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Seite:Heft29VereinGeschichteDresden1921.djvu/16

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festlich feierlichen Einweihung des neuen Gotteshauses – es wurde wie die Kapelle im alten Komödienhaus der heiligen Dreieinigkeit geweiht – eine neue Ära begann. Freilich als zur Ehre Gottes damals während des Hochamts[1], wie berichtet wird, die große D-Moll-Messe erklang und dann am Schlusse der Feier das Tedeum (D-Dur)[2], da geschah es noch von einem provisorisch errichteten Gerüst herab. Der Chor in seiner jetzigen Gestalt wurde erst später (1755) vollendet, und die Fertigstellung und Einweihung der Orgel (2. Februar 1754) erlebte ihr Erbauer, G. Silbermann, nicht mehr, der am 4. August 1753 gestorben war. Aber dann als Chiaveris Bau, im wesentlichen fertiggestellt, die Wahrheit des Wortes zu bestätigen schien, daß das Licht, das um die Formenwelt des reifen Barock spielt, ein rein musikalisches geworden sei, dann hatte die katholische gottesdienstliche Musik in Dresden ein Heim gewonnen, in dem sie zunächst gar keinen anderen der zeitlichen und örtlichen Umwelt entsprechenden Stil und Charakter hätte finden können, als den, den ihr der bedeutendste Vertreter des italienischen Musik-Barock in Deutschland, J. A. Hasse, gab. Wenn dieser Meister noch immer nicht die volle ihm gebührende kunstgeschichtliche Würdigung genießt, so liegt dies wohl darin begründet, daß Euckens auf die Denker des Renaissancezeitalters gemünzter Ausspruch, daß bei ihnen bei allen glänzenden Einzelleistungen das Ganze voller Widersprüche sei, durchaus auch auf Hasses künstlerisches Schaffen paßt. Es ist hier begreiflicherweise nicht der Ort, näher einzugehen auf diesen Mangel von innerer, organischer Einheitlichkeit und Gleichwertigkeit in seinen Werken. In seinen Kirchenkompositionen, auf die es hier ankommt, erhebt er sich oft in einzelnen Sätzen zu einer Stilgröße, in der sich der Schüler des großen Scarlatti offenbart, um dann wieder in jenen unmittelbaren Zeitstil zu verfallen, den Bach geißeln wollte, wenn er von den „schönen Dresdner Liederchen“ sprach. Im allgemeinen wird man sagen dürfen, die Verweltlichung und Veroperung der Kirchen- und kirchlichen Musik durch die neapolitanische Schule


  1. Als Kirchensymphonie, d. h. an Stelle des erst in den 40er Jahren des XIX. Jahrhunderts eingeführten Graduale wurde ein Concerto grosso von dem berühmten Geiger und Konzertmeister J. G. Pisendel gespielt. Fürstenau, Beiträge z. Gesch. d. Kgl. Sächs. Musikal. Kapelle, 1849 (S. 144).
  2. Karl Näke, Gesanglehrer am Blindeninstitut in Dresden, berichtet in seinen „Gesprächen und Unterhaltungen mit verschiedenen Personen“ (Manuskript, begonnen am 19. September 1841, beendet am 5. April 1871; im Besitz des Verfassers) nach Aloys Miksch Erzählung: Hasse soll, als er das Motiv zu seinem Tedeum gefunden hatte, es einem Bauer auf den Rücken geschrieben haben, um es vor Augen zu haben und zu sehen, was sich daraus machen ließe. Der zum Schlusse vorkommende Kanon soll besonders Weber entzückt haben; er hatte behauptet, daß es auf diese Worte kein schöneres Thema gebe. Darüber, weshalb Hasse daraus nicht eine vollständige Fuge gemacht hätte, sagte Miksch, er habe entweder nicht Zeit genug gehabt, oder die Komposition wäre ihm sonst zu lang geworden. Doch waren hier, wie einzuschalten ist, wohl kirchliche Anschauungen und Vorschriften maßgebend.