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Seite:Heft29VereinGeschichteDresden1921.djvu/23

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wurde im Jahre 1810 Francesco Morlacchi, dessen Verdienste um die Kapell- und Kirchenmusik nicht gering einzuschätzen sind. Huldigte er auch in seinen Kompositionen, Messen, Oratorien usw. nur zu willig dem am Hofe durch Friedrich August vertretenen italienischen Geschmack in Gestalt einer ins Süßliche verfallenden Melodik[1], so setzte er sich dafür als Dirigent und Organisator für die Güte der Aufführungen mit glänzendem Erfolge ein. Der Umstand, daß sie einen europäischen Ruf erlangten und im Jahre 1814 das Entzücken des russischen Gouverneurs, des Fürsten Repnin, und seiner Landsleute erregten, trug im Verein mit Morlacchis unentwegtem Eintreten in Schrift und Wort nicht wenig dazu bei, daß die Kapelle damals vor der drohenden Auflösung bewahrt wurde, was schließlich sogar zur Gründung eines Staatstheaters, des späteren Hoftheaters, führte. Wie einschaltend bemerkt sei, geschahen diese Aufführungen durch ein Orchester von 16–20 Geigen, 5 Bratschen, 5 Bässen und Celli, 4 Fagotts, die anderen Blasinstrumente in einfacher Besetzung, zu dem sich ein ausgezeichneter Sängerchor und als Solisten für Alt und Sopran gute Kastraten, für die anderen Stimmen aber die besten Sänger der italienischen Oper gesellten. Der Orchesterklang war seit dem Jahre 1794 durch dauernde Aufnahme der Klarinetten bereichert worden, die zum ersten Male im Jahre 1792 in Paesiellos am Karsonnabend aufgeführten Oratorium „La Passione di Gesù Christo“ Verwendung gefunden hatten. – Das Instrument hatte im Gegensatz zur Oboe, als Quasi-Vertreterin der Knabenstimme, als solche der Frauenstimme und damit als unkirchlich gegolten. – Die Posaunen, die schon im Beginne des 18. Jahrhunderts mehr und mehr verschwunden waren, kamen, heißt es, zum ersten Male mit Mozarts Requiem (siehe weiter unten) wieder in die Kirche und fanden dann auch in dem von Morlacchi für die Totenfeier Friedrich Augusts des Gerechten komponierten (1827) Verwendung, während der Merkwürdigkeit halber noch erwähnt sei, daß Hasse den orchestralen Glanz des Orchesters seines Requiems in C durch 6 Trompeten erhöht hatte.

Aus diesen Tagen und aus denen der Sonnenhöhe des großen Napoleon muß an dieser Stelle aber noch zweier, ein besonderes ortsgeschichtliches Interesse beanspruchender kirchlicher Feiern gedacht werden.

Am Abend des 24. Mai 1812, vor dem großen den Kaisern von Frankreich und Österreich wie ihren Gemahlinnen zu Ehren veranstalteten Festkonzert der Kapelle im alten Opernhaus, wohnte Napoleon einem vom Erzbischof von Mecheln, de Pradt, zelebrierten Hochamt bei. Er erschien, nachdem der (sächsische) Hof fast eine Stunde gewartet hatte, in der Königlichen Betloge, öffnete,


  1. Agnus Dei aus der E-Dur-Messe (Nr. 5) im I. Band der Musik am sächsischen Hofe. Agnus Dei aus der Messe Nr. 7 in C. H. Dörings Sammlung