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lernen, und gewiß ist mir diese französische Oper nützlich, wenn mich der liebe Gott vor Abwegen bewahrt und vor Mißverständnissen, die leider unser Compositeur Blum[1] in Berlin in vollem Maße aufgegriffen hat, wenn er glaubt, er gibt den Deutschen etwas französische Musik, und er habe sich gar die französische Schule anzueignen gewußt.“

Nebenbei sei eine Stelle erwähnt, wo Reissiger von einem der Vorläufer unserer heutigen Schutzfrist- und Tantiemegesetze Bericht erstattet (im Ministerbericht): „So schlecht es nun aber auch um die Franzosen in Ansehung des strengen Stiles steht, so sind sie im Dramatischen zu einer bedeutenden Höhe gestiegen, und es wird in dieser Gattung der Komposition viel getan, da sie sehr einträglich ist; und ich kann dabei nicht unterlassen, nicht allein die Regierung zu loben, welche so, wie für andere Künste, so auch für die Musik und besonders dramatische Komposition sehr schöne Einrichtungen gemacht hat, sondern muß eine andere besonders erwähnen, da sie von großem Nutzen ist. In Frankreich erhält jeder Komponist, sobald eine Oper von ihm gefällt, zeitlebens einen Teil der Einnahme von allen Theatern in Paris und in den Provinzen, wo sie gegeben wird, so daß ein talentvoller Musiker, der davon zwei bis drei mit glücklichem Erfolge auf die Bühne gebracht hat, anständig und sorgenfrei leben kann. Natürlich strengt sich jeder an, etwas Gutes zu liefern. Damit aber auf den vier königlichen Theatern keine unwürdigen Werke aufgeführt werden, ist ein Komitee ernannt, bestehend aus sechs der berühmtesten Männer: Cherubini, Kreutzer, Paër, Catel[2], Lesueur, Boieldieu, welche über den Wert oder Unwert eines musikalischen Werks unparteilich entscheiden und die Komposition im letzteren Falle verwerfen können, in welchem sogar der Autor die Kopialien bezahlen muß, die sich immer auf 1500 Francs belaufen. Dadurch wird jeder schon abgeschreckt, der sich nicht etwas Gutes zu liefern getraut, und im Gegenteil jeder talentvolle Künstler aufgemuntert, in dieser Gattung der Komposition alles zu wagen, um sich ein sorgenfreies Leben zu verschaffen, was einem bloßen Komponisten in Deutschland, wenn er nicht das besondere Glück hat, ein einträgliches Amt zu erhalten, nicht so leicht wird. Ebenso hat jedes Theater seine Dichter, die eine gewisse Zahl neuer Opernbücher liefern müssen, die ebenfalls bei uns so schwer und mit so großen Kosten nur zu erhalten sind, und wodurch die deutschen Theater genötigt werden, zu Übersetzungen französischer Werke zu schreiten.“

Im vorher angeführten Briefe fährt Reissiger dann fort:,,Nun ich schwatze Ihnen da recht viel albernes Zeug, und es tut mir wohl, meine freie, Meinung heute äußern zu können, da ich diesen ganzen Abend bei Paër wo auch Berton[3], Auber, Canetti[4], Lafont[5], Baillot[6] waren, das nicht tun konnte. Denken Sie, was haben wir den ganzen Abend gemacht? Lotto gespielt mit mehreren Personen vom Theater! Dann wurde noch um ½12 Uhr


  1. Karl Blum, 1786 – 1844 Dichter und Komponist, schrieb viel leichtere Bühnenwerke (Operetten, Vaudevilles), die heut vergessen sind.
  2. 1773 – 1830 Dirigent und Lehrer am Pariser Konservatorium.
  3. 1767 – 1844 Theorielehrer am Pariser Konservatorium.
  4. Ital. Opernkomponist, geb. zu Crema um die Mitte des 18. Jahrhunderts.
  5. 1781 – 1839 berühmter Violinvirtuos.
  6. 1771 – 1842 berühmter Violinvirtuos und Lehrer.