen tätigen Geiste auf den Reisen, von der fast fieberhaften Tätigkeit in Dresden (sehr häufige Leitung sowohl der deutschen und der italienischen Oper ganz allein, Kirchendienste, Klavierproben für andere), von seinen sechshundert Kompositionen usw. eingehend zu reden, wir wissen, daß obige Behauptung den Tatsachen einfach ins Gesicht schlägt. Undank ist der Welt Lohn. Zwar fand Reissiger sonst gebührende Anerkennung, aber es sollte ihm wenigstens von dieser einen Seite [85] die Gehässigkeit nicht erspart bleiben. Wagner, der, wie alle Genies, nicht in die Fesseln eines Amtes paßte (Hofkapellmeister), fand in seiner Dresdner Betätigung keine Befriedigung. Aber er suchte natürlich nicht den Grund in sich selbst, sondern mußte einen Ableiter für seine Miẞstimmung finden. Da war der von Herzen gute Reissiger, der alles andere als eine Kampfnatur war, gerade der rechte. Karl Gutzkow, dessen „Rückblicke auf mein Leben“ sonst nicht immer Zuverlässiges bringen, hat in dem einen Reissiger betreffenden Punkte vollständig recht: „An Reissiger ist wirklich eins zu bewundern: Nachfolger und Verehrer Webers, war er ein hochgebildeter Mann, vielseitiger, strenger Theoretiker, Kirchenkomponist, heimisch in Gluck, Mozart, Haydn, Beethoven wie einer, und nun mußte er den ersten Anprall dessen aushalten, was wir später als „Musik der Zukunft“ mit ihren Prätensionen haben kennen lernen! Das Chaos von Ideen, das jetzt jene Bretter in Bayreuth aufschlägt, um die in Musiküberschwemmung versetzten Lehrbücher der nordischen Mythologie genießbar zu machen, stürmte in seinem ersten vulkanischen Brodeln und Sprühen unmittelbar auf diesen wackeren, in seinen Formen immer liebenswürdigen Biedermann ein.“
Wäre Reissiger nicht in dauerndem Verhältnis zu Wagner gewesen, sondern nur, wie etwa Spohr, gelegentlich einer Aufführung eines seiner Werke (Holländer) einmal mit ihm zusammengekommen, so hätte er, der Wagner viel größeren Dienst geleistet hatte (Rienzi-Annahme und Befürwortung der Anstellung), von diesem vor der Nachwelt dasselbe günstige Urteil erhalten wie ein Spohr. Aber wer dauernd im Umkreise des Tyrannen zu sein gezwungen war, also das Meiste zu leiden hatte, dem wurde der größte Undank zuteil[165]. Wagner ging die Erkenntnis ab, welcher Liszt durch Änderung des Wortes: „noblesse oblige“ in: „génie oblige“ Ausdruck verlieh, und wonach Liszt so edel handelte. Allerdings ist der Fall des rücksichtslosen Genies die Regel und der Liszts die ideale Ausnahme. Reissigers Lebenskunst ließ ihn auch dann noch, nachdem Wagners Wesen immer schroffer wurde, ruhig bleiben und alles für sich verwinden. Aber mit Wagner war eben ein echt kollegiales Verhältnis, wie das mit Morlacchi und Rastrelli, doch nicht möglich[166]. Trotzdem läßt Reissiger sich das Wohlwollen für Wagner nicht trüben, wir lesen in einem Briefe an den Verleger Böhme (Peters) 1847: „. . . ich blieb daher noch acht Tage in Berlin und projektierte noch einige Tage in Dessau und Leipzig angenehm zu verleben, allein mein Kollege Wagner bat mich flehentlich, zurückzukehren, weil er seinen „Rienzi“ in Berlin einstudieren wolle. Da mußte nun der arme Reissiger hübsch kollegialisch verfahren und alle seine Pläne aufgeben[167]“. Wagner genoß auch oft monatelangen Urlaub, um Ruhe für sein Schaffen zu finden, währenddessen ihn Reissiger, der diese Vergünstigung nicht in dem Maße erhielt, geduldig vertrat. Am 4. Juli 1848 schreibt Reissiger an Lüttichau, welcher Wagner den Urlaub verweigert hatte[168]: „Wenn nun mein Kollege, wie er sich ausdrückt, nur in Gottes [86] freier, schöner Natur, fern vom Weltgewühl, geistig und körperlich gesunden kann und nur durch die Verlängerung des Urlaubs Heilung möglich ist, so darf ich Ew. Exzellenz nicht lange um Vorenthaltung seines erbetenen Urlaubs angehen! Möge er in zwiefacher Hinsicht gesunden. Da ich minder krank als Wagner bin, so ist es meine Pflicht, unter diesen Umständen von meiner eigenen Kur abzustehen und die Besserung meiner Lage einer günstigeren Zeit zu überlassen.“ Ein Aufsatz zum hundertsten Geburtstage Reissigers (von Brescius, Dresdner Anzeiger 1898) zitiert treffend ein Hans-Sachs-Wort aus den Meistersingern: „Hat man so je einen Feind bedacht?)
Es gehörte fast mit zu Reissigers Beruf seine Kollegen auf lange Zeiten zu vertreten (schon Morlacchi), so daß sich in den vierziger Jahren Folgen seiner früheren Überanstrengungen bemerkbar machten, und er trug sich, wie wir sehen werden, 1854 bereits mit Rücktrittsgedanken.
Was die Anekdoten über Reissiger anlangt, die die Wagnerbiographie so besonders ausnützt, so können wir darüber hingehen. Denn das hatte Reissiger wohl selbst nicht gedacht, daß ihm harmlose Witzworte, zu denen er immer aufgelegt war – manchmal ging im Orchester die Rede um: der Kapellmeister hat wieder Anekdotendrücken – in gehässiger Weise ausgelegt werden würden. (Wegen einer noch zu besuchenden Geburtstagsfeier hätte Reissiger z. B. das Tempo in der Stummen von Portici" etwas schneller genommen.) Die Anekdote spinnt sich ja immer um bedeutende Personen, da die Menge zu gern etwas „Menschliches – Allzumenschliches“ von ihnen erhascht und dann vergrößert. Nach Wagners Flucht von Dresden sollen zwischen Reissiger und Wagner noch mehrere freundliche Briefe gewechselt worden sein, die aber nicht zu erlangen waren[169]. Reissiger war nach allem Gesagten kein Antiwagnerianer, weder persönlich noch künstlerisch. Nur der Undank, mit dem ihn Wagner und dessen nähere Freunde belohnten, ließ ihn dann gleichgültiger, wenn auch nicht zum ausgesprochenen Gegner werden. Das Schlimmste, was wir in dieser Beziehung von Reissiger gelesen haben, ist eine Stelle in einem Briefe an Böhme[170] aus dem Jahre 1854, welche lautet: „Mich kümmert weder ihr Erfolg, noch ihre Niederlage“, womit die Wagner-Partei gemeint ist. Wagner, der sich auch mit anderen Künstlern überwarf (Schumann, F. Hiller, Semper, Lipinski, selbst zeitweilig Liszt und Bülow), war wie ein Hecht in einen Karpfenteich in Dresden hineingeraten. Als er wegging, traten wieder ruhigere Verhältnisse ein. Während Wagners Dresdner Zeit war die Oper keineswegs auf der Höhe, auf der sie Ende der dreißiger Jahre stand, geblieben. Der Spielplan war immerhin noch vielseitiger, als er z. B. heute gestaltet werden kann; aber die Zersplitterung in der obersten Leitung und fortgesetzte Besetzungsschwierigkeiten, die durch einen fühlbaren Sängermangel an allen Theatern entstanden waren, machten sich denn auch in Dresden bemerkbar[171].
[87] Als Wagners Nachfolger kam nach einem Interregnum, währenddessen Reissiger wieder die Gesamtleitung allein hatte, da auch Röckel abgegangen war, Krebs nach Dresden. Schumann, auch Lortzing hätten gern die Stellung eingenommen, woraus aber nichts geworden war.
Eine Freude erlebte Reissiger im Jahre 1851. Er feierte das 25 jährige Amtsjubiläum, wobei er vom Orchester einen silbernen Taktstock als „Symbol des echt human in Treue und Pflicht gleichbleibenden Taktes“, „dafür, daß er stets das wahre Wohl und die Ehre der Kapelle im Auge gehabt habe“, überreicht bekam. Sämtliche Namen der Mitglieder waren in ihm eingraviert. „Er habe,“ heißt es in dem Begleitschreiben, „die Würde (der Kapelle) sowohl im allgemeinen vertreten, als auch jedem Mitgliede im einzelnen vielfache Beweise seiner Freundschaft und tätigen Fürsorge gegeben.“ „Die Teilnahme der Kapelle und der Stadt waren mir wahrhaft rührend“, schreibt er an Raff. Der König aber ernannte ihn noch förmlich zum „ersten Hofkapellmeister“, nachdem er als solcher bereits immer fungiert hatte. Es ist bezeichnend für die Übergangszeit, in welcher Reissiger und Weber lebten. Vor Weber hießen die ersten italienischen Kapellmeister Oberkapellmeister, Weber blieb „Hofkapellmeister“, Reissiger wurde nach fünfundzwanzig Jahren „erster Hofkapellmeister“, während sein Nachfolger Rietz 1874 zum Generalmusikdirektor ernannt wurde.
Einen Lichtblick für Reissiger bedeutete ferner 1854 die Anwesenheit des großen französischen Programmkomponisten Berlioz, dem alles aufs beste vorzubereiten Reissiger Ehrensache war. In fünf Tagen stellte das Kgl. Orchester in den besonders schweren, koloristischen Werken (Faust, Romeo, Flucht aus Ägypten) in drei Konzerten, zu denen in den nächsten fünf Tagen noch eins kam, eine Prachtleistung auf. Das Dresdner Orchester war das geeignetste, um die Werke, welche das Tor zu den Orchester-Klangwundern der Neuzeit bilden, würdig erstehen zu lassen[172]. Wir sind in der Lage, einen Brief Berlioz’ an Reissiger aus dem Jahre 1852, der sich schon darauf bezieht, zum Abdruck bringen zu können[173]: „Mon cher Monsieur Reissiger! Mr. le Baron de Lüttichau a bien voulu m’accorder l’autorisation de faire entendre deux grands ouvrages au théâtre de Dresde vers la fin de ce mois. C’est une importante affaire pour moi, et j’ai bien besoin de votre appui pour la mener à bonne fin. Permettez moi, de vous le demander. Vous avez été si cordial et si gracieux de toute façon, quand je vins à Dresde il y a onze ans, que je ne puis m’empêcher de compter encore sur votre bienveillance et sur votre confraternité artiste. Je pars demain pour Brunswick, de là j’irai à Weimar, et le 12 ou le 13 au plustard je serai à Dresde. Permettez moi, de vous prier de surveiller un peu les répétitions des choeurs, qui doivent être commençés, et qui seules pourraient retarder mes deux concerts, si les choristes et les chanteurs n’étaient pas surs, de leur partie quand j’arriverai.
[88] L’orchestre de Dresde est si admirable et doué d’une telle rapidité de conception, que ce n’est pas lui, qui nous donnera de la peine, surtout si vous voulez bien me recommander à sa bonne volonté.
Je me fais une fête de vous revoir et de connaître les dernières oeuvres que vous avez produits, s’il vous est possible, de me les faire entendre.
En attendant reçevoir l’assurance (?) des sentiments distingués de votre tout dévoué
Hanovre, Samedi Ir avril 1852.“
Berlioz’ Urteil über das Orchester ist allerdings als höchst maßgebend anzusehen, denn Berlioz war als Verfasser einer der ersten Instrumentationslehren eine erste Autorität. Reissiger, der, wie alle Menschen, durch eine lobende Anerkennung glücklich werden konnte, wird unvergeßliche Eindrücke gewonnen haben. Aus einem der Briefe Bülows an Liszt (6. Mai 1854) erfahren wir nun, daß Reissiger mit Pensionierungsgedanken umging, weshalb man gleich Berlioz als Nachfolger ins Auge faßte. Jedoch der Plan zerschlug sich wieder, und Reissiger blieb noch fünf Jahre im Amte.
Reissigers Kräfte nahmen durch einen Raubbau, infolge früherer Überanstrengungen, hervorgerufen, immer mehr ab, so daß er sich in den letzten Jahren auf die Leitung der Kirchenmusik und älterer Opern beschränken mußte. Trotzdem hat er an der musikalischen Förderung Dresdens und seiner Oper noch regen Anteil genommen. Die moderne Oper eines Meyerbeer, welcher um die Jahrhundertmitte im Zenit seines Ruhmes stand, erlebte z. B. mit dem „Propheten“ von 1850 (erste Aufführung) bis 1858 fünfundsiebzig Aufführungen. Der noch unbekannte Verdi wurde von Reissiger 1849 mit „Ernani“ und „Nabucco“ (1851) eingeführt. Den von Reissiger 1828 in Dresden erstaufgeführten „Oberon“ Webers konnte Reissiger nach mehreren Neueinstudierungen weit über hundertmal dirigieren (12. September 1859 hundertfünfundzwanzigste Aufführung). Webers „Silvana“ führte er 1855 überhaupt zum ersten Male in Dresden auf, ebenso Mozarts „Cosi fan tutte“ (in deutscher Sprache). Die neuesten Werke Lortzings, Nicolais (Lustige Weiber), Flotows, Aubers, Adams u. a. erschienen in Dresden. Dazu kamen im Jahre noch vier bis fünf Neueinstudierungen guter älterer Werke.
Ferner wurde Reissiger 1856 oberster künstlerischer Leiter des Dresdner Konservatoriums und richtete 1858 die ständigen königlichen Sinfoniekonzerte ein. Am 1854 gegründeten, heute noch bestehenden Dresdner Tonkünstlerverein hatte er reges Interesse, so daß er dessen erstes Ehrenmitglied wurde.
Daß er aber nicht mehr so konnte, wie er wollte und es früher getan, nämlich die Kunst, die alte und die neue, energisch zu fördern, läßt ihn, den immer lebensfreudigen Menschen, doch manchmal eine resignierte Stimmung überkommen. Nachdem Spohr in Kassel pensioniert worden war, und dieser es ihm mitteilt[174], schreibt er, über die ganze Zeit verärgert, unter anderem[175]: Ihre Pensionierung befremdet mich nicht, aber nur – weil sie – [89] (der lieben Kunst sei es geklagt) zeitgemäß ist; allgemeine Geldkalamitäten veranlassen jetzt auch allgemeine Kunstkalamitäten! O, wir Armen! Wenn an einem Spohr so rücksichtlos gehandelt wird, was soll da meine Wenigkeit erwarten? Aber ich beklage Ihre nunmehrige Untätigkeit. Ich hoffte, daß Sie auch bei Ihrer Pensionierung beauftragt werden würden oder höflichst ersucht werden würden, das dortige Kunstgetriebe zu invigilieren und darauf einzuwirken.“
Aus den letzten Jahren sind noch einige schöne Erlebnisse mitzuteilen. Die Anhänglichkeit an seine alte Leipziger Thomasschule bewies er 1854 durch Teilnahme an einer Versammlung alter Schüler. In einem Briefe, vor dem Feste geschrieben, lesen wir: „Endlich sind doch ein paar alte Hähne aufgetreten und haben eine Versammlung der alten Pennäler angeregt. Hoffentlich kommt sie zustande.“
Eine andere Freude war ihm auch der Erfolg seines Oratoriums[WS 4] „David“, welches außer in Dresden u. a. auch von der Berliner Singakademie (unter seiner „feurigen“ Leitung) und in Erfurt aufgeführt wurde. Eine Militärkapelle brachte ihm bei dem Besuche in Erfurt eine Morgenmusik mit einem Programm Reissigerscher Kompositionen dar, worüber er natürlich sehr erfreut war. Über die Aufführung des „David“ selbst schreibt er allerdings, woraus sein berechtigter Stolz auf Dresden hervorleuchtet[176]: „Natürlich mußte ich, als verwöhntes Dresdner Kind, ein Auge zudrücken mein Dresdner Orchesterglanz, die Kraft, Präzision, Vortrag usw usw.“
Ein großes Glück bedeutete ihm sein Familienleben. Er besaß drei Söhne und eine Tochter. Die Briefe, die uns erhalten sind[177], zeugen von einer wahrhaft zärtlichen Liebe zu seiner Familie. Leidet ein Glied an der geringsten Erkrankung, so ist er ängstlich besorgt, Hand in Hand mit seiner Gattin, die in Dresden durch ihren Wohltätigkeitssinn bekannt war. Sie war streng kirchlich erzogen worden und hat vielleicht eine etwas übertriebene Frömmigkeit geübt. Reissiger stellte ihr dann mit seinem gesunden Empfinden öfter in liebevollster Weise das rechte Maß vor Augen. Er schreibt einmal: „Deine Bemerkung über das Theatergehen kann ich gar nicht teilen . . Man muß alles mit Maß tun, auch das Beten hat seine Zeit; es darf nie zur Gewohnheit werden, sonst wird es zum sträflichen Geplapper. Man prunke auch nicht damit, sondern befolge, was die Schrift sagt: wenn du betest, gehe in dein Kämmerlein usw. . . . .“ An anderer Stelle sagt er: „Der Genuß ist durchaus nicht verboten, aber man soll sein Herz nicht daran hängen, soll die Macht über sich haben, es ohne Schmerz ebensogut entbehren zu können. Wir sind ebenso zur Freude bestimmt, wie die Freude edel ist, und sollen genießen und uns freuen mit den Freudigen. Aber die Hauptsache ist, daß wir auch in der Freude ein dankbares Herz gegen Gott haben und nie vergessen, daß alles von ihm kömmt. Das Menschenleben wäre ja eine traurige Pilgerreise, wenn wir uns ganz der Freude und dem Vergnügen verschlössen. Warum essen und trinken denn die überspannt strengen und frommen Leute? Und warum sind sie solche Feinschmecker? Ist es nicht ebenfalls Sünde, Wein, delikate Süßigkeiten zu genießen? Nein, nein, was Gott gibt, genieße dankbar und mäßig.“
[90] „Kurz, die ganze Sache bei Euch handelt sich immer nur um das Erlaubte und das Unerlaubte des Genusses, und das ist nicht abzuwägen. Denke, wie weit eine solche strenge Erziehung von Jugend auf führen würde. Laß einmal ein Kind nichts tun als beten, wohin würde es kommen?“
Die Tochter Julie hatte besonders die musikalische Begabung vom Vater geerbt, und er liebte sie deshalb sehr. Sie war später in Dresden eine beliebte Klavierlehrerin.
I. von Wasielewski[178] berichtet, daß er in den dreißiger Jahren mit Reissiger im Café „Torniamenti“ auf der Brühlschen Terrasse (besteht heute nicht mehr) bei einer Tasse Mokka manche gemütliche Stunde verplaudert habe; dasselbe geschah mit Fr. Wieck, der später ständig in Dresden lebte. Über alles ging ihm aber sein Daheim. Aus Mahndorf bei Halberstadt, wo er in den Ferien sich öfters bei Verwandten aufhielt, schreibt er einmal an die Gattin: „Montag erhielt ich Deinen lieben Brief und die herrliche Beruhigung über Euer Wohlsein und die Triosoirée. Ja, ja, es ist hübsch bei Reissigers. Das weiß ich auch, und dennoch reise ich manchmal weg. Ist mir aber schon recht, wenn ich mich dann ennuyiere[179].“
Im Frühjahr 1859, nachdem die Vermählungsfeierlichkeiten am Hofe (Prinz Georg) vorüber waren[180], gebrauchte Reissiger die Kur in Karlsbad, um sich von einem 1858 erlittenen Schlaganfall, welcher scheinbar ohne Folgen geblieben war, zu kräftigen. Die Kur griff aber zu sehr an. Dennoch erholte er sich so weit wieder, daß die Ärzte ihm erlaubten, den Dienst in der Hofkirche wieder aufzunehmen (7. August 1859). Aber seine Kraft war gebrochen. Am 5. November 1859 dirigierte er noch die Litanei. Am 7. November wiederholte sich der Schlaganfall, der sein Leben beendete. Ein gütiges Geschick hatte ihn vor langer Krankheit bewahrt.
Die Ehrungen bei seinem Heimgange waren von seiten der Hoftheater und der Stadt sehr große. Erwähnt sei nur, daß ein von Reissiger komponierter, im Nachlaß gefundener Trauergesang an der Ruhestätte auf dem Trinitatisfriedhofe erklang, und seine Freunde Julius Rietz aus Leipzig, Reissigers Nachfolger, und Eduard Grell aus Berlin nach Dresden kamen, ebenso eine Abordnung der Leipziger Pauliner. Ein schroffer Gegensatz zu Reissigers Hingang bildete der festliche Glanz, in welchen Dresden gerade zurzeit anläßlich der Schiller-Jahrhundertfeier getaucht war. Reissiger hatte für die Vorfeier (am 9. November) noch eine Festouvertüre geschrieben.
Da zwei Wochen vorher auch Reissigers Freund Spohr abberufen worden war, so verband man im Tonkünstlerverein die musikalische Gedächtnisfeier für beide. Die Hofkapelle gedachte seiner besonders in einem Sinfoniekonzert mit Reissigers Kompositionen und der von Reissiger selbst so geliebten Eroica-Sinfonie von Beethoven am Schluß. Besonders gedachten ferner seiner die Dreyßigsche Singakademie durch Aufführung des Mozartschen Requiems, die Robert Schumannsche Singakademie durch Reissigersche Werke (Requiem, Chor aus „David“ und einige Motetten), der Allgemeine Dresdner Sängerverein durch eine Gedenkrede (verfaßt von Drobisch, gesprochen [91] vom Hofschauspieler Sonntag) und Vortrag Reissigerscher Männerchöre. Auch das Leipziger Konservatorium veranstaltete eine Gedächtnisfeier. Das dankbare Dresden ehrte Reissiger im Jahre 1875 durch Benennung einer Straße nach ihm. Sein Name ist auch im Wandelraum des ersten Ranges der Hofoper über einem der Bogenfenster zu lesen. Die benachbarten Fensterüberschriften sind Marschner und Verdi. Sein Bildnis hängt im Dresdner Stadtmuseum, wie auch in anderen Museen (Eisenach). Von den verschiedenen Bildern (Lithographie von Krisch, Wien; von Mayer, Druck von Hanfstengel, Stich von Dittmarsch, Stuttgart) ist die Photographie von Const. Schwendler-Dresden die beste. Sie liegt dem Nachdruck am Eingang dieser Arbeit zugrunde.
An Ehren und Auszeichnungen hat es Reissiger im Leben nicht gefehlt. Beim 300 jährigen Jubelfeste des Kgl. Orchesters (1848) wurde Reissiger als erstem sächsischen Musiker die Auszeichnung der Verleihung des Ritterkreuzes vom Zivilverdienstorden zuteil und 1856 erhielt er vom Herzog Ernst von Koburg das Ritterkreuz des ernestinischen Hausordens. Infolge seiner Autorität wurde er bei zahllosen Preisausschreiben zum Richter ernannt. Als Ehrendirigent fungierte er bei Musikfesten und Festvorstellungen seiner Opern. Die A. M. Z. ehrte ihn 1840 durch Veröffentlichung eines Faksimiles (neben Meyerbeer, Spohr, Mendelssohn). Verschiedene Fürstlichkeiten verehrten ihm goldene Dosen zur Erinnerung. In einem Faschingsspiel 1840 trat neben den Masken eines Haydn, Beethoven, Mozart, Weber, Mendelssohn u. a. auch die Maske Reissigers mit auf[181], woraus man auf seine allgemeine Bekanntheit und Schätzung schließen kann. Die berühmte Philharmonische Gesellschaft in London, die auch Wagner und Spohr eingeladen hatte, und für die Beethoven einst seine „Neunte“ geschrieben hatte, lud auch Reissiger 1859 zur Direktion von Konzerten ein. Im „Deutschen Stammbuch“, einem autographischen Album (Leipzig 1857), ist auch Reissiger vertreten mit einem „Canon nell ottava“, zu dem er das folgende Verschen schrieb: „Kannst mit Ausdruck du es zieren, wird’s die starre Form verlieren.“ Wagner hatte in demselben Album das Lied der Walküre niedergeschrieben. Von internationalem Rufe zeugen aber die Ehrenmitgliedschaften aus aller Herren Länder, deren große Liste hier nach Jahren geordnet folgt:
1832 | DreyBigsche Singakademie, Dresden. |
1835 | Niederländische Gesellschaft zur Förderung der Tonkunst. |
1837 | Gesellschaft der Musikfreunde des österreichischen Kaiserstaats. |
1838 | Musikverein Euterpe, Leipzig. Musikverein in Mannheim. Pester und Ofener Musikverein. |
1839 | Deutscher Nationalverein für Musik und i. Wissenschaft. |
1841 | Kgl. Svenska Musikaliska Akademien Stockholm. Kgl. Preuß. Akademie der Künste (wirkliches Mitglied). |
1842 | Norddeutscher Musikverein und Preisinstitut (Spohr, Krebs). |
1843 | Concordia-Gesellschaft in Aachen. Congregazione E Academia Dei Maestri E Professori Di Musica Di Roma. Dom-Musikverein, zugleich Gründer des Mozarteums, Salzburg. |
[92]
1844 | Wiener Chorregentenverein. Thüringer Sängerbund (19 Liedertafeln). Sociedade Philharmonica Portuense. Dresdner Orpheus. Meißner Liedertafel. |
1848 | Karneval-Gesellschaft zu Köln (Roderich Benedix). |
1852 | Akademie der Tonkunst in Wien. Sophienakademie in Prag. Bamberger Liederkranz. |
1853 | Kölner Männergesangverein. |
1854 | Dresdner Tonkünstlerverein (erstes Ehrenmitglied). |
1856 | Robert Schumannsche Singakademie zu Dresden. Baseler Liedertafel. Würzburger Sängerkranz. Münchner Liedertafel. |
Außerdem war Reissiger, nach bestimmter Aussage des Sohnes, des Herrn Bürgermeisters Reissiger, Ehrenmitglied des Universitäts-Sänger-Vereins zu St. Pauli in Leipzig, obwohl sich keine Urkunde findet, und der Dresdner Liedertafel. Prof. Dr. Kietz, der bekannte Dresdner Bildhauer und Schüler Rietschels, schuf 1882 ein Medaillon mit dem Kopfe Reissigers. Der Thorwaldsen-Schüler Wolff hatte bereits 1824 vom jungen Reissiger in Rom ein Reliefbild geschaffen. Ferner widmeten die jungen Komponisten, deren Opern Reissiger in Dresden aufführte, ihrem Förderer meistens das betreffende Werk. Ein Reissiger gewidmetes Albumblatt des Klaviervirtuosen Thalberg zeugt ebenso von der Beliebtheit Reissigers bei seinen Zeitgenossen.
Ein von zirka dreißig Herren, unter anderen von dem Komponisten Reinhold Becker und dem Musikschriftsteller O. Schmid unterzeichneter Aufruf für ein Denkmal im Geburtsorte Reissigers vom Jahre 1890 hatte leider keinen Erfolg. Doch wurde wenigstens am hundertsten Geburtstage am Geburtshause Reissigers in Belzig eine Tafel enthüllt, was für den ganzen Ort ein großer Festtag war[182].
Überblicken wir noch einmal das gesamte Leben Reissigers, so ergibt das Fazit eine Riesenlebensarbeit. Dem Komponisten ist im folgenden Kapitel noch ein gesonderter Abriß gewidmet. Als Dirigent aber können wir von ihm sagen, daß er nach dem Grundsatz: „Ältestes bewahrt mit Treue, freundlich aufgefaßt das Neue“ durch meisterhafte Darstellung der klassischen Werke das überkommene Erbe bewahrt und gemehrt hat, denn erst durch Reissiger bekommen dieselben eine dauernde Heimstätte in Dresden, und ferner durch tätige Förderung der neuen Erscheinungen seiner Kunst den Anschluß an die Jugend nicht versäumte, wenn auch manchmal später nicht die erhofften Früchte wuchsen. Er konnte beides verbinden nur infolge seiner umfassenden Fach- und Allgemeinbildung. Von einem damaligen Kapellmeister wurden noch bedeutende kompositorisch-technische [93] Kenntnisse verlangt, während heute das Naturgesetz der Arbeitsteilung, welche ja eigentlich Fortschritt bedeutet, doch dem Extrem der vollständigen Verkümmerung der rein theoretischen Kenntnisse Vorschub leistet. Reissiger war ein tüchtiger Praktiker und daher vorzüglicher Erzieher des Orchesters. „Unter ihm bemächtigte sich der Spielenden ein unbegrenztes Gefühl der Sicherheit und Ruhe.“ Als Dirigent beherrschte er alle Stilarten von der blühenden Melodik der Italiener (Rossini, Verdi), über die rhythmisch graziösen (Auber) und pathetisch erhabenen (Halévy) Franzosen bis zur tiefen deutschen Kunst (Bach, Beethoven). „Die Gabe klaren Verständnisses der Intentionen der verschiedensten Komponisten lassen ihn als einen der ersten Dirigenten erscheinen[183]“ Die Gewissenhaftigkeit der Amtsführung bewies er immer auch bei der Beurteilung eingereichter Opern[184], deren Zahl im Jahre manchmal acht bis zehn betrug.
Genoß er auch als Musiker internationalen Ruf, tiefere Wurzeln hat doch seine örtliche Bedeutung für Dresden geschlagen. Unter seiner obersten Führung wandelte sich Dresden aus einer welschen in eine deutsche Musikstadt, und es ist daher nicht anmaßend, wenn man in der Entwicklung des Dresdner Musiklebens von einer Ära Reissiger spricht.
Vom Menschen Reissiger haben wir das Bild einer harmonischen Persönlichkeit gewonnen. Sein Charakter war der eines heiteren, offenen, allen freundlich gesinnten Menschen. Die Menschenfreundlichkeit beweisen die vielen Briefe, die er armen oder leidenden Künstlern zur Empfehlung an einflußreiche Männer schrieb[185]. Sie sind alle in herzlichem Tone geschrieben. Auch von schneller Hilfsbereitschaft im Amte berichten die Zeitgenossen. Die „Milde mit Kraft gepaart“, wie er selbst von Heinrich Schütz, seinem großen Dresdner Vorgänger, schreibt (vergl. übernächstes Kapitel), hat auch er besessen, außerdem einen befreienden Humor. „Cantores amant humores“ zitiert er selbst einmal, und sein zeitgenössischer Biograph Neumann (1854) erzählt von ihm: „Sein freundliches Gesicht verrät die gute Laune, die in ihm wohnt.“ Äußerlich war er eine würdige, repräsentative Erscheinung.
Mit der Jugend hat er es immer gern gehalten. Bei den Paulinern in Leipzig kehrte er gern ein. Die Melodie des noch heute frischen Studentenliedes: „’s gibt kein schöner Leben, als Studentenleben“ stammt von Reissiger.
Er war als Mensch wie als Künstler gleich hochgeachtet, und ein besonntes Dasein, welches nur in Arbeit sich glücklich und daher beim Nachlassen der Kräfte sich bedrückt fühlte, ist der Gesamteindruck. Die Fürsorge für sein königliches Institut, das ihm am Herzen lag, erlahmte aber nie.
Es ist dankbar, auch den Nebenmännern der Großen einmal eine Sonderbetrachtung zu widmen. Erstens stellt sich vielfach dabei heraus, daß diese doch nicht nur als Folie für den Glanz der Größeren anzusehen sind, sondern daß auch sie eigene Werte besitzen; andererseits fällt auf die [94] Zeitumstände und Umgebung der Großen ein deutlicheres Licht, da wir in den Nebenmännern gerade die Bereiter des Bodens für die ersteren vor uns haben. Ihre Nichtberücksichtigung würde die Zeit einseitig widerspiegeln. Im Falle Reissiger hat sich sogar ergeben, daß das landläufige Urteil um einige Grade zu verändern ist. R. Wagner selbst spricht es am Schluß der Meistersinger durch Hans Sachs aus, was die Meister durch ihr Bewahren der Kunst und Bereiten des Bodens, auf dem sich dann ein Genie erst erheben kann, eigentlich bedeuten:
„Daß unsere Meister sie gepflegt
Grad’ recht nach ihrer Art,
Nach ihrem Sinne treu gehegt,
Das hat sie echt bewahrt.
Ihr seht, wie hoch sie blieb’ in Ehr’,
Was wollt Ihr von den Meistern mehr?“
Wir müssen zu Anfang dieses Kapitels auf das Vorwort zurückweisen, wonach wir durch die Zeitverhältnisse gezwungen sind, uns hier nur auf einen Abriß zu beschränken. Das Schaffen Reissigers ist ja auch quantitativ und qualitativ so vielseitig, daß es eine Abhandlung für sich beansprucht.
Reissiger war eins der produktivsten Talente der Musikgeschichte. Er schrieb über zweihundert Werke, wovon ca. die Hälfte auch noch dazu bis zu sechs Einzelkompositionen enthält. Wir stehen fast vor einem Rätsel wie das bei seiner außerordentlich angestrengten Amtstätigkeit möglich war. Wie bereits früher erwähnt, ist ja nicht alles gleichwertig. Namentlich unter den zahllosen Liedern, die das eigentliche Feld seines – des Lyrikers – Schaffens gewesen sind, und die ihm die größten Erfolge eintrugen, sind große Unterschiede festzustellen. Um ein Gesamtergebnis vorwegzunehmen, welche für alle von Reissiger bebauten Kompositionsgattungen zutrifft – und er hat tatsächlich jede bestehende Form mit Inhalt erfüllt – , so können wir sagen, daß wir auf Schritt und Tritt die Einflüsse seiner vielseitigen Ausbildung antreffen. Die Bildung seines herzlichen, deutschen Gemütes durch den Vater und seinen Wohltäter Schicht im klassischen, soliden, deutschen Geiste Bachs und Beethovens, die Einflüsse der italienisch-deutschen Halbindividualitäten Salieri und Winter, Frankreichs Rhythmen, Italiens Melodien, auch Nachwirkungen Mozartscher Kantabilität in instrumentalen Partien ergeben einen Mischstil, der, wenn er dazu eine streng persönliche Note erhalten hätte, sehr wohl berechtigt wäre, aber bei Reissiger doch hauptsächlich Mischstil bleibt. Das schließt jedoch mehrere recht gelungene Ausnahmen keinesfalls aus. Für den Dirigenten Reissiger war die vielseitige Bildung, die ihm geboten wurde, wertvoll, für den Komponisten jedoch nicht unschädlich.
[95] Wir betrachten zuerst die Lieder etwas näher. Daß Reissiger vor allem Liederkomponist war, das allein schon ist kennzeichnend für sein Deutschtum; denn andere Völker haben die Gattung Lied nicht. In seinen Liedern ist auch der Mischstil am wenigsten ausgeprägt. Hier überwiegt als Grundton die deutsche, gemütvolle Herzlichkeit. Die für sich stehenden Lieder (im Gegensatz zu den Liedern und Arien der Opern) zeigen keine italienischen Verschnörkelungen oder etwa rhythmische Besonderheiten. Der Text wird einfach deklamiert, nie ist eine Vergewaltigung desselben zu finden, wie überhaupt Reissiger äußerst gesanglich schreibt. Wir wissen, er war selbst Sänger.
In der Melodiebildung haben wir zwei Typen bei ihm zu unterscheiden. Lieder mit und ohne Chromatik. Beim chromatischen Typus geht die melodische Linie immer indirekt auf ihr Ziel los, das heißt: nach einigen ansteigenden diatonischen Melodieschritten wird kurz vor dem Ende der zweiten Zweitaktgruppe erst noch ein chromatischer, ein Leitton, eingeschoben, der dann bei der Nachahmung in den folgenden Gruppen dem ganzen Liede einen weichlichen, süßlichen Charakter verleiht[186]. Diese Lieder sind zu Reissigers Zeit die gangbarsten gewesen. Es war der mehr feminin gerichtete Geschmack des Vormärzpublikums, und Reissiger konnte ihm im Zeitalter der „Albumanie“ gleich hefteweise entgegenkommen, da es ihm ungemein leicht fiel, ihn zu befriedigen. Reissiger klagt einmal selbst, er habe leider viel zu viel Lieder komponiert, so daß er kaum noch Texte finde. Also wird er in der Textwahl oft nicht streng genug gewesen sein[187]. Diese Lieder sind nun mit der Zeit, für die sie geschrieben, vergangen. Der eingeschobene Leitton, der der Sentimentalität Vorschub leistet, war eine Verfallserscheinung.
Daß man diese Lieder vergessen hat und sie nur noch historisch betrachtet, ist nicht verwunderlich. Voltaire schreibt einmal, daß man gelöste Rätsel vergißt, dagegen ungelöste immer von neuem das Interesse peinigen. Die einfachen, ganz regelmäßig gebauten Lieder Reissigers (vom ersten Typus) gingen sofort ins Verständnis ein und erforderten kein tieferes, längeres Versenken, wie etwa Schumann oder gar Brahms. Wie man aber dabei auch einen Teil der wirklich guten Sachen vergessen konnte, das haben wir an anderer Stelle bereits eine Ungerechtigkeit der Geschichte bezeichnet. Wir kommen damit zum zweiten Typus der Reissigerschen Lieder. Bei ihm finden wir vorwiegend diatonische Melodiebildung, welche schon von selbst eine kraftvollere, männlichere Haltung bewirkt. Dazu kommen prägnante Rhythmen und eine herbere, oft überraschende Harmonik, die trotzdem nicht gesucht erscheint. Hier schwingt gesundes, deutsches Empfinden, im Gegensatz zu der etwas kränkelnden Empfindsamkeit der ersten Liedergruppe. Daß Reissiger auch der zweiten Art fähig war, ist der Beweis, daß dies der eigentliche Grundzug seines Gemütes war, welches nur durch die Beimengung eines gewissen Triebes, allen Menschen gerecht werden zu wollen, ihn auch dem ersten Typus huldigen ließ. Unserem Empfinden [96] nach übertrifft Reissiger mit seinem zweiten Typus die objektive, formale Kühle, die rein melodische Auffassung der Mendelssohnschen Lieder; und man sollte in einer neuen Auswahl diese Lieder unserer Hausmusik wieder einverleiben. Die Klavierbegleitungen sind nicht schwer, wenn sie auch oft vom einfachen Akkordischen zu charakterisierenden Figuren übergehen. Kleine Vor- und Nachspiele treffen manchmal die Stimmung des Textes ausgezeichnet (op. 110). Von der uns bisher vorgelegenen beschränkten Auswahl seien hier besonders die Lieder der 31. Sammlung (op. 118) (besonders der „Goldschmiedgeselle“ [Scherer], der „Lustige Vogel“ [Reinick]) und ferner das „Liebes-ABC“ genannt. Reissigers komische Veranlagung lieẞ ihm dann vor allem heitere Volkslieder vorzüglich gelingen. Abgesehen von dem frischlebendigen Akademikerlied „’s gibt kein schöner Leben, als Studentenleben[188]“, welches die Jugend heute noch wie am ersten Tage begeistert, gingen die komischen Lieder „Als Noah aus dem Kasten ging“ (1825) und „Ins Weinhaus treibt mich dies und das“, sowie auch das ernstere „Der Zigeunerbube im Norden“ (Geibel) ins heutige Kommersbuch über. Wer den burschikosen Ton treffen kann, der wäre, sollte man meinen, kein sentimentaler Philister. Und ist es nicht ergötzlich, wenn Reissiger ein kleines Liedchen von Herlossohn, „Die drei Schneider“ (op. 172, Nr. 1), dessen scherzhafter Inhalt absichtlich ganz belanglos, um nicht zu sagen gleich Null ist, in schwermütigen, kirchlichen Harmonien vertont, um dann am Schluß durch einen gegensätzlichen, neckischen Vorschlag, der beim Vortrag durch eine vorhergehende Luftpause noch herausgehoben werden kann, eine Stimmungsbrechung Heinescher Art herbeiführt. Gesundes, kraftvolles Nachempfinden atmen auch die Vertonungen der Heineschen „Grenadiere“, die heute nebst den Wagnerschen durch Schumanns Komposition verdrängt sind. Überhaupt lyrische Texte mit geringem dramatischen Einschlag lagen Reissiger günstig. Es erscheint darin alles so natürlich aus dem Text herauszuwachsen, frei von gekünstelter Pose, dabei immer eine einheitliche größere Linie wahrend, wie bei den Klassikern. Diese Lieder sind dann auch durchkomponiert, während sonst Reissiger die strophische Form als die volkstümlichere bevorzugt. In den komischen Liedern waren seine Vorbilder: Weber und Marschner. Sonst ist von einer Beeinflussung des Liederkomponisten Reissiger, etwa durch Schubert oder auch Schumann, nicht zu sprechen. Reissiger hat Schubert, wie wir aus dem früher mitgeteilten Briefe wissen, sehr verehrt, aber seine Entwicklung als Liederkomponist war in den zwanziger Jahren abgeschlossen. Die gelungensten Kompositionen dieser Gattung schrieb Reissiger in der Jugend, während die späteren Jahre ein Verflachen kennzeichnet. (Routine, ausgeschriebene Hand.) In den zwanziger Jahren aber bahnt sich erst allmählich ein allgemeines Schubertverständnis an, während von Schumann überhaupt noch nicht die Rede ist. Bemerkenswert ist, daß Reissiger einer der ersten Komponisten von sogenannten „Kammergesängen“ ist, denn wir finden Lieder mit der selteneren Begleitung des Hornes neben dem Pianoforte (op. 117), oder z. B. das Lied „Warum so ferne“ (Wolff) für eine Sopranstimme mit Pianoforte und Cello, ferner „An ihr Veilchen“ für eine Singstimme, Pianoforte, Cello und Flöte, oder [97] ein Lied „Mit geheimnisvollen Dunkeln“ für Sopran, Harfe und Horn[189]. Großen Beifall fanden auch seine Sologesänge für Baß (auch seltener gepflegt!). Er wendet da manchmal eine uns heute nicht mehr so geläufige Form an, die er „Konzertszene“ (Szene und Arie) nennt. Als eine Konzession an die Beliebtheit der Gitarre oder der Physharmonika (Vorläufer des Harmoniums) zu seiner Zeit ist es wohl anzusehen, wenn Reissiger viele Lieder von diesen Instrumenten begleiten läßt.
Was seine Textdichter anlangt, so hat er fast alle Deutschen mit der Vertonung mindestens einer ihrer Texte bedacht. Am meisten bevorzugte er moderne Dichter. Aber die bekannte Tatsache, daß vorzügliche Texte auch im Komponisten edlere Saiten zum Mitschwingen bringen, wird auch hier bei Reissiger bestätigt. Wir können sagen: hätte Reissiger seiner Muse mehr Muße gegönnt, wir hätten nur gute Lieder des zweiten Typus erhalten, und Reissiger wäre heute als Liederkomponist noch nicht in dem Maße vergessen. Die Gattung Kunstlied hätte mehr Bereicherung erfahren, denn er hätte das Zeug gehabt, wie Beispiele belegen; so aber ist Reissiger hauptsächlich ein Vertreter des leichter wiegenden volkstümlichen Liedes geworden.
Sehr glücklich war Reissiger als Komponist von Chorliedern, geistlichen und weltlichen. Das vierstimmige Chorlied, welches seit Caccinis Florentiner Monodie nie so recht mehr geblüht hatte, erlebte am Anfange des 19. Jahrhunderts einen großen Aufschwung durch die in den Befreiungskriegen wurzelnden Bestrebungen der Männergesangvereine. Da war nun Reissiger einer der geschätztesten Komponisten seiner Zeit. Er verband eine gediegene Setzweise mit frischer, melodischer Erfindung (ohne Chromatik) und manchmal sogar pikanten Harmoniewirkungen. Die vorbildliche Stimmführung, auf vollen Chorklang ausgehend, läßt den ehemaligen Schichtschüler und Thomaschorsänger erkennen. Den „frohen Liedertäflern“ sind durch Reissiger manche wertvolle, heute noch gern gesungene Sachen gespendet worden (Blücher am Rhein). Nie ist Reissiger dabei in der Form einseitig geworden. Hier wirkt er durch Teilung in Chor und Solo, dort durch mehrfachen Rhythmuswechsel usw. Mit einfachen, rein musikalischen Mitteln bringt er wirksame Effekte hervor. Die komischen Sachen sind auch in dieser Gattung besonders beliebt gewesen (z. B. Trinklieder). Steigerung des Lebensgefühles ging von ihnen aus. Das ist ein sehr hohes Lob, wie man es kaum besser spenden konnte. Verwandt ist Reissiger in dieser Hinsicht mit Marschner.
Wie die weltlichen Chöre, so waren ebenso Reissigers geistliche Chöre sehr geschätzt. Seine natürliche Veranlagung war vorwiegend heiter; um so mehr müssen wir uns wundern, daß er auch der Kirche so viele achtbare Werke geschenkt hat. Die Kirchenmusik ist überhaupt das Gebiet, in welchem die Epigonen der Klassiker ihre besten Werke schufen (Schicht, B. Klein, F. Schneider, Neukomm, Eybler). Für Reissiger war die Kirchenmusik das Feld, in welches er von Jugend an hineingestellt worden war; [98] in einem Kantorhause geboren, in einem Kirchenchor erzogen, konnte das natürlich seine Einwirkung auf ihn nicht verfehlen. War aber bereits den Klassikern, die Reissiger vorwiegend hörte, in der Kirchenmusik ein gewisser faustisch tiefsinniger Grundzug abhanden gekommen, so erhielt auch beim Epigonen das metaphysische Bedürfnis einen mehr naiv-frommen Ausdruck. Seine Weltanschauung war abgeschlossen, wozu sein heiteres, genuẞfreudiges Temperament beitrug (Humor als Weltanschauung). Wir verweisen hier auch auf das früher über Reissigers Stellung zur Religion Gesagte. Einige Werke, bei denen der naive Ausdruck so recht am Platze ist, sind denn auch als echte Meisterwerke anzusprechen, z. B. der Weihnachtschor: Es ist ein Ros’ entsprungen (F-Dur), den heute noch alle Kirchenchöre singen[190]. Fast mystisch wirkt der Gang der Harmonie bei der Stelle, „und hatt’ ein Blümlein ’bracht“ (D-Moll, C-Dur, G-Dur, Tp., D., (D) D).
Auch in den kirchlichen Sätzen ist Reissigers Stimmführungskunst zu bewundern. Das Vermeiden aller Unebenheiten, im Verein mit reinen Harmoniewirkungen, ruft Erinnerungen an Palestrina wach. Das ist nicht übertrieben. Wir brauchen uns nur des lehrreichen Umganges mit dem Palestrinabiographen Baini in Rom und der dortigen Pflege dieses Meisters zu erinnern.
Auch war ein ebener Satz mit wenig Melodiesprüngen, Läufern und langsamen Harmoniewechseln ein Erfordernis, welches die Akustik der Dresdner Katholischen Hofkirche, für welche die meisten Kirchenwerke Reissigers geschrieben sind, stellte. Die bewegten Violinpassagen und Modulationen eines Mozart ergeben z. B. in diesen Räumen eine kleine Klangverwirrung.
Andere, nicht direkt für diese Kirche geschriebene Chöre zeigen wieder den gewiegten Kontrapunktiker der Bach-Schule. (Was betrübst du dich, meine Seele? Sechsstimmige Motette.) Das kompositorische Rüstzeug handhabte Reissiger ganz vorzüglich. Kanonische Führungen, doppelter Kontrapunkt, Fugen standen ihm jederzeit zur Verfügung. Als Studienmaterial wären manche Reissigersche Kompositionen daher sehr wohl zu empfehlen.
Besondere Erwähnung verdienen die Orchestermessen. In ihnen wandelt Reissiger in klassischen Bahnen, in der bereits angedeuteten Art; also manchmal mit weltlichen Anklängen. Bis an die tiefsten Tiefen des Textes geht er nicht heran. Die Reissiger-Messen dürften immerhin zu den besten zeitgenössischen Werken dieser Art gehört haben. Weithin ging der Ruf derselben, daß sogar Berlioz in Paris Interesse bekam, sie zu hören. Einzelne Chorstellen haben breitausladenden, wuchtigen Charakter (z. B. die Gloriastelle der As-Dur-Messe und das Sanktus der H-Moll-Messe). Melodisch sind sie natürlich bei einem um thematische Erfindung nie verlegenen Tonsetzer alle, selbst die Credostellen, die infolge des abstrakten Inhalts die [99] meisten Komponisten etwas verlegen behandeln. Originell ist das Credo der As-Dur-Messe, welches sogar eine neuere Erscheinung der Musikgeschichte (Verismo) vorwegnimmt, nämlich das getragene Rezitieren des Textes über einem melodischen Orchesterunterbau. Die Enharmonik ist an manchen Stellen ebenfalls sehr wirksam verwendet, da die Absicht, das gerade den religiösen Stimmungen eigene Schweben von der Musik her zu unterstützen, in einer Kirchenkomposition sehr berechtigt ist („Agnus Dei“ der H-Moll-Messe, in dem Offertorium „Non nobis“). Dem Posaunenzeitalter, in welchem Reissiger lebte, trägt die D-Moll-Messe (Posaunenmesse) Rechnung, eine Ausnahme für Dresden, da die Posaunen in der Katholischen Hofkirche eigentlich verboten waren. Mehrere kleinere Messen, für ein Gesangsquartett mit Orgel, schrieb Reissiger noch auf Anordnung des Königs Johann für das Hoflager in Pillnitz und nannte sie „Figuralmessen“.
Die Reissiger-Messen, sowie viele der für die Katholische Hofkirche in Dresden komponierten Gradualien und Offertorien sind noch heute ständig im gottesdienstlichen Gebrauch.
Der Erfolg der Mendelssohnschen Oratorien scheint dann auch der Anlaß zu Reissigers Oratorium „David“ geworden zu sein. Es war nicht möglich, Einblick in dasselbe zu erhalten, aber zeitgenössische Kritiken bezeichnen es als im Stile der Messen gehalten. Eine Stelle in Wagners Briefen scheint sogar Interesse der Wagnerianer für Reissigers Oratorium und einige andere Sachen anzudeuten[191]. Reissiger selbst dirigierte außer in Dresden Aufführungen des Oratoriums in der Berliner Singakademie und in Erfurt.
Das für den Komponisten Reissiger am wenigsten glückliche Gebiet war die Oper. Es ist charakteristisch in der Musikgeschichte, daß fast alle Komponisten, mit nur wenigen Ausnahmen, nach Erfolgen auf der Bühne streben. Wie ein Dämon schwebt die Oper allen als ein verlockendes Ziel vor Augen, sie bietet eben die Möglichkeit, sein Können zu gleicher Zeit von recht vielen Seiten zu zeigen.
Bei Reissiger können wir den Wunsch nach der Bühne besonders verstehen, da sie ihm durch seinen Beruf nahe lag. Er spricht sogar einmal von seiner großen Vorliebe zur dramatischen Komposition[192]. Reissiger besaß, wie z. B. auch Rellstab behauptete, dramatische Veranlagung, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Balladen haben energische, dramatische Stellen. Einige Sätze der Kammermusik (F-Moll-Quartett, Cellosonate op. 152) erheben sich zu dramatischem Schwung. Selbst die Schauspielmusik zu „Yelva“ ist, wie wir gesehen haben, dramatisch als äußerst gelungen zu bezeichnen gewesen. Aber gerade eben nur bis zu der Höhe einer Schauspielmusik langte die dramatische Begabung[193]. Zu größeren dramatischen Wirkungen, wie sie eine Oper verlangt, war Reissiger, der vorwiegende Lyriker, nicht geboren. Allerdings ist das Mißgeschick zu berücksichtigen, daß Reissiger niemals einen so dramatischen Vorwurf, wie Yelva als Schauspiel war, für eine Oper erlangte. Die Libretti der „Libella“ (Theophania [100] = Frl. v. Brochowska), der „Felsenmühle“ (Miltitz),„Turandot“ (nach Schiller), „Adéle de Foix“ (Blum), „Schiffbruch der Medusa“ (Kriete)[194]sind doch mehr oder weniger Schablone. Die Charaktere sind solche von Pseudomenschen, ihre Leidenschaften nicht echt und individuell genug, dabei vielfach in platter Sprache redend. Fast Ironie des Schicksals scheint es, wenn wir Reissiger den einzigen, jedenfalls besten der ihm angebotenen Texte, den zu der „Hohen Braut“ von R. Wagner, dem dramatischen Genie, ablehnen sehen. Daß bei solchen Vorlagen der Komponist nicht zu größeren Impulsen kam und Reissiger mit seinem musikalischen Mischstil, der in den Opern vor allen Dingen hervortritt und eben doch der persönlichen Note entbehrt, die Werke auch nicht mehr emporreißen konnte, leuchtet ein. Höchstens sind die Rezitative als dramatisch gelungen in der Musik zu bezeichnen. Unglücklich war es auch, Stoffe, die schon viel besser bearbeitet waren, in Umarbeitung als neue Vorlage zu verwenden. Die Oper „Ahnenschatz“ war von Reissiger, wie wir wissen, wegen der Ähnlichkeit mit dem Freischütz von selbst liegen gelassen worden. Aber „Libella“ war nun doch schon in etwas vielgestaltiger Weise aufgetreten (Undine, Donaunixe, Meermädchen in Oberon), so daß die Nymphen allmählich ermüdeten. Der „Schiffbruch der Medusa“ war zwar zeitgemäß (der schreckliche Untergang der Fregatte Medusa hatte die Gemüter eben erregt), aber schon durch Flotow unter dem Titel: „Die Matrosen“ in den Opernspielplan übergegangen. Daß Reissiger kein Glück mit den Texten haben sollte, scheint auch daraus zu erhellen, daß ein sonst gewiegter Theaterpraktiker, wie der Berliner Blum (vergl. Anmerkung 1 auf S. 31), an den sich Reissiger wegen „Adéle de Foix“ gewandt hatte, gerade in diesem Falle den Text ganz undramatisch ohne Geschick anlegte.
Formell sind die Opern in alter Nummernmanier angelegt. Eine eingehende Untersuchung wird nun sicher unter den einzelnen Nummern, wenn sie für sich, ohne Rücksicht auf den dramatischen Zusammenhang, genommen werden, musikalisch sehr wirkungsvolle Stücke finden lassen. Wie wäre auch sonst der zeitliche Erfolg der Reissiger-Opern zu erklären, welchen die Verbreitung und die Aufführungszahlen belegen? Nicht nur der Mangel an besseren Opern in der Zeit zwischen Weber und Wagner kann es gewesen sein. Es wird doch immerhin manches Gute darin gesteckt haben. Sonst hätte nicht ein Mann wie Weber Reissiger 1824 eingeführt, sonst wären nicht die Melodien der Opern für so mannigfache Besetzungen (Trios, Quartette, Militärkapellen, ferner in Paraphrasen, Transkriptionen für Klavier zwei- und vierhändig) bearbeitet worden. Wir glauben, daß besonders die französische Rhythmik, die Reissiger ausgezeichnet nachahmte, gezündet hat. Im übrigen war ihm Spontini Vorbild.
Wir bringen einen bisher unveröffentlichten Brief Marschners über die Erstaufführung der „Adéle“ zum Abdruck (im Besitze des Herrn Bürgermeisters Reissiger): „Lieber Freund und Bruder! Gestern abend (am 17.) habe ich Deine Adéle zum ersten Male, und zwar mit glücklichem Erfolge und auch recht gut gegeben. Die Ouvertüre ging wie ein Donnerwetter und errang sich rauschenden Beifall. Gleich der erste Chor gefiel, [101] so das Duett u. s. f. Die Aktschlüsse alle wurden stark applaudiert und am Schlusse die Hauptpersonen gerufen. Das war ein Hauptgaudium für mich, denn nun kann ich Dir gestehen, daß ich hinsichtlich dieser Oper viel zu kämpfen gehabt habe mit der Intendanz, der Direktion und noch vielerlei. Doch gleichviel, die gute Sache hat gesiegt, mein Wort hat sich bewährt, die bösen Mäuler sind geschlagen, und morgen (Sonntag, den 19.) ist die Oper zum zweiten Male. Nun erst kann und darf ich Partitur und Stimmen abschreiben lassen (denke Dir!) und, sowie ich kann, sende ich Dir alles mit bestem Dank (und dem Honorar) zurück. Meine Frau und Tochter grüßen Dich und die Deinigen herzlichst und freuen sich, gleich mir, Deines guten Erfolges. Da ich in die Probe fort muß, so kann ich Dich nur noch bitten, Fischer, Wagner, Tichatschek usw., kurz Alle, Alle recht herzlich zu grüßen von Deinem treuen Freunde H. Marschner. Hannover, den 18. Januar 1845. Bei mehr Muße schreibe ich Dir auch von der zweiten Vorstellung, sowie ich auch von Dir einige Zeilen erwarte. Sage doch Fischer, er möchte nun doch sorgen, daß man mir das Honorar schickte, und zwar 40.“
Die rein instrumentalen Teile, wie Ouvertüren, waren, wie berichtet, über ganz Europa verbreitet. Die Yelva-Ouvertüre wurde, wie nebenbei bemerkt sei, von Spohr besonders geliebt, und dieser führte sie oft auf.
Zu bedauern bleibt, daß Reissiger keine komische Oper geschrieben hat. Sie wäre jedenfalls wertvoller geworden, da er dazu angeborene innere Werte mitgebracht hätte. Psychologisch interessant ist es, daß er sich die Komposition einer komischen Oper einfach nicht zutraute. 1830 wurde ihm ein komisches Libretto zugesandt, worauf er in einem Briefe antwortete[195]: „. . . . .aber ich zweifle, daß ich die erforderliche vis comica oder komische Ader besitze und die lebhafte Phantasie der musikalischen Malerei in der Gewalt habe. Marschner hat sich gerade in seinem „Templer“ nach meiner Überzeugung, mit dem größten Glück in diesem Genre versucht. Ihn allein könnte ich Ihnen als Ihres Werkes würdig vorschlagen.“ Als Grund der Ablehnung gibt Reissiger noch an, daß er noch nichts „in diesem Genre geliefert hätte“, was beifällig aufgenommen worden wäre. Und gerade mit komischen Liedern hatte er so großen Erfolg.
Einige Worte seien noch den rein instrumentalen Kompositionen gewidmet. Unter ihnen war der größte Beifall den Trios, Quartetten und Quintetten beschieden, also der Kammermusik. Wie aus einem früheren Kapitel zu ersehen ist, war ein Teil dieser Werke für die Gesellschaftsabende in den Dresdner Salons berechnet. Sie durften demnach nicht allzu große Schwierigkeiten für das Verständnis bieten. Gefällige Melodien, einige rhythmische Pikanterien mit untermischt, genügten vollkommen. Die Werke ähneln einander alle, denn der Komponist brauchte nur mechanisch seine gewandte Hand schreiben zu lassen. So sehr viel Zeit konnte er sich ja als überlasteter Kapellmeister für die bestellten Sachen auch gar nicht nehmen. Es sind meist dieselben Wendungen, Transpositionen, die immer wiederkehren. Rob. Schumann spricht einmal von Favoritgängen, die alle Komponisten zeitweilig verarbeiten. So ist es auch bei den Reissigerschen Trios und Quartetten dieser ersten Art. Dabei ist die Form als Ganzes glatt [102] und abgerundet. „Will man aber im Triostil sicher und rund schreiben lernen, so nehme man sich z. B. die neuesten Trios von Reissiger zum Muster“, schreibt Schumann an anderer Stelle (Ges. Schriften I. Bd.). Reissiger, der sich an den Klassikern geschult, war nun aber doch ein viel zu solider Musiker, um sich etwa für seine Person mit den Gelegenheitsstücken zufrieden zu geben. So haben wir denn von ihm auch Kammermusik erhalten, in der bei gesunder, wenn auch nicht gerade leidenschaftsgewaltiger, thematischer Erfindung in den Durchführungsteilen eine gediegene, motivisch kontrapunktische Arbeit anzutreffen ist. Romantische Einflüsse sind dabei trotz der klassischen Faktur nicht ausgeschlossen, indem man z. B. Triolen, Sextolen, Synkopen usw. häufig begegnet. Wir können Reissiger, den Kammerkomponisten, vielleicht neben den seinerzeit sehr berühmten Onslow (1784 bis 1852) stellen; d. h. er war in den „gearbeiteten“ Sätzen ein tüchtiger Beethovenepigone. Heute sind seine Sachen ein an Konservatorien noch beliebtes Übungsmaterial.
Erwähnen müssen wir noch, daß Reissiger, wie beim Liede durch Pflege von Kammergesängen, so auch in der Instrumentalmusik durch Arbeiten für Bläsersolisten ein selteneres Gebiet bebaute. Von Haydn, Mozart, Weber waren Bläserkonzerte bekannt. Sein direkter Lehrer, P. v. Winter, schrieb als ehemaliger Mannheimer auch Bläserkammermusik. Reissiger wird aber mit Schumann so ungefähr der letzte Komponist gewesen sein, der ganze Konzerte oder Konzertszenen für Klarinette, Flöte oder Waldhorn geschrieben hat. Er hatte ja in seinem Orchester die bedeutendsten Vertreter für diese Instrumente (Kotte, Fürstenau, Haase, Lewy) und schrieb ihnen die Werke auf den Leib.
Werke Reissigers für ganzes Orchester haben wir schon durch Erwähnung der Opernouvertüren genannt. Wie bei einem in allen Sätteln gerechten Kapellmeister nicht anders zu erwarten, beherrschte Reissiger natürlich den Satz des klassischen Orchesters vollständig. Er hat aber eine kleine Entwicklung in der Instrumentierung von einer etwas dickeren, überladeneren zur einfach klar durchsichtigen, wie sie allen späteren Werken eignet, erlebt. Wir weisen später noch auf Reissigers feine Bemerkungen über Natur- und Ventilinstrumente hin, die seinem Orchester-Klangsinne Ehre machen. Formal sind die Opernvorspiele sogenannte Potpourriouvertüren mit effektsicherem Aufbau. Kraftvoll energische Stellen wechseln geschickt mit weichen Gesangslinien. Eine besondere Art Ouvertüren, die wohl den von Mendelssohn gepflegten Konzertouvertüren zu vergleichen ist, haben wir in den „Ouvertüren mit einem Motto“ vor uns. „Was mir wohl übrig bliebe, wenn alles von mir flieht, es bleibet noch die Liebe und mit ihr manches Lied“, ist z. B. das Motto einer „à Mr. Le Docteur Spohr“ gewidmeten Ouvertüre. Ein anderes Motto lautet: „Ich lasse Euch Eure Freude.“
Wir könnten, wenn wir nicht schon andere Beweise hätten, durch diese programmatischen Kompositionen auf das Mitgehen Reissigers mit der Moderne schließen. Die „Lieder ohne Worte“ für Klavier, die er genau wie Mendelssohn schrieb, belegen es ebenso.
Einen zeitlichen Erfolg hatte Reissiger mit seiner Sinfonie (der einzigen), die er für den vielgenannten Wiener Preisbewerb 1835 schrieb. Die Preisrichter hatten damals bekanntlich den Beweis erbracht, wie sehr sich [103] ein Richterkollegium irren kann, indem sie F. Lachner den ersten Preis erteilten. Reissiger, der sich das erste Mal als Sinfoniker versuchte, wird auch nicht die beste Leistung gebracht haben (vergl. aber das Urteil Löwes im übernächsten Kapitel), aber der gediegene Satz und die fließende Melodik verhalfen der Sinfonie in ca. zehn deutschen Städten (Berlin, Halle, Leipzig, Potsdam, Erfurt, Wien u. a., sogar auf dem Quedlinburger Gesangsfest 1838) zu erfolgreicher Aufführung. Wir verzeichnen von den Kritiken nur das, was Schumann (Ges. Schriften 2. Bd.) über die Leipziger Gewandhausaufführung sagt: „Bei weitem aushaltender an innerer Kraft als die Lachnersche, kürzer, anspruchsloser, schlägt sie vielleicht noch zu sehr in das Gebiet der Ouvertüre hinüber. Da der stattliche Kapellmeister selbst dirigierte, so war die freudige Aufnahme eine natürliche und ganz an der rechten Stelle.“ An anderm Orte nennt Schumann die Sinfonie wegen ihrer kleinen, niedlichen Form eine Sonate für Orchester.
Wir haben nun nur noch der Klaviermusik Reissigers zu gedenken. Von ihr haben mir auch nur wenige Sachen vorgelegen, aber man konnte schon bemerken, daß Reissiger ein Kind der Virtuosenzeit (Weber), des von Dussek eingeleiteten Zeitalters der Brillanz war, noch lange nicht so tiefstehend aber, wie etwa ein Herz und Hünten. Mit seinem in Wien komponierten Klavierkonzert hatte er, wie wir wissen, großen Erfolg. In einem Aufsatze der „Dresdner Morgenzeitung“ (1828, S. 605), welcher gegenwärtige Erscheinungen der Musik behandelt, heißt es, daß von neueren Komponisten keiner außer Reissiger berechtige, ein zweiter Hummel zu werden. Der Aufsatz scheint fast das Rechte getroffen zu haben, denn Reissigers konzertmäßige Klaviermusik nimmt eine Mitte ein zwischen dem belanglosen Geklingel der Herz und Hünten und den Klavierkompositionen Mozarts und Webers. Reissiger verbindet klangvolle Melodien und motivische Arbeit mit Stellen, die lediglich weiter schieben (Passagen). Manchmal ist etwas mehr Läuferwerk, als nötig ist, vorhanden. Die leichter wiegende Salonmusik ist auch noch nicht so fade und gemeinverständlich, wie man sie später schrieb. Die Tänze sind „Spieltänze, keine Tanztänze“. Gelegentlich der Herausgabe von Polonäsen werden Reissiger sogar „allerschärfste, schneidendste Dissonanzen, Vorhalte und Durchgänge, das oft urplötzliche Umwerfen der Harmoniefolge bis ins Entlegenste“ vorgeworfen[196], also eine gut moderne Erscheinung bereits bei ihm. Das der Clara Wieck gewidmete Rondo, op. 83, enthält viele chromatische Schritte, hätte sonst aber für die Wieck technisch noch viel schwieriger sein können. Die hervorstechenden Merkmale an einer Kompositionsgattung (z. B. Chromatik beim Lied) sind natürlich hier und da auch bei anderen Gattungen zu finden.
Sehr beliebt war einer seiner einfacheren Walzer (aus op. 26), dessen Titel: „Letzter Gedanke Webers“ nicht von Reissiger stammte, sondern nach dessen eigener Erklärung eine französische Verlegerspekulation war. Weber hatte den Walzer sehr gern gehabt und ihn mehrmals öffentlich gespielt, was die Pariser Firma Pleyel in dieser Weise ausnutzte. „So wenig ehrenvoll ich es auch halte, mich wegen Autorschaft um einen Walzer zu streiten, so glaube ich doch, daß dergleichen Vorfälle öffentlich gerügt werden [104] müssen, damit das Publikum nicht betrogen werde usw. usw.“ heißt es in der Erklärung Reissigers[197].
Wirklich gelungene Arbeiten sind, um auch noch diese Gattung zu streifen, die Sonaten für Pianoforte und Violine (op. 45) und für Pianoforte und Cello (op. 147). Die Voranstellung des Klaviers sagt schon, daß dieses selbständig an der Arbeit teilnimmt, also dem Streichinstrument nicht untergeordnet ist.
Das erste (diatonische) Thema der Sonatensätze hat gewöhnlich energischen, hingegen das zweite (oft chromatische) zu weichlichen sentimentalen Charakter.
Überblicken wir das ganze Schaffen Reissigers, so stehen wir, wie schon der kurze Abriß erkennen läßt, vor einer Fülle von Erscheinungen, die uns Achtung abnötigt. Ein unbedingter Beherrscher der Formen, der großen und kleinen, wie sie nur je vor ihm erdacht worden waren. Er erfüllte sie alle mit Inhalt, mehr oder weniger glücklich. Die Grenzen seines Schaffens finden wir in einem abgeklärten, hauptsächlich heiteren Gemüt begründet, welches für das irdische Leben sehr schätzbar ist, aber andererseits natürlich des faustischen Ringens, welches neue Formen gebiert, entbehrt. Die ganze Epigonen-Epoche erscheint wie ein Genießen im Schaffen, nicht ein Ausschauen nach Neuland, sondern ein Auskosten des schon Errungenen. Und seien wir nicht hart. Gab nicht den Klassizisten der große Erfolg das Recht, auf ihrer Bahn zu bleiben? Sie waren auch nur Menschen. Sollte etwa Reissiger, dessen Liederschaffen z. B geraume Zeit in Deutschland das Gebiet fast allein beherrschte[198], oder dessen Kammer- und Kirchenmusik nach klassischem Muster großen Ruf genoß, lieber nichts in dieser Richtung schreiben? Das klassische Ideal, welches die Epigonen hoch hielten, war ja wahrhaftig kein schlechtes. Wenn dazu noch ein liberales Verhalten gegenüber größeren Modernen, wie es Reissiger übte, hinzukommt, so kann die Geschichte versöhnt sein.
Reissiger war von den Nachklassikern einer der besten, was die Wirksamkeit mehrerer Kompositionen bei der Wiedererweckung in der Gegenwart („Es ist ein Ros’“, der Goldschmiedgeselle, Studentenlieder, Kammermusik, Messen) beweist. Hochzuschätzen ist, daß, wie schon Rellstab betont[199], Reissiger in der „an Kontrapunkten so armen Zeit“ des Überganges immer auch die strengen Formen mit gepflegt hat. Er hat z. B. einmal ein Menuett kanonisch behandelt. Reissigers Kunst ist also zwar keine bahnbrechende, so doch eine achtunggebietende Äußerung eines ehrlichen deutschen Talentes.
Wir fügen zum Schluß dieses Kapitels einige Urteile über sein Schaffen von ihm selbst an. An Raff schreibt er[200]: „Papa bleibt gesund, er kann sich nicht anders geben, als er ist. Er meint, was er habe lernen können, habe er gelernt. Weit mehr habe er aber vom lieben Gott empfangen. Und letzteres sei ihm ein anvertrautes, heiliges Gut. Das müßte unfrisiert, ungeschminkt, [105] ungekünstelt wieder hervorquellen aus der Brust.“ – An den Verleger André heißt es[201]: „Ich kann mich zwar Wünschen, die das Äußere, die Form usw. betreffen, fügen, nie aber anders schreiben, als ich es fühle und seit achtunddreißig Jahren gefühlt habe.“ – Endlich schreibt er an Spohr[201] bei der Widmung der Ouvertüre mit Motto: „Die Musiker von Fach versichern, daß ich, wie in der von Ihnen geliebten Yelva-Ouvertüre und meinen Orchesterarbeiten überhaupt, so auch in dieser Ouvertüre ganz zu Ihrer Fahne gehöre. Das kann nicht anders sein, ich habe mich stets dem größten deutschen Meister Spohr angeschlossen und helfe ihm mit meinen schwachen Kräften gern gegen alles Flitterwerk und scheinbare Werte ankämpfen. Stehe ich Ihnen meinem Talente nach auch sehr fern, so zieht mich doch meine Individualität und mein Gefühl zu Ihnen hin, und ich kann ja nur geben, was in mir ist und was Gott mir verliehen hat.“
Ein kleines Kapitel müssen wir noch Reissiger, dem Lehrer und Schriftsteller, widmen. Wir wissen, daß er schon als Thomasschüler und Student in Leipzig durch Erteilen von Klavierunterricht (Henriette Kuntze-Voigt) sein Geld verdiente, daß er dann in Paris sogar bedeutendere Einnahmen verzeichnen konnte und endlich in Berlin 1826 ausschließlich Lehrer der Tonkunst am Zelterschen Institut wurde. Seine pädagogischen Erfahrungen, die er durch Studieren der hervorragendsten Lehrsysteme an den ersten Konservatorien der Welt gemacht hatte, machten ihn zu einer Autorität in Fachfragen, und so wurde ihm ja schon 1826 ein Ruf nach dem Haag zur Gründung und Leitung eines Konservatoriums angeboten. In Dresden, wo bisher noch kein größeres Institut bestand, ließ man sich 1856 den zwar durch andere Amtsgeschäfte überlasteten Reissiger doch nicht entgehen und versicherte sich bei der Gründung des Konservatoriums seiner obersten künstlerischen Leitung, die er bis zu seinem Ende innehatte.
Manche Schwierigkeiten hatten in Dresden eine frühere Gründung verhindert, obwohl immer Pläne aufgetaucht waren. Morlacchi hatte z. B. 1814 bei Fürst Repnin einen Plan eingereicht. Ferner ist 1839 und 1842 in den Jahrbüchern des Nationalvereins für Musik von einem Dresdner Konservatorium die Rede. Rich. Wagners Interesse dafür ist bekannt. Kleinere Institute bestanden schon länger. 1823 errichtete Agthe mit Krägen eine Anstalt nach Logiers Muster. Ferner ist Zillmanns Schule zu erwähnen[202].
Reissiger hat sich immer für jüngere Talente interessiert und sie gefördert. Wir kennen bereits den Fall Wagner. Wenn wir von Reissiger als Lehrer der Komposition sprechen, so dürfen wir uns aber nicht denken, daß er elementare Kenntnisse vermittelte, sondern er war vielmehr als ein Meister angesehen, von dem man sich nur letzte Ratschläge holte. Ein [106] schönes Verhältnis bestand in dieser Hinsicht zwischen Reissiger und Raff. Die Briefe zwischen dem Älteren und Jüngeren[203] sind amüsant zu lesen. Raff schickte an Reissiger seine Werke zur Durchsicht. In der Antwort Reissigers an Raff ist die Anrede erst noch: „Geehrter werter Freund! Die Durchsicht Ihrer zwei Akte[204] hat mir aufrichtiges Vergnügen gemacht, weil ich fand, daß ich es mit einem Manne zu tun hatte, der nichts unüberlegt und in den Wind hinein schreibt, sondern mit kühnem Griffel Charaktere zeichnet, das mannigfachste Kolorit zu geben imstande ist und, wenn auch den Ausführenden große Schwierigkeiten darbietend, mit strenger Konsequenz verfährt.“ Reissiger gibt nun aus seiner Erfahrung wertvolle Winke über Instrumentierung, Stimmführung usw., wobei auch seinem Klangsinn Ehre machende Bemerkungen über Natur- und Ventilinstrumente fallen. Dies alles geschieht in freundlichstem, ermutigendem Tone. Raff befolgte die Ratschläge, worauf ihn dann Reissiger „mein lieber, tüchtiger, folgsamer Freund“ anredet. Endlich bezeichnet sich Raff als Sohn. Darauf antwortet Reissiger in allerherzlichstem Tone und bezeichnet sich selbst als „Papa Reissiger“. „Sein Brief an den alten, lieben Papa hat höchlichst amüsiert. Papa hat recht wohl gewußt, daß Er in Weimar seit geraumer Zeit scharmutziert und bald zu operieren gedenkt, und nimmt überhaupt an seiner Karriere den lebhaftesten Anteil.“ Reissiger verspricht dann zur Aufführung der Oper Raffs nach Weimar zu kommen, „aber nicht aus Neugierde, sondern aus warmem Anteil“.
Dasselbe Interesse brachte Reissiger auch Clara Schumann, die theoretischen Unterricht bei ihm nahm[205], ferner Edmund Kretzschmer, dem Komponisten der „Folkunger“, dem bekannten Orgelkomponisten und Dresdner Hoforganisten Gustav Merkel entgegen, ebenso dem englischen Komponisten Henry Hugh Pearson (Komponist des Liedes: O Deutschland hoch in Ehren), sowie Prinz Heinrich IV. von Reuß/Köstritz und dem bekannten regierenden, dabei Opern schreibenden Herzog Ernst II. von Koburg. Letzterer verlebte mehrere Jugendjahre (1838 – 42) in Dresden und hat zu Reissiger ein sehr herzliches Verhältnis gepflegt[206].
Von den übrigen Schülern nennen wir noch den namentlich in Amerika sehr bekannt gewesenen Theodor Eisfeld (1816 – 82, Dirigent der Neuyorker Philharmonischen Gesellschaft), den Zwickauer Musikdirektor Gast, welcher, wie uns sein Sohn, Herr Pfarrer Gast in Großzschocher, freundlichst mitteilte, „ein begeisterter Verehrer seines alten Lehrers Reissiger“ war und dies „den Seinen sehr oft versicherte“, ferner den berühmten ersten Sänger des Tristan Ludwig Schnorr v. Carolsfeld[207], und den Sohn Ludwig Richters, Heinrich Richter. Auch redigierte Reissiger die Kompositionen der Prinzessin Amalie von Sachsen.
Reissiger war allenthalben als Autorität angesehen, und wer ein empfehlendes Zeugnis von Reissiger erlangen konnte, dem öffneten sich manche [107] sonst schwer zu betretende Wege. Wir finden im „Dresdner Anzeiger“ öfters bei Virtuosen-Ankündigungen den Zusatz, daß der Kgl. Kapellmeister Reissiger sich von den Fähigkeiten überzeugt und die Berufung auf ihn gestattet habe. Auch ein Fr. Wieck hielt es für gut, mit Clara bei Reissiger vorzusprechen, um sein Urteil zu erfahren. Wieck schreibt an seine Frau[208]: „Gestern nachmittag waren wir bei Reissiger, wo sie sich selbst im Spielen übertroffen hat. Reissiger spielte nachher selbst auch, meinte aber, vor Clara zu spielen, müsse man ja ängstlich werden. Er gab ihr auch ein Thema auf, worüber sie fantasieren mußte, auch spielte er mit ihr vom Blatt. Er staunte so über ihre musikalische Bildung, daß er meinte, man müsse es hören, um es zu glauben.“ Clara war damals zehn Jahre alt. Ferner ist in dem bisher unveröffentlichten „Lebensbuch“[209] Rob. Schumanns eine Notiz enthalten, nach welcher Schumann sich bei Reissiger ein Urteil über seine musikalischen Fähigkeiten erbat, ehe er ganz zum Musikstudium überging.
Mit Reissigers Lehrtätigkeit hängen einige kleinere und größere Aufsätze, die er veröffentlichte, zusammen. So eine günstige Beurteilung der damals (dreißiger Jahre) neuen Methode, mehrere Schüler in einer Stunde zusammen zu unterrichten, welche das Schindelmeissersche Institut in Berlin einführte (Konservatoriumsmethode). Ferner gehören hierher seine großen, für die preußische Regierung ausgearbeiteten Studienpläne und seine Mitarbeit an dem noch heute beachtlichen Buche Gassners: „Dirigent und Ripienist“ 1844. Andere schriftstellerische Arbeiten sind, außer gelegentlichen kritischen Berichten für die A. M. Z., die Aufsätze über die Natur- und Ventilhörner[210] und Trompeten. Interessant ist dann noch ein Aufsatz über Heinrich Schütz, seine Werke und seine Zeit. Dieser Aufsatz zeigt insbesondere Reissigers großes musikhistorisches Interesse[211] und ist in einer edlen, gehobenen Sprache geschrieben. Besonderen Dank stattet er K. v. Winterfeld (vergl. Anm. S. 46), der ihm durch sein ausgezeichnetes und belehrendes Werk: „Joh. Gabrieli und sein Zeitalter“ die große Meinung und wahrhafte Verehrung für Schütz, „den Vater der deutschen Musik“ erweckt hat. Die Glanzzeiten des Dresdner Kgl. Orchesters aber, die Reissiger schildert, werden ihm selbst natürlich nur ein Ansporn gewesen sein, auch unter seiner Leitung eine solche Periode zu zeugen, und es ist ihm auch tatsächlich gelungen.
Als Schlußkapitel seien noch einige Urteile veröffentlicht, die Reissiger über berühmte Zeitgenossen und Werke gelegentlich gefällt[212] hat. Die schon im vierten Kapitel über französische und italienische Musikverhältnisse handelnden Urteile sind hier nicht noch einmal berücksichtigt.
[108] Über die „Hugenotten“ schreibt er 1838: „Gestern hatten wir die dritte Aufführung der Hugenotten. Der Beifall war immer noch groß und der Andrang zu den Plätzen ungeheuer. Für unsere sämtlichen Kräfte, Sänger, Orchester und Chor, ist es eine Prachtvorstellung, die mir selbst großes Vergnügen macht, wenn ich auch der Musik nicht durchaus Beifall geben kann. Dem ganzen vierten Akte muß ich indes Klassizität beimessen. Übrigens wie im „Robert der Teufel“ eckig, kokett und gesucht. Die Instrumentalpartie jedoch schöner.“ (Bekanntlich gilt heute der vierte Akt als der wertvollste.) Ferner schreibt Reissiger 1838: „Meyerbeers „Hugenotten“ haben nun zwölf übervolle Häuser gemacht; mir wird aber schon nach einer Stunde jetzo zumute, als hätte ich ein . . . . . . . . . . genommen. Es schmeckt halt doch den ehrlichen Deutschen nicht. Sie sehen, ich bin vorsichtig.“
„Halévys Jüdin habe ich sehr zusammengestrichen, und durch diese Reinigung ist mir diese Oper sehr genußreich geworden; in dem Kerl steckt etwas mehr als in Meyerbeer.“ (Bekanntlich ist das heutige Urteil über die Jüdin in dem Punkte der Striche dasselbe.)
1847 heißt es von Mendelssohn, dem Reissiger ein Trio gewidmet hat: „Mendelssohns schneller Tod hat uns alle sehr betrübt. Er wird in seinen vielen Meisterwerken lange in uns fortleben. Ich habe nie mit ihm Abgötterei getrieben, das ist der einzige Fehler, den ich mir gegen ihn vorzuwerfen habe. Viele verständige und ruhige Musiker meinen, daß er für seinen Ruhm zu rechter Zeit gestorben ist. Seine neueren Kompositionen, selbst sein Elias, den ich zweimal gehört, sind etwas matt und ärmer an Erfindung.“ 1839 hatte Reissiger über Mendelssohns Person geschrieben: „Auf ein paar freundliche Zeilen von ihm kann ich nicht rechnen, da wir beide immer auf Hofton leben, id est: es findet leider keine Annäherung zwischen uns statt, was ich bedauere, weil die Schuld nicht an mir liegt. In meinen Briefen an ihn zeige ich ihm den Freund und dann gewiß nie den Kapellmeister, ich schreibe ihm warm und voller Anerkennung und Hochachtung. Hat er mir etwas zu schreiben, so ist es abgemessen und so, als wenn ich an den kalten Spontini schreibe. Er vermutet, daß ich stolz bin und auf meine Stellung eingebildet. Wer mich näher kennt, weiß, daß mir beides fremd ist.“ (Der berufliche Verkehr zwischen Gewandhausdirektion Leipzig und dem Dresdner Hoftheater, welcher sich hauptsächlich auf Notenleihen bezog, geschah immer in entgegenkommendster Weise. Vergl. Briefe im Archiv der Firma Breitkopf & Härtel, Leipzig.)
Die Ouvertüre zur „Undine“ von E. T. A. Hoffmann nennt Reissiger ein „recht braves, aber nicht mehr zeitgemäßes Stück“. „Genie hatte Hoffmann für die Musik durchaus nicht.“
Händels Samson betreffend schreibt Reissiger: „Es ist aber auch ein köstliches, frisches Werk, und während in den meisten Oratorien Händels die Arien Perücken und Zöpfe aufhaben, sind die meisten Arien hierinnen neu und gefühlvoll.“
Kalkbrenner ist ihm als Komponist „ekelhaft“, während von einer großen Auswahlsendung, welche vierzehn Komponisten umfaßt und ihm von Breitkopf übergeben war, er nur Chopin zum Kaufe auswählt.
Über Bériot und Pauline Garcia äußert er: „Er ist mein Abgott und der würdigste Repräsentant der neueren französischen Schule, die Lafonts [109] Perücken und Philistertum in die Seine geschmissen hat. Pauline Garcia ist ein ausgelassenes Mädchen, als Sängerin noch ungezogen. Sie kokettiert mit der Tiefe und verhindert dadurch das schöne wohltuende Ebenmaß in ihrer Gesangsleistung. Sie ist dabei so durch und durch genial, daß man das alles leicht vergißt. Es steckt eine ganze Welt voll Gefühl in dem Blitzmädel.“
In einem Briefe an den Dresdner Kritiker Karl Banck heißt es von Henselt: „Die Nachricht von Henselts Oper ist lächerlich. Sie kennen ihn ebenso genau als ich und wissen, daß er noch nicht instrumentieren kann und daß er zu einer Oper nicht das Zeug hat. – Es geht dem trefflichen Jungen wohl, wie die neuesten Briefe besagen, und er grüßt Sie aufs herzlichste.“
Der persönliche Verkehr mit Rob. Schumann war immer herzlich, und wenn Reissiger mit ihm als dem Redakteur der N. Z. f. M. etwas zu besprechen hatte, so geschieht es unbedingt sachlich, ohne die persönliche Freundschaft dabei zu berühren. Auf den Postadressen bezeichnet ihn Reissiger als „berühmter Komponist“. Sein bestes Quartett hat Reissiger Rob. Schumann gewidmet. „Ich hatte mir längst vorgenommen, durch ein tüchtiges, würdiges Werk Schumann meine Achtung zu beweisen,“ lesen wir in einem Briefe Reissigers vom 23. November 1843, dessen Original im Schumann-Museum zu Zwickau liegt. Gemeint ist das Quartett op. 173. Ein anderer Brief[213] Reissigers, den er nach der Aufführung des Oratoriums: Das Paradies und die Peri an Schumann schrieb, lautet: „Sie sprechen mir Dank aus, lieber, werter Freund, während ich Ihnen recht großen Dank schuldig bin. Ihre treffliche, geistreiche Komposition wird mir noch lange im Inneren widerhallen und in der Erinnerung den schönsten Genuß bereiten. Den Wunsch, daß wir das Werk noch einmal würdiger und mit imposanteren Mitteln aufführen, gebe ich nicht auf. Der königlichen Familie hat es sehr gefallen, der Umgebung und der Haute volée weniger (dies sind die Donizettijünger), dem wahrhaften musikalischen Publikum außerordentlich und uns Künstlern ganz außerordentlich. So muß es auch sein und ich wünsche Ihnen dazu Glück.“
Die größte Verehrung bezeigte Reissiger immer Spohr gegenüber. „Ich ergreife solche Gelegenheiten mit größtem Vergnügen, da sie auch mich veranlassen, Ihnen einmal wieder schriftlich sagen zu können, wie meine Verehrung für Sie keine Grenzen kenne und wie glücklich ich sein würde, Ihnen einmal dankbar die Hand drücken zu können für die Wonnestunden, die Sie uns durch Ihre Meisterwerke bereiten.“ (Dies schrieb Reissiger gelegentlich einer Empfehlung eines Künstlers an Spohr.) Es entstand wirklich später ein persönliches Freundschaftsverhältnis.
Über das Verhältnis Reissigers zu den Neudeutschen haben wir schon früher gehandelt.
Zuletzt sei noch ein Urteil über Reissiger wiedergegeben, und zwar das Urteil, welches Carl Loewe von seinem Besuche „in der prächtigen Capitale“ Sachsens an seine Frau schreibt: „Reissiger ist ein sehr talentvoller äußerst fähiger und begabter Mann, der hier viel Autorität hat und gebührende Anerkennung findet, dabei ein herrlicher, lieber Mann, im Umgange von [110] vollkommener Bildung. Er spielte mir eine neue Sinfonie vor. Die ersten drei Sätze sind ihm exzellent geraten. Tüchtig und gesund ist die Konzeption, kenntnisreich und gewandt die Instrumentierung. Das Finale könnte ihm aber leicht einen fatalen Streich spielen, ich möchte es nicht gemacht haben. Es fällt aus dem Charakter und ist zu leicht.“
Der letzte Satz ist bezeichnend für das unterschiedliche Schaffen eines Komponisten. Sind die geringeren Werke nur im Verhältnis zu den eigenen besseren Kompositionen weniger gut gelungen, überragen sie also an Wert immer noch das Schaffen anderer Komponisten, so schadet es dem Schöpfer in der Geschichte nicht. (Vergl. die weniger berühmten Werke Mozarts, Beethovens.) Sind sie aber überhaupt von minderem Werte, so reißen sie dann auch die wirklich guten Sachen mit in die Vergessenheit; der Grund, weshalb so viele gelungene Werke nicht mehr bekannt sind.
[111]
auf Grund des Verzeichnisses in Ledeburs Tonkünstlerlexikon von Berlin 1861,
berichtigt und ergänzt nach den Ankündigungen 1. in Castellis allgemeinem
musikalischen Anzeiger (Wien) 1829 – 40, 2. von Whistling-Hofmeisters Handbuch
der musikalischen Literatur, 3. der A. M. Z., 4. im Dresdner Anzeiger und 5. nach
Pázdireks Universalhandbuch der Musikliteratur aller Zeiten und Völker.
- Motetten. Op. 2. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1819.
- Motetten. Op. 13. Neuwied, Steiner, 1822.
- 66. Psalm. Op. 82. Dresden, Thieme, 1832.
- Hymne für Männerchor (Psalm 98). Op. 129 b. Berlin, Heinrichshofen.
- Geistliche Lieder für Alt. Op. 154. Dresden, Paul, 1840.
- Motette (achtstimmig) Was betrübst du usw. Op. 169. Stuttgart, Vereinsbuchhandlung (Leipzig, Hofmeister).
- Hymnus: Ein König ist der Herr (Psalm 97). Op. 174. Berlin, Trautwein (Heinrichshofen), 1843.
- Hymnus: Gott sorgt für mich (Psalm 23). Op. 177. Berlin, Trautwein, 1844.
- Hymnen (dreistimmig, für zwei Soprane und einen Alt). Op. 202. Berlin, Trautwein, 1853.
- Fragment aus den Psalmen Davids für Solo, Chor und Orchester. Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden.
- 15 Fest-Graduales (vierstimmig). Op. 210. Hamburg, Schuberth, 1859.
- Motette: Es ist ein Ros'. Ohne Op.-Zahl. Manuskript im Nachlaß (Friedländer: Kaiserliederbuch für gemischten Chor, 1915).
- Hymne: 89. Psalm (dem pädagogischen Verein Dresden gewidmet). Ohne Op.-Zahl.
- 2 Psalmen (der Berliner Singakademie gewidmet). Manuskript im Archiv der Berliner Singakademie. 1826.
- 2 Miserere (1. Sopransolo und Chor, 2. Altsolo und Chor). Manuskripte im Archiv der Katholischen Hofkirche zu Dresden.
- 1. Messe D-Moll (Fr. Aug. I. gew.). Manuskript im Bes. d. Sohnes Reissigers[214].
- 2. Messe C-Dur. Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers.
- 3. Messe F-Dur. Augsburg, Böhm.
- 4. Messe Es-Dur (Friedrich August II. gewidmet). Wien, Diabelli, 1840.
- 5. Messe D-Moll (Fugenmesse). Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers[214].
[112]
- 6. Messe A-Moll. Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers[215].
- 7. Messe H-Moll. Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers[215].
- 8. Messe As-Dur. Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers[215].
- Messe in Es-Dur (dem Rat zu Leipzig gewidmet). Manuskript im Archiv des Thomanerchores zu Leipzig, 1802?
- 4 Figuralmessen (deutscher Text) für Gesangsquartett und Orgel. Drei Manuskripte im Bes. des Sohnes Reissigers, eins in der Kgl. Landesbibl. Dresden.
- Requiem für Solo, Chor, Orchester (f. König Anton). Manuskript im Besitze des Sohnes Reissigers[215].
- Oratorium: David, für Solo, Chor, Orchester. Manuskripte von Partitur und Klavierauszug sollen nach Amerika entwendet worden sein.
- Außerdem viele Gradualien und Offertorien[216] sowie 300 Choräle für Bunsen in Rom.
- 1. Das Rockenweibchen. Wien (Manuskript?), 1821. Ouvertüre als Op. 10 (vier-händig) in Leipzig bei Hofmeister erschienen.
- 2. Didone abbandonata. München (Manuskript?), 1822.
- 3. Der Ahnenschatz (unvollendet). Rom (Manuskript?), 1825. Ouvertüre als Op. 80 in Leipzig bei Hofmeister 1832 erschienen.
- 4. Die Felsenmühle von Estalière. Bonn, Simrock, 1831. (Klav.-Ausz. Op. 71.)
- 5. Libella. Berlin, Laue (Klavierauszug als Op. 74), 1831. Ouvertüre als Op. 68 in Leipzig bei Hofmeister erschienen.
- 6. Turandot. Manuskript im Archiv der Hofoper Dresden, 1834.
- 7. Adéle de Foix (Op. 170). Leipzig, Hofmeister, 1843.
- 8. Der Schiffbruch der Medusa. Leipzig, Hofmeister, 1846. Ouvertüre als Op. 102 für Orchester in Leipzig bei Peters erschienen 1857.
- 1. Yelva (Melodrama). Dresden, Paul, 1827. Ouvertüre als Op. 66 besonders erschienen 1830.
- 2. Ouvertüre zu Kleists Käthchen von Heilbronn. Wien (Manuskript?) 1821.
- 3. Ouvertüre und Zwischenakte zu Nero. München (Manuskript?) 1822. Ouvertüre allein 1830 bei Breitkopf & Härtel, Leipzig, erschienen.
- 4. Musik zu Faust II. Teil (für das Goethefest geschrieben). Dresden, Manuskript im Archiv der Hofoper Dresden, 1851.
- 5. Festspiel: Der Erde reinstes Glück. Manuskr. i. Archiv d. Hofoper Dresden, 1833.
- 6. Festspiel zur Vermählung des Herzogs von Genua 1850.
- Außerdem noch vier weitere Festspiele für die königliche Familie, Dresden.
- 6 Gesänge für Sopran und Pianoforte. Op. 3. Leipzig, Hofmeister, 1820.
- 6 deutsche Lieder für Sopran mit Pianoforte. Op. 13. Leipzig, Breitkopf & Härtel.
- 2 Gesänge für Baß mit Pianoforte. Op. 14. Leipzig, Hofmeister.
- 6 Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 15. Leipzig, Peters.
[113]
- 6 deutsche Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte, Op. 16. Leipzig, Breitkopf & Härtel.
- 7 deutsche Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte (darunter die „Geheimen Schmerzen“, Karoline Unger gewidmet). Op. 23. Leipzig, Hofmeister, 1824.
- 6 Gesänge für Baß oder Bariton mit Pianoforte. Op. 42. Leipzig, Hofmeister, 1827.
- 6 Gesänge von Goethe für Sopran mit Pianoforte. Op. 48. Berlin, Laue, 1828.
- 6 Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 50. Dresden, Paul (Schlesinger), 1828.
- 6 Lieder für Baß oder Bariton mit Pianoforte. Op. 53. Dresden, Paul, 1829.
- 6 Gesänge für Mezzosopran oder Bariton mit Pianoforte. Op. 61. Berlin, Schlesinger, 1829.
- 6 heitere Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 69. Dresden, Paul, 1831.
- 6 Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 76. Bonn, Simrock, 1832.
- 7 Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 79. Leipzig, Klemm, 1832.
- 6 Lieder für Alt oder Bariton mit Pianoforte. Op. 81. Dresden, Paul, 1832.
- 6 Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 84. Dresden, Meser, 1832.
- 7 Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte (aus Stieglitz’ Bilder des Orients). Op. 87. Berlin, Schlesinger, 1833.
- 6 Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte (der Schröder-Devrient gewidmet). Op. 89. Dresden, Paul, 1833.
- 8 Lieder für Mezzosopran oder Bariton mit Pianoforte. Op. 96. Berlin, Schlesinger, 1834.
- 6 Lieder für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 98. Berlin, Betzold (Hofmeister), 1834.
- 7 Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 99. Dresden, Paul, 1835.
- 7 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 100. Dresden, Paul, 1835.
- 7 Gesänge für Mezzosopran oder Bariton mit Pianoforte. Op. 101. Leipzig, Hofmeister, 1835.
- 7 Gesänge für Baß oder Alt mit Pianoforte. Op. 104. Dresden, Paul, 1835.
- 6 Gesänge für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 107. Dresden, Paul, 1836.
- 8 ernste und heitere Lieder für Baß oder Alt mit Pianoforte. Op. 110. Berlin, Schlesinger, 1836.
- 6 Gesänge für Baß mit Pianoforte. Op. 114. Dresden, Paul, 1836.
- 6 Gesänge für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 116. Berlin, Westphal (Bock), 1836.
- 4 Gesänge für Sopran und Horn mit Pianoforte (oder Violoncello). Op. 117. Dresden, Meser, 1837.
- 8 Lieder für Baß mit Pianoforte (Gitarre). Op. 118. Leipzig, Klemm, 1837.
- 7 Gesänge für Sopran oder Mezzosopran mit Pianoforte. Op. 119. Dresden, Meser, 1837.
- 7 Gesänge für Baß mit Pianoforte. Op. 121. Dresden, Paul, 1837.
- Konzertszene für Baß oder Kontraalt mit Pianoforte: „Basta cosi di gloria.“ Op. 122. Dresden, Paul, 1837.
- 5 Lieder für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 123. Dresden, Paul, 1837.
- Lied (Mit geheimnisvollen Dunkeln) für Sopran, Harfe und Horn. Ohne Op.-Zahl. Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden.
- Lied: An ihr Veilchen für 1 Singstimme, Pianoforte, Cello und Flöte. Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden.
[114]
- 8 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 124. Leipzig, Hofmeister, 1838.
- 6 Lieder für Baß, Bariton oder Alt mit Pianoforte. Op. 126. Dresden, Paul, 1838.
- 7 Lieder für Sopran mit Pianoforte (Fräulein Charl. Krause in Berlin gewidmet). Op. 127. Leipzig, Peters, 1838.
- 7 Lieder für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 131. Dresden, Paul, 1838.
- Der Invalide der Wagramer Schlacht für 1 Singstimme mit Pianoforte. Op. 133. Berlin, Schlesinger.
- 3 Lieder für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 135. Berlin, Schlesinger, 1838.
- 6 deutsche Lieder für Tenor mit Pianoforte. Op. 139. Dresden, Meser, 1839.
- 6 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 140. Dresden, Paul, 1839.
- 7 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 142. Berlin, Schlesinger, 1839.
- 6 Lieder für Baß mit Pianoforte (Herrn Hofsänger Krüger gewidmet). Op. 143. Leipzig, Hellmuth, 1839.
- 6 deutsche Lieder für Sopran mit Pianoforte (Madame Walcker gewidmet). Op. 144. Hamburg, Schuberth, 1839.
- 6 komische Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 145. Leipzig, Hofmeister, 1839.
- 6 Lieder für Sopran mit Pianoforte. Op. 149. Dresden, Meser, 1840.
- 4 Lieder für Alt oder Bariton mit Pianoforte. Op. 154. Dresden, Paul, 1840.
- 3 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 157. Berlin, Schlesinger, 1840.
- 4 Lieder für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 159. Rudolstadt, Müller, 1841.
- 7 Kinderlieder. Op. 160. Berlin, Schlesinger, 1841.
- 5 Lieder für Bariton mit Pianoforte. Op. 163. Berlin, Lischke, 1841.
- 6 Lieder für Sopran mit Pianoforte. Op. 165. Leipzig, Hofmeister, 1842.
- 4 Lieder für 1 Singstimme. Op. 168. Stuttgart, Göpel, 1842.
- 5 Lieder für Sopran oder Tenor mit Pianoforte. Op. 171. Stuttgart, Göpel, 1842.
- Lied: Es ist zu still, für Sopran oder Tenor. Op. 172 a. Leipzig, Klemm, 1843.
- 3 komische Lieder für Bariton oder Baß mit Pianoforte. Op. 172 b. Leipzig, Klemm, 1843.
- 5 einfache Lieder für Mezzosopran mit Pianoforte. Op. 182. Berlin, Schlesinger, 1845.
- 7 Lieder für Mezzosopran. Op. 189. Berlin, Bock, 1848.
- 2 Lieder für Baß mit Pianoforte. Op. 194 b. Leipzig, Senff, 1850.
- Ballade: Roland v. Kopisch, für Baß oder Alt mit Pianoforte. Op. 195 a. Leipzig, Senff.
- Ballade: Pharao für Baß mit Pianoforte. Op. 195. Elberfeld, Arnold, 1850.
- Volkers Nachtgesang von Em. Geibel für Baß mit Pianoforte. Op. 197. Dresden, Paul, 1850.
- 6 Lieder für Alt oder Baß mit Pianoforte. Op. 203. Offenbach, André, 1853.
- Lieder für Bariton mit Pianoforte. Op. 200. Leipzig, Siegel, 1852.
- Lieder für Fräulein Bürde-Ney zum Gebrauch von Hofkonzerten (italienisch). Op. 206. Dresden, Friedel, 1854.
- 5 Duetti amorosi p. sopr. e mezzosopr. Op. 43. Berlin, Laue, 1827.
- 5 Duettini für hohen und tiefen Sopran mit Pianoforte. Op. 109. Berlin, Schlesinger, 1836.
- 5 Duettini für 2 Soprane mit Pianoforte. Op. 112. Berlin, Trautwein (Heinrichshofen), 1836.
[115]
- 3 deutsche Duette für 2 Soprane mit Pianoforte. Op. 136. Dresden, Paul, 1838.
- 3 deutsche Duette für 2 Soprane mit Pianoforte. Op. 148. Dresden, Paul, 1840.
- 3 deutsche Duette für Sopran und Tenor mit Pianoforte. Op. 166. Hamburg, Schuberth, 1842.
- 3 deutsche Duette für Sopran und Alt mit Pianoforte. Op. 194 a. Leipzig. Senff, 1850.
- 3 deutsche Duette für 2 Soprane mit Pianoforte. Op. 204. Berlin, Bock, 1853.
- Die beiden Raucher. Komisches Duett nach Griebel mit Pianoforte. Dresden, Paul, 1835.
- Schmolke und Baker. Komisches Duett von Langbein mit Pianoforte. 1817 (neu bearbeitet 1856). Abschrift im Besitze des Verfassers dieser Arbeit.
- 1. Liedertafellieder für 4 Männerstimmen, 2 Hefte (der jüngeren Berliner Liedertafel gewidmet). Op. 73. Berlin, Trautwein (Heinrichshofen), 1831.
- 2. Dr. Luthers Loblied der Frau Musika, für zweichörigen Männerchor mit Orchester. Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden.
- 3. 6 Liedertafellieder. Op. 113. Leipzig, Hofmeister, 1836.
- 4. Hymne: Freude am Dasein. Op. 129 a. Berlin, Heinrichshofen.
- 5. Liedertafellieder, 3 Hefte. Op. 156. Berlin, Schlesinger, 1840.
- 6. Männergesänge für frohe Liedertäfler, 2 Hefte. Op. 176. Berlin, Schlesinger, 1844.
- 7. Lieder für gemischten Chor. Op. 198. Leipzig, Peters, 1851.
- 8. 6 Männerchorlieder. Op. 212. Berlin, Schlesinger, 1857.
- Tänze und Märsche für Pianoforte. Op. 1. Leipzig, Peters, 1818.
- Polonaisen für Pianoforte. Op. 4. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1820.
- Rondo As-Dur für Pianoforte. Op. 8. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1821.
- Rondo (Le désir) für Pianoforte. Op. 9. Wien, Steiner, 1821.
- Variationen (Freischütz) für Pianoforte. Op. 10. Wien, Artaria, 1821.
- Rondo alla polacca für Pianoforte. Op. 11. Wien, Artaria, 1822.
- Variationen (Durch die Wälder) für Pianoforte. Op. 12. Leipzig, Peters, 1822.
- Märsche, vierhändig, für Pianoforte. Op. 14. Leipzig, Hofmeister, 1822.
- Märsche, vierhändig, für Pianoforte. Op. 15. Leipzig, Hofmeister.
- Ouvertüre, vierhändig, für Pianoforte. Op. 16. Leipzig, Hofmeister, 1823.
- Bagatellen für Pianoforte. Op. 17. Leipzig, Hofmeister, 1823.
- 4 Rondos für Pianoforte. Op. 18. Leipzig, Hofmeister, 1823.
- Rondo (La gaité) für Pianoforte. Op. 19. Leipzig, Peters, 1823.
- Rondo für Pianoforte. Op. 21. Leipzig, Peters, 1823.
- Deux Sonates agr. für Pianoforte. Op. 22. Leipzig, Probst (Simrock), 1823.
- Fantasie F-Moll für Pianoforte. Op. 24. Leipzig, Hofmeister, 1823.
- Valses As-Dur für Pianoforte Op. 26. Leipzig, Peters, 1824. Darin Nr. 5: „Webers letzter Gedanke“.
- Rondo, vierhändig, für Pianoforte. Op. 27. Leipzig, Probst (Simrock), 1824
- Variat. instruct. für Pianoforte. Op. 28: Leipzig, Peters, 1824.
[116]
- Rondo F-Dur für Pianoforte. Op. 30. Bonn, Simrock, 1824.
- Rondo Es-Dur für Pianoforte. Op. 31. Bonn, Simrock, 1824.
- Polacca G-Dur für Pianoforte. Op. 32. Bonn, Simrock, 1824.
- Rondo alla polacca für Pianoforte. Op. 36. Paris, Farrenc, 1825.
- Rondo grac. für Pianoforte. Op. 37. Leipzig, Probst (Kistner), 1826.
- Valse brillante für Pianoforte. Op. 38. Leipzig, Probst (Kistner), 1826.
- Rondo alla polacca für Pianoforte. Op. 39. Leipzig, Probst (Kistner), 1826.
- Leichte Sonate für Pianoforte. Op. 41. Leipzig, Probst (Kistner), 1826.
- Adagio (L'amabilità) für Pianoforte. Op. 44. Dresden, Paul, 1827.
- Valses brillantes As-Dur für Pianoforte. Op. 46. Leipzig, Probst (Kistner), 1828
- Rondeau mignon für Pianoforte. Op. 47. Berlin, Laue, 1828.
- 2 Walzer für Pianoforte. Op. 49. Leipzig, Probst, 1828.
- 3 kleine Rondos für Pianoforte. Op. 51. Dresden, Paul 1828?.
- Rondeau mignon für Pianoforte. Op. 52. Dresden, Paul, 1828.
- Variation brillante für Pianoforte. Op. 54. Dresden, Paul, 1829.
- Großes Rondo H-Dur für Pianoforte. Op. 55. Dresden, Paul, 1829?
- 4 Rondinos für Pianoforte. Op. 58. Leipzig, Hofmeister, 1829.
- Rondos brillants für Pianoforte. Op. 59. Breslau, Förster, 1829.
- Valse brillante für Pianoforte. Op. 62. Dresden, Paul, 1829.
- Rondo brillant f. Pianoforte. Op. 64. Blankenburg, Brüggemann (Hofmeister), 1830.
- Notturno, vierhändig, für Pianoforte. Op. 65. Dresden, Paul[WS 5], 1830.
- Jubelouvertüre, vierhändig, für Pianoforte. Op. 67. Dresden, Friese, 1830.
- Variationen (Gardez-vous) für Pianoforte. Op. 72. Dresden, Paul, 1831.
- Rondo caprice für Pianoforte. Op. 78. Dresden, Meser, 1832.
- Rond. bril. Es-Dur für Pianoforte (Clara Wieck gewidmet). Op. 83. Dresden, Thieme (Leipzig, Klemm), 1832.
- Pièces à 4 mains für Pianoforte. Op. 86. Dresden, Meser, 1833.
- Rond. brill. (Le voyage) für Pianoforte. Op. 88. Hamburg, Schuberth, 1833.
- Distraction par la Danse für Pianoforte. Op. 91. Hamburg, Schuberth, 1834.
- Sonate B-Dur für Pianoforte. Op. 92. Hamburg, Schuberth, 1834.
- Introd. u. Variat. für Pianoforte. Op. 93. Hamburg, Schuberth, 1834.
- Allegro für Pianoforte. Op. 106. Leipzig, Hofmeister.
- Scherzo für Pianoforte. Op. 132. Berlin, Schlesinger, 1847.
- Capriccio express. für Pianoforte. Op. 134. Berlin, Schlesinger.
- Air ital. varié für Pianoforte. Op. 161. Leipzig. Peters, 1841.
- Scènes familières für Pianoforte (Marie Wieck gewidmet). Op. 187. Berlin, Fürstner.
- Scènes fam. caract. für Pianoforte. Op. 193. Dresden, Paul, 1850.
- 4 Morceaux express. für Violine. Op. 184. Dresden, Paul, 1846.
- Variat. brill. für Pianoforte und Violoncello (mit Merk zusammen). Op. 34. Paris, Farrenc, 1825.
- Variat. brill. für Violine und Pianoforte. Op. 35. Paris, Farrenc (Achdane), 1825.
- Große Sonate für Pianoforte und Violine. Op. 45. Berlin, Laue, 1828.
- Duo für Pianoforte und Violine. Op. 94. Berlin, Schlesinger, 1834.
- Sonate für Pianoforte und Violine (oder Flöte). Op. 102. Leipzig, Hofmeister, 1835.
- Große Sonate für Pianoforte und Violoncello. Op. 147. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1840.
- Introd. u. Variat. für Pianoforte und Violoncello. Op. 151. Wien, Mechetti, 1840.
[117]
- Große Sonate für Pianoforte und Violoncello (mit Kummer zusammen). Op. 152. Leipzig, Peters, 1840.
- Große Sonate für Pianoforte und Violine (Lipinski gewidmet). Op. 178. Leipzig, Peters, 1844.
- Große Sonate für Pianoforte und Violine (Baron de Nass gewidmet). Op. 185. Leipzig, Peters, 1847.
- Große Sonate für Pianoforte und Violine (Ferd. David gewidmet). Op. 190. Leipzig, Peters, 1849.
- Konzertino für Flöte. Op. 60. Berlin, Schlesinger (Hofmeister), 1829.
- Konzertino für Klarinette. Op. 63. Blankenburg, Brüggemann (Hofmeister). 1830.
- Duo brillante für Klarinette und Pianoforte (oder Cello). Op. 130. Dresden, Paul, 1838.
- Fantasie für Klarinette mit Orchester oder Pianoforte. Op. 146. Leipzig, Hofmeister, 1840.
- Fantasie für Klarinette. Op. 180. Leipzig, Hofmeister, 1845.
- Adagio und Rondo für Klarinette mit Pianoforte. Op. 214. Leipzig, Hofmeister.
- Elegie und Rondo für Horn (Lewy gewidmet). Op. 153. Leipzig, Klemm, 1840.
- 1. Großes Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Madame Nowack gewidmet). Op. 25. Leipzig, Peters, 1824.
- 2. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 33. Paris, Farrenc, 1825. (Vierhändig bei Simrock.)
- 3. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 40. Leipzig, Hofmeister, 1826. (Vierhändig bei Hofmeister.)
- 4. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 56. Leipzig, Probst, 1829.
- 5. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 75. Bonn, Simrock, 1832.
- 6. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Weiße in Leipzig gewidmet). Op. 77. Leipzig, Peters, 1832.
- 7. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Henriette Vogt gewidmet). Op. 85. Leipzig, Peters, 1833.
- 8. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Dehn gewidmet). Op. 97. Leipzig, Peters, 1834.
- 9. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Sophie Kaskel gewidmet). Op. 103. Leipzig, Peters, 1835.
- 10. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 115. Leipzig, Peters, 1836.
- 11. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Frl. Darmstadt gewidmet). Op. 125. Leipzig, Peters, 1838.
- 12. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 137. Leipzig, Peters, 1838.
- 13. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 150. Leipzig, Peters, 1840.
- 14. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 158. Leipzig, Peters, 1841.
- 15. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 167. Leipzig, Peters, 1842.
- 16. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 170. Leipzig, Peters, 1842.
- 17. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 183. Leipzig, Peters, 1845.
- 18. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 188. Leipzig, Peters, 1848.
- 19. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 192. Leipzig, Peters, 1849.
- 20. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 196. Leipzig, Peters, 1850.
[118]
- 21. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello (Julie Reissiger gewidmet). Op. 201. Leipzig, Peters, 1853.
- 22. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 205. Leipzig, Peters, 1853.
- 23. Trio für Pianoforte, Violine, Violoncello. Op. 213. Leipzig, Siegel, 1859.
- 4 Trios faciles et brill. Op. 164, 175, 181 und 186. Berlin, Schlesinger[WS 6], 1841.
- Quartett für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello. Op. 29. Bonn, Simrock.
- Quartett für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello (Klaviervirtuos Taubert gewidmet). Op. 70. Berlin, Schlesinger, 1831.
- Quartett. Op. 108. Berlin, Schlesinger, 1837.
- Drei Quartette (Anton Rolla gewidmet). Op. 111. Leipzig, Peters, 1837.
- Quartett für Pianoforte. Violine, Viola, Violoncello. Op. 138. Berlin, Schlesinger, 1838.
- Quartett. Op. 141. Leipzig, Peters.
- Quartett 2 Violinen, Viola, Violoncello (Lipinski gewidmet). Op. 155. Dresden, Paul, 1840.
- Quartett für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello (Rob. Schumann gewidmet). Op. 173. Leipzig, Peters, 1843.
- Quartett für 2 Violinen, Viola, Violoncello. Op. 179. Berlin, Schlesinger, 1845.
- Quartett für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello. Op. 199. Offenbach, André, 1852.
- Drei Quartette für 2 Violinen, Viola, Violoncello. Op. 211. Leipzig, Peters, 1856.
- Quintett für Pianoforte, 2 Violinen, Viola, Violoncello. Op. 20. Leipzig, Peters, 1823.
- Quintett für 2 Violinen, Viola, 2 Violoncellos (Aug. Matthaei, Konzertmeister in Leipzig, gewidmet). Op. 90. Leipzig, Peters, 1833.
- Quintett für Pianoforte, 2 Violinen, Viola, Violoncello. Op. 191. Leipzig, Peters, 1849.
- Quintett für Pianoforte, Violine, Viola, Violoncello, Kontrabaß. Op. 209. Leipzig, Peters, 1856.
- Festouvertüre (für König Albert). Op. 208. Manuskript im Archiv der Hofoper Dresden. Leipzig, Peters.
- Sinfonie. Op. 112. Vierhändig als Op. 120 Berlin, Schlesinger, 1837.
- Ouvertüre E-Moll mit Motto (Spohr gewidmet). Op. 128. Leipzig, Peters, 1838.
Außerdem noch viele ungedruckte Gelegenheitskompositionen (Kantaten, Motetten, Lieder, Instrumentalwerke für die königliche Familie oder Mitglieder des Theaters, für Reissigers Freimaurerloge oder Freunde), deren Originale z. B. in der Kgl. Landesbibliothek Dresden, der Großherzoglichen Hofbibliothek Darmstadt, Bibliothek des Leipziger Thomaschores und in Privatbesitz (Bibliothek des Herrn Dr. Erich H. Müller, Dresden, welchem für freundliche Mitteilung auch hier gedankt sei), sich befinden.
Anmerkung: Die Verlagsfirmen Paul, Thieme, Friedel, Heinze, Hellmuth, Friese sind vom Verlag Peters, Leipzig, aufgekauft. Ebenso ist Laue mit Hofmeister, Meser mit Fürstner, Probst teils mit Simrock, teils mit Kistner vereinigt.
[119]
- ↑ Laut Geburts- und Taufzeugnis. Die Taufzeugen waren: 1. Fr. Henriette, Karolina Winkler, geb. Berndt, Herrn M. Karl, Gottlob Winklers, treuverdienten Diakoni und Nachmittagspredigers Frau Eheliebste, 2. Herr M. Joh. Gotthelf Kreusel, Rektor Scholae und Prediger zu Preußnitz, auch Cand. Rev. Min., 3. Herr Joh. Wilhelm Friedrich (avus a parte matr.) treufleißiger Collaborator Scholae und Cust. zu S. Br. allhier.“
- ↑ Gerbers neues hist. biogr. Lex. der Tonkünstler 1812/14 berichtet ferner: „unter diesem Namen sind noch gestochen worden: 1. Kl. Klavierstücke 1792. 2. Sinfonia per il cembalo 1793. Fétis, Biogr. universelle des musiciens bezeichnet die Sinfonien als Orchesterwerke, was Eitner für eine willkürliche Veränderung der Gerberschen Notiz hält. Immerhin kann dies auf einer Mitteilung von C. G. Reissiger an Fétis beruhen, da beide miteinander bekannt waren.
- ↑ Auch Friedrich August Reissiger 1809 – 83 errang sich später als Musiker einen Namen. Er war in Norwegen Organist und Militärkapellmeister, und manches seiner Lieder, z. B. „Der schlesische Zecher“, wird noch heute gesungen.
- ↑ Erst ca. 20 Jahre später wird das Leiden wieder bemerkbar, wie aus einem im Dresdner Ratsarchiv erhaltenen Zeugnis zu ersehen ist. (C XXII 85 e.)
- ↑ Akten im Thomasschularchiv (vergl. auch Anmerk. 4). Die Daten aus Rs. Zeit im Thomasgymnasium hatte bereits Thomaskantor Rust für Herrn Bürgermeister Reissiger in einem im Besitze des letzteren befindlichen Briefe zusammengestellt.
- ↑ Fink betont 1829 in der A. M. Z., daß Bach in Leipzig stets lebendig geblieben sei, entgegen den Berliner Überhebungen anläßlich der Wiedererweckung der Matthäuspassion durch Mendelssohn. Tatsächlich war der Motettenkomponist Bach ständig im Programm geblieben.
- ↑ Vgl. Fr. Schmidt, Das Musikleben der bürgerlichen Gesellschaft Leipzigs im Vormärz. Langensalza 1912. (Leipziger Dissertation.)
- ↑ Vgl. Brause, Stallbaum, ein Beitrag zur Geschichte der Thomasschule in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. (Programm der Thomasschule Leipzig 1897.)
- ↑ Die wöchentlich dreimalige Currende bestand noch bis 1837.
- ↑ Durch das Entgegenkommen der Universitätskanzlei konnte ich die Einschreibung a. d. Universität einsehen, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei. Es heißt: 27. April 1818 Rektore DN, DR. Joh. Christiano Rosenmüllero P, P. O. Reissiger Carol. Gottl. Belzigo. Bald nach R. wurde ein gewisser Eduard Hindenburg immatrikuliert, der wahrscheinlich ein Freund R.s war, denn einige der ersten Lieder R.s sind ihm gewidmet.
- ↑ a b Vgl. Schmidt a. a. O.
- ↑ Seitdem ist Reissiger mit seinen Chorkompositionen bis heute auf den Programmen des Thomanerchores geblieben.
- ↑ Von Marschner wissen wir, daß Schicht verschiedene Theoretiker durcharbeiten ließ (besonders Türk und Kirnberger).
- ↑ Schichts Tochter war verheiratet an den Direktor der Leipziger Feuerversicherungsanstalt Weise, der, selbst Cellist und ein Freund B. Rombergs, in seinem Musiksalon, ebenso wie Henriette Voigt, alle musikalischen Größen – von den Späteren seien Mendelssohn und F. David genannt – empfing.
- ↑ Handschriftl. Katalog dieser Bibliothek, welche 1830 versteigert wurde (A. M. Z. 1830, S. 180) ist i. d. Musikbibl. Peters einzusehen.
- ↑ Vgl. Taubert, Gesch. d. Pflege d. Musik in Torgau. (Gymnasialprogramm Torgau 1868.)
- ↑ Messe Es-Dur, Manuskript im Archiv des Thomanerchores zu Leipzig (gewidmet dem Rate zu Leipzig).
- ↑ A. M. Z. 1820 S. 259.
- ↑ Aus einem späteren Schreiben Reissigers an den Rat zu Leipzig (im Ratsarchiv Stift VIII B 13 d) erfahren wir, daß die Summe 500 Taler im Jahr betrug.
- ↑ Original in der Kgl. Landesbibliothek Dresden (Reissigers Briefe), gerichtet an Ferdinand Luib in Wien (bisher unveröffentlicht).
- ↑ Vgl. Wallaschek, Das K. K. Hofoperntheater, Wien 1909 und Hanslick, Geschichte des Konzertwesens in Wien, 1869.
- ↑ Er selbst sollte ja später in seinem Amte in Dresden Gelegenheit haben, aktiv in den Kampf einzugreifen und ihn glücklich auszugleichen.
- ↑ In einem Konzerte wurde sie sogar da capo verlangt.
- ↑ Von Seyfried, der auch Kirchenkomponist war, hatte R. schon im Thomanerchor Messenteile und Psalmen gesungen.
- ↑ In einem späteren Gesuche schreibt R. sogar, daß das Pianofortestudium seine Hauptabsicht in Wien war.
- ↑ Gemeint ist ein Konzert eigener Komposition (vgl. Schilling: Universallexicon der Tonkunst, Artikel:„Reissiger“).
- ↑ A. M. Z. 1822 S. 64.
- ↑ A. M. Z. 1822 S. 227.
- ↑ A. M. Z. 1822 S. 359.
- ↑ Auch das 1817 von Salieri gegründete Konservatorium der „Gesellschaft der Musikfreunde“ ernannte Reissiger 1822 zum Ehrenmitglied.
- ↑ Vgl. Frensdorf, „Peter Winter als Opernkomponist“ (Diss. Münch. 1908).
- ↑ A. M. Z. 1826 S. 357.
- ↑ Auch das themat. Verzeichnis der Kammermusikwerke Winters (D. T. B. XV, XVI „Mannheimer Kammermusik“ 1915, hg. v. H. Riemann) zeigt melodisch angenehme, dabei rhythm. frische Erfindung.
- ↑ Die Ouvertüre erschien (vierhändig) bei Breitkopf & Härtel.
- ↑ Poissl ist bekannt als deutscher Opernkomponist der Übergangszeit zwischen Mozart und Weber. Er schrieb schon vor der „Euryanthe“ durchkomponierte Opern und hatte wie Weber einst Danzis Schule genossen. Vgl. Reipschläger, Schubaur, Danzi und Poissl. (Rostocker Dissertation. 1911.)
- ↑ Bewerbungsschreiben im Ratsarchiv zu Leipzig vom 1. März 1823 (Stift VIII B 13d).
- ↑ Blumners Geschichte der Berliner Singakademie 1891 verzeichnet ihn sogar als Baßsolosänger.
- ↑ Wir erfahren diese Tatsache aus einem kleinen Festspiel, welches zu R.s Silberhochzeit gedichtet wurde und eine Szene: „R. mit seiner Klavierschülerin Marie Stobwasser“ enthält. (Im Besitze des Herrn Bürgermeister Reissiger.)
- ↑ A. M. Z. April 1807 bezeichnet denselben als „Körnersche Singanstalt“.
- ↑ Vgl. O. Schmid, Geschichte der Dreyßigschen Singakademie 1807 – 1907 (Dresden 1907).
- ↑ A. M. Z. 1824 S. 21.
- ↑ Seinerzeit berühmter Bassist.
- ↑ Alle Akten, die R.s Verhandlungen mit der preußischen Regierung betreffen, sind im Kgl. Geh. Staatsarchiv Berlin (Repositur 76 VIII Sect. I 72) aufbewahrt.
- ↑ M. M. v. Weber, K. M. v. Weber, ein Lebensbild. Leipzig 1864. II. Band.
- ↑ Siehe im Hoftheaterarchiv. (Reissiger-Akten.)
- ↑ Im Körnermuseum in Dresden.
- ↑ A. M. Z. 1824 S. 388.
- ↑ Die in diesem und folgenden Kapiteln häufig erwähnten Briefe werden mit Absicht zitiert, da sie in ihrer Frische und Unbefangenheit und doch nicht ohne Geist einmal für R. charakteristisch und andererseits auf Musik und Kulturzustände der Zeit manches interessante Streiflicht fallen lassen. Dieser Brief ist in der Stuttgarter „Neuen Musikzeitung“ 1909 veröffentlicht.
- ↑ In einem Aufsatze der Zeitschrift „Dur und Moll“ 1898, Heft 6 von Dr. Ad. Kohut.
- ↑ Regisseur, Sänger und Schauspieler in Dresden, schrieb die Musik zu Theodor Körners „Bergknappen“ 1827.
- ↑ Der bekannte Dichter der „Urania“, der mit der geistreichen Frau einen gemeinsamen Haushalt führte. (Vgl. Rachel, E. v. d. Recke. Leipzig 1901, 1902.)
- ↑ Die Berichte an den Minister v. Altenstein sind in den Reissigèr-Akten des Kgl. Geh. Staatsarchives Berlin (Repositur 76 VIII Sect. I 72) einzusehen.
- ↑ A. M. Z. 1824 S. 422.
- ↑ Ich bin in der glücklichen Lage, in diesem Kapitel eine ganze Anzahl Briefe und Berichte zum Abdruck zu bringen, welche zusammengestellt gewissermassen ein Stück Autobiographie darstellen, wie sie von keinem anderen Lebensabschnitt R.s existiert. Da sie zum allergrößten Teil bisher unveröffentlicht sind und sowohl ein interessantes Bild französischer und italienischer Musikgeschichte um diese Zeit geben, als auch R.s Persönlichkeit (sein klares Urteil) wirksam beleuchten, konnten sie nicht entbehrt werden.
- ↑ 1789 – 1837, bekannt als Gründer des Frankfurter Caecilienvereins und durch seine Methode, das absolute Gehör zu bilden.
- ↑ Vgl. weiter unten.
- ↑ 1778 – 1858 vielgereister Pianist, Dirigent und sehr fruchtbarer Komponist (Kirche, Konzert). Sein bekanntestes Werk ist das Oratorium: Christi Grablegung.
- ↑ J. P. 1788 – 1874 Pianist und Kammerkomponist (sein Bruder F. W. wurde als Violinist bekannt).
- ↑ 1766 – 1831 berühmter Violinvirtuos und Lehrer, erster Kapellmeister der großen Oper in Paris. Beethoven widmete ihm 1805 die Violinsonate op. 47 (Kreutzersonate).
- ↑ 1771 – 1842 berühmter Violinvirtuos und Lehrer.
- ↑ 1760 – 1837 Komponist franz. großer Opern, erster Hofkapellmeister Napoleons, Professor am Pariser Konservatorium. Als Programmusiker Vorläufer von Berlioz.
- ↑ Im Bericht heißt es, daß die Akadémie Royale allein den „französischen genre“ rein und unverfälscht zu erhalten sucht (Deklamat. Pathos).
- ↑ Im Bericht heißt es: „Hier lernt man den leichten französischen Stil kennen, der sich frei und ungezwungen bewegt, sich über steife Deklamation erhebt und daher mehr Gesang zuläßt.
- ↑ Karl Blum, 1786 – 1844 Dichter und Komponist, schrieb viel leichtere Bühnenwerke (Operetten, Vaudevilles), die heut vergessen sind.
- ↑ 1773 – 1830 Dirigent und Lehrer am Pariser Konservatorium.
- ↑ 1767 – 1844 Theorielehrer am Pariser Konservatorium.
- ↑ Ital. Opernkomponist, geb. zu Crema um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
- ↑ 1781 – 1839 berühmter Violinvirtuos.
- ↑ 1771 – 1842 berühmter Violinvirtuos und Lehrer.
- ↑ 1770-1836 berühmter Theoretiker, Nachfolger Méhuls als Kompositionsprofessor am Pariser Konservatorium.
- ↑ 1788 – 1849 Pianist und Komponist, berühmte Lehrmethode des Klavierspiels.
- ↑ Dieser, sowie alle ferneren, fesselnden Berichte über Konservatorien (z. B. Mailand) wird für eine zu schreibende Geschichte des Musikschulwesens zu berücksichtigen sein (Reissiger-Akten im Kgl. Geh. Staatsarchiv Berlin, Repositur 76 VIII Sect. I 72, einzusehen).
- ↑ 1763 – 1842 ital. Opern- und Kirchenkomponist, dessen Werke heute vergessen sind.
- ↑ An anderer Stelle (Bericht) zählt er sie zu den besten ital. Sängerinnen.
- ↑ 1795 – 1870 ital. Kirchen- und Opernkomponist, Schüler Zingarellis. Aus seiner Oper „Der Schwur“ kann man heute noch manchmal Stücke hören.
- ↑ 1783 – 1832 ital. Opernkomponist, der durch Rossinis Auftreten seiner Beliebtheit beraubt wurde.
- ↑ Berühmte zeitgenössische deutsche Opernsängerin.
- ↑ Vgl. Anmkg. auf S. 36.
- ↑ a b In einem anderen Briefe schreibt R.:Beide kenne ich schon. Erstere ist schon gealtert, aber ihre Semitonen sind doch sehr schön. Die zweite, eine Spanierin, sehr jung, schön, mit einer frischen, starken Stimme, ist die Zierde des Theaters.
- ↑ Dorothea von Ertmann geb. Gramann, 1778 – 1848, war eine hervorragende Interpretin Beethovens; dieser hatte sie seine „Dorothea Caecilia“ genannt und ihr die A-Dur-Sonate op. 101 gewidmet, was Thayer-Riemann als charakteristisch für ihr freies und den Inhalt tief erfassendes Spiel bezeichnet, da die Sonate besonders freie Temponahme beansprucht.
- ↑ Im Vergleich zu den übermäßig verzierten ital. Liedern.
- ↑ R. hätte sich nicht so zu sorgen brauchen, denn die Schreiben des Ministers sind sehr hoffnungerweckend für später. Einmal heißt es: „Übrigens würde Ihnen freistehen, Ihren Aufenthalt in Italien nach Befinden zu verlängern, und ich wünsche nur zu seiner Zeit Nachricht von Ihnen zu erhalten, wenn Sie wieder allhie einzutreffen gedenken, damit wegen einer Ihren Kenntnissen und Talentem angemessenen Anstellung die nötigen Maßregeln getroffen werden können. Von der Fortsetzung Ihrer Kunstreise erwarte ich den besten Erfolg und wiederhole Ihnen die Versicherung meiner aufrichtigsten Hochachtung. Altenstein.“
- ↑ Bekanntlich gab auch Spohr über die Schweizer als Musiker ein sehr absprechendes Urteil. Richard Wagners Aufenthalt in der Schweiz wird der Musik zu gute gekommen sein, denn heute ist der Schweizer, selbst im Kriege, sehr empfänglich für aus Deutschland und Frankreich eingeführte Musik.
- ↑ 1765 – 1837 bedeutender ital. Tenor, später erfolgreicher Gesanglehrer.
- ↑ Crescentini, 1762 – 1846, einer der letzten und bedeutendsten ital. Kastraten (Sopranisten). Er war unter anderem von Napoleon I. 1808 nach Paris gezogen worden. R. lernte ihn in Neapel persönlich kennen.
- ↑ 1750 – 1825 berühmter Theoretiker; Rossini, Donizetti waren u. a. seine Schüler. R. lernte ihn im März 1825 kennen, im Mai starb Mattei.
- ↑ 1769 – 1832 ital. Opern- und Kirchenkomponist sowie Theoretiker, 1808 bis 1813 Direktor des Mailänder Konservatoriums.
- ↑ 1752 – 1837 äußerst fruchtbarer ital. Opern- und Kirchenkompenist. Der Dresdner Morlacchi war sein Schüler.
- ↑ Bruder des Königs Friedrich Wilhelm von Preußen.
- ↑ Der „Ahnen-Schatz“, Dichtung von G. Döring.
- ↑ 1775 – 1844 Kapellmeister der päpstlichen Kapelle, bekannter Biograph Palestrinas, war mit seinen historischen Studien zu seiner Zeit vereinzelt. R.s kgl. Beschützer, Fr. Wilhelm III., hatte sich bei seinem Aufenthalte in Rom auch für Baini interessiert (vgl. F. Hiller: Aus dem Tonleben unserer Zeit 2. Band), in Deutschland wären der Heidelberger Jurist Thibaut (1774 – 1840) und der Berliner Jurist K. v. Winterfeld (1784 – 1852) mit ähnlichen Bestrebungen zu nennen,
- ↑ Man wird bei dieser Stelle an ein Wort in Riemanns Kontrapunktlehre erinnert, wo der Verfasser eine Charakteristik der alten Kontrapunktlehrer gibt, indem er von ihnen sagt, daß sie sich wie Zauberer geheimnisvoll einhüllen.
- ↑ Bunsen war das Haupt der kleinen ev. Gemeinde in Rom, die sich um die Gesandtschaftskapelle bildete. Sein Kreis unterhielt sich mit Begeisterung durch kirchengeschichtliche und liturgische Forschungen und war ein Hort des deutschen ev. Kirchenliedes im kath. Rom, ebenso aber auch altitalienischer geistlicher Musik. Die hymnologischen Studien Bunsens zeitigten u. a. den Versuch eines allgemeinen Gesang- und Gebetbuches (Hamburg 1833). Sowie: Allgemeines ev. Gesangbuch (Hamburg, Rauhes Haus 1846), woran R. beteiligt ist, denn ein zu R.s Lebzeiten noch erschienenes Verzeichnis seiner Werke (bei Balde in Cassel) nennt 300 Choräle, für Bunsen komponiert.
- ↑ Vgl. S. 12.
- ↑ 1739 – 1832 beachtlicher deutscher Kirchenkomponist. Hauptwerke: die Oratorien „David“ und „Hiob“. Er wurde 1826 R.s Kollege in Berlin.
- ↑ Vgl. Dresdner Morgenzeitung 1828 Nr. 13, Bruchstücke aus Briefen von v. Raumer betr. eine Reise durch Deutschland, die Schweiz und Italien, 1816/17, worin gesagt wird, es wäre übertrieben, die Sixtinische Kapelle über die Berliner Singakademie zu stellen; d. h. also, daß die Musik in der Sixtinischen Kapelle lange nicht so bedeutend war, als wie man immer erzählt.
- ↑ Der Plan ist in der Besprechung einer 1851 von Dr. Eggers im Auftrag des preußischen Kultusministeriums verfaßten Denkschrift über eine „Gesamtorganisation der Kunstangelegenheiten“ (Deutsches Kunstblatt) in Einzelheiten erwähnt. (Vgl. Berliner Musikzeitschrift: Echo 1851 Nr. 51.)
- ↑ Original in der Kgl. Hof- und Staatsbibliothek München (bisher unveröffentlicht).
- ↑ A. M. Z. 1828 S. 858.
- ↑ Blumner, Geschichte der Singakademie zu Berlin, verzeichnet R. auch später (bis 1836) als Solosänger. So oft R. nach Berlin kam, war er Gast der Singakademie.
- ↑ 1777 – 1839 berühmter Lehrer für Klavier und Komponist. Mendelssohn, Henselt, Taubert waren u. a. seine Schüler.
- ↑ Über mein Verhältnis als Kritiker zu Herrn Spontini, Leipzig 1827.
- ↑ Vgl. Anmkg. 2 auf S. 51.
- ↑ Meißner, Geschichte meines Lebens (1884 I. Band) schreibt: „. . . . . niemand empfand die Gunst des preußischen Monarchen lebhafter, als der Teplitzer Bürgermeister. Jedes Jahr ging eine Oper von Wolfram auf der Berliner Hofbühne in Szene. Auf allerhöchsten Wink öffnete sich diesen Werken eine Bühne, die selbst einem C. M. v. Weber so lange verschlossen war.
- ↑ Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums Österreich (Artikel: Wolfram).
- ↑ Börner-Sandrini, Dresden 1878.
- ↑ Vgl. Reissiger-Akten des Kgl. Hoftheaters in Dresden. Schreiben vom 2. August 1827.
- ↑ Es ist auf wörtliche Anführung der Zeugnisse besonderer Wert gelegt worden, um das landläufige Urteil über R. gleich hier zu zerstören und nicht durch Verweisen auf die Stellen erst wieder Umwege zu schaffen.
- ↑ Frz. Mayer, Ripienist beim Kirchengesang der kath. Hofkirche, erhielt die Stelle und wurde daher der erste Korrepetitor der Dresdner Oper.
- ↑ 1765 – 1845 Sänger und bedeutender Gesanglehrer. Selbst Schüler der berühmten Gesangschule Pistocchi-Bernacchi, war er Lehrer der Schröder-Devrient und Mitterwurzers.
- ↑ A. M. Z. 1829 S. 726.
- ↑ Marx’s Berliner A. M. Z. 1827 S. 127.
- ↑ Dresdner Morgenzeitung 1828 Nr. 65.
- ↑ Bisher unveröffentlicht; im Besitze des Herrn Bürgermeisters R.
- ↑ Bisher unveröffentlicht; im Besitze des Herrn Bürgermeister R.
- ↑ A. M. Z. 1837 S. 303.
- ↑ Sogar aus Moskau und London liegen Berichte vor. A. M. Z. 1838 S. 530.
- ↑ Vgl. weiter unten.
- ↑ Vgl. Spazier 1830, Scherz und Ernst über Ernst Scherzliebs: „Dresden wie es ist.“
- ↑ Fidelio wurde eigentlich von R. für Dresden gewonnen, denn die einzige bisherige Aufführung (29. 4. 1823) unter Weber war nur eine Gelegenheitsaufführung wegen einer Gastin.
- ↑ de Bach war Zirkusunternehmer.
- ↑ Unveröffentlichter Brief im Schumann-Nachlaß der Kgl. Bibliothek Berlin.
- ↑ Im Amte ergraute Musiker waren ihm vom künstlerischen Standpunkte nicht erwünscht, er hätte sie lieber in den Ruhestand versetzt und durch junge Kräfte ersetzt gesehen; (vgl. unveröffentlichten Brief im Besitze des Herrn Prof. Anacker-Dresden; für freundliche Vermittlung sei Frl. Ella und Herrn Fritz Reuter-Dresden auch an dieser Stelle gedankt).
- ↑ A. M. Z. S. 296.
- ↑ Sie tagte in dem Gebäude, in welchem heute „Meinholds Säle“ sind.
- ↑ Leider ist heute in der Familie v. Kaskel keine Erinnerung mehr an R. erhalten, wie Herr Komponist Prof. Frh. v. Kaskel in München, sowie Frau Baronin v. Kaskel in Dresden freundlichst mitteilten.
- ↑ Glasenapp II, 18.
- ↑ a b Akten im Ratsarchiv zu Dresden (C XXII 85 e).
- ↑ Vgl. Heger, Vor 50 Jahren, Dresden 1894.
- ↑ Hanslick in seiner Geschichte des Konzertwesens in Wien, S. 30 ff., Spohr (Selbstbiographie I, 49) bringen Beispiele, daß anderswo abgewiesene Künstler als Zufluchtsstätten den Zwischenakt im Theater benutzten, um sich hören zu lassen. Das kann aber nicht die Regel gewesen sein, denn auch die größten Künstler (Klara Wieck, Vieuxtemps) traten im Zwischenakt auf.
- ↑ Meist in dem 400 Personen fassenden Saale des Hotels de Pologne (heutige Sächsische Bank, Schloßstraße). Andere Säle waren der der Gesellschaft Harmonie und der des Hotels de Saxe.
- ↑ Über Dresdner Chorverhältnisse vgl. Schmid, Geschichte der Dreyßigschen Singakademie (Dresden 1907).
- ↑ Es wurden die Werke, welche in den ersten 20 Jahren (1826 – 1846) zur Aufführung kamen, zusammengestellt. Von 1846 an erscheint, seit der Aufführung der 9. Sinfonie Beethovens unter Richard Wagner, dieses Werk in den meisten Palmsonntags - Konzerten, bis es überhaupt zum „stehenden“ Werke bis heute wurde. „Das Weltgericht“, Oratorium von F. Schneider; „Messe D-Dur“ von Cherubini, Schlußchor aus dem Oratorium: „Die Pilger“ von Naumann; „Matthäus-Passion“ von J. S. Bach (Leitung: Morlacchi); „Messias“, „Jephta“, „Samson“, „Judas Maccabäus“ von Händel; „Tod Jesu“ von Graun; „Requiem“ von Mozart; „Christus am Ölberg“ von Beethoven; „Büßender David“ von Mozart, aus „Isaac“ von Morlacchi; „Lobgesang“ von Mendelssohn; „Paulus“ von Mendelssohn, aus: „Jahreszeiten“ von Haydn; „Schöpfung“ von Haydn; „Elias“ von Mendelssohn; „Stabat mater“ von Pergoles. Sinfonie C-Moll, A-Dur, F-Dur (6. und 8.), Es-Dur, B-Dur, D-Dur von Beethoven; Ouvertüre C-Dur; Ouvertüre: „Weihe des Hauses“ von Beethoven; „Jupiter“, Sinfonie von Mozart. NB. Auffallend ist die mehrmalige Aufführung der Bachschen „Matthäus-Passion“ unter Leitung von Morlacchi, des Italieners (neben Reissiger, welcher sie auch leitete). Ein schönes Zeugnis für ihn, daß er als Dirigent sich auch in die Tiefen deutscher Kunst versenkte, wo er doch als Komponist eine spätneapolitanische Richtung vertrat (Schüler Zingarellis und Matteis). Wir ergänzen sein biographisches Bild durch die Mitteilung, daß er 1837 in die engere Wahl für den Kapellmeisterposten an der Peterskirche in Rom kam. In Dresden hat er sich selbst ein Denkmal geschaffen durch Gründung des Orchester-Pensionsfonds. Einer seiner deutschen Schüler war Moritz Hauptmann.
- ↑ Die „Neunte“ ohne Chorsatz aufzuführen ist heute, wenn auch nicht die Regel, so doch nicht gerade unmöglich (N. Z. f. M. 1916 Korr. aus Hamburg). Bülow führte die Sinfonie auch ohne Chor auf. Also wäre es zu R.s Zeit gar nicht einmal so befremdend gewesen, da man überhaupt damals selten alle Sätze einer Sinfonie in einem Konzert spielte.
- ↑ Übrigens hat R. für Beethoven, wenn er in Briefen auf ihn zu sprechen kommt, nur Worte größter Verehrung. (Vgl. z. B. unveröffentlichtes Manuskript im Besitze des Herrn Prof. Anacker-Dresden.
- ↑ In der A. M. Z. 1838 S. 800 gibt Miltitz die allgemeine zeitgenössische Anschauung über das Werk wieder: Die Musiker, die das Werk mit den Proben acht- oder zehnmal gehört haben, erklären es für B.s würdig. Ich zweifle keinen Augenblick daran, da ich es aber nur zweimal gehört habe, so hat es mich nicht so angesprochen, als die anderen herrlichen Sinfonien dieses Meisters, die einen gleich aufs erstemal entzücken. Gegen das Thema und die Behandlung des Chors in melodischer Hinsicht sollte ich glauben, ließen sich auch bei öfterem Hören Einwendungen machen.
- ↑ Nebenbei sei die Gründung der Rob. Schumannschen Şingakademie (erst Dresdner Singakademie genannt) 1848 erwähnt. Sie wurde erst 1914 in die heutige Dresdner Singakademie verwandelt.
- ↑ a b Vgl. „Aus Jul. Schnorr v. Carolsfelds Tagebüchern“ (Dresdner Geschichtsblätter 1892).
- ↑ In dieses bekannte Institut, an welchem der Dichter Roquette Lehrer war, schickte R. seine Kinder.
- ↑ R. interessierte sich selbst für das Instrument (vgl. Katalog des Musikhistorischen Museums Heyer in Köln).
- ↑ Wendt, Über den gegenwärtigen Zustand der Musik in Deutschland 1836.
- ↑ A. M. Z. 1828 S. 480 ff.
- ↑ Moritz Hauptmanns Brief an Schiffner in Dresden, 6. Dezember 1843 (N. Z. f. M. 1900 S. 154).
- ↑ Vgl. Ankündigungen im Dresdner Anzeiger.
- ↑ Programm des ersten Konzertes: Mozart: Sinfonie D-Dur, Beethoven: Sinfonia eroica, Cherubini: Szene aus „Medea“ und Bachs Motette: Singet dem Herrn ein neues Lied.
- ↑ Vgl. Aufsatz in der Dresdner Abendzeitung Nr. 87, 4. September 1845 über die „Errichtung eines Konzert-Institutes in Dresden.“
- ↑ Spazier, Scherz und Ernst über Ernst Scherzliebs Dresden, wie es ist.
- ↑ 1832.
- ↑ R. selbst bearbeitete 1853 „Idomeneus“ zusammen mit Advokat Niese.
- ↑ 1842 heißt es in der Presse, daß Dresden die einzige deutsche Pflegestätte sei, die sich noch der Mission, junge Musiker zu unterstützen, bewußt ist.
- ↑ Auch bei weltlichen Veranstaltungen für gemischten Chor wurde es spät allgemeinüblich, Sängerinnen mitwirken zu lassen. Wir lesen noch 1836 (A. M. Z. S. 468) gelegentlich des Rathenower Gesangfestes: „Von jetzt an sollen immer, wie diesmal zuerst, Frauenzimmer zum Gesange gezogen werden“.
- ↑ Durch gütige Vermittlung des Herrn Hofkapellmstr. Pembaur, des jetzigen Leiters der Kirchenmusik, war es mir erlaubt worden, Einsicht in das Manuskript des demnächst im Druck erscheinenden Buches von Merkel, „Die kath. Kirchenmusik (mit besonderer Berücksichtigung der Aufführungen in der kath. Hofkirche zu Dresden)“, zu nehmen, wofür auch an dieser Stelle gedankt sei.
- ↑ Vgl. Tagebuch der Geschichte Dresdens im 19. Jahrhundert, gehalten von Ch. C. Hohlfeld. (Unveröffentlichtes Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden, Msc. Dresd. d. 71.)
- ↑ Vgl. auch Wagners Brief vom 8. April 1841 (veröffentlicht in der Frankfurter Zeitung, 26. September 1899), in welchem Wagner von dem erquickenden, liebenswürdigen Entgegenkommen R.s spricht und zugleich von dessen Interesse am Rienzi Zeugnis gibt, indem er mitteilt, daß R., da ihm die Partitur „keineswegs offiziell zugestellt worden ist“, sich dieselbe „vielmehr auf dem Privatwege von Mad. Devrient verschafft hat“. Ferner enthält bereits dieser Brief die Mitteilung von R.s zustimmendem Urteil über Rienzi.
- ↑ Vgl. Kretschmar, Ges. Aufsätze I, 478.
- ↑ Pecht: Aus meiner Zeit. München 1894. II, 137
- ↑ Das Leben Richard Wagners, II Band.
- ↑ Wir wissen, daß R. stets mit Glück bemüht war, vollwertigen Ersatz für die betreffenden Zeiten zu beschaffen, was ihm das Lob der Presse bereits eingetragen hatte. Diesmal begann aber selbst Dresden einen bisher schon im übrigen Deutschland festgestellten Mangel an Sängern zu spüren, welcher in der A. M. Z. schon 1828 (S. 428) wegen des Fehlens von geeigneten Gesangskonservatorien angekündigt wurde. Ersatz war diesmal ein Sänger Moriani, welcher hauptsächlich nur die Donizettischen Opern beherrschte, so daß eine vorübergehende Einseitigkeit des Spielplanes eintrat.
- ↑ Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden (R.-Briefe).
- ↑ Unveröffentlichte Raffiana der Hof- und Staatsbibliothek München. (Ohne Datum, aber ca. 1851.)
- ↑ Mappe XIIr, Akten im Hoftheaterarchiv zu Dresden.
- ↑ Wir bemerken dazu nur, daß Wagner selbst von gemeinen Repertoiraufführungen Mozartscher Werke unter seiner notgedrungenen Direktion spricht (Autobiographie II, 324).
- ↑ A. M. Z. 1844 S. 441.
- ↑ Vgl. auch das neue lobende Urteil über R.s Weber-Auffassung in der A. M. Z. 1844 S. 281, ferner auch das auf Seite 48 über Weber Geäußerte.
- ↑ Vgl. was der Volksschriftsteller Nieritz in seiner Selbstbiographie (Leipzig 1872 S. 368) über seine Eindrücke von dem Wesen Wagners gelegentlich eines Besuches bei ihm schreibt.
- ↑ A. M. Z. 1842, Aufsatz aus Zeitschrift Komet, S. 918.
- ↑ Original im Wagnermuseum zu Eisenach. Abgedruckt bei Glasenapp.
- ↑ Unveröffentlichtes Manuskript im Hoftheaterarchiv, Dresden.
- ↑ Katalog 1889 des Antiquariates Liepmannsohn verzeichnet ein freundschaftliches Schreiben zwischen Wagner und R., ohne daß es möglich wäre, seinen heutigen Ort zu erfahren. – Auf meine Anfrage in Bayreuth wurde nur mitgeteilt, daß das Archiv nichts R. Betreffendes enthalte. Einige Zeit später stellte ein mir bekannter Besucher, welcher Zutritt erhalten hatte, fest, daß ein R.-Brief vorhanden ist.
- ↑ Unveröffentlichtes Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden (R.-Briefe).
- ↑ Besonders fehlten Spieltenöre. – Vgl. auch A. M. Z. 1846 S. 487.
- ↑ Vgl. dazu: Pohl, Berlioz 1884, S. 41 und Briefwechsel zwischen Bülow und Liszt (hg. von La Mara. Leipzig 1898).
- ↑ Manuskript im Besitze des Herrn Bürgermeister R. Vom Verfasser dieser Arbeit erstmalig in den Dresdner Blättern für Theater und Kunst: „Der Zwinger“ Jahrg. 1918, Heft 1, veröffentlicht.
- ↑ Unveröffentlichtes Manuskript im Besitze des Herrn Bürgermeister R.
- ↑ Brief an Spohr, unveröffentlichtes Manuskript in der Kgl. Landesbibliothek Dresden.
- ↑ Unveröffentlichtes Manuskript, Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde, Wien.
- ↑ Im Besitze des Herrn Bürgermeister R.
- ↑ Aus 70 Jahren, Lebenserinnerungen, 1897.
- ↑ Vgl. Nieritz, Selbstbiographie (Leipzig 1872) die Stelle über einen Besuch bei R.s, wo Nieritz erfreut bemerkt, daß R.s Kinder seine Erzählungen kennen.
- ↑ R. hat während seiner Dienstzeit 6 Festspiele für die Kgl. Familie schreiben müssen.
- ↑ Jahrbuch des Nationalvereins für Musik 1840, S. 80.
- ↑ Als Anmerkung seien aus einem gutgemeinten, wenn auch poetisch nicht hochstehenden Gedicht folgende Verse mitgeteilt: „Warst doch ein muntrer Kerl und sangst durchs weite deutsche Land manch sinnig Lied, das reichen, wohlverdienten Beifall fand, doch nun steht die Mühle still.“ (Anspielung auf die Felsenmühle. Gregoir, Panthéon musicale 1876).
- ↑ Treumund Wanderer, Dresden und die Dresdener. 1846.
- ↑ Vgl. Dresdner Anzeiger, 8. Oktober 1900, „Ein Brief R.s“.
- ↑ Unveröffentlichte Manuskripte in der Kgl. Bibliothek Berlin, Bibliothek der Musikfreunde Wien und Kgl. Landesbibliothek Dresden.
- ↑ Die Chromatik war eine Zeiterscheinung. Spohr, von Mozart beeinflußt, verwendete sie häufig.
- ↑ Erst später (1839) schreibt er einmal an Breitkopf & Härtel (unveröfftl. Reissigeriana im Archiv der Firma), daß er jetzt vorsichtiger in der Wahl der Texte geworden ist.
- ↑ Melodie nach dem Walzer: „Webers letzter Gedanke“.
- ↑ Noch Manuskript (Kgl. Landesbibliothek Dresden). Die Verwendung der Harfe ist besonders beachtlich, denn für dieselbe war lange Zeit nicht geschrieben worden. Im Nachlasse R.s fand sich auch die Harfe bei einem Terzett aus der Oper: „Der Ahnenschatz“, zugleich mit Orchester, verwendet. Die Zeitgenossen R.s Boieldieu und Simon Mayr (1763 – 1845) verwendeten die Harfe ebenfalls.
- ↑ Er wurde im Nachlasse gefunden, war aber vorher schon einmal in der A. M. Z. 1840 als Faksimile erschienen. Die Redaktion richtete, um bekannte zeitgenössische Tonsetzer zu ehren, an Mendelssohn, Meyerbeer, Reissiger und Spohr die Bitte, in dem Jahrgang eine Originalkomposition zum Abdruck bringen zu dürfen, R. machte sich durch den genannten Chor tatsächlich Ehre. Er hat ihn sonst nie veröffentlicht, Max Friedländer nahm ihn in das Kaiserliederbuch für gemischten Chor (1915) auf.
- ↑ Wagners Briefe an Uhlig, Fischer, Heine (Leipzig 1888), S. 193.
- ↑ Reissiger-Akten im Hoftheaterarchiv zu Dresden (Brief vom 21. Juli 1826).
- ↑ Es sei erwähnt, daß R. auch eine Musik zu Faust 2. Teil schrieb (Manuskript im Hoftheaterarchiv zu Dresden).
- ↑ Eine Oper: Hannibal wurde nur geplant, 1836.
- ↑ Unveröffentlichter Brief in der Sammlung Liebeskind, Leipzig.
- ↑ A. M. Z. 1822 S. 168.
- ↑ A. M. Z. 1829 S. 488. NB. Es gab damals auch einen „letzten Gedanken von Bellini“.
- ↑ Daher auch viele Auflagen mancher Kompositionen zu Lebzeiten R.s.
- ↑ Iris 1840 S. 66.
- ↑ Unveröffentlichte Raffiana in der Hof- und Staatsbibliothek München.
- ↑ a b Unveröffentlichte Manuskripte in der Kgl. Landesbibliothek Dresden (R.-Briefe).
- ↑ Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts hat man in der Dresdener Stadtkapelle mit ihrer Einrichtung der Ausbildung von Lehrlingen das einzige musikalische Erziehungsinstitut zu sehen.
- ↑ In der Hof- und Staatsbibliothek München (Raffiana).
- ↑ Die Oper: „König Alfred“ von Raff wurde 1851 in Weimar von Liszt aufgeführt.
- ↑ Die ersten Kompositionen der Cl. Schumann tragen R.s Gepräge.
- ↑ Briefe des Herzogs im Besitze des Herrn Bürgermeister R. (Vgl. auch Ohorn, A. Ernst II, von Koburg. Leipzig 1894.)
- ↑ Vgl. Anmerkung 2 auf Seite 74.
- ↑ Marie Wieck. Aus dem Kreise Wieck-Schumann. Dresden 1912.
- ↑ Im Schumann-Museum zu Zwickau.
- ↑ A. M. Z. 1832 S. 673 und 1837 S. 608.
- ↑ Er machte Studien in den Kgl. Familienarchiven, wobei er sich sogar um die Auffindung des Schützschen Daphnetextes bemüht zu haben scheint.
- ↑ Unveröffentlichte Manuskripte in der Kgl. Bibliothek Berlin, Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde. Wien, im Wagner-Museum, Eisenach und im Besitze des Herrn Bürgermeister R.
- ↑ Unveröffentlichtes Manuskript im Schumann-Nachlaß. Kgl. Bibliothek Berlin.
- ↑ a b Abschriften im Archiv der katholischen Hofkirche zu Dresden.
- ↑ a b c d Abschriften im Archiv der katholischen Hofkirche, Dresden.
- ↑ Manuskripte und Abschriften im Archiv der katholischen Hofkirche, Dresden und Königl. Landesbibliothek, Dresden.
Anmerkungen (Wikisource)