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Freitag, 29. Juni.

Schwauß, Häpe, Pikart sind ihrer Ämter entsetzt, binnen 24 Stunden aus dem Lande resp. der Stadt verwiesen. Ebenso ist die unter Mann zurückgebliebene Abteilung des Kriegsministeriums außer Betrieb gesetzt. Landeskommission[1] hat in beiderlei Beziehung Protest eingelegt. Schwauß fällt zweierlei zur Last: 1. hat er abgelehnt, auf einen preußischen Landwehrdeserteur zu vigilieren; 2. hat er die vorerwähnte Proklamation von Prag, 23. Juni, drucken und am Landhaus anschlagen lassen. Eins so unklug wie das andere. Man sagt, er wollte fortgeschickt werden[2]. Die Preußen scheinen schärfere Saiten aufziehen zu wollen.

Neue Kriegsenten. Von dem Elbkorps sollen 12 000 Mann abgeschnitten und gefangen sein. Schon die Zahl spricht gegen die Glaubhaftigkeit. Fortdauernde Gefechte auf den verschiedenen Einbruchslinien, ohne entscheidende Erfolge.


Sonnabend, 30. Juni.

Heute sind erst 14 Tage um, und wie lange ist einem diese Zeit geworden. Man scheint etwas paff nach dem gestrigen Einschreiten. Die Berliner Siegesnachrichten, welche mit den österreichischen größtenteils in direktem Widerspruche stehen, wirken auf viele sehr deprimierend, nicht minder die bekanntgewordene Kapitulation der Hannoveraner; sie beginnen bereits auf Österreich zu schimpfen und die Bayern – Verräter zu nennen. Das Verhalten Bayerns gibt allerdings Stoff zum Nachdenken, da es neben dem hingehaltenen Köder der südwestdeutschen Militärsuprematie eigentümlich schillert[3]. Nach der Bayrischen Zeitung erfahren wir, daß auch bereits in Plauen i. V. ein ganzes bayerisches Ulanenregiment gesehen worden ist, aber schleunigst wieder verschwunden ist. Man erzählt, daß die bei Münchengrätz im Feuer gewesenen sächsischen


  1. Die Minister Beust und Rabenhorst hatten mit dem König das Land verlassen. Zur Fortführung der Regierungsgeschäfte war eine Landeskommission unter Freiherr v. Falkenstein eingesetzt worden. Zu ihr gehörten außer Falkenstein Freiherr v. Friesen, Dr. R. Schneider und als Vertreter des Militärs der Generalleutnant v. Engel. Vom Kriegsministerium war Geh. Kriegsrat Mann zurückgeblieben.
  2. Polizeidirektor Schwauß hatte sich auch geweigert, die Kundgebung Herwarths v. Bittenfeld vom 19. Juni in Dresden öffentlich anschlagen zu lassen (Sturmhoefel, Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande, 2, 2, 428). Pikart war Polizeirat.
  3. Die sächsische Regierung hatte auf Bayerns Hilfe ernstlich nicht rechnen können. Schon am 1. Juni erkannte auf der Konferenz der Militärbevollmächtigten der deutschen Mittelstaaten der sächsische Oberst v. Montbé, daß eine rechtzeitige Mitwirkung der bayrischen Armee nicht in Frage kam, infolgedessen nicht der militärische Anschluß an diese, sondern nur der Rückzug über das Erzgebirge auf die österreichische Nordarmee geboten war (Schuster und Franke, Geschichte der Sächsischen Armee, 3, 94 ff.). Über Bayerns Haltung im Juni siehe auch v. Friesen, Erinnerungen, 2, 171 ff. Bayern lehnte jede Zusammenarbeit mit Österreich ab, verlangte den Oberbefehl in Süddeutschland und trug sich mit dem Gedanken der Gründung eines Süddeutschen Bundes.
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/29&oldid=- (Version vom 8.5.2024)