Kriegstage in Dresden 1866 und 1870

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Autor: Erwin Heyne (Hrsg.)
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Titel: Kriegstage in Dresden 1866 und 1870
Untertitel: Tagebuchaufzeichnungen von Stadtrat Edmund Peschel
aus: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. 31. Heft.
Herausgeber: Verein für Geschichte Dresdens
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Erscheinungsdatum: 1933
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Erscheinungsort: Dresden
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[Einband]
Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens




31. Heft


Kriegstage in Dresden
1866 und 1870


Tagebuchaufzeichnungen
von
Stadtrat Edmund Peschel
Herausgegeben von
Dr. Erwin Heyne



Dresden 1933

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Edmund Peschels
Tagebuchaufzeichnungen

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Stadtrat Edmund Peschel
Nach einem Bilde im Dresdner Stadtmuseum

[Deckblatt]
Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens




31. Heft


Kriegstage in Dresden
1866 und 1870


Tagebuchaufzeichnungen
von
Stadtrat Edmund Peschel
Herausgegeben von
Dr. Erwin Heyne


Dresden 1933

C. Heinrich, Dresden-N.

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[Inhalt]


Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung: Karl Heinrich Edmund Peschel 7
Peschels Tagebuchaufzeichnungen vom 16. Juni 1866 bis 3. November 1866      13
Seine Tagebuchblätter vom 17. Juli 1870 bis 2. Oktober 1870 72
Personenverzeichnis 88
Sachverzeichnis 93



[-]

[7]
Karl Heinrich Edmund Peschel.

Am 15. Mai 1916 starb in Dresden die Stadtratswitwe Therese Peschel. Ihrem Nachlaß entstammen die vorliegenden Tagebuchaufzeichnungen ihres Mannes Edmund Peschel aus den Jahren 1866 und 1870.

Karl Heinrich Edmund Peschel wurde am 1. März 1817 zu Dresden geboren. Sein Vater war der königlich-sächsische Unterleutnant und Lehrer an der Ritterakademie Karl Friedrich Peschel (geb. 1793, gest. 1852; 1823 Oberleutnant, 1836 Hauptmann). Der Urgroßvater des Leutnants Peschel war Brauherr und Pächter der kurfürstlichen Brauerei zu Schloß Pillnitz, der Großvater Hofuhrmacher zu Dresden, ebenso der Vater, der zugleich das Amt eines Dresdner Ratsuhrmachers bekleidete. Die Abstammung von dessen Frau, einer geborenen Künzel, führt, wie die eingehenden familiengeschichtlichen Forschungen des Neffen des Tagebuchverfassers, des Rittmeisters a. D. Friedrich Edmund Peschel, ergeben haben, auf die alte Meißner Ratsherrenfamilie Badehorn zurück, der auch Otto von Bismarcks Mutter, Luise Wilhelmine geb. Menke, entstammt. Es liegt also eine Versippung der Familien Peschel und Bismarck vor. Der gemeinsame Ahnherr von Bismarcks Mutter und des Stadtrats Peschel Großmutter war Sigismund Badehorn, Tuchmacher und Stadtrichter zu Meißen (genannt 1410).

Henriette Wilhelmine, die Gemahlin des Leutnants Peschel, (1793 bis 1859), gehörte der bis ins 16. Jahrhundert nachweisbaren Quedlinburger Ratsherrenfamilie Steinacker an, die dann im 18. Jahrhundert nach Leipzig übersiedelte und hier im Kaufmannsstande lebte.

Ein Bruder Edmunds war Oskar Ferdinand Peschel, der spätere berühmte Geograph und erste Vertreter dieses Faches an der Universität

[8] Der Vater stand im Rufe eines Mannes von hoher Bildung und eines besonders begabten Offiziers[1]. Er ließ dem ältesten Sohne Edmund in der königlich-sächsischen Ritterakademie die Vorbereitung für das Studium zuteil werden. Nach der Revision von 1811 wurden in dieser Anstalt nicht nur die künftigen Offiziere, sondern auch junge Leute für die akademische Laufbahn herangebildet, und seit ihrer Vereinigung mit der in der „Militärakademie“ zusammengefaßten und auch von Bürgerlichen besuchten Ingenieur- und Artillerieakademie im Jahre 1831 war sie auch dem Bürgerstande offen[2]. 1832 finden wir Edmund Peschel als Extraner der ersten Division (Divisionen hießen die einzelnen Jahrgänge; damals fünf). Er erhielt in diesem Jahre ein mathematisches Buch als Prämie für gute Leistungen in der Mathematik. Nach seinem Abgange von der Ritterakademie studierte Edmund Peschel Rechtswissenschaft (wahrscheinlich in Leipzig); vom 1. Juli 1839 bis 30. März 1840 arbeitete er als Akzessist bei der 3. Abteilung des Dresdner Stadtgerichts[3]. Wie aus seinen früheren Aufzeichnungen von 1841 bis 1847 hervorgeht, war er dann in den Gerichtshaltereien des Finanzprokurators und Gerichtsdirektors Moritz Zenker tätig (v. Carlowitzsche und v. Lüttichausche Gerichte). Er bemühte sich in dieser Zeit wiederholt, eine selbständige Stellung zu erlangen, gab 1842 eine Schrift über den Entwurf des neuen Kriminalprozeßverfahrens für das Königreich Sachsen heraus (wahrscheinlich die bei C. L. Fritzsche in Leipzig im September erschienene und von den Dresdner Buchhandlungen Arnold, Winkler und Kori angezeigte Abhandlung ohne Verfassernamen: „Der Entwurf eines Strafprozeßgesetzes für Sachsen, nach den Forderungen der Wissenschaft und des Vaterlandes betrachtet von einem praktischen Juristen“), betätigte sich auch in der schönen Literatur und wurde Advokat. In dem Buche „Dresden [9] und die Dresdner oder Spiegelreflexe aus Dresdens Gegenwart“, Leipzig 1846, heißt es bei der Betrachtung der damaligen literarischen Zustände Dresdens: „Ein junger Advokat, gesinnungstüchtig, frisch und frei, Edmund Peschel, dem Anschein nach – so muß ich sagen, denn er hat unter seinem Namen noch nichts veröffentlicht, obwohl die eine oder die andere der auswärtigen besseren Zeitschriften seiner Mitarbeiterschaft sich erfreut –, ein gewandter Dichter und Dramaturg, neben großer Gediegenheit in seinen juristischen Abhandlungen, verdient hier eine ehrenvolle Erwähnung.“ Er selbst schreibt am 28. Februar 1847: „Was habe ich in dieser Zeit (1843 bis 1846) durchgemacht! Das hohle Journalistentreiben gekostet, der literarischen Misere in die Karten geschaut; dazu in die Advokatur hineingerückt und nach Kräften in dem neuen Elemente geplätschert.“

In den Sturmjahren 1848/49 stand Peschel in den Reihen der Anhänger des monarchisch-konstitutionellen Systems. Er trat in den auch in Dresden gegründeten Deutschen Verein und gehörte dessen Ausschuß an[4]. Als die Wahlen zur Nationalversammlung in Frankfurt heranrückten, wurde auch sein Name auf die Vorschlagsliste des Deutschen Vereins für die 110 Dresdner Wahlmänner gesetzt. Die Wahlen brachten ihm jedoch keinen Erfolg. Bei den Neuwahlen des Stadtverordnetenkollegiums nach der Revolution im November 1849 erhielt Peschel mit 1433 Stimmen als Unansässiger ein Mandat; er wurde Stadtverordnetenvorsteher und 1853 gelegentlich der Reorganisation des Rates als vierter besoldeter Stadtrat gewählt und ernannt[5]. Am 2. Mai fand die Verpflichtung Peschels und der ebenfalls neu in das Ratskollegium eintretenden Stadträte Hempel und Lehmann durch Bürgermeister Pfotenhauer statt. Peschel gehörte zunächst der 2. Ratsabteilung an und führte bis 1866 die Direktion der Baupolizeiexpedition, der städtischen Gasanstalt und des [10] öffentlichen Beleuchtungswesens. Aus dem Jahre 1865 besitzen wir Tagebuchnotizen von seiner Hand über eine Reise nach Paris, die er mit seiner Gemahlin Therese, einer Schwester der bekannten Dresdner Hofschauspielerin Marie Bayer-Bürck[6], unternahm, und auf der er das Gasbeleuchtungswesen der französischen Hauptstadt kennen lernte.

Am 1. August 1866 übernahm er nach dem Ausscheiden des Stadtrats Franz Eduard Gehe in der 1. Ratsabteilung die Verwaltung des Dresdner Schulwesens als Direktor der Kirchen- und Schulexpedition und der Kinderbesserungsanstalt, als Mitglied der Gymnasialkommission für die Kreuzschule und Vorstand der Schuldeputation für die Real-, Bürger-, Bezirks- und Armenschulen.

In seinen Tagebuchblättern aus der Zeit der Auseinandersetzung zwischen Preußen und Österreich und der Entstehung des Reiches tritt uns Peschel als erklärter Feind der Beustschen Politik und als Anhänger der kleindeutschen Richtung entgegen.

Erst 54 Jahre alt, erlag Edmund Peschel am 26. Juni 1871 schwerer Krankheit. Auf dem alten Neustädter Friedhof ist er an der Seite seiner Eltern bestattet; hier ruhen auch seine Gattin, seine Schwester Ida Corinna v. Elterlein und deren Kinder. Das Grab befindet sich unweit der Ruhestätte seines nach ihm (1875) verschiedenen Amtsvorgängers im Dresdner Schulwesen, Franz Eduard Gehe.

Edmund Peschels Tagebuchaufzeichnungen von 1866 und 1870 lassen in reicher Fülle Ereignisse und Persönlichkeiten jener bedeutsamen Zeit an uns vorüberziehen. Aber sie bieten noch mehr. Wenn auch durchweg nur in knappen Worten und kurz umrissener Form, oft nur andeutungsweise, bringen sie ausgezeichnete Einblicke in die Stimmungen, in die zeitgenössischen Meinungen und Ansichten über die großen politischen Probleme jener Tage. Skizzen des Dresdner Lebens in Bürgerschaft und [11] Stadtparlament, sächsische und deutsche Fragen, das Wirken politischer Parteirichtungen, persönliche Urteile, Hoffnungen und Wünsche des Verfassers, ab und zu kleine Hinweise auf die eigene Lebensgestaltung und die Familie, all das reiht sich in buntem Wechsel aneinander, dem späteren Leser aus mannigfachsten Einzelheiten ein geschlossenes, ganzes Stück Geschichte wieder lebendig vor die Seele zaubernd. Gerade das ist an den Aufzeichnungen besonders fesselnd, daß sie den Begebenheiten so unmittelbar nahe stehen. Edmund Peschel hatte durch seine Stellung mancherlei Beziehungen und Kenntnisse, er stand mitten im öffentlichen Leben, es entging ihm nichts, was nur einigermaßen gerade von politischer und historischer Bedeutung war. Auch die Entwicklung in Stadt, engerem und weiterem Vaterland schon vor 1866 wird oft in treffenden Hinweisen gestreift.

Die Aufgabe des Herausgebers war es, durch Anmerkungen die von Peschel erwähnten Persönlichkeiten und Ereignisse näher zu kennzeichnen und, soweit es das Verständnis erforderte, einzuordnen in den allgemein geschichtlichen Verlauf der Zeit von 1866 und 1870. Ein Personen- und Sachweiser soll den Überblick erleichtern.

Es sei an dieser Stelle herzlichst gedankt für freundliche Unterstützung Herrn Oberregierungssekretär Litwinski, München, Herrn Rittmeister a. D. Edmund Peschel, Gohrisch, dem Rat, dem Ratsarchiv und der Ratsbücherei der Stadt Dresden, insbesondere Herrn Direktor Dr. Müller, Herrn Archivar Dr. Butte und Herrn Karl Hollstein, sowie dem ersten Vorsitzenden des Vereins für Geschichte Dresdens, Herrn Oberstaatsarchivar Dr. Brabant.



[12]

[13]
1866.

Sonnabend, 16. Juni 1866,

sehen wir früh zwischen ½ bis ¾8 Uhr den König mit seiner militärischen Suite zum Pirnaischen Schlage hinausreiten. Sehr murrig. Ist später um 11 Uhr zurückgekehrt und nachmittags 3 Uhr definitiv abgegangen. Proklamation: An meine treuen Sachsen[7]. Die Preußen sind in der Nacht vom 15. zum 16. bei Strehla eingerückt. Im Laufe Dienstags teilweise Verbrennung der Riesaer, Sprengung der Meißner Brücke. Die sächsischen Truppen ziehen sich in der Richtung nach Pirna aus dem Lande, und zwar nach Teplitz, wo schon am 10. sächsische Artillerie gesehen worden ist. Abends Biwaks im großen Gehege und beim Feldschlößchen[8].


Sonntag, 17. Juni.

Früh ist der Große Garten wie gekehrt. Die Preußen sollen bis Meißen vorgerückt sein. Eisenbahnzerstörungen durch sächsische Truppen in Löbau. Einrücken in Bautzen[9]. Um 11 Uhr Sitzung des Stadtrats über dringende Zeitfragen. Ist der einrückende Kommandant durch eine Deputation zu begrüßen oder nicht? Niedersetzung eines gemischten außerordentlichen Ausschusses: 4 Mitglieder, 4 Stellvertreter. Ich werde zu den letzteren gewählt.

Allerhand Gerüchte. Angebliche Kassenbeschlagnahme in Riesa und Meißen. Der glücklich den roten Husaren entkommene sächsische Unteroffizier. Man will während des Tages Kanonendonner aus der Richtung von Görlitz her vernommen haben.

Die Königin, die Kronprinzessin, die Prinzessin Georg mit den Kindern über Prag nach Regensburg bzw. Wien.

[14] Nachricht über die zweite Frankfurter Abstimmung. Gewährung von Bundeshilfe an Sachsen[10]. An Kurhessen und Hannover ist gleichfalls der Krieg erklärt. Nachricht am Abend, daß die preußischen Vorposten bereits in Wilsdruff eingerückt sind.


Montag, 18. Juni.

Gewöhnlicher Frühspaziergang ohne neuere Nachrichten. Der Große Garten ist wieder sehr leer. Um 10 Uhr auf das Rathaus zum Wiedereintritt in die Geschäfte. ½12 Uhr. Die Preußen – blaue Husaren – sind auf dem Postplatze[11]. Besetzung der Post und des Telegraphenamtes. Die Gendarmen erscheinen als Quartiermacher vor dem Rathaus. Bald darauf der Oberst des 8. Husarenregiments. Verlangt nach dem Vertreter der Stadt[12]. Der ist im Staatsschuldenausschuß auf dem Landhause; wird herbeigeholt. Soll den Befehlshaber der Nordarmee, General Herwarth von Bittenfeld, am Freiberger Schlage begrüßen. Geht dorthin per Droschke ab. Wir sollen uns auf 20 000 Mann Einquartierung gefaßt machen. Die Riesaer und die Meißner Gerüchte werden dementiert, ersteres auch vom Dresdner Journal. Der Einzug der Truppen dauert nun den ganzen Tag über fort. 8., 29., 30., 33., 34. Infanterieregiment habe ich allein gezählt. Husaren, Ulanen, Jäger, Artillerie. Es ist das 8. rheinische Armeekorps. Um ½5 Uhr rückt Herwarth von Bittenfeld selbst an. Quartier im Hotel Bellevue. Viele habituelle Räsonneure laufen den Tag über kopfhängend herum. Abends ½10 Uhr treffen bei uns 3 Mann vom 29. Infanterieregiment ein. Hübsche Leute aus der Gegend von Koblenz bis Kreuznach, einer aus [15] Bacherach. Alles nimmt geordneten Verlauf. Den Tag über Vorauszahlung der Gehälter pro Juli.

Gerücht über eine Schlacht bei Ratibor. Prinz Karl von Preußen verwundet und gefangen; das Regiment Prinz Friedrich Karl aufgerieben. Sonntags Siegesfest in Bodenbach, wohin sämtliche Staatslokomotiven, Dampfboote und Remarqueurs gebracht sind. Sächsisches Hauptquartier in Teplitz. Die Österreicher wollen angeblich vom Gebirgskamm herab einrücken[13]. Preußische Offiziere in der Einquartierungsbehörde[14]: „Auf alle Fälle bekommen Sie Ihren Beust[15] nicht wieder; der ist an der ganzen Geschichte schuld.“


Dienstag, 19. Juni.

Früh wie immer spaziert. Der Große Garten ist besetzt. Beim Hereinkommen begegnen wir dem 8. Jägerbataillon, welches nach der böhmischen Grenze zu ausrückt. Das Rathaus ist besetzt. Besuch eines Feldintendanturbeamten in der Stadtsteuereinnahme. Revision der Bücher [16] und Journale; es ist kein Bestand, sondern Vorschuß bei der Staatssteuerrezeptur. Keinerlei Anweisung, fernere Eingänge abzuliefern.

Vielerlei Gerüchte über Anrücken der Österreicher, die Vorposten sollen bereits bei Heidenau stehen, in Liebstadt alles dick. Angebliches Vorpostengefecht bei Dohna, Kanonendonner in der Richtung des Königstein[16].

Nachmittag Plenarsizung. Neustädter Verpflegungsamt. Ich finde die erteilte Vollmacht ohne Beschränkung auf das Regulativ durchaus bedenklich, kann aber mit meiner Ansicht nicht durchdringen[17]. Wir werden in Jouren eingeteilt. Flaths 25jähriges Jubiläum[18]. Ich begrüße ihn früh mit einem Rosenbukett. Nach der Sitzung gehe ich zum Onkel[19]. Unterwegs höre ich, daß von Burdach und andern Buchhandlungen sämtliche Kartenvorräte requiriert worden sind. Man spricht davon, daß die Preußen in der Nacht wieder abrücken werden. In Neustadt sind nachmittags rote Husaren von Schlesien her eingerückt und dann sofort wieder abmarschiert in derselben Richtung. Nachts ¾11 Generalmarsch. Unsre Einquartierung geht ab[20].


Mittwoch, 20. Juni.

Kein Frühspaziergang, weil es regnet und ich etwas Migräne verspüre. Rudolph[21] berichtet, daß fast alles wieder abgerückt ist, und zwar über Neustadt. Auf dem Rathause angekommen, finde ich die Wache abgezogen und höre, daß bei der Wiener Straße Vorkehrungen zur Verteidigung getroffen werden. Gehe dorthin. Es bestätigt sich, die [17] Parkanlagen sind teilweise niedergehauen; doch ist die Aufstellung eine sehr geringe. In den Häusern der Wiener Straße ist Räumung angesagt.

Der Abmarsch während der Nacht ist ein sehr eiliger gewesen. Mittags geht die Artillerie, Parks aller Art usw. über beide Elbbrücken auf das rechte Elbufer. Es heißt, die Sprengung der Brücken werde vorbereitet. In den Mittagsstunden bis gegen 4 Uhr sind nur sehr wenige preußische Truppen noch in der Stadt. Man spricht von einem starken Schlage zwischen Breslau und Görlitz, auch von einem Elbübergang der Österreicher bei Königstein in der Richtung nach Stolpen[22].

Nach 3 Uhr beginnt der Einmarsch des 7. Armeekorps von Wilsdruff über Kesselsdorf[23]. Es zieht sich alles nach dem Großen Garten, woselbst rechts und links der Pirnaischen Straße biwakiert werden soll. Ich sehe mir die Sache an. Es rücken ganz neue Truppen ein, Ostpreußen, zusammen angeblich 33 000 Mann. Sind früh ½3 Uhr bei Meißen alarmiert worden und ohne Unterlaß marschiert. Die Verpflegungsschwierigkeiten beginnen. Furagieren bei Bäckern und Fleischern und in Kaufmannsläden. Ich trete um 8 Uhr abends bis 12 Uhr meine Nachtjour auf dem Rathause an. Bis gegen 10 Uhr lebhafter Verkehr auf dem Altmarkte, dann tiefe Ruhe.

Fouragierungsexpedition des Herrn Petzsch nach Großenhain. Bedenken und Schwierigkeiten derselben. Schwauß[24] verweigert die Beteiligung von Stadtgendarmen. ¾12 Uhr Feuerlärm. Kleiner Brand am Dippoldiswalder Platz. Ich stürze zum Überfluß und komme mit einer Blutblase an der linken Hand weg.

[18]
Donnerstag, 21. Juni.

Früh nach der Ammonstraße[25], von dort Rekognoszierungsgang nach dem Biwak. Dort wird alles daselbst verbliebene Stroh vom Dresdner Mob ausgeraubt. Die Tätigkeit der lokalen Sicherheitspolizei scheint völlig aufgehört zu haben. Expediere dort bis Mittag. Es rückt pommersche Landwehr ein, welche als Garnison verbleiben soll.

Nachmittags ½5 Uhr Besuch der Neustädter Gasanstalt, um den eingestürzten Gasometer und die Füglichkeit der Maurerarbeitsaufnahme zu rekognoszieren. Die Kölner Arbeiter haben Montag, Dienstag, Mittwoch gebummelt[26].

Herwarth von Bittenfeld geht ab; es tritt General von der Mülbe ein[27], ebenso ein Regierungspräsident Möller aus Köln als Zivilgouverneur von Sachsen. Allgemeine Berichte über schlechte Stimmung der preußischen Truppen.


Freitag, 22. Juni.

Von früh 4 bis 8 Uhr Jour. Fällt nichts vor. Ein preußischer Unteroffizier hat einer Schänkwirtin auf der Badergasse in das Gesicht gespuckt, als sie ihm das Vorhandensein von Fleisch und Geld bei einem gegenüberwohnenden Fleischer verraten hat. Es beginnen am heutigen Tage [19] die Bekleidungsrequisitionen für die eingerückte Landwehr. Stiefel, Stiefeleisen, Zwecken, Mäntel, Hemden werden bei der Stadt zur Ausrüstung der Okkupanten gefordert und müssen natürlich, der Gewalt weichend, beschafft werden. Nicht genug, daß dies für das hier einquartierte Landwehrkorps geschieht. Die Lieferungen an allerhand werden auch für die Truppenkonzentration bei Fischbach requiriert[28].

Das mit großer Bestimmtheit aufrechterhaltene, selbst von preußischen Offizieren ihren Mannschaften nicht vorenthaltene Gerücht eines Treffens bei Ratibor erlangt keine Bestätigung[29]. Die vom Zivilkommissar herzutelegraphierten 85 Hauptochsen sind aus Erfurt eingetroffen. Die Zeitungen werden wieder etwas ausgiebiger. Apokryphes 3. Manifest oder Tagesbefehl von Benedek[30]. Der preußische Bettag auf den 27. Juni!


Sonnabend, 23. Juni.

Wir machen einen kleinen Spaziergang nach dem Großen Garten, sehen die Landwehr einexerzieren. Die Stiefelrequisitionen haben bereits die Höhe von 1200 Paar erreicht. Gerücht von einer in Berlin ausgebrochenen Revolution.

Man versucht, mich zu dem neu einzurichtenden Requisitionsamte zu pressen, wogegen ich darauf hinweisen muß, daß Requisitionen nach auswärts durchaus ab- und der Staatsregierung zuzuweisen sind. Das scheint zu ziehen, wenigstens zunächst.

Nachts von 8 bis 12 Uhr Jour, wo „nix gepassiert ist“.

[20]
Sonntag, 24. Juni.

Wir bringen früh einen Kranz auf das Grab der Eltern. Nichts von neuen Nachrichten. Dresden hat nun eine stehende Garnison von Landwehr, die teils biwakiert, teils kaserniert, teils einquartiert ist. Der Kelch des Requisitionsamtes hat sich glücklich von mir abgewendet. Teucher[31] tritt in dasselbe ein; ich übernehme dafür ad interim seine Geschäfte. Der Gouverneur für Sachsen, Regierungspräsident Möller, ist noch nicht eingesetzt. Dieser Umstand und der Unterschied der Behandlung von Hannover und Hessen-Kassel ist noch zu erklären. Man spricht von Friedensunterhandlungen. Unglaubhafte Nachrichten; von Italien und österreichische Zeitungen fehlen gänzlich.

Ravagierung der Beustischen Villa durch den Leutnant von Treskow und Erklärungen des Zivilkommissars über den Vorgang.

„Den Königstein sollen wir nehmen? Da werden wir unserm Könige etwas sch. . . .n!“


Montag, 25. Juni.

An diesem Tage war wieder sozusagen der Teufel los. Anverlangen von 6000 Schanzarbeitern. Unter teilweiser Niederschlagung des Großen und Zoologischen Gartens und verschiedener Strehlener Villen sollen dort Verschanzungen aufgeworfen werden. Doch läßt man mit sich handeln. Dem Zivilkommissar von Wurmb wird vorgeschlagen, 2000 Bergarbeiter vom Freiberger Oberbergamte zu requirieren. Er verspricht, sich für die Erhaltung der Gärten zu verwenden.

Denunziationen von Preußenfeinden und Vorschläge zum Ersatze solcher Beamten sind bereits im Zuge. Der Polizeidirektor und sein Vorgesetzter, Geh. Regierungsrat H(äpe), sind zur Absetzung designiert[32].

Ich habe Jour von 12 Uhr mittags bis 4 Uhr. Viele Leute haben schon wieder stark „Kopf ihriges“" verloren. Die ehemaligen Beustschen Anhänger und Lobredner durch dick und dünn fangen bereits an zu räsonnieren und meinen, wir seien „verraten“ worden, von Österreich nichts zu erwarten. In der Stadt ist es ruhig und wieder verkehrsbelebt, die Kneiperei eher verstärkt als vermindert. Unsre Jouren sind mit Stadtverordneten halbiert; ich requiriere 2 Schlafottomanen bei Bernhard. Appetit, Schlaf und Laune lassen, unberufen, nichts zu wünschen übrig. Die Nachricht [21] über das Allewerden der hannoverschen Kriegsmacht[33] ist eine tragikomische Illustration der anscheinend nicht mehr haltbaren Kleinstaaterei. Der tollste Wirrwarr jedenfalls in Westdeutschland.

Abreise des russischen und französischen Gesandten nach dem königlichen Hoflager in Prag.


Dienstag, 26. Juni.

Wir haben unsre regelmäßigen Morgenspaziergänge in den Großen Garten bei dem anhaltend schönen Wetter[34] wieder aufgenommen und betreiben sie ungestört. Unser schöner Großer Garten soll also seinem Schicksale nicht entgehen, stellenweise niedergeschlagen zu werden; die ingeniosen Ingenieure lassen sich nicht davon abbringen, Dresden diesen Gefallen zu erweisen. Heute ist an der Unterminierung von Strompfeilern sowohl der Marien- als der alten Elbbrücke begonnen worden. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, ob es nicht im Verkehrsinteresse dringend geboten erscheint, schon jetzt für den effektiven Fall der Brückensprengung ein Holzjoch vorarbeiten zu lassen. Ich bringe die Sache an den Dringlichkeitsausschuß, erfahre aber, daß man nicht darauf eingegangen ist, die Sache nicht einmal zu Protokoll genommen hat, indem man ein derartiges Vorgehen zur Zeit als Landesverrat ansieht. Die Abtragung des Lämmchenvorwerks und der Hoffmannschen Villa an der Blumenstraße zu Schanzwerken sind angeordnet. Order und Kontreorder wegen Taxation. Es läuft ein Brief von Pilsen ein vom 22. dieses Monats, nach welchem sächsische Truppen dort gestanden haben[35]. Nach andern Nachrichten sind sie bei Jungbunzlau, also in der Richtung von Reichenberg. Vom Kriegsschauplatze keinerlei Nachrichten von irgendwelcher Erheblichkeit. Garibaldi demonstriert gegen Bayern[36].

[22]
Mittwoch, 27. Juni.

Heute großer preußischer Bettag, zu welchem auch die hiesige Landwehr in Kirchenparade ausrückt. Maueranschlag des Rats fordert Anmeldung von Arbeitern – also die Schanzarbeiten werden doch angegriffen. Am Mittag trifft die Nachricht über die Schlacht bei Custozza ein[37]. Sonst den Tag über nichts Bemerkenswertes. Ich werde hinsichtlich der alten Elbbrücke dahin berichtigt, daß die Vorarbeiten allerdings in aller Stille vorgenommen werden sollen; nur in das Protokoll ist nichts aufgenommen worden.


Donnerstag, 28. Juni.

Früh Jour von 8 bis 12 Uhr. Die Gefährdung des Großen Gartens ist zum großen und empfindlichsten Teile abgewendet. (Vgl. hierüber Dresdner Journal vom 29. Juni.) Die Befestigungsarbeiten gehen langsam, aber doch vorwärts, doch werden nach den erfolgten Profilierungen nur Lünetten, also offene Werke errichtet, bei den Drescherhäusern, südlich vom Feldschlößchen, über dem Kaitzer Grunde, beim Lämmchen. Freiberger Bergleute sind nicht zu erlangen gewesen. Hiesige Arbeiter hatten sich bis vorgestern abend 730 gemeldet.

Durch eine Patrouille österreichischer Husaren ist eine neue Proklamation des Königs nach Freiberg gebracht, sie ist gedruckt und unter der Hand verbreitet worden. Heute treffen die Nachrichten über die ersten ernstlichen Gefechte in der Reichenberger und Liebenauer Gegend ein. Nichts Entscheidendes[38].

[23]
Freitag, 29. Juni.

Schwauß, Häpe, Pikart sind ihrer Ämter entsetzt, binnen 24 Stunden aus dem Lande resp. der Stadt verwiesen. Ebenso ist die unter Mann zurückgebliebene Abteilung des Kriegsministeriums außer Betrieb gesetzt. Landeskommission[39] hat in beiderlei Beziehung Protest eingelegt. Schwauß fällt zweierlei zur Last: 1. hat er abgelehnt, auf einen preußischen Landwehrdeserteur zu vigilieren; 2. hat er die vorerwähnte Proklamation von Prag, 23. Juni, drucken und am Landhaus anschlagen lassen. Eins so unklug wie das andere. Man sagt, er wollte fortgeschickt werden[40]. Die Preußen scheinen schärfere Saiten aufziehen zu wollen.

Neue Kriegsenten. Von dem Elbkorps sollen 12 000 Mann abgeschnitten und gefangen sein. Schon die Zahl spricht gegen die Glaubhaftigkeit. Fortdauernde Gefechte auf den verschiedenen Einbruchslinien, ohne entscheidende Erfolge.


Sonnabend, 30. Juni.

Heute sind erst 14 Tage um, und wie lange ist einem diese Zeit geworden. Man scheint etwas paff nach dem gestrigen Einschreiten. Die Berliner Siegesnachrichten, welche mit den österreichischen größtenteils in direktem Widerspruche stehen, wirken auf viele sehr deprimierend, nicht minder die bekanntgewordene Kapitulation der Hannoveraner; sie beginnen bereits auf Österreich zu schimpfen und die Bayern – Verräter zu nennen. Das Verhalten Bayerns gibt allerdings Stoff zum Nachdenken, da es neben dem hingehaltenen Köder der südwestdeutschen Militärsuprematie eigentümlich schillert[41]. Nach der Bayrischen Zeitung erfahren wir, daß auch bereits in Plauen i. V. ein ganzes bayerisches Ulanenregiment gesehen worden ist, aber schleunigst wieder verschwunden ist. Man erzählt, daß die bei Münchengrätz im Feuer gewesenen sächsischen [24] Truppen aus Jägern, Kavallerie und der gelben Brigade (kleiner Kronprinz) bestanden haben[42]. Die königlichen Frauenzimmer sollen in Weilburg bei Baden, der König selbst in Josephstadt sein.

Verlangen der Elbbehörde umfassender Stallbauten auf dem v. Lüttichauschen Bauterrain am Ferdinandplatze. Ich mache auf das Bedenkliche aufmerksam, teils wegen der zu erwartenden Apothekerrechnung für Platzbenutzung, teils wegen des Mangels von Wasser in der Nähe und schlage meinerseits das Sternareal vor, werde aber nicht gehört. Quod notandum. Es wird zur Waffenablieferung bis 3. Juli mittags aufgefordert, also der Kriegszustand tatsächlich eingeführt. In der bezüglichen von Bentheimschen Bekanntmachung ist von einem königlich preußischen Gouvernement für das Königreich Sachsen und von einem eventuellen Kampfe in und um Dresden die Rede[43].


Sonntag, 1. Juli.

Jour von Mitternacht bis 4 Uhr morgens.

Brief von Oskar[44], welcher am 27. Juni in Augsburg aufgegeben worden ist, spricht davon, daß die Preußen binnen 14 Tagen aus Sachsen herausgeworfen sein würden, was wir hier allerdings stark bezweifeln [25] möchten. Am allerwenigsten scheinen die Bayern das Geschäft besorgen zu wollen. Am Abend erfahren wir, daß 800 Berliner Proletarier als Schanzarbeiter auf dem Platze erscheinen werden.

Schwaußens Abschiedswort. Der Landwehrunteroffizier in Nitzschmanns Stube vor den Bildnissen der Könige Johann und Friedrich August.


Montag, 2. Juli.

Wir hören die alten Bäume im Großen Garten bereits krachen. Was werden die betreffenden Dryaden dazu sagen, werden sie sich diesen Frevel ohne Rache gefallen lassen?

Die Waffenablieferung beginnt. Das königlich preußische Militärgouvernement beabsichtigt, einen der hiesigen Kirchtürme zu einem militärischen Observatorium einrichten zu lassen, und ist deshalb Stadtbaudirektor Friedrich abzuordnen. Allgemeiner Schrecken über das erfolgte Eintreffen von 800 Berliner Bummlern zu der beabsichtigten Verschanzung.

Es kommen jetzt detaillierte Berichte über die Gefechte vom 27., 28., 29. Juni, aus denen doch klar hervorgeht, daß die Preußen im Vorteil sind und daß bei den Österreichern immer wieder etwas faul ist. Die Zündnadelgewehre spielen jetzt eine ebenso große Rolle wie die gezogenen Geschütze im Dänischen Kriege. Englische und fränzösische Zeitungen sind hier nicht ausgegeben worden. Über Maß und Ausschlag der sächsischen Kampfbeteiligung fehlen noch alle Nachrichten. Nur hört man – mirabile dictu –, daß die sächsische Leibbrigade – in Wien befindlich ist, wohin auch das auf Reisen begriffene Kadettenkorps gezogen wird[45]. [26] Über unsern entführten Staatsschatz wird teils Kufstein, teils Ingolstadt als derzeitiger Bergeort genannt[46].


Dienstag, 3. Juli.

Die Nachrichten über das erfolgreiche Vordringen der Preußen in Böhmen stellen sich immer mehr fest, und immer bestimmter tritt die Tatsache hervor: Die entscheidende Rolle, welche im Dänischen Kriege das gezogene Geschütz gespielt hat, spielt jetzt das Zündnadelgewehr. Von der westdeutschen Tragikomödie gibt es gar keine besonderen Nachrichten. Heute früh erst werden Namen von gefallenen und verwundeten sächsischen Offizieren bekannt.

Ida teilt mir die Nachricht von Suses Verlobung mit einem jungen Herrn Mertens aus Hannover mit[47].


Mittwoch, 4. Juli.

Früh große Siegesnachricht über eine Hauptschlacht.

Prag soll bereits von den Preußen besetzt sein[48]. Es stellt sich jedoch heraus, daß es nur geräumt ist. Ich gehe Mittags zu Burdach, höre, daß 101 Siegesschuß abgefeuert werden sollen, und wie ich kaum an das Geländer bei der Sodabude getreten bin, donnert mir auch schon der erste Zwölfpfünder entgegen. Großer Alarm in der Stadt, die Leute meinen, es kommen „fremde Völker“. Früh Verhandlung mit Herrn v. Wurmb wegen des Observatoriums auf der Frauenkirche.

Suse besucht uns. Ich habe Nachmittag von 4 bis 8 Uhr Jour. Als ich auf das Rathaus komme, höre ich, daß Papa Gehe[49] arretiert ist, wegen „unvorsichtiger Äußerungen“. Ein Weib, das er aus einem Ehrlichschen Stiftsgrundstück hat heraussetzen müssen, hat ihn denunziert, er habe gesagt, die Preußen seien Hunde! Er ist auf der Wache im [27] Neustädter Blockhause. Abends ¼9 Uhr noch nicht los. Mysteriöse Affäre. Kurz, auch an diesem Mittwoch war wieder einmal der Teufel los.


Donnerstag, 5. Juli.

Der Todestag unsrer guten seligen Mutter; an diesem Tage ward vor 7 Jahren der Frieden von Villafranca verkündet[50]. Wiederholte Konferenzen mit Amtshauptmann V.[51] und dem Kreisdirektor[51]. Die Einquartierung der Berliner Proletarier bringt große Aufregung mit sich. Tauberth[52] versichert uns, es sei nicht so schlimm, als es gemacht werde. Es sollen Tanzsalons als Baracken auf der Vogelwiese aufgestellt werden. Geht nicht, weil keine Zimmerleute vorhanden.

Gehe ist nachmittags 4 Uhr wieder entlassen worden. Es wird behauptet, Bentheim habe ihm gesagt, wenn die Anschuldigung sich bewahrheite, werde er morgen standrechtlich erschossen sein.

Um 6 Uhr erscheint die erste Taube mit dem Ölblatt in der Person Kastels[53] auf dem Rathause. Napoleon ist es wieder einmal, der zur rechten Zeit seine Hand dazwischen legt. Das Journal bestätigt diese Nachricht[54]. Alles krabbelt sofort wieder munter. Die Bretterverschläge des Zwingers sind im Laufe des Tages beseitigt.


Freitag, 6. Juli.

Die Berücksichtigung des Großen Gartens ist gnädig genug ausgefallen, nur die Obstplantage ist umgelegt, und um diese war es nicht [28] schade. Gehe ist wieder da und beklagt sich bitter über die Inhumanität, mit welcher er seitens Bentheims behandelt worden.

Über die Friedensverhandlungen verlautet nichts Näheres. Berliner Entrüstung über die neue österreichische „Intrigue“. Nur vielfache Truppenbewegungen sind wahrnehmbar. Mit der alten Brücke scheint man von unten nicht fertig zu werden, es wird ihr nun von oben her zu Leibe gegangen; vielleicht stürzt sie solchermaßen ungesprengt ein.


Sonnabend, 7. Juli.

Die Friedensnachrichten verfangen nicht; die französischen Vermittlungsvorschläge sind zur Zeit weder von Preußen, noch von Italien angenommen worden. Verhaftung von Clam Gallas und Konsorten. Jener brutale böhmische Kavalier ist des Renommees, das er sich bei Magenta erworben, würdig geblieben, was natürlich nicht verhindern wird, ihm bei nächster Aktion wieder ein Kommando zu übertragen[55].

Drohartikel des Constitutionel. Schon nennt man Königgrätz das böhmische Solferino. Hier beruhigt sich das kriegerische Treiben, dagegen füllen sich die Lazarette und mehren sich die Gefangenentransporte nach dem Norden. Die Berliner Arbeiter-„Bummler“ haben uns auch die Cholera mitgebracht. Im Stadtkrankenhaus 3 Fälle, wovon einer mit tödlichem Verlauf. Noch keine offiziellen Verlustlisten von Podol und Königgrätz. Die letzte Nachricht vom König aus Iglau. Die Prager Ausreißerei ist wahrhaft ridikul.

Auf Neuberts Rat habe ich mich entschlossen, ein allgemeines Gesuchschreiben wegen der Aufrückung abzulassen[56].

[29]
Sonntag, 8. Juli.

Schreiben an du Benoît[57]; der Tag vergeht ohne bemerkliche Neuvorgänge. Mittag von 11 bis 12 Uhr Plenarsitzung, die erste seit Sonntag, 17. Juni. In betreff des damals gefaßten Beschlusses eines gemeinsamen Dringlichkeitsausschusses ist pro futuro zu bemerken, daß, nachdem die Zustimmung zu diesem Beschlusse seitens des Stadtverordnetenkollegiums abgelehnt worden, alles, was aus demselben für eine ausschußweise Vertretung des Stadtrats folgte, nicht zur Wirksamkeit gelangt ist. Ein neuer Beschluß des Ratskollegii ist nicht gefaßt worden, wie jedenfalls in Konsequenz des ablehnenden Beschlusses hätte geschehen müssen. Die zu dem nicht in das Leben getretenen, gemeinsamen Ausschusse deputierten Mitglieder vertreten also das Ratskollegium ohne eine sie hierzu verfassungsmäßig ermächtigende Vollmacht. Da nun die Initiative für alle Beschlüsse der Gemeindevertretung in formrichtigen Ratsbeschlüssen beruht, wie seitens der Stadtverordneten wiederholt geltend gemacht worden ist, so schwebt auch die Mitwirkung der Stadtverordnetendeputierten in der Luft, weil ihr eben Ratsbeschlüsse nicht zugrunde liegen[58].


Montag, 9. Juli.

Etwas Bemerkenswertes geht nicht vor, die Schanzarbeit fort. Allgemeine Spannung über Erfolg und Richtung der französischen Friedensintervention. Die Hospitäler füllen sich nach und nach mit Verwundeten, [30] nur leichten; sie sollen entsetzlichen Mangel an allem, namentlich an Wäsche leiden. Sächsische Offiziere, teils verwundet hier – Major V. –, teils brieflich von auswärts – Hauptmann Z. –, schimpfen lauter und rücksichtslos über die österreichische Schweinerei, wollen quittieren und in die neu zu bildende schleswig-holsteinsche Armee eintreten. Umschlag der öffentlichen Meinung gegen die Beustsche Politik. Bericht über den Übergang des Königs und der Truppen über die sächsisch-böhmische Grenze [59].


Dienstag, 10. Juli.

Jour früh 6 bis 10 Uhr mit Ackermann[60]. Gespräch über Ratskommissarien in den öffentlichen Sitzungen der Stadtverordneten, ein Gegenstand, welcher jedenfalls weiter zu verfolgen sein wird.

Der sächsische Reiter Renner aus Meißen im Gefecht mit 4 roten Husaren und der böhmische Junge als infamer Spitzbube.

Walther sieht für Dresden den Kriegstyphus als unausbleiblich voraus[61].


Mittwoch, 11. Juli.

Heute ist wieder einer der turbulenten Mittwoche. Die Nachricht, daß Louis Napoleon bewaffnete Intervention in Aussicht gestellt habe, steigt allen Leuten zu Kopf. Mülbe geht mit der Garnison ab nach Prag[62]. Hier ist ein Magdeburger Landwehrregiment eingerückt.

Therese schreibt einen sehr erhitzten Brief nach Paris[63].

Sonst in der Stadt nichts Besonderes.

[31]
Donnerstag, 12. Juli.

Neue Einquartierung, Fourier und ein Mann, Thüringer. Man hört bereits mehrfach die Ansicht äußern, daß wir eventuell an Weimar fallen könnten. Jeder Vernünftige, der ein offenes Wort nicht scheut, erklärt die Kleinstaaterei als unhaltbar.

Von den Kriegsschauplätzen und den Friedensverhandlungen nichts Neues. In Frankreich wird bereits ein Hinterladungsgewehr an die Jäger der Garde verteilt. Auch John Bull ist sehr ängstlich nach breechwaders.

Mein alter Kadettenhauskamerad Luitbert v. Friesen ist bei Königgrätz tödlich verwundet worden und gestorben. Sonst hört man von unsern Leuten nur das, was die hier liegenden Verwundeten zu erzählen wissen.


Freitag, 13. Juli.

Das Ratsjourwesen ist wesentlich modifiziert. Beust ist in Paris. Preußische Zeitungen bezeichnen in Pariser Korrespondenzen bereits die Einverleibung Sachsens als Friedensbedingung.

Westen[64] teilt mir mit, daß die Stadtverordneten auf die Aufrückungsfrage nur dann eingehen wollen, wenn dem novo die Kirchen- und Schulsachen übertragen werden. Neue Anmaßung eines Rechtes des Stadtrats.


Sonnabend, 14. Juli.

Telegramme werden dem Dresdner Journal gar nicht verabfolgt. So erfahren wir erst heute im gewöhnlichen Wege, daß die Preußen bereits am 8. Juli, also 3 Tage bevor Mülbe von hier dorthin abging, Prag besetzt haben.

Beust hat lange Konferenz mit Louis (Napoleon) gehabt.

Die sächsischen Gefangenen werden größtenteils gegen Gelöbnis entlassen. Die sächsische Artillerie soll überall furchtbar gewirtschaftet haben.


Sonntag, 15. Juli.

Nichts Besonderes und Neues, kein Extrablatt. Ich schreibe ein gepfeffertes Kondolenzbriefchen an die Prager Fanny.

[32] Audienz von Beust bei Louis und der Kaiserin. In Regensburg denkt man schon an einen Rückzug nach der Schweiz, in Frankfurt nach Augsburg. Unsere „Jour-igelei“ scheint ganz aufzuhören.


Montag, 16. Juli.

Konstitutionelle Zeitung bringt Extrablatt über Gefecht bei Aschaffenburg[65]. In den vorherigen ist auch Philipp v. Ysenburg gefallen. Über die Friedensverhandlungen noch nichts Bestimmtes. Der Bundestag soll schon nach Augsburg abgegangen sein. Es trifft Brief von Franz[66] über Hamburg ein. Dort erwartet man ebenfalls den Einmarsch der Preußen als etwas Natürliches.


Dienstag, 17. Juli.

Bundestag ist nach Augsburg ab. Spezielle Nachrichten über die Prager Besatzung. Der Große Garten ist nun auch „verjiftet“. Heute früh hatte das Schanzen begonnen und wurden wir sofort von einem der Schanzbummler angebettelt – natürlich ohne Erfolg. Auch im Trinitatisfriedhof beginnt die Wirtschaft, ohne Schonung der daranliegenden Gräber werden die Schwibbogenmauern zu Brustwehren umgewandelt. Kircheninspektionswegen soll gegen dieses Vorgehen remonstriert werden, was natürlich ohne Erfolg bleiben wird, da der Oberst v. Mertens lediglich von Berlin aus Ordre hat und vollenden wird, was er angefangen hat. Wir haben heute wieder die erste reguläre Plenarsizung um 5 Uhr. In den Lazaretten fangen bereits an Todesfälle einzutreten. Leichenwagennot.


Mittwoch, 18. Juli.

Die Kircheninspektionsinterzession hat Erfolg gehabt, die Arbeiten auf den Kirchhöfen sind sistiert.

Neue Verhandlungen mit dem Kommandanten vom Königstein; es soll wegen der verlangten Passage von Verwundetentransporten ein [33] Parlamentär an den König abgehen. Abends spricht man von Annahme der Waffenstillstandsbedingungen; die Zeitungen enthalten davon noch nichts.


Donnerstag, 19. Juli.

Brief von du Benoît. Attendrissement für die Österreicher. Brief von Dr. Zimmer aus Karlsbad. Dort ist alles ruhig, friedlich und still. Die französische Vermittlung ist von Österreich abgeschlagen. Es wird fortgefochten. Clam Gallas ist freigesprochen. Ich bin „aufgerückt“. Man sieht nachgerade die Dinge immer trüber an. Sterblichkeit in den Lazaretten, durch die anhaltende Hitze herbeigeführt. Die kleinen Erdwerke beim Großen Garten werden bald fertig sein; die Bummler von Berlin ziehen nun ernstlich wieder ab[67].


Freitag, 20. Juli.

Die 2. Einquartierung geht wieder ab. Die Magazinverpflegung hört wieder auf. Nachmittags rückt ein Bataillon Landwehr ein, von Spandau; alles scheint sich nach Süden zu schieben. In Frankfurt: „Wenn de Breißi eirikke, rikke se ewe ei, de Kopp were se uns net abreiße.“ 6 Millionen Kriegskontribution[68].


Sonnabend, 21. Juli.

Heute sind 5 Wochen, daß ich den ersten Eintrag in dieses Tagebuch machte! Was ist in dieser Zeit geschehen! Wie haben sich die Anschauungen geändert, aufgeklärt! Auf einmal fangen die Leute an, es doch bedenklich – doch ein Haar darin zu finden, daß unser „Bundeskontingent“ tout bonnement den Österreichern zugeführt worden ist, daß wir Sachsen in allen österreichischen Armeebefehlen als „treue Verbündete“ angeredet werden. Ob sich diese Anschauungen lauter machen werden, bleibt von dem Finalausschlage der weiteren Kriegsunternehmungen abhängig.

[34]
Sonntag, 22. Juli.

Es trifft die Nachricht ein, daß Österreich das Ausscheiden aus dem Bunde akzeptiert habe und auf einen 5tägigen Waffenstillstand eingegangen sei. Seegefecht bei der Insel Lissa[69]. Die französische und englische Presse wendet sich immer mehr von der österreichischen Sache ab.


Montag, 23. Juli.

Heute 3. Einquartierung. Die Schanzarbeiter werfen sich in Georgs Garten und fällen dort nach Herzenslust Bäume. Man sieht Dresden bereits in eine Bundesfestung verwandelt. So viel scheint sich nachgerade immer fester zu stellen, daß die guten Tage für uns vorüber sind; es tritt der Katzenjammer des Sängerfestschwindels ein, dessen Jahrestage in diese Tage fallen[70]. Auch auf dem Waldschlößchen und der Villa Betty soll geschanzt werden.


Dienstag, 24. Juli.

In der Nummer des Dresdner Journal vom 25. Juli findet sich eine Erklärung von verschiedenen Angehörigen unsrer sogenannten Fortschrittspartei: Gasch, Gruner, Hendel, Kretzschmar, Schaffrath, Wigard[71] usw., welche in ihrem zweiten Satze eine sehr bemerkenswerte Schlußfolgerung enthält: Die fremdländische Intervention muß durchaus ferngehalten werden, darum ist es nötig, unsre Armee aus den Reihen der für Hausmachtzwecke Kämpfenden zurückzuziehen und ein billiges Abkommen mit Preußen zu treffen, damit man zu dem Parlamente, nach dem Reichswahlgesetze zu wählen, gelangt[72]. Wir lernen damit alsogleich die would be Parlamentsmänner kennen. Wohin wird wohl das Parlament berufen werden? Wohl kaum wieder nach Erfurt[73], sondern unzweifelhaft nach Berlin. Das großdeutsche Gewissen hat sich mit dem Nationalitätsprinzip wegen des Hinauswerfens der Deutschösterreicher dadurch abgefunden, daß das Hinausgeworfenwerden nicht für immer stattfinden [35] soll. Echt sächsisch! Aber wie nun? Nicht die Reichsverfassung und das Reichswahlgesetz, sondern nur die Emendation derselben durch das Dreikönigsbündnis[74] kennt den Ausschluß Österreichs.


Mittwoch, 25. Juli.

Dr. Stübel jun. ist zum Stadtrate gewählt[75]; neue Pfotenhauersche Intrigen wegen der Geschäftsverteilung.

Die Nachricht über den 5tägigen Waffenstillstand bestätigt sich. Die Friedenspräliminarien gedenken Sachsens gar nicht besonders. Nach dem Scheitern der Pariser Mission ist der Stern Beusts entschieden und wohl unwiederbringlich im Sinken. Sonst an diesem Tage nichts Erhebliches oder Neues.

[36]
Donnerstag, 26. Juli.

Immer noch treibt sich die Nachricht über einen Sieg bei Groß-Gänserndorf herum[76]. Ein Brief von Franz vom 22. weiß davon kein Wort. Gute Bemerkung: Die Potentaten: der Sachse, Hannoveraner, Rheinhesse und Nassauer sind jetzt in Schönbrunn – ein wahres Pfründnerhaus.

Meine jetzige Einquartierung frißt ganz kannibalisch.


Freitag, 27. Juli.

Brief von Oskar läuft ein, er will die 14tägige Evakuationsfrist nur ironisch gestellt haben.

Dresden scheint nicht allein durch die Verschanzungen, sondern auch durch die Einquartierung gezwiebelt werden zu sollen. 10 000 Mann ist ein halbes Armeekorps und für eine Garnison jedenfalls zu stark. Die Frage wegen der Parlamentswahlen wird wohl nächstens ebenfalls eine praktische Entscheidung finden. Unsre Zukunft erscheint nicht weniger als hoffnungsvoll. In Österreich fährt man fort, offiziell und geflissentlich den König von Sachsen als den treuesten Verbündeten zu nennen. Die Zukunft des Landes hat schon bei den nunmehr unterzeichneten Friedenspräliminarverhandlungen einen Hauptanstandspunkt gegeben. Sollte schließlich doch die Restitution der ernestinischen Linie in ernstere Frage kommen? Schon ist von einer Entschädigung der albertinischen durch Böhmen die Rede. Dabei würde sich denn gleich offenbaren, wie weit die österreichische Zärtlichkeit reicht.


Sonnabend, 28. Juli.

Die Landeskommission dementiert apokryphe Proklamation des Königs[77]. Nichts Neues in innerer Politik, in der äußeren indiziert sich [37] sehr entschiedenes Vorgehen gegen Bayern. Der Malefiz-Pferdten ist gar nicht angenommen worden[78].


Sonntag, 29. Juli.

Die preußische Kommandantur gibt die Jagdgewehre wieder frei. Hasen- und Hühnerjäger sind also durchaus harmlose Menschen. Ich studiere jetzt Jürgens Geschichte des deutschen Verfassungswerkes. Höchst [38] bemerkenswert über die Eventualität, daß der einst durch die deutschen Bundesakte besiegelte Waffenstillstand zwischen Österreich und Preußen zu Ende gehen könne, und daß dann die durch jene Akte geschaffene Bundesform nicht eben zum Nachteil Preußens ausschlagen werde, ist eine Anmerkung auf S. 90, 91 Bd. 1.

Ich besuche meinen alten Freund Sandersleben. Er ist bei Gitschin in den linken Fuß verwundet, doch heilt die Wunde bereits wieder.

Die Mitteilungen über Clam Gallas bestätigen sich insofern, als derselbe, nachdem die Kanonen schon gedonnert, ganz ruhig bei Tische sitzen geblieben ist und sich im Champagnertrinken nicht hat stören lassen[79]. Doch soll der Hauptgrund des Übels in der Verzettelung der Truppen gelegen haben. Mit dem Zündnadelgewehr sollen die Preußen sehr rasch geschossen, aber schlecht getroffen haben[80].


Montag, 30. Juli.

Abschluß des Waffenstillstandes, welcher vom 2. August ab beginnt; es wird also wohl auf meine Zeitbestimmung hinauskommen.


Dienstag, 31. Juli.

Unsere 3. Einquartierung geht ab, nach Hannover. Die braven Wehrmänner fraßen wie Wehrwölfe, verhielten sich aber im übrigen ruhig; den dritten, einen Barbier, habe ich gar nicht zu Gesicht bekommen.

Gehe wird im heutigen Pleno valediziert.

[39]
Mittwoch, 1. August.

Von den Friedenspräliminarien wird nun bereits soviel bekannt, daß Sachsens Territorialintegrität unverletzt bleibt, dagegen hat es in den neuen Norddeutschen Bund einzutreten. Mit anderen Worten: Wir gelangen dahin, wohin wir auch ohne Beteiligung am Kriege gekommen wären. Die Preußenidiosynkrasie unseres Hofes und seiner spezifischen Anhänger hat somit dem Lande ein rundes Sümmchen gekostet. Österreich gesteht zu, daß der alte Bund zu bestehen aufgehört hat. Soweit waren wir auch schon bereits einmal, bis Preußen – von Olmütz[81] nach Frankfurt über die Dresdner Konferenzen kam. Hoffentlich wird dieser Marsch nicht wiederholt, ebenso hoffentlich aber auch das nationale Unglück der Mainlinie vermieden und wenigstens auf die Verfassung des Dreikönigsbündnisses zurückgegangen[82]. Süddeutschland protestiert bereits ganz laut gegen die Lostrennung.


Donnerstag, 2. August.

Man spricht davon, daß der österreichisch-preußisch-sächsische Friede vielleicht schon in 8 Tagen zum Abschluß kommen wird.

Der englische Gesandte ist vom Bundestage abgerufen worden.


Freitag, 3. August.

Bei unsrer Verwaltung wird's immer mehr friedensmäßig. Mein Interim, Stadtbauamt und Wasserleitung, ist zu Ende. Konferenz über die Geschäftsverteilung mit heftigen Ausbrüchen T[83]. Im übrigen werden die Vorschläge einstimmig aufrechterhalten. Es ist ein Schnitt in das Fleisch, dessen Notwendigkeit man mit einem Male anerkennt.

[40]
Sonnabend, 4. August.

Denkwürdige Plenarsitzung. Die Vorschläge werden durch Stichentscheid des Vorsitzenden zum Beschluß erhoben. Die Herren Kollegen auf Zeit zeichnen sich wieder einmal aus. Teucher bittet ad prot. um seine Entlassung als Stadtrat. Die Sitzung wird hierauf geschlossen[84].

Pfotenhauer ist während der Okkupationszeit sichtlich grau geworden.


Sonntag, 5. August.

Die preußische Thronrede ist sehr mild. Indemnitätsbill in Aussicht gestellt[85].

Für Sachsen ist in dem österreich-preußischen Frieden nur die Integrität vorgesehen, alles übrige späterer Verhandlung überlassen. Diese wird von seiten Sachsens durch Graf Hohenthal[86] und Generalmajor v. Fabrice geführt, letzterer der einzige Offizier, welcher im Generalstabe für das Gehen mit Preußen sich ausgesprochen hatte[87].


Montag, 6. August.

Ich fange nun langsam an zu räumen, um mein neues Zimmer zu beziehen. Es wird mir schwer, mich von dem gewohnten Wirkungskreise, in welchem ich zum Teil 13 Jahre tätig gewesen bin, loszusagen, und doch ist der Entschluß durch die Sorge für meine Gesundheit wohl gerechtfertigt gewesen. Dank oder Anerkennung für meine Aufopferung habe ich ja doch nicht gefunden. Also fort mit Schaden.

[41]
Dienstag, 7. August.

Vieths Mitteilung über die königliche Indolenz im Friedensbetrieb und Beusts klettenartige Langsamkeit im unvermeidlichen Abgange. Möglicher Eintritt stärkerer Einquartierung von zurückmarschierenden Truppen. Leider findet sich niemand, der Mut und Beruf fühlt, die Wahrheit auszusprechen. Ich teile es Pfotenhauer mit, der aber kein weiteres Gewicht darauf legt.


Mittwoch, 8. August.

Ich bin in mein neues Geschäftsquartier eingezogen. In der Politik nichts Neues, als Graf von Westphalens Austritt aus dem Preußischen Herrenhaus wegen Abfalls vom Bundestage.


Donnerstag, 9. August.

Die Friedensverhandlungen zwischen Sachsen und Preußen sind eingeleitet. Die Modalität der Militärkonvention steht in erster, in zweiter Linie die Höhe der Kriegskostenentschädigung.

Heute ward Dr. Stübel jun. feierlich eingeführt, wobei Ackermann recht gut sprach.


Freitag, 10. August.

Am politischen Himmel gar nichts Neues; doch fängt die gegenseitige journalistische Erbitterung an, lebendiger zu werden. Eine Flugschrift von Treitschke wird mittels Dreineugroschenpreises oktroyiert. Dieser Treitschke ist ein Sohn unsers alten Kaufkontrakt-Treitschke – als ein verdorbener Gelehrter vorlängst bekannt, der sich nunmehr durch schwarzweißen Trumpf auf den Strumpf bringen will. Also einer der vielen gesinnungstüchtigen Lumpen unsrer Zeit[88].

[42] [43]
Sonnabend, 11. August.

Ich nahm heute in unsrer 2. (Rats-)Abteilung Abschied, nachdem ich dort 13 Jahre meinen Platz behauptet.

Über den Frieden ist noch nichts Näheres zu hören. Friesen geht zunächst nach Wien, um dort über die vom Grafen Hohenthal überbrachten Bedingungen – worin dieselben bestehen, erfährt man nicht – zu verhandeln, und dann nach Berlin. Es wird sehr an verwendbaren Leuten Mangel sein. Innere Zustände ganz ruhig.


Sonntag, 12. August.

Interessanter Brief von du Benoît. Die französischen Zustände sind alles, nur nicht rosa, die ultramontane Kaiserin und der rote Prinz singen mit dem Kaiser das bekannte Terzett aus Robert dem Teufel[89].


Montag, 13. August.

Jener Treitschke ist nicht ein Sohn des alten Kaufkontrakt-Treitschke, sondern des Generalleutnants. Im übrigen ist die Broschüre eine schandbare Perfidie.

Es taucht nun bereits die französische Kompensation auf, ganz schüchtern, um binnen kürzestem sich sehr bestimmt zu präzisieren[90]. Nun, da wären wir ja an der von mir beim Beginn vorausgesagten Schwelle des großen Krieges, und wo wird nun Bruder Schraps bleiben mit seinem Geschrei: Kein Fußbreit deutscher Boden! Sollten wir wirklich die Wiederkehr eines Rheinbundes erleben? Das glaube ich vor der Hand namentlich nach der süddeutschen Stimmung nicht.

[44]
Dienstag, 14. August.

Das Sinken der Staatspapierkurse deutet die Bedeutung an, welche man dem französischen Kompensationsverlangen beimißt. Endlich ist die offizielle Verlustliste ausgegeben, wonach sich die Verluste immer noch mäßig darstellen; an Offizieren Verluste verhältnismäßig am stärksten. Über die Friedensbedingungen verlautet noch nichts.


Mittwoch, 15. August.

Der konstatierte sächsische Verlust an Toten, Verwundeten und Vermißten beträgt zirka 10%.

Heute letzter Besuch in der Gasanstalt. Man trennt sich schließlich von allem, auch von dem, woran man eine Zeitlang mit Teilnahme geknüpft war. Tout lasse, tout casse, tout passe.

Der Oberhofmarschall von Gersdorf soll wegen preußenfreundlicher Gesinnung gegangen – nicht gegangen worden sein. Sollte die Zeit der Denunziationen eintreten?


Donnerstag, 16. August.

Die Zeitungen wissen von unsern Leuten in Wien nichts zu berichten, als daß sie auch gut tanzen und auf den Tanzböden Eroberungen machen[91]. Der Hof scheint sich noch immer mit einer französischen Aktion zu schmeicheln. Fabel vom Hunde, der mit einem Stück Fleisch im Maul durch das Wasser läuft. Die Gersdorfsche Geschichte macht hier manchen nachdenklich.


Freitag, 17. August.

Friesen wird als Bevollmächtigter nach Berlin gehen. Vor der Hand ist er auf ein paar Tage krank.

Immer wieder Blaubarts Frau, die wartet, daß ihre Brüder kommen und sie retten, aber diesmal dürfte sich kein Staub von französischen [45] Kolonnen auf der Straße aufkräuseln, um den Zündnadelblaubart abzumurksen. Wir bekommen 8000 Mann Garde als Garnison.

Abends Besprechung über die bevorstehenden Wahlmännerwahlen[92].


Sonnabend, 18. August.

Mitteilung des Bergboten über die Freiberger Erzbeschlagnahme. Ackermann fragt wegen einer Loyalitätsadresse an; Pfotenhauer will nichts davon wissen, hat eine Ständedeputation nach Wien im Auge. v. Könneritz versichert, daß nach Mitteilungen des Zivilkommissars die Militärkonvention nicht so schlimm ausfallen wird; aber von Beusts Entlassung ist noch immer keine Rede.

Der Zivilkommissar will jeden Beamten entsetzen, der an öffentlichen Kassen preußisches Papiergeld nicht voll annehmen wird[93].


Sonntag, 19. August.

Mittels Extrablatt des Dresdner Journals wird heute die Entlassung Beusts angezeigt. Auch die übrigen Minister haben schicklichem Brauch gemäß ihre Demission angeboten; sie ist jedoch nicht angenommen worden.

Der jüngste französische Zwischenfall scheint ein ballon d'éclaireur gewesen zu sein; sein nicht günstiger Flug hat Anlaß zu einer sofortigen Dementierung von Drouyn de Lhuys gegeben[94].


Montag, 20. August.

Friesen und Hohenthal sind nach Berlin abgegangen; wir bekommen nunmehr Garde als Garnison hierher.

[46] Nachrichten über die Menschenerdrückung beim letzten Napoleonsfeste[95].


Dienstag, 21. August.

Gestern und heute rückten je 3 Bataillone der Alexandriner und Elisabethaner[96] hier ein als „ständige Garnison“. Je näher die Rückkehr in Aussicht rückt, desto heftiger wird von beiden Seiten die Erbitterung. Besuch in der Kreuzschule.


Mittwoch, 22. August.

Der erste Anlauf in Berlin soll abgeschlagen sein; Legationsrefer. v. Zobel[97] ist wieder hier durch, um von Wien neue Instruktionen zu holen. Man spricht, der König werde sich langsam den Grenzen des Landes nähern und da den Friedensschluß abwarten. In der Hauptsache wird wohl alles feststehen, aber so wenig günstig, daß eine Veröffentlichung nicht angemessen erscheinen mag. Allgemein hört man hier sagen, daß das ganze Arrangement hier wohl nur ein Interimistikum sein wird, das mit dem Tode unsres Königs seine Endschaft erreichen dürfte.


Donnerstag, 23. August.

Von Tagesneuigkeiten nur bemerkenswert, daß beim Ministerium des Innern bereits die Parlamentswahlen[98] vorbereitet werden sollen. Sonst nichts Erhebliches.


Freitag, 24. August.

Kreisdirektor v. Burgsdorff, hiesigen Polizeiandenkens[99], ist durch den Zivilkommissar außer Betrieb gesetzt – infolge der Biedermannschen [47] Denunziation. Auch die Nichtbestätigung der Josephschen Wahl wird damit in Verbindung gebracht[100].

Beusts Entlassungsgesuch und die Antwort des Königs werden im Dresdner Journal veröffentlicht[101]. Man weiß wirklich nicht, ob die Supposition Beusts, man werde ihn in Berlin als Friedensunterhändler annehmen, mehr frech oder mehr dumm ist. Auch die Antwort des Königs steht in einem sehr sonderbaren Verhältnis zu der in einer Spalte daneben zu lesenden Aufforderung an die Landeskommission, das preußische Zusammengehen – für das er ja immer gewesen – aufrichtig und ernstlich zu fördern.

[48]
Sonnabend, 25. August.

Die Schanzerei[102] beginnt von neuem, und zwar nunmehr auf dem rechten Elbufer. Sollte das die nächste Antwort auf das Vorstehende sein? Pfotenhauer, dem ich meine vorstehend niedergeschriebene Ansicht mitteile, [49] meinte dagegen, Beust habe wohl nur sich bereit zeigen wollen, den Kelch der Bitterkeit nicht an sich vorübergehen zu lassen, sondern bis auf die Neige zu leeren!!! Er bewahrt und bewährt eine klettenartige Anhänglichkeit[103]. Sehr naiv war dazu die Äußerung, es erscheine die Erklärung des alten v. Treitschke als ein Gegengewicht gegen Burgsdorffs Abgehung. Mit solchen Gesinnungen freilich rennen wir mit dem Brett vor dem Kopf fort, bis die Ochsen endlich gründlich am Berge stehen werden. Und Burgsdorffs Verhalten gerade gegen die hiesigen Stadtbehörden scheint gänzlich verwischt zu sein![104]

Wahlversammlung, in welcher ich erfolglos gegen die Anonymität der Wahlvorschläge spreche[105]. Man scheut sich nach wie vor, mit seinem Namen für seine Gesinnung einzutreten.


Sonntag, 26. August.

Das Hofgesinde kehrt langsam zurück, was andeutet, daß die Herrschaften nächstens nachfolgen werden. Dennoch weiß man Näheres nicht.

v. Gersdorf soll um seine Entlassung gebeten haben, nachdem er wiederholt und dringend dem Könige die Entlassung Beusts anempfohlen hatte.


Montag, 27. August.

Große Sensation über die Verschanzungen des rechten Elbufers. Die Abholzung kann das bißchen Wasser, das Neustadt noch hat, vollends verschwinden machen. Das wird den Leuten, auch den geduldigsten, doch nachgerade zu bunt, und in Leipzig ist das Verlangen nach Annexion bereits ausgesprochen worden[106]. Die Prätension, Preußen noch Vorschriften machen zu wollen, ist geradezu lächerlich[107], das Gebaren unseres Hofes im höchsten Grade rücksichtslos gegen das Land. Sollte es unter diesen Umständen nicht noch zu einem öffentlichen Eklat kommen?

[50]
Dienstag, 28. August.

Die Abholzung ist auf telegraphische Interzession der Königinwitwe[108] sistiert. Man tritt der Möglichkeit näher, daß der König auf die preußischen Propositionen im Interesse des Landes selbst nicht eingehen und [51] es dann doch noch zur Annexion kommen wird infolge freiwilliger Resignation. Darüber muß bald Näheres laut werden.


Mittwoch, 29. August.

Pfotenhauer fährt zur Königinwitwe, um sich über den Sachstand zu informieren.

Konstitutionelle Zeitung predigt offen Annexion[109]. Dr. Wigard[110] hebt bei einer Rücksprache mit ihm den Unterschied der demokratischen Forderungen vom Jahre 1848 und den jetzigen viel weiter gehenden preußischen hervor.


Donnerstag, 30. August.

Nach der Ratifikation des österreichisch-preußischen Friedens[111] sollen Frankreich und Österreich gegen die Einverleibung der sächsischen Armee, [52] als mit der stipulierten Integrität Sachsens in Widerspruch stehend, protestiert haben. Tatsache ist, daß Forth Rouen von hier nach Berlin gegangen ist[112]. Infolgedessen ist auf morgen die Wiederaufnahme der Schanzerei angezeigt. Man gesteht offen zu, daß sie nichts als Pressionsmaßregel ist. Für Sonnabend Reise nach Lößniz.


Montag, 3. September.

Heute früh 8 Uhr von der Reise aus Freiberg zurückgekehrt. Die Menschen oben im Gebirge leben wie in einer andern Welt; die Lößnitzer haben bis jetzt nur eine Ulanenpatrouille von 22 Mann zu sehen bekommen. Hier dauert die Pression fort; man erzählt die wunderbarsten Dinge: so, daß in der famosen Korrespondenz[113] der König an Beust geschrieben habe: sobald er zurückgekehrt sei, werde er das Ruder wieder in seine Hand legen, daß die Minister mit diesem Passus den Abdruck resistiert hätten, ja ihre Demission wiederholt angeboten hätten. Ferner eine kuriose Geschichte von einem Briefe des Prinzen Georg an die Prinzessin voller Schimpfreden auf die Preußen, der letzteren in die Hände gefallen und vom Prinzen Friedrich Karl mit dem Familiensiegel wieder verschlossen und weiterbefördert worden sei[114].

Gerücht, daß unsre Schule am Königsbrücker Platze als Schanzarbeiterkaserne mit Beschlag belegt werden soll. Pfotenhauer teilt mir darauf mit, daß er den persönlichen Verkehr mit Wurmb neuerdings vermeide, da derselbe bereits sub rosa Annexionsagitationen angezeigt habe.

[53]
Dienstag, 4. September.

Außer Armenspeisung keine Konstitutionsfeierlichkeit[115].


Mittwoch, 5. September.

Prinz Friedrich Karl hat die sächsischen Truppen gelobt und die Idee, sie aufzulösen und unterzustecken, eine ganz unglückliche genannt[116]. Es zirkuliert das Gerücht von der Abdikation des Königs zugunsten des Kronprinzen; auf der andern Seite soll die Diplomatie die Reintegrationsidee der ernestinischen Linie in das Auge gefaßt haben. Sollte ich schließlich auch mit dieser Voraussage Recht behalten?

Inzwischen dauern die Truppendurchmärsche fort; heute wimmelt bei schönstem Wetter die Stadt von Preußen.


Donnerstag, 6. September.

Wahltag, ohne politisch Erhebliches. Königstein für preußische Besagung konzediert[117].


Freitag, 7. September.

Drei schwere Kavallerieregimenter ziehen am Rathaus vorüber mit schönen Harmoniemusiken[118]. Die Bewirtungen im Zentralbahnhof haben begonnen. T.[119] exzelliert bei denselben.

[54]
Sonnabend, 8. September.

Bei den fortgesetzten Wühlereien, die ungeahndet vor sich gehen, wird schließlich alles außer Rand und Band geraten. Es wird hohe Zeit, daß wir endlich wieder in geregelte Zustände gelangen.


Sonntag, 9. September.

Ich leide an einem heftigen Schnupfen, der mir den ganzen Kopf einnimmt. Langsam, langsam kriecht die sächsische Friedensverhandlung vorwärts.


Montag, 10. September.

Heute vor 12 Wochen rückten die Preußen ein – heute wird eine Flugschrift gratis verbreitet: „Was wird aus Sachsen werden?“ (Leipzig, bei Otto Wigand.) Ganz der Leipziger Standpunkt. Nachdem wir nicht annektiert worden sind, sollen wir uns selbst annektieren. So redet der Fuchs den Gänsen zu. Übrigens ist die Sache zwar hinlänglich gesalbt, doch mit notabler Ignorierung historischer Antezedentien zusammengeschrieben: es ist auf den großen Haufen und das sensitive Portemonnaie berechnet[120].


Dienstag, 11. September.

Der Königstein wird schon bald übergeben werden[121], die sächsische Besatzung sich nach Eger begeben. Das Resultat der Wahlmännerwahl soll halb zu halb sein[122].

[55]
Mittwoch, 12. September.

Die Militärdurchzüge dauern fort, von Frieden noch gar keine Rede. „Denken?“ „Die denken gar nicht, am wenigsten an uns.“


Donnerstag, 13. September.

Nichts Bemerkliches.


Freitag, 14. September.

Fölsch besucht mich auf der Durchreise von Wien. Maskenball in der Nacht des 3. Juli wird fortgesetzt, trotzdem daß um 11 Uhr die Depesche von der verlorenen Schlacht eintrifft. Am selben Tage früh großer Bittgang mit der Erzherzogin Sophie und ihrem alten blöden Troddel[123]. Erzherzog ist am Kopfe verwundet worden, sagen die Wiener: S' ist nur gut, daß wenigstens einer einen offenen Kopf hat[124]. – Der Maximilian macht die Wilden zahm, der Franz Joseph die Zahmen wild. –

In Berlin tauchen gelegentlich der Reichswahlgesetzberatung[125] alle die alten 48er Dornenfragen auf. Vereinbarung – man läßt dies Wort aus dem Gesetz fort. Vgl. Vogel Strauß versteckt seinen Kopf und glaubt, man sieht ihn nicht. Verhältnis des Parlaments zu den Sonderlandtagen – wird hier allerdings prägnant, da ja nur das preußische Abgeordnetenhaus dem Parlamente gegenüber numerisch von Bedeutung ist. Aber man löst die Frage nicht, sondern umgeht sie, weil Bismarck à tout prix fertig werden will und mit dem Damoklesschwert der Auflösung über ihnen hängt. Der Waffenerfolg in dem ganz unvorhergesehenen Umfange hat die ohnehin charakterlose Fortschrittspartei[126] vollends demoralisiert; der ganze Kammerapparat wird schon nur noch geschoben und ist schon zufrieden, wenn nur die Regierung sich die Mühe gibt, einen Weg zu finden, auf welchem sie sich allenthalben mit der parlamentarischen Form abfinden kann.

Bismarck hat durchaus nicht das Zeug, den eingerührten Teig politisch auswirken zu können, und so ist es denn höchst wahrscheinlich, daß das Brot der deutschen Hoffnung (wenn's überhaupt noch Toren gibt, [56] sie zu hegen) mit einem Schliffe aus dem Ofen kommen wird, dem höchstens pommersche Magen gewachsen sind. Man sagt von Österreich: es fehle ihm nichts als ein bedeutender Mann; dasselbe hat man in noch weit höherem Grade von Preußen zu sagen[127].


Sonnabend, 15. September.

Gestern traf bei mir vierte Einquartierung ein, 2 Mann 24er Linie; das Regiment ist bei Podol und Gitschin im Gefecht, bei Königgrätz in der Reserve gewesen.


Sonntag, 16. September.

Eine neue Flugschrift ist bei Tauchnitz erschienen: „Sachsen und der norddeutsche Bund.“ Nicht annexionistisch, wohl aber für das Bündnis[128]. Die Frage nähert sich: Wen wählen wir? Die Wahlgesetzfrage wird jedenfalls auf das Tapet kommen und sie muß im Sinne der Sicherung [57] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/63 [58] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/64 [59] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/65 [60] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/66 [61] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/67 [62] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/68 [63] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/69 [64] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/70 [65] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/71 [66] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/72 [67] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/73 [68] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/74 [69] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/75 [70] Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/76

Anmerkungen

  1. Allgemeine Deutsche Biographie, Friedrich v. Hellwald, „Oskar Peschel, sein Leben und Schaffen“". 1876.
  2. Vgl. Franz Eduard Gehe, Die Unterrichts- und Erziehungsanstalten in Dresden. 1845.
  3. Mitteilung des Ratsarchivs.
  4. Dresdner Anzeiger 18. April, 13. Mai, 15. November 1848.
  5. Ratsarchiv, A 2, 93, Vol. 1.
  6. Bucher, Jugenderinnerungen eines alten Sachsen 1836 bis 1856, S. 126: „Die Schwester der Hofschauspielerin Marie Bayer-Bürck, zuerst ebenfalls Schauspielerin, hatte der Kunst entsagt und den Advokat Peschel geheiratet.“
  7. König Johann begab sich zunächst nach Prag, dann über Königgrätz und Pardubitz nach Wien (2. Juli). Sein Aufruf erschien im Dresdner Journal, dem amtlichen Blatte, am 17. Juni.
  8. Die Zusammenziehung der Armee bei Dresden war gegen Abend des 16. vollendet, Masse links der Elbe, Vorhut rechts. In den ersten Stunden des 17. begann der Marsch nach Böhmen über Pirna und Berggießhübel. Frühmorgens am 18. wurde die Grenze überschritten.
  9. Von den Preußen marschierte die rechte Flügelarmee (Elbarmee, Herwarth v. Bittenfeld) über Meißen auf Dresden, die Armee des Zentrums (1. Armee, Prinz Friedrich Karl) nach der Lausitz auf Löbau und Bautzen. Die von Peschel erwähnten roten Husaren waren sicher vom Pommerschen Husarenregiment Nr. 5, das im Verbande der 3. Infanteriedivision und der 1. Armee über Herrnhut nach Zittau ging. Die roten Zietenhusaren (Brandenburgische Nr. 3) marschierten mit der 2. Kavalleriedivision (1. Armee) von Schlesien (Marklissa) nach Böhmen ein.
  10. Die Bundesabstimmung in Frankfurt am 14. Juni hatte mit 9 gegen 6 Stimmen die Mobilmachung des 7., 8., 9. und 10. Bundesarmeekorps ergeben. Mit der 2. Abstimmung ist die vom 16. Juni gemeint. Sachsen hatte Maßnahmen von seiten Österreichs und Bayerns gegen die vordringenden Preußen beantragt. Der Antrag auf Bundeshilfe wurde zum Beschluß erhoben.
  11. Als Spitzen der Elbarmee langten in Dresden Abteilungen des blauen Königshusarenregiments Nr. 7 (Oberst v. Lindern) an. Siehe Bild im Dresdner Stadtmuseum. Peschel gibt die Nummern der Regimenter nicht ganz richtig wieder. Die erwähnten 29er, 33er und 34er gehörten allerdings zum 8. Korps, dagegen befanden sich die 30er und Husaren 8 bei der preußischen Mainarmee. Mit den 8ern sind die rheinischen Jäger gemeint. Den Namen „Prinz Friedrich Karl v. Preußen“ führte das 8. brandenburgische Infanterieregiment Nr. 64, amtlich aber erst seit 20. September 1866.
  12. Friedrich Wilh. Pfotenhauer, geb. 1812 zu Hohenstein bei Chemnitz. 1842 Advokat und Bürgermeister in Glauchau. 1848 Mitglied der 2. Kammer; als Stadtrat nach Dresden berufen. 1849 Bürgermeister von Dresden. 1853 Oberbürgermeister. Gest. 1877. (Vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 17.)
  13. An ein Einrücken der Österreicher in Sachsen über das Gebirge war nicht zu denken. Die Sachsen trafen am 18. Juni jenseits der Grenze nur auf die österreichische Brigade Ringelsheim, die mit einer Batterie und einem Husarenregiment zu ihrer Aufnahme und als Nachhut für den weiteren Rückmarsch bis zur Iser bestimmt war. – v. Friesen, Erinnerungen aus meinem Leben, 2, 180, erzählt von der ebenfalls unzutreffenden Berliner Alarmnachricht, nach der bei Bodenbach österreichische Truppenanhäufungen festgestellt worden seien.
  14. Vorstand der Dresdner Einquartierungsbehörde war Stadtrat Hempel.
  15. Graf Ferdinand v. Beust, geb. 1809 in Dresden. 24. Februar 1849 Minister des Auswärtigen. 1853 Ministerpräsident. Reaktion. Anschluß an Österreich. Oktober 1866 österreichischer Minister. Gest. 1886. Verfasser von „Aus drei Vierteljahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen“. (Vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 17.)
  16. Der Königstein blieb von Sachsen besetzt.
  17. In Dresden-Neustadt war rasch ein Verpflegsamt gebildet worden. An seiner Spitze stand der Großkaufmann Franz Ludwig Gehe (vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 17). Peschel meint aber, daß der Rat bei der Erteilung dieser Vollmacht auf das bestehende Einquartierungsregulativ hätte gebührend Rücksicht nehmen müssen.
  18. Stadtrat Carl Eduard Flath war Dirigent des Wohlfahrtspolizeiamts und der Heimatsexpedition.
  19. Peschels Großonkel, der Dresdner Historienmaler und Professor an der Akademie der bildenden Künste, Carl Gottl. Peschel, Sohn des Finanzkalkulators G. Gottl. Peschel. (1798–1879).
  20. Die preußische Elbarmee versammelte sich am 20. und 21. Juni bei Stolpen und stand für den Einmarsch nach Böhmen (23. Juni) über Rumburg bereit.
  21. Rudolph, Aufwärter bei der II. Ratsabteilung.
  22. Ein Elbübergang der mit den Sachsen vereinten Österreicher bei Königstein in der Richtung auf Stolpen wäre ein Stoß in die rechte Flanke der Preußen gewesen; allerdings ein schöner Gedanke, wie überhaupt die begeisterten Anhänger Beusts und Österreichs viel zuviel von den Bundesgenossen erwarteten und die Lage anfangs völlig verkannten.
  23. Vom 7. westfälischen Korps war die 14. Division bei der Elbarmee; die 13. Division gehörte zur Mainarmee. (Vgl. das Bild „Biwak preußischer Truppen im Großen Garten zu Dresden“; Originalzeichnung für die Leipziger Illustrierte Zeitung, in Sturmhoefels Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande, 2, 2, 429.) Zur Elbarmee gehörte auch das ostpreußische Infanterie-Regiment Nr. 33.
  24. August Schwauß war ursprünglich Stadtrat in Plauen, wurde 1853 bei der Übernahme der Dresdner städtischen Sicherheitspolizei durch den Staat als königlicher Polizeirat berufen und später Polizeidirektor (Tageschronik der Dresdner Nachrichten, 1. Mai 1853). Er war „gut Beust'sch“ und geriet bald in ein sehr gespanntes Verhältnis zu den preußischen Besatzungsbehörden. Stadtrat Peschel, Gegner der Beustschen Politik, ist schlecht auf Schwauß zu sprechen.
  25. Ammonstraße 8 wohnte Peschels Schwägerin, Hofschauspielerin Marie Bayer-Bürck, die in zweiter Ehe mit dem sächsischen Oberstleutnant Freiherrn v. Falkenstein verheiratet war.
  26. In Dresden-N. war am 18. Mai 1866 ein Gasbehälter explodiert, wobei drei Mann das Leben eingebüßt hatten.
  27. Nach dem Abmarsch der Elbarmee und der 1. Armee nach Böhmen wurde Sachsen durch das 1. Reservekorps v d. Mülbe besetzt. Generalleutnant v. d. Mülbe wurde Militärgouverneur; Generalmajor von Bentheim als Kommandeur der in Dresden liegenden Landwehrdivision Stadtkommandant von Dresden (Standquartier Kadettenhaus). Zweiter Stadtkommandant war Oberstleutnant v. Renz (Blockhaus an der Augustusbrücke). Zivilkommissar für Sachsen wurde der Landrat des preußischen Kreises Weißenfels, v. Wurmb.
  28. Mit der „Truppenkonzentration bei Fischbach“ ist auf die der Elbarmee in der Umgebung von Stolpen hingewiesen (siehe oben). Fischbach liegt südöstlich von Arnsdorf an der Straße nach Stolpen.
  29. In Oberschlesien kam es nur am 27. Juni bei Oswiecim unweit rechts der oberen Weichsel zu einem Gefecht.
  30. Der Oberbefehlshaber der österreichischen Nordarmee, Feldzeugmeister Ritter v. Benedek, hatte im Hauptquartier zu Olmütz einen Armeebefehl erlassen, in dem durch Herabsetzung des Gegners und durch allerlei Verheißungen den eigenen Truppen Mut und Zuversicht eingeflößt werden sollte. Es wird darin von dem „übermütigen, gewissenlosen Feind“ gesprochen. Die preußischen Linientruppen seien nur junge, unerfahrene Soldaten, die Landwehrleute mißvergnügt, unzuverlässig und meist Gegner der eigenen Regierung. Dem raschen, vielgerühmten Schießen der Preußen werde man durch Angriff mit Kolben und Bajonett zuvorkommen; die Entscheidung falle in Feindesland! (Journal, 23. Juni).
  31. Stadtrat Teucher war Dirigent des Stadtbauamtes und des Wasserleitungsamtes.
  32. Die Unstimmigkeiten zwischen der Besatzungsbehörde und der Polizeidirektion nahmen zu. Schon vor dem 25. Juni traf in Dresden der königlich-preußische Polizeidirektor Stieber ein (Tageschronik der Dresdner Nachrichten).
  33. Die hannoveranische Armee war bereits am 25. Juni bei Langensalza zum größten Teil umstellt und nicht mehr in der Lage, den Marsch nach Süden zur Vereinigung mit den Bayern ohne Kampf fortzusetzen.
  34. Gegen Ende Juni 1866 herrschte sehr heißes, trockenes Wetter, unter dem die Truppen sehr zu leiden hatten.
  35. Nach Pilsen waren nur die sächsischen Depottruppen abgegangen. Die Armee selbst stand an der Iser zwischen Bakow und Jungbunzlau; Kronpring Albert hatte das Oberkommando auch über das ebenfalls an der Iser stehende 1. österreichische Korps Clam Gallas und die 1. österreichische leichte Kavalleriedivision übernommen.
  36. Garibaldi wollte gegen Tirol vorstoßen. Eine Meldung im Dresdner Journal vom 17. Juni besagte, daß die braven Tiroler mit über 50 000 Mann zu gebührendem Empfang der Rothemden an den Grenzen bereit ständen; eine andere vom 26. Juni, Garibaldi sei im Begriff, mit zwei Freischarenregimentern über den Comersee zu fahren.
  37. Schlacht bei Custozza am 24. Juni; Sieg der österreichischen Südarmee unter Erzherzog Albrecht über die Italiener.
  38. Der Vormarsch der Elbarmee über Niemes zur Iser führte am 26. Juni zum Gefecht bei Hühnerwasser; am gleichen Tage geriet die 1. Armee bei Liebenau in ein Gefecht mit den abziehenden Österreichern und bemächtigte sich der Iserübergänge von Turnau und Podol.
  39. Die Minister Beust und Rabenhorst hatten mit dem König das Land verlassen. Zur Fortführung der Regierungsgeschäfte war eine Landeskommission unter Freiherr v. Falkenstein eingesetzt worden. Zu ihr gehörten außer Falkenstein Freiherr v. Friesen, Dr. R. Schneider und als Vertreter des Militärs der Generalleutnant v. Engel. Vom Kriegsministerium war Geh. Kriegsrat Mann zurückgeblieben.
  40. Polizeidirektor Schwauß hatte sich auch geweigert, die Kundgebung Herwarths v. Bittenfeld vom 19. Juni in Dresden öffentlich anschlagen zu lassen (Sturmhoefel, Illustrierte Geschichte der Sächsischen Lande, 2, 2, 428). Pikart war Polizeirat.
  41. Die sächsische Regierung hatte auf Bayerns Hilfe ernstlich nicht rechnen können. Schon am 1. Juni erkannte auf der Konferenz der Militärbevollmächtigten der deutschen Mittelstaaten der sächsische Oberst v. Montbé, daß eine rechtzeitige Mitwirkung der bayrischen Armee nicht in Frage kam, infolgedessen nicht der militärische Anschluß an diese, sondern nur der Rückzug über das Erzgebirge auf die österreichische Nordarmee geboten war (Schuster und Franke, Geschichte der Sächsischen Armee, 3, 94 ff.). Über Bayerns Haltung im Juni siehe auch v. Friesen, Erinnerungen, 2, 171 ff. Bayern lehnte jede Zusammenarbeit mit Österreich ab, verlangte den Oberbefehl in Süddeutschland und trug sich mit dem Gedanken der Gründung eines Süddeutschen Bundes.
  42. Bei Münchengrätz (28. Juni) waren vom sächsischen Armeekorps keine Truppen ins Gefecht gekommen. Die gelbe Brigade war die 2. Brigade „Prinz Friedrich August“. Die sächsische Infanterie trug 1866 hellblaue Uniformen, mit pouceauroten Kragen und Aufschlägen bei der 1., gelben bei der 2., schwarzen bei der 3. und weißen bei der 4. (Leib-) Brigade. Aus dem 5. und 6. Bataillon der 2. Brigade ging 1867 das Infanterieregiment „Prinz Friedrich August“ Nr. 104 hervor, aus dem 7. und 8. Bataillon das Infanterieregiment Nr. 105.
  43. Die betreffende Stelle in dem Erlaß des Generalmajors v. Bentheim lautete: Im Falle eines Kampfes in und um Dresden erleiden diejenigen, welche mit Waffen betroffen werden, die Strafe des Erschießens (Dresdner Journal, 30. Juni).
  44. Oskar Peschel, der Bruder des Stadtrats, war von 1848 bis 1854 Mitglied der Redaktion der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“. Am 1. Dezember 1854 übernahm er die Schriftleitung des „Ausland“, der im Verlag von Cotta erscheinenden Wochenschrift. 1866 suchte er in der „Allgemeinen Zeitung“ die militärischen Maßnahmen des Prinzen Karl von Bayern, des Oberbefehlshabers des 7. und 8. Bundeskorps, zu rechtfertigen, indem er darlegte, daß eine schnellere Marschänderung gegen die Grenzen Hannovers zur Vereinigung mit den Hannoveranern völlig unmöglich gewesen sei. Im bayrischen Hauptquartier zu Ansbach durfte er alle Tagesberichte und Depeschen einsehen (Freundschaft mit General v. d. Tann). 1871 wurde Oskar Peschel Professor der Erdkunde zu Leipzig.
  45. Das Kadettenkorps war vom 23. Juni bis 15. Juli in Wien, von da bis 26. November in Liebenau bei Gratz. Die Leibbrigade (4. Infanteriebrigade v. Hausen) deckte am 29. Juni unter schwerem Kampfe in Gitschin den Rückzug der österreichisch-sächsischen Armee (Iserarmee).
  46. Der größte Teil des Staatsschases war nach München in sicheren Gewahrsam gebracht worden.
  47. Ida v. Elterlein, Peschels Schwester, teilt die Verlobung ihrer Tochter Suse mit.
  48. Schlacht bei Königgrätz, 3. Juli. – Prag wurde am 8. Juli besetzt.
  49. Stadtrat Franz Eduard Gehe, Onkel des obenerwähnten Großkaufmanns Franz Ludwig Gehe; Großvater von Professor der Literaturgeschichte Dr. Friedrich Kummer, Dresden. Geb. 1797, gest. 1875. 22. April 1835 bis 31. Juli 1866 Chef des Dresdner Schulwesens (vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 17).
  50. Waffenstillstand zu Villafranca, 11. Juli 1859; Friedenspräliminarien. Österreich gibt die Lombardei an Italien (Friede zu Zürich).
  51. a b Dresdner Amtshauptmann Vieth v. Golßenau; Dresdner Kreisdirektor v. Könneritz.
  52. Tauberth, Betriebsoberinspektor und Maschinenmeister der Sächs.-Böhm. Staatseisenbahn.
  53. Kaskel, Schatzmeister des Vereins zur Pflege der verwundeten Krieger.
  54. Schon vor Königgrätz war Kaiser Franz Joseph mit Napoleon wegen eines Waffenstillstandes in Italien in Verbindung getreten (2. Juli). Napoleon war sofort bereit, den Vermittler, auch mit Preußen, zu spielen.
  55. Clam Gallas führte das österreichische 1. Korps. An dessen Spitze stand er schon im Feldzug von 1859 gegen Sardinien und Frankreich. In der Schlacht von Magenta, am 4. Juni 1859, wurde der unter seinem Befehl befindliche rechte Flügel der Österreicher derartig geschlagen, daß die Truppen in größter Verwirrung zurückfluteten. Nach dem eigenen Bericht des Grafen befanden sich seine Formationen in einer „solchen totalen Auflösung“, daß man nicht einmal eine Kompanie zu sammeln vermochte. Er war daher außerstande, dem Befehle der Heeresleitung zur Einstellung des Rückzuges nachzukommen (vgl. v. Caemmerer, Magenta. Berlin 1902). Wie bei Magenta und Solferino 1859 zeigte sich Clam Gallas auch am 29. Juni 1866 bei Gitschin der schwierigen Lage, in die sein Korps infolge des Rückzugsbefehls versetzt war, durchaus nicht gewachsen.
  56. Bürgermeister Neubert war Vorsteher der 1. Ratsabteilung und Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Da Stadtrat Gehe seine Pensionierung für Ende Juli beantragt hatte, entschloß sich Peschel, um ein Aufrücken in der Reihe der (abgestuft) besoldeten Stadträte nachzusuchen. Peschel war 1853 als 4. Stadtrat mit einem Gehalt von 1200 Taler angestellt worden (Ratsarchiv A 2, 93, Vol. 1, Bl. 262). – Neubert, Heinrich Moritz. Geboren 1809 in Ehrenfriedersdorf. Advokat und Finanzprokurator in Dresden. 1849 bis 1850 Vorsteher der Stadtverordneten. 1851 Stadtverordneter, 1851 Stadtrat. 1853 bis 1875 Bürgermeister. Gestorben 1881.
  57. Pariser Bekannter Peschels.
  58. In ihrer Sitzung am 17. Juni beriefen sich die Stadtverordneten auf § 169 der Allgemeinen Städteordnung: „Das Recht, keinen Verzug leidende Beschlüsse namens der Gesamtheit der Stadtverordneten selbst zu fassen, dürfen die Stadtverordneten nur in außerordentlichen Fällen einem Ausschusse übertragen, welchen sie, wenn er nötig wird, zu diesem Behufe aus ihrer Mitte zu wählen haben.“ Sie lehnten daher einen Ausschuß aus Stadtverordneten und Stadträten, also einen gemischten Ausschuß, ab und wählten darauf selbst einen Ausschuß von 5 Mitgliedern und 5 Stellvertretern (Mitglieder: Stadtverordnetenvorsteher Ackermann, Wigard, Walther, Schaffrath, Stübel). Journal, 19. Juni.
  59. Die sächsische Armee stand am 8. Juli in Mährisch-Trübau und rückte am 11. Juli in das verschanzte Lager von Olmütz ein.
  60. Karl Gustav Ackermann (1820–1901). 1849 Rechtsanwalt und Finanzprokurator in Dresden. 1853 bis 1898 im Stadtverordnetenkollegium. 1865 bis 1898 in ununterbrochener Folge Stadtverordnetenvorsteher. Im Deutschen Reichstag und in der sächsischen II. Kammer Mitglied der konservativen Partei (vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 17).
  61. Walther, Dr. med., Geh. Medizinalrat, Präsident des Landesmedizinalkollegiums, königlicher Leibarzt und Oberarzt am Stadtkrankenhaus.
  62. Mülbes Nachfolger in Dresden wurde General der Infanterie v. Schack. Generalleutnant v. Briesen wurde erster, Oberst v. Gontard zweiter Stadtkommandant.
  63. Peschels Frau an die Pariser Bekanntschaft.
  64. Stadtschreiber Westen.
  65. Im Gefecht bei Aschaffenburg am 14. Juli kämpfte die 13. preußische Infanteriedivision gegen das 8. Bundeskorps (Prinz Alexander von Hessen).
  66. Die am 15. erwähnte Prager Fanny ist vermutlich eine Verwandte der Familie Bayer (Prag. Peschels Frau Therese geb. Bayer; seine Schwägerin Marie Bayer-Bürd, Freifrau v. Falkenstein). Franz Baŋer, Baurat in Wien, Miterbauer der Semmeringbahn, Schwager Peschels.
  67. Bereits Anfang Juli wurden von den Berliner Arbeitern etwa 650 zurückgeschickt, da sie sich „frech und faul“ zeigten (Tageschronik der Dresdner Nachrichten).
  68. Die Preußen besetzten Frankfurt am 16. Juli. Die Preußen gingen in der eroberten Stadt scharf vor; der Forderung von 6 Millionen folgte bald eine zweite von 20 Millionen.
  69. 20. Juli Sieg Tegetthoffs über die italienische Flotte.
  70. Vom 22. bis 25. Juni 1865 war in Dresden das große deutsche Sängerbundesfest. Es stand unter dem schwarzrotgoldenen Zeichen der großdeutschen Einigung und der Verbrüderung mit Österreich (siehe „Das alte Dresden“, Bilder und Dokumente aus zwei Jahrhunderten. Hanfstaengl, München 1925, S. 277).
  71. Advokat Gruner, Advokat Kretschmar, Advokat Schaffrath und Professor Dr. med. Wigard gehörten den Stadtverordneten an. Über Schaffrath siehe 29. September 1866, Wigard siehe 29. August 1866.
  72. Die zuerst von der preußenfreundlichen konstitutionellen Zeitung gebrachte Erklärung von „mehreren ihrer politischen Freunde“ verlangte vor allem Beseitigung der Zerrissenheit Deutschlands und eine Gesamtverfassung, welche „Deutsch-Österreich mindestens nicht für immer ausschließt“, errichtet auf der Grundlage der Frankfurter Verfassung von 1849; sie verbat sich ferner jede Einmischung des Auslands in deutsche Angelegenheiten und forderte Schutz des deutschen Bodens. Es sei auch ein gerechtes Verlangen, daß man die sächsischen Truppen aus der Mitte der Heere einer Macht abrufe, von der sie einem bloßen Hausmachtkriege geopfert würden. Daher sei sofort Verständigung mit Preußen anzubahnen und die Einberufung eines Parlaments zur Festsetzung der deutschen Verfassung notwendig. Trotz der Bemerkung hinsichtlich der zukünftigen Stellung Österreichs war diese Erklärung also ganz im preußisch-kleindeutschen Sinne gehalten.
  73. In Erfurt war am 20. März 1850 das auf Betreiben Preußens einberufene Parlament eröffnet worden. Es hatte die Aufgabe, eine kleindeutsche Verfassung mit preußischer Spitze zustande zu bringen.
  74. Dreikönigsbündnis vom 26. Mai 1849 zwischen Preußen, Hannover und Sachsen: kleindeutscher Verfassungsentwurf auf Grund des zugunsten der konservativen Richtung abgeänderten Frankfurter Verfassungswerkes und Wahlgesetzes. Am 28. Juli meldete das Journal, daß die preußische Regierung bereits Vorbereitungen zur Ausschreibung der Wahlen für ein deutsches Parlament treffe auf Grund des Wahlgesetzes vom 12. April 1849. Auch in Sachsen werde die Wahl ausgeschrieben werden.
  75. Paul Alfred Stübel wurde Leiter des Stadtbauamtes und der Wasserleitungsanstalt. Er war geboren 1827 in Dresden. 1853 Advokat. 1856 bis 1866 Dresdner Stadtverordneter. Am 26. Juli 1866 wurde er mit 34 Stimmen zum besoldeten Stadtrat gewählt. Stadtverordneter Gruner hatte 12, Stadtschreiber Westen 9 und Ratsaktuar Dr. Hoffmann 4 Stimmen erhalten (Sitzungsberichte der Stadtverordneten). 1875 wurde Stübel 2. Bürgermeister, 1877 Oberbürgermeister. Gestorben 1895. (Vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg. Nr. 18.)
  76. Bei Groß-Gänserndorf auf dem Marchfelde bei Wien fand am 31. Juli die Parade der 1. preußischen Armee statt. Das letzte Gefecht mit der österreichischen Nordarmee vor dem Waffenstillstand war bei Blumenau an der Straße über die Kleinen Karpathen nach Preßburg.
  77. Die Proklamation lautete: „Meine treuen Sachsen! Haben auch unsere tapfern Truppen durch verräterische Hand in der Schlacht bei Königgrätz vor dem Feinde weichen müssen, so können wir doch auf unsere Söhne, Brüder etc., welche sehr tapfer dem Feinde gegenüberstanden, stolz sein. Glückselig fühle ich mich, Euch, meine braven Sachsen, sagen zu können, daß der Augenblick kommen wird, wo der Feind, nachdem er nach erwähnter Schlacht mehrere Male von uns besiegt worden ist, auch ferner geschlagen werden wird. Zwar haben wir von unsern braven Truppen über 2000 Verluste zu beklagen, doch sind diese Lücken bereits wieder ergänzt. Teilet daher Eure schwere Lage mit mir und unserm tapfern Heere, wie wir diese mit Euch tragen. Wenn Gott, der Allmächtige, unsere Waffen wie seit der Schlacht bei Königgrätz auch ferner segnet, so werde ich bald wieder an der Spitze unserer Kinder in unser geliebtes Vaterland einziehen.
    Es grüßt Euch herzlich Johann.

    Wien, am 19. Juli 1866“.

    Die Landeskommission gab hierzu am 29. im Journal folgende Erklärung: „Die Landeskommission hält sich, um falschen Auffassungen zuvorzukommen, für verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, daß die Proklamation nach Form und Inhalt so deutlich den Stempel der Unechtheit an sich trägt, daß sie unmöglich von S. Maj. dem König herrührt.“

  78. v. d. Pfordten, zuerst Professor in Leipzig, gehörte dem sächsischen Märzministerium Braun von 1848 an. 1849 bayrischer Minister des Äußeren. Im Frühjahr 1866 sprach er in den Besprechungen mit Sachsen über die Haltung der deutschen Mittelstaaten in einem künftigen Kriege zwischen Österreich und Preußen unverhohlen sein Mißtrauen gegen Österreich und dessen militärischen Stand aus. Er erblickte die Lösung der deutschen Frage in der Triasidee: 1. Österreich, 2. Norddeutschland unter Preußens, 3. Süddeutschland unter Bayerns Führung. Nicht auf die militärische Unterstützung Sachsens, sondern auf die Wahrung der bayrischen Interessen im Westen gegen etwaige Gelüste Frankreichs auf die Rheinpfalz glaubte v. d. Pfordten seine Hauptaufmerksamkeit richten zu müssen. Preußens Bundesreformvorschlag vom 10. Juni im kleindeutschen Sinne lehnte er ab, und auf seine Initiative ging dann der Antrag auf die teilweise Mobilisierung des Bundesheeres zurück, über den am 14. Juni in Frankfurt abgestimmt wurde. Wie es dann während des Krieges zu keiner unmittelbaren bayrischen Hilfe für Sachsen kam, so vertrat auch nach Königgrätz bei den Friedensverhandlungen mit Preußen v. d. Pfordten lediglich die bayrischen Angelegenheiten (vgl. hierzu Peschel, 30. Juni).
  79. Es ist nicht uninteressant, die Meinung dieses Gitschiner Mitkämpfers Sandersleben zu hören. Daß besonders immer wieder das Verhalten des Korpskommandeurs Clam Gallas kritisiert wird, darf nicht verwundern, da von der Mitwirkung seines Korps auch die Erfolge der Sachsen bei der gemeinsamen Wacht an der Iser abhingen. Beim Abmarsch seiner Truppen auf den Kriegsschauplatz hatte Clam Gallas am 14. Juni in Prag in einem Tagesbefehl die Worte gebraucht: „Ich folge Euch bald und bin im Augenblick des Kampfes, sobald dieser losbricht, bei Euch“ (Journal, 16. Juni). – v. Sandersleben, Major und Kommandeur des sächsischen 2. Infanteriebataillons.
  80. Die Verzettelung der österreichischen Truppenkörper war überhaupt eine der schwersten Ursachen des Mißerfolges der Nordarmee. Daß die preußischen Soldaten mit dem schnellschießenden Zündnadelgewehr auch zu treffen verstanden, beweist die Feststellung, daß der österreichische Verlust in allen Kämpfen durchweg etwa das Fünffache des preußischen betrug. So war das Verhältnis z. B. auch in dem für die Österreicher siegreichen Gefecht bei Trautenau am 27. Juni, durch das die Preußen (1. Korps Bonin) wieder in die Paßenge des Gebirges zurückgeworfen wurden.
  81. Vertrag zu Olmütz vom 29. November 1850, die „Niederlage Preußens“ infolge seines Nachgebens gegen Österreich in der Bundesreformfrage. Wiederherstellung des alten Bundes von 1815. Auch die Dresdner Konferenzen im Dezember 1850 brachten für Preußen keinen Erfolg, so daß es sich gezwungen sah, auch seinerseits den wiederhergestellten Bundestag in Frankfurt zu beschicken.
  82. Das Dreikönigsbündnis von 1849 (Preußen, Sachsen, Hannover) hatte auch den Beitritt des Südens, vor allem Bayerns, zu dem neuen unter Preußens Oberleitung stehenden Bunde in Rechnung gestellt (vgl. Peschel, 24. Juli). Peschel drückt hier offen seine Ablehnung der bisherigen sächsischen Politik aus und bekennt sich zu dem Gedanken der Reichseinheit in kleindeutschem Sinne.
  83. T. = Stadtrat Teucher (siehe Peschel, 24. Juni). Teucher gab die Direktion des Stadtbauamtes und der Wasserleitungsanstalt, die wegen seines Eintritts in das Requisitionsamt Stadtrat Peschel vorübergehend übernommen hatte, endgültig an Stübel ab. Er bekam dafür die Armenversorgung, das Stadtwaisenhaus, das Findelhaus, die Arbeitsanstalt, das Versorghaus, das Asyl für Sieche und die Kinderpfleganstalten, während Peschel das durch Gehes Abgang freiwerdende Schulamt übernahm und für ihn Stadtrat Kürsten die Baupolizeiverwaltung und das Beleuchtungswesen erhielt.
  84. Zu aller Zufriedenheit ging also die Geschäftsverteilung nicht ab. Teucher blieb aber Stadtrat.
  85. Straflosigkeitsgesetz. Aus dem englischen Parlamentswesen. – Dem Ministerium Bismarck wurde für seine in der „Konfliktszeit“ selbständig ohne Zustimmung des Parlaments zum Haushaltplan geführte Notpolitik nachträglich von der Volksvertretung Indemnität erteilt.
  86. Graf v. Hohenthal war bis zum Kriege sächsischer Gesandter in Berlin.
  87. Graf v. Fabrice, 1866 Generalstabschef der sächsischen Armee (Näheres Peschel, 20. September 1866).
  88. Heinrich v. Treitschke war am 15. September 1834 als Sohn des sächsischen Generalleutnants v. Treitschke (gest. 1867) zu Dresden geboren. Geburtshaus Weiße Gasse Nr. 3 (Büste mit Inschrift). Den Irrtum der Herkunft berichtigt Peschel am 13. August selbst. v. Treitschke – 1858 Privatdozent in Leipzig, 1863 a. o. Professor in Freiburg, 1866 Leiter der Preußischen Jahrbücher in Berlin, da wegen seiner Hinneigung zu Preußen sein Bleiben in Baden nicht mehr möglich war – war mit einer Broschüre „Die Zukunft der norddeutschen Mittelstaaten“ hervorgetreten (30. Juli 1866). Sie verlangte rücksichtsloses Vorgehen Preußens gegen Hannover, Kurhessen, Frankfurt und – Sachsen. „Jene drei Dynastien sind reif, überreif für die verdiente Vernichtung; ihre Wiedereinsetzung wäre eine Gefahr für die Sicherheit des neuen deutschen Bundes, eine Versündigung an der Sittlichkeit der Nation.“ Ganz besonders scharf und vernichtend ist Treitschkes Urteil über die bisherige sächsische Politik, über Sachsens Herrscher und namentlich auch über König Johann. Trotz einer Fülle gelehrter Kenntnisse sei Johann ein gewöhnlicher Mensch geblieben, „engen Herzens, unfrei, philisterhaft in seinem Urteil über Welt und Zeit“. „Sein politisches Urteil war durch albertinischen Preußenhaß so gänzlich getrübt, daß er, der rechtschaffene, sittenstrenge Mann, zum Werkzeuge eines frivolen, nichtigen Menschen, wie Herr v. Beust, herabsinken konnte“. Sachsen müsse ganz in Preußen aufgehen, nicht nur ein Personenwechsel auf dem Throne könne genügen. Denn auch „der Kronprinz, ein Mann nicht ohne derbe Gutmütigkeit, aber roh und jeder politischen Einsicht bar, war von jeher eine Stütze der österreichischen Partei, ein Freund und Bewunderer des Kaisers Franz Joseph; und von dem Prinzen Georg, dessen Hochmut und Bigotterie selbst in dem zahmen Dresden Anstoß erregen, ist noch weniger zu erwarten.“
    Diese Schrift, von der Feder eines Sachsen in solchem Tone geschrieben, mußte in Sachsen zum Teil selbst bei Männern, die Beusts und des Königs Politik verurteilten und nicht zur österreichischen Partei gehörten, wie Stadtrat Peschel, abgelehnt werden. Die Presse sprach sich für und wider aus. Ein Berliner Kritiker der „Kölnischen Blätter“ warf dem Verfasser, der übrigens in seiner bisherigen Universitätszeit noch kein wissenschaftliches Werk geschrieben habe, großmäuliges Renommieren, ungezogenes Schimpfen auf deutsche Fürsten und Volksstämme, verleumderisches Schmähen der Katholiken vor (Dresdner Journal, 10. August), während andere, liberale Stimmen, diesem „ultramontanen“ Berichterstatter entgegentraten und sagten, daß H. v. Treitschke schon vor Preußens Sieg die Entwicklung der gegenwärtigen Zustände vorausgesagt habe, also jetzt durchaus keine billigen Lorbeeren ernte, wie er denn auch in seinen „Historischen und politischen Aufsätzen“ (1865) bereits ein glänzendes Zeugnis seiner wissenschaftlichen Begabung gegeben habe (Journal, 11. August). Auch die Berliner Blätter brachten die Angelegenheit. Da die Schrift in Sachsen konfisziert wurde, erhob sich der juristische Streit, ob wirklich eine Majestätsbeleidigung begangen sei oder nicht. Man bestritt die Möglichkeit einer solchen, da es sich um einen entwichenen Monarchen eines feindlich besetzten Landes handle. Am 21. August war die Schrift auf Veranlassung v. Wurmbs durch den sächsischen Generalstaatsanwalt Dr. Schwarze wieder freigegeben. In der Kreuzzeitung (wiedergegeben im Journal am 18. August) hob eine Dresdner Stimme hervor: „Die Pietät der Sachsen gegen ihren König ist eine sehr große, so daß darin auch die Parteiunterschiede fast zusammenfließen. Auch auf seiten derer, die ein Aufgehen Sachsens in Preußen wünschen, mischt sich noch immer in den Wunsch für das Land die Klage um den König, und wiederum da, wo noch das österreichische Bundesreformprojekt von 1863 oder etwas dem Ähnliches in den Köpfen spukt, ist es vorzugsweise die Anhänglichkeit an diese bestimmte Person des Königs Johann, welche ihm gern für den Rest seiner Tage eine andere Rolle wünschte, als in dem künftigen norddeutschen Bundesstaate. Es ist hier manches anders als in Hannover und Kassel.“
    Gewissermaßen den Schluß der erregten Debatte über den Fall Treitschke machte eine Erklärung des alten Generalleutnants v. Treitschke im Dresdner Journal am 25. August, in welcher er sagte, daß seine treue Gesinnung gegen König Johann und das königliche Haus wohl keiner öffentlichen Darlegung bedürfe, er sich aber dennoch bewogen fühle auszusprechen, samt den Seinen nur mit Entrüstung und tiefem Schmerze die Äußerungen gelesen zu haben, die sein älterer Sohn in der Schrift „Die Zukunft der norddeutschen Mittelstaaten“ gegen dieses Königshaus sich gestattet habe.
  89. „Unsel'ger Augenblick voll Bangen“ in Meyerbeers Oper „Robert der Teufel“ (1831).
  90. Frankreich verlangte Teile deutschen Bodens als Ausgleich für den Machtzuwachs Preußens. Die ersten Nachrichten über diese französischen Kompensationsgelüste erwähnten das Verlangen Frankreichs, wieder in den vollen Besitz der östlichen Grenzen von 1814 zu gelangen, die nach den damaligen Festsetzungen auch Landau, Saarlouis und Saarbrücken einschlossen; 1815 aber waren diese Gebiete Deutschland zugesprochen worden (Bayern und Preußen). (Siehe Dresdner Journal, 14. August.)
  91. Bericht aus Wien (Journal, 16. August): Die Sachsen besonders im Volksgarten stark vertreten. Ihnen zu Ehren ein Gartenfest mit Ball, wobei sie sich durch gutes Walzertanzen auszeichneten.
  92. Bezieht sich auf die vom Stadtrat auf den 6. September angesetzte Wahl der Wahlmänner für die Neuwahl eines Landtagsabgeordneten (Journal, 22. August).
  93. v. Wurmbs Erlaß am 19. August.
  94. Der französische Außenminister Drouyn de Lhuys ließ in der französischen Presse das Gerücht dementieren, nach dem Napoleon Schritte unternommen habe, Teile Belgiens (Philippeville) zu erhalten. Er habe an den belgischen König keinen Brief geschrieben, wohl habe aber die französische Regierung der englischen das Dementi des Gerüchtes gesandt. – Drouyn de Lhuys wurde Anfang September seines Amtes enthoben (Moniteur, 2. September).
  95. Dresdner Journal, 21. August. Pariser Briefe. Brief vom 16. August über das Napoleonsfest (15. August Geburtstag Napoleons I.).
  96. Gardebrigade des Generalmajors v. Budrisky. (v. Budrisky ist 1870 bekanntgeworden durch sein persönliches Eingreifen bei der Erstürmung der Barrikade von Le Bourget vor Paris am 30. Oktober.)
  97. Johann Wolf v. Zobel, Legationsrat (Dresdner Adreßbuch 1866).
  98. Das heißt die Wahlen zum konstituierenden norddeutschen Parlament (vgl. Peschel, 24. Juli 1866).
  99. Am 1. Mai 1853 wurde die bisherige städtische Sicherheitspolizei vom Staate übernommen, dafür die städtische Wohlfahrtspolizei neu errichtet. Die provisorische Leitung der königlichen Polizeidirektion erhielt Regierungsrat v. Burgsdorff (vgl. hierzu Peschel, 20. Juni).
  100. An Stelle v. Burgsdorffs wurde Regierungsrat v. Berlepsch interimistisch mit der Leipziger Kreisdirektion betraut, bis am 27. August der Stellvertreter des Kreisdirektors, Regierungsrat v. Haugk, die Leitung übernahm (Journal, 29. August). v. Burgsdorff hatte der Wahl des schon von 1848/49 her bekannten liberalen Politikers Dr. Joseph zum Leipziger Stadtrat wegen dessen preußenfreudlicher (nationalliberalen) Gesinnung nicht zugestimmt. Sicher stand die Absetzung des Kreisdirektors auf Veranlassung v. Wurmbs mit dieser Nichtbestätigung, gegen die übrigens die Leipziger Stadtverordneten Einspruch erhoben hatten (Leipziger Meldung vom 15. August), im Zusammenhang, ebenso wie mit der Auflösung einer Versammlung der liberalen Partei der Annexionisten zu Leipzig am 17. August durch die Leipziger Polizei. Die Deutsche Allgemeine Zeitung berichtete, daß die Auflösung der Versammlung noch vor Verhandlungsbeginn in ganz rigoroser Weise vorgenommen worden sei. Solche Versammlungen der Liberalen in der Leipziger Zentralhalle waren schon seit Mai 1866 alle Sonnabende abgehalten worden. In ihnen war auch bei Kriegsbeginn die Stimmung gegen den Krieg mit Preußen laut geworden. Gegen den Eingriff der Leipziger Polizei hatten Professor Biedermann und drei andere Herren in Dresden Widerspruch erhoben.
    Prof. Karl Biedermann, geb. 25. September 1812 zu Leipzig; 1838 a. o. Professor der Philosophie in Leipzig. Verteidiger des Zollvereins und des Gedankens der deutschen Einigung unter preußischer Führung (besonders in der von ihm seit 1842 herausgegebenen „Deutschen Monatsschrift für Literatur und öffentliches Leben“). 1848 Mitglied der Paulskirche und Führer der Erbkaiserpartei. 1854 wegen seiner österreichfeindlichen Politik seiner Professur enthoben. 1863 bis 1879 Leiter der Deutschen Allgemeinen Zeitung. 1865 wieder in die Professur eingesetzt. Er gehörte den ausgesprochenen Preußenfreunden an und hätte gern die Einverleibung Sachsens durch Preußen gesehen. Er wurde Führer der in Sachsen entstehenden Gruppe der nationalliberalen Partei, die sich in Preußen infolge der Indemnitätsfrage von der Fortschrittspartei abgezweigt hatte und für Bismarcks Politik eintrat. 1869 bis 1876 war Biedermann im sächsischen Landtag und 1871 bis 1879 im Reichstag Führer der sächsischen nationalliberalen Partei. Gest. 1901. (Vgl. auch Peschel 1870, 17. Juli.)
  101. Die wesentlichste Stelle in Beusts Entlassungsgesuch vom 15. August lautete: „Wie Ew. M. sich gnädigst erinnern. habe ich bereits am Tage der Unterzeichnung der zwischen Österreich und Preußen vereinbarten Friedenspräliminarien die Frage zu Allerhöchster Erwägung gestellt, ob, da nunmehr eine Verständigung mit der königl. preuß. Regierung anzustreben sei, meine Person nicht ein Hindernis für diese Verständigung darbieten und auf dessen Beseitigung Bedacht zu nehmen sein werde.“ In der Antwort vom 16. August aus Schönbrunn bewilligte der König das Rücktrittsgesuch. Er erklärte, daß er nur schwer ein so glückliches und bewährtes Verhältnis infolge der von Beust angegebenen politischen Gründe auflöse. In seinem Erlaß an die Landeskommission hieß es, er setze voraus, daß die Staatsminister seinen Intentionen gemäß und in der Hoffnung, daß ein entsprechendes Bündnis mit Preußen zustande kommen werde, auf ein ehrliches und freundliches Zusammengehen mit Preußen Bedacht nehmen werden.
    Über die politische Haltung des Königs Johann im Jahre 1866 geben am besten Aufschluß die Arbeit von Johann Georg, Herzog zu Sachsen: „König Johann von Sachsen im Jahre 1866“ (Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 47. 1926) und von Helmut Klocke: „Die Sächsische Politik und der Norddeutsche Bund“ (ebenda, Bd. 48. 1927). Beide Arbeiten betonen, daß König Johann mit Österreich vor Ausbruch des Krieges kein eigentliches Bündnis geschlossen und nur sein Rechtsgefühl und seine Auffassung vom Deutschen Bunde ihn auf Österreichs Seite geführt habe. Ganz im Gegensatz zu seinem Sohne Albert in kühlem Verhältnis zu Kaiser Franz Joseph stehend, „hat er trotz aller warmen Sympathie für König Wilhelm doch keinen Augenblick gezögert, sich auf die Seite Österreichs zu stellen, da sein Rechtsgefühl ihn dahin führte“ (Joh. Georg, S. 296).
    Unentbehrlich für das Studium der sächsischen Politik und besonders die Friedensverhandlungen von 1866 sind auch die bereits angeführten Lebenserinnerungen v. Friesens (Bd. 2). Hier z. B. der Bericht über Beusts durch Vermittlung des französischen Kabinetts unternommener Versuch, in Berlin als Unterhändler aufzutreten (vgl. Peschels Bemerkung: „ob mehr frech oder dumm“). Ebenso Näheres über die von Beust veranlaßte Veröffentlichung des an ihn gerichteten Briefes des Königs vom 16. August und die daraus entstandenen Schwierigkeiten. (Preußen hegt infolge dieser anerkennenden Worte an Beust gesteigertes Mißtrauen gegen König Johann, obwohl dieser im Begriff zu stehen scheint, in andere politische Bahnen einzulenken. Daher weiterer Druck auf Sachsen: Schanzarbeiten in Dresden.)
  102. Die Landeskommission erließ einen erneuten Aufruf zur Meldung von Arbeitern für die geplanten Befestigungen, namentlich für die Abholzungen auf dem rechten Elbufer. Tatsächlich wollte Preußen durch diese Maßregeln sowie die starke Einquartierung einen Druck auf die sächsische Regierung hinsichtlich der Friedensverhandlungen ausüben.
  103. In den Augen Peschels ist Pfotenhauer noch zu sehr „gut Beustsch“ gesinnt.
  104. Wiederholt bringt Peschel seine starke Abneigung gegen die 1853 eingesetzte königliche Polizeidirektion und ihr Verhalten zur Stadtbehörde zum Ausdruck.
  105. Landtagswahlversammlungen.
  106. Bericht aus Leipzig vom 27. August über die „erste sächsische Landesversammlung“ der in der Entstehung begriffenen nationalliberalen Partei unter Vorsitz von Prof. K. Biedermann. In der Versammlung, die zum überwiegenden Teile aus Leipzigern bestand, wurden heftige Angriffe gegen Beust und das sächsische Regierungssystem erhoben. Biedermann betonte, vor allem müsse Sachsen auf die gesamte auswärtige Politik verzichten zugunsten des neuen Reichsoberhauptes. Das Ergebnis der Versammlung war erstens der Beschluß zur Bildung einer sächsischen nationalliberalen Partei durch ein Zentralkomitee für die bevorstehenden deutschen Parlamentswahlen und zweitens die namentlich infolge des energischen Eintretens von Dr. Schildbach, Advokat Rud. Schmidt und Dr. Joseph nur gegen wenig Stimmen angenommene Entschließung: „Wir halten die deutschen und sächsischen Interessen am besten gewahrt durch die Einverleibung Sachsens in Preußen, oder, falls dies nicht möglich, wenigstens durch völlige Abtretung der Militärhoheit und Diplomatie an die Krone Preußen, sowie durch Übergabe der auf die allgemeinen Verkehrsinteressen bezüglichen Gesetzgebung und Verwaltung an die betreffenden Bundesorgane.“ Ein Festmahl folgte mit „eigentümlichen Toasten“ (Leipziger Zeitung) und der Aufgabe eines Glückwunschtelegramms an Prof. H. v. Treitschke in Berlin (Journal, 29. August).
    Natürlich blieben Proteste gegen diese Leipziger Versammlung nicht aus. In einem solchen vom 7. September wies man darauf hin, daß die Beschlüsse nur persönliche Meinungsäußerungen eines gewissen Kreises seien und im grellsten Widerspruch zur Gesinnung des sächsischen Volkes ständen, das sein Selbstbestimmungsrecht verlange. Es wolle nicht, daß Sachsen eine preußische Provinz werde. Der Protest war von 16 Männern unterzeichnet, z. B. von August Bebel und von Baer, den Vorstehern des Leipziger Arbeiterbildungsvereins (1865), von Professor der Geschichte Wuttke, einem bekannten Preußenhasser, von Professor Roßmäßler (als a. o. Professor an der Tharandter Forstakademie 1849 wegen Teilnahme am Stuttgarter Rumpfparlament seines Amtes entsetzt), ferner von Buchhändler Roßberg und anderen (Journal, 14. September). Eine für den 4. September anberaumte Volksversammlung war vom preußischen Generalgouverneur verboten worden.
  107. Die Dresdner Konstitutionelle Zeitung vertrat ein paar Tage später (31. August) in dem Artikel „Preußen und Sachsen“ dieselbe Meinung: „Wir sind augenscheinlich nicht in der Lage, dem Sieger irgendwelche Vorschriften zu machen.“ Denn der Trotz und Widerstand der sächsischen Regierung stütze sich auf nichts, da Frankreich um Sachsens willen auf keinen Fall einen Krieg anfangen werde (vgl. Peschel, 17. August!). Übrigens könne kein Patriot eine Schmälerung Deutschlands durch Frankreich – und das sei natürlich bei einem erfolgreichen französischen Eingreifen zu erwarten – wünschen, nur um Sachsen zu retten!
  108. Maria, Tochter Maximilians I. von Bayern und Witwe des sächsischen Königs Friedrich August II., hatte sich an ihre Schwester Elisabeth, die Witwe des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, gewandt und um Vermittlung für Sachsen gebeten.
  109. Herausgeber der Konstitutionellen Zeitung war Advokat Siegel. Er wurde Führer der Dresdner Nationalliberalen, des „Ringklubs“ oder des „Siegelrings“, der seinen Stammsitz im „Goldenen Ring“ am Postplatz hatte (vgl. O. Richter, Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis 1902, G. 9). Das Blatt brachte scharfe Angriffe auf die Beustsche Politik in den Artikeln „Herr v. Beust“ (14. August) und „Beusts endliche Entlassung“ (22. August), sowie den Annexionsgedanken in den Aufsätzen „Zum Anschluß an Preußen“ (9. August) und „Eine ernste Erwägung“ (24. und 25. August).
  110. Stadtverordneter Prof. Dr. med. Franz Wigard. Geb. 31. Mai 1807. Schüler Gabelsbergers. 1833 sächsischer Landtagsstenograph. 1839 Gründung des Stenographischen Instituts zu Dresden. 1843 Professor der Stenographie. 1845 Gründung der Dresdner Deutschkatholischen Gemeinde. 1848 Abgeordneter im Vorparlament und in der Nationalversammlung zu Frankfurt. Mitglied der Linken und der Parteigruppe Robert Blums. Mitglied des Verfassungsausschusses und Herausgeber der stenographischen Berichte der Verhandlungen der Paulskirche. Vertreter der gemäßigt demokratisch-republikanischen Richtung und des großdeutschen Gedankens. 1849 Disziplinarverfahren wegen Teilnahme am Stuttgarter Rumpfparlament. Verlust des Amtes. 1853 bis 1858 Studium der Medizin. Arzt in Dresden. Im Dresdner Stadtverordnetenkollegium 1848 bis 1853, 1864 bis 1874, 1881/82. 1850, 1869 und 1871 Abgeordneter der 2. Kammer des sächsischen Landtags. 1867 im konstituierenden und ersten Reichstag des Norddeutschen Bundes. 1871 bis 1874 im ersten Deutschen Reichstag als Führer der sächsischen Fortschrittspartei. Gest. 25. September 1885. (Vgl. Dresdner Geschichtsblätter, 1932, Nr. 1.)
  111. Unterzeichnung des Friedens zwischen Preußen und Österreich am 23. August.
  112. Das Dresdner Journal meldete am 30. August: „Der hiesige kaiserlich-französische Gesandte Baron Forth Rouen hat sich vorgestern in Privatangelegenheiten von hier nach Hamburg begeben und wird in den nächsten Tagen zurückkommen.“ (v. Friesen, 2, 268.)
  113. Vgl. hierzu Peschel, 24. August; b. Friesen, 2, 248/49.
  114. Über einige andere solche „wunderbare Dinge“ brachte das Journal am 1. September folgendes: In Leipzig sind „fabelhafte Gerüchte“ verbreitet für Leichtgläubige über die Vermehrung der sächsischen Armee auf 75 000 Mann und den Plan des Königs Johann zur Wiederaufnahme des Kampfes im Bunde mit Österreich gegen Preußen. Prinz Friedrich Karl – der damals wohlbehalten in Prag wohnte – sei gefangen (Leipzig, 30. August). In ähnlicher Fassung (Vermehrung der Armee durch ungarische Hilfskräfte, König Johanns Einrücken in Sachsen zur Vertreibung der Preußen) brachte der Artikel „Unsere Armee“ vom 5. September in der Konstitutionellen Zeitung diese „Gerüchte seitens einer gewissenlosen Bande, diese Agitation einer nichtswürdigen Schmarotzergesellschaft“.
    Über den Brief des Prinzen Georg von Sachsen vgl. Johann Georg, Herzog zu Sachsen, „König Johann von Sachsen im Jahre 1866“ (Neues Archiv für Sächsische Geschichte, 47, 1926, S. 321). Der preußische Kronprinz, der dem Prinzen Georg von Bonn her nahestand, bestätigte am 4. Oktober, daß der Brief keine verletzenden Äußerungen über Preußen enthalten habe.
  115. 4. September 1831 sächsische Verfassungsurkunde.
  116. Prinz Friedrich Karl war am 31. August in Dresden eingetroffen. Er hielt sich bis zum 2. September hier auf.
  117. Wahl der Wahlmänner für die Ergänzungswahlen zur Zweiten Kammer. Wahlbeteiligung betrug ein Drittel. Unter den gewählten 291 Wahlmännern Dresdens war z. B. Bürgermeister Pfotenhauer, Stadtverordnetenvorsteher Ackermann, Franz Ludwig Gehe, Stadtrat Peschel (Journal, 19. September).
  118. Am 7. September zogen das Regiment Garde du Corps, das Gardekürassierregiment und das 2. Gardedragonerregiment mit klingendem Spiel durch Dresden.
  119. Stadtrat Teucher.
  120. In der Flugschrift: „Die Albertinische Dynastie und Norddeutschland. Ein Wort zu den deutschen Parlamentswahlen Sachsens von Ferdinand Fischer“ war aufs neue öffentlich der Gedanke und Wunsch der Annexion ausgesprochen worden. Ebenso geschah dies in der Schrift: „Was wird aus Sachsen?“ Es hieß in ihr zum Schluß: „Unsre Zukunft muß sein, preußisch zu werden.“ (Konstitutionelle Zeitung, 11. und 12. September).
  121. Konstitutionelle Zeitung, 18. September; Dresden, 16. September: Die Ankunft des preußischen Kriegsministers v. Roon in Dresden im Zusammenhang mit der baldigen Übergabe der „unüberwindlichen“ Festung Königstein. „Wenn doch der langersehnte Rückzug oder die Entlassung der sächsischen Armee aus Österreich nun endlich auch bald erfüllt würde!“
  122. D. h. die Hälfte für die Rechte (konservative Partei), die Hälfte für die Linke (liberal-demokratische Partei).
  123. Sophie, geb. 1805 als Tochter Maximilians I. von Bayern; Zwillingsschwester der Königinwitwe Maria von Sachsen (siehe oben: 28. August). Vermählt 1824 mit Erzherzog Franz Karl von Österreich (geb. 1802, gest. 1878), dem sie an Geist und Tatkraft weit überlegen war. Ihrem Einfluß war es vor allem mit zuzuschreiben, daß Ende 1848 Kaiser Ferdinand I. zu gunsten ihres Sohnes Franz Joseph dem Thron entsegte. Ihr zweiter Sohn war Erzherzog Maximilian (geb. 1832), der auf Betreiben Napoleons III. die Kaiserkrone von Mexiko annahm (1864), dann aber, von den Franzosen im Stich gelassen, der republikanischen Partei unterlag und 1867 in Queretaro erschossen wurde.
  124. Der verwundete Erzherzog ist Erzherzog Wilhelm; er befand sich am 3. Juli im Gefolge Benedeks. Beim Vorgehen des Feldzeugmeisters und seines Stabes gegen Chlum zu persönlicher Erkundung war die Reiterschar in das Schnellfeuer der überraschend vorgedrungenen Preußen geraten und hatte erhebliche Verluste erlitten (Th. Fontane, Der Krieg von 1866. Bd. 1, 567).
  125. Der Wortlaut des vom preußischen Abgeordnetenhaus angenommenen Reichswahlgesetzes für den Norddeutschen Bund erschien im Dresdner Journal am 15.September. Es beruhte auf dem Grundsatz der allgemeinen, gleichen, direkten Wahl wie das Wahlgesetz für das Volkshaus vom 12. April 1849.
  126. Peschels Bemerkung über die Fortschrittspartei bezieht sich auf deren Spaltung wegen der Indemnitätsfrage (vgl. Peschel, 5. August, und Anm. 2, 24. August).
  127. Dieses Urteil über Bismarck darf nicht verwundern. Bismarck hatte damals, namentlich in Sachsen, durchaus noch nicht so viel Bewunderer wie in späterer Zeit. Auch für die sächsischen „Kleindeutschen“ war 1866 das ungewisse Schicksal des eigenen Landes zunächst die wichtigste Frage.
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Anmerkungen (Wikisource)