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Seite:Heft29VereinGeschichteDresden1921.djvu/34

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Außerstande, sich vom künstlerischen Standpunkt aus der radikalen Richtung in der cäcilianischen Bewegung anzuschließen, hatte Wüllner, wie Rheinberger in München u.  a., deren berechtigten Kern wohl erkennend, seinen Reformbestrebungen im Einvernehmen mit der kirchlichen Oberbehörde einen vermittelnden Charakter gegeben und sie vor allem mit den in einer großen geschichtlichen Überlieferung begründeten bestehenden Verhältnissen in Einklang zu bringen getrachtet. Dementsprechend kamen die Instrumentalmusiken in den sogenannten geschlossenen Zeiten – Advent- und Fastenzeit – in Wegfall und an ihre Stelle trat die Pflege der strengeren Vokalmusik. Eine Maßnahme, die einerseits dem kirchlichen Standpunkt Rechnung trug und anderseits gleichzeitig eine Entlastung der durch den Operndienst immer mehr in Anspruch genommenen Kapelle bedeutete. Die dadurch bedingten höheren Anforderungen an den Hofkirchenchor machten nun aber dessen Verstärkung nötig, und so wurde dieser durch Frauenstimmen ganz wesentlich in seiner Leistungsfähigkeit erhöht. Seine Leitung übernahm, wie die der Vokalmusiken überhaupt, der schon genannte Hoforganist und Kapellknabeninstruktor Edmund Kretschmer[1], der durch die auf persönliche Entschließung König Alberts erfolgte Verleihung des Titels eines Königlichen Kirchenkomponisten ausgezeichnet wurde, dessen letzter Träger der im Jahre 1824 verstorbene Franz Anton Schubert gewesen war. Nachfolger Edmund Kretschmers im Organistenamt wurde der seit 1886 als zweiter Hoforganist angestellte Paul Brendler. Bedeutete schon die stärkere Heranziehung der Vokalmusiken zu den Gottesdiensten zugleich eine Bereicherung des Repertoires, dem auch ihr Leiter manches wertvolle Werk beisteuerte, so erweiterte dieses Wüllner wiederum, was die Orchestermusiken anlangt, in sehr bemerkenswerter Weise. Bis dahin war im wesentlichen an der Überlieferung festgehalten worden, der zufolge in der Regel nur Werke aufgeführt wurden, die für das Dresdner Gotteshaus komponiert waren. Ausnahmen wurden in früheren Zeiten nur am Cäcilientage (22. November) gemacht, an dem stets andere Werke zu Gehör kamen. Später waren vereinzelt wohl Kompositionen von Mozart (siehe oben), Josef Haydn, Hummel (D-Moll-Messe), Michael Haydn (Offertorium Laudate Dominum) u. a. im Repertoire erschienen. Eine Messe von Palestrina[2] pflegte früher am Palmsonntag aufgeführt zu werden, und das mit einer von Schürer stammenden Instrumentalbegleitung (!), die zwar harmlos mit den Stimmen ging, aber doch dankenswerterweise


  1. Otto Schmid: Edmund Kretschmer. Dresden 1890. S. 89. Nach seinem im Jahre 1908 erfolgten Tod wurde sein Sohn, Franz Kretschmer, später zum Königl. Musikdirektor ernannt, Instruktor der Kapellknaben und Leiter der Vokalmusiken. Verfaßte dankenswerte Aufzeichnungen (Manuskript) über seine Tätigkeit am Kapellknaben-Institut, beginnend mit dem 1. Otkober 1897.
  2. Die berühmte Marcellus-Messe hatte Zelenka in Abschrift aus Italien mitgebracht.