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Musikwesens, Vicomte Sosthènes de Rochefacault, der von der Musik nichts weiß und ihre feinen Fugen (Zusammenfügungen) nicht kennt. Als ihm Cherubini seine Aufwartung machte, mußte ihm der Bediente erst sagen: „Excellence, c'est le Directeur du Conservatoire.“ Beim Eintreten fragte ihn der Minister vornehm: „Est ce que vous avez déjà composé un opéra?“ Dieser Herr Vicomte läßt sich einfallen, die Direktion der Académie royale umzustürzen. Unter vielen anderen dankt er den braven Kreutzer ab, der noch ein sehr rüstiger Mann ist, er setzt Habeneck an dessen Stelle, der Kreutzer nicht das Wasser reicht! Diese Eingriffe geschahen, ohne daß Cherubini, Lesueur, Berton, Boieldieu, die Direktion dieses Theaters, im geringsten davon unterrichtet wurde. Diese vier gaben sogleich ihre Entlassung ein und Cherubini zugleich auch die seinige am Conservatoire. Es wird also große Mühe für den neuen Simson haben, das eingerissene Gebäude wieder aufzuführen. Diese Geschichte beschäftigt alle Theaterliebhaber, ebenso wie die Journale und Musiker. Letztere sprechen seit vierzehn Tagen nichts anderes, alle ihre Sinne sind darüber ins Stocken geraten. Beim italienischen Theater geht es ebenso. Dem Paër ist die Stelle als erster Direktor genommen worden. Rossini ist ihm vorgesetzt und mit 24 000 Francs engagiert worden. Dieser macht Veränderungen und Neuerungen nach Herzenslust. Die ganze musikalische Theaterwelt ist in Aufruhr versetzt worden.“

Beinahe hätte Reissiger hier in Paris die Bühnenlaufbahn ergriffen. Wir lesen: „Die Aufforderung Paërs, als Sänger zum italienischen Theater zu gehen, ist bei mir gehörig überlegt worden, aber diese Revolution hat mir das Theater etwas verleitet, so daß ich wohl nie ein sogenannter Theaterheld werden möchte! Obgleich Rossini sehr viele italienische geübte Sänger engagiert hat, so würde er gern auf mich reflektiert haben, aber, wie gesagt, ich fühle keine rechte Lust dazu in mir und will lieber den Weg gehen, den mir Berlin gezeigt hat, obgleich ich keine rechte Spur von ihm kenne und nicht ganz eigentlich weiß, wohin er mich führen wird! Mein Entschluß ist, Mitte Januar über Lyon, Turin nach Mailand zu reisen, dann Genua zu sehen, von da über Florenz nach Rom zu gehen und dort während der Karwoche zu bleiben. Ob ich Neapel werde berühren können, wird von der Güte des Ministers abhängen. Ich habe ihm ein sehr wahres Gemälde von 500 Talern gemacht, die in Paris allein draufgehen, wenn man dorthin reisen, leben – hören – sehen und sich kleiden soll, um anständig zu leben, zu hören und zu sehen! Ich hoffe, der Minister wird mir gewiß noch 200 Taler zulegen und mir noch ein Jahr Urlaub geben. Wäre ich nicht in preußische Dienste getreten, so böte mir Paris jetzt ein sorgenloses Leben an. Ich könnte sehr vorteilhafte Stunden geben, und meine Kompositionen würden mir viel einbringen, wenn ich mich in die Franzosen schicken will!

Binnen vier Wochen hoffe ich meinen Operntext von Hofrat Döring zu erhalten. Alles gefiel mir sehr gut, nur eine Ähnlichkeit mit dem „Freischütz“ behagte mir nicht darin. – Döring hat die Fabel sehr gut bearbeitet. Finales sind darin von ungemeinem Effekt, Stoff zu guten Chören ist hinreichend vorhanden und Gelegenheit zu schönen Dekorationen für die schaulustige Menge – Döring wird hoffentlich ändern, was ich ihm an dem Buche ausgesetzt habe.