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Denunziation. Auch die Nichtbestätigung der Josephschen Wahl wird damit in Verbindung gebracht[1].

Beusts Entlassungsgesuch und die Antwort des Königs werden im Dresdner Journal veröffentlicht[2]. Man weiß wirklich nicht, ob die Supposition Beusts, man werde ihn in Berlin als Friedensunterhändler annehmen, mehr frech oder mehr dumm ist. Auch die Antwort des Königs steht in einem sehr sonderbaren Verhältnis zu der in einer Spalte daneben zu lesenden Aufforderung an die Landeskommission, das preußische Zusammengehen – für das er ja immer gewesen – aufrichtig und ernstlich zu fördern.


  1. An Stelle v. Burgsdorffs wurde Regierungsrat v. Berlepsch interimistisch mit der Leipziger Kreisdirektion betraut, bis am 27. August der Stellvertreter des Kreisdirektors, Regierungsrat v. Haugk, die Leitung übernahm (Journal, 29. August). v. Burgsdorff hatte der Wahl des schon von 1848/49 her bekannten liberalen Politikers Dr. Joseph zum Leipziger Stadtrat wegen dessen preußenfreudlicher (nationalliberalen) Gesinnung nicht zugestimmt. Sicher stand die Absetzung des Kreisdirektors auf Veranlassung v. Wurmbs mit dieser Nichtbestätigung, gegen die übrigens die Leipziger Stadtverordneten Einspruch erhoben hatten (Leipziger Meldung vom 15. August), im Zusammenhang, ebenso wie mit der Auflösung einer Versammlung der liberalen Partei der Annexionisten zu Leipzig am 17. August durch die Leipziger Polizei. Die Deutsche Allgemeine Zeitung berichtete, daß die Auflösung der Versammlung noch vor Verhandlungsbeginn in ganz rigoroser Weise vorgenommen worden sei. Solche Versammlungen der Liberalen in der Leipziger Zentralhalle waren schon seit Mai 1866 alle Sonnabende abgehalten worden. In ihnen war auch bei Kriegsbeginn die Stimmung gegen den Krieg mit Preußen laut geworden. Gegen den Eingriff der Leipziger Polizei hatten Professor Biedermann und drei andere Herren in Dresden Widerspruch erhoben.
    Prof. Karl Biedermann, geb. 25. September 1812 zu Leipzig; 1838 a. o. Professor der Philosophie in Leipzig. Verteidiger des Zollvereins und des Gedankens der deutschen Einigung unter preußischer Führung (besonders in der von ihm seit 1842 herausgegebenen „Deutschen Monatsschrift für Literatur und öffentliches Leben“). 1848 Mitglied der Paulskirche und Führer der Erbkaiserpartei. 1854 wegen seiner österreichfeindlichen Politik seiner Professur enthoben. 1863 bis 1879 Leiter der Deutschen Allgemeinen Zeitung. 1865 wieder in die Professur eingesetzt. Er gehörte den ausgesprochenen Preußenfreunden an und hätte gern die Einverleibung Sachsens durch Preußen gesehen. Er wurde Führer der in Sachsen entstehenden Gruppe der nationalliberalen Partei, die sich in Preußen infolge der Indemnitätsfrage von der Fortschrittspartei abgezweigt hatte und für Bismarcks Politik eintrat. 1869 bis 1876 war Biedermann im sächsischen Landtag und 1871 bis 1879 im Reichstag Führer der sächsischen nationalliberalen Partei. Gest. 1901. (Vgl. auch Peschel 1870, 17. Juli.)
  2. Die wesentlichste Stelle in Beusts Entlassungsgesuch vom 15. August lautete: „Wie Ew. M. sich gnädigst erinnern. habe ich bereits am Tage der Unterzeichnung der zwischen Österreich und Preußen vereinbarten Friedenspräliminarien die Frage zu Allerhöchster Erwägung gestellt, ob, da nunmehr eine Verständigung mit der königl. preuß. Regierung anzustreben sei, meine Person nicht ein Hindernis für diese Verständigung darbieten und auf dessen Beseitigung Bedacht zu nehmen sein werde.“ In der Antwort vom 16. August aus Schönbrunn bewilligte der König das Rücktrittsgesuch. Er erklärte, daß er nur schwer ein so glückliches und bewährtes Verhältnis infolge der von Beust angegebenen politischen Gründe auflöse. In seinem Erlaß an die Landeskommission hieß es, er setze voraus, daß die Staatsminister seinen Intentionen gemäß und in der Hoffnung, daß ein entsprechendes Bündnis mit Preußen zustande kommen werde, auf ein ehrliches und freundliches Zusammengehen mit Preußen Bedacht nehmen werden.
    Über die politische Haltung des Königs Johann im Jahre 1866 geben am besten Aufschluß die Arbeit von Johann Georg, Herzog zu Sachsen: „König Johann von Sachsen im Jahre 1866“ (Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 47. 1926) und von Helmut Klocke: „Die Sächsische Politik und der Norddeutsche Bund“ (ebenda, Bd. 48. 1927). Beide Arbeiten betonen, daß König Johann mit Österreich vor Ausbruch des Krieges kein eigentliches Bündnis geschlossen und nur sein Rechtsgefühl und seine Auffassung vom Deutschen Bunde ihn auf Österreichs Seite geführt habe. Ganz im Gegensatz zu seinem Sohne Albert in kühlem Verhältnis zu Kaiser Franz Joseph stehend, „hat er trotz aller warmen Sympathie für König Wilhelm doch keinen Augenblick gezögert, sich auf die Seite Österreichs zu stellen, da sein Rechtsgefühl ihn dahin führte“ (Joh. Georg, S. 296).
    Unentbehrlich für das Studium der sächsischen Politik und besonders die Friedensverhandlungen von 1866 sind auch die bereits angeführten Lebenserinnerungen v. Friesens (Bd. 2). Hier z. B. der Bericht über Beusts durch Vermittlung des französischen Kabinetts unternommener Versuch, in Berlin als Unterhändler aufzutreten (vgl. Peschels Bemerkung: „ob mehr frech oder dumm“). Ebenso Näheres über die von Beust veranlaßte Veröffentlichung des an ihn gerichteten Briefes des Königs vom 16. August und die daraus entstandenen Schwierigkeiten. (Preußen hegt infolge dieser anerkennenden Worte an Beust gesteigertes Mißtrauen gegen König Johann, obwohl dieser im Begriff zu stehen scheint, in andere politische Bahnen einzulenken. Daher weiterer Druck auf Sachsen: Schanzarbeiten in Dresden.)
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/53&oldid=- (Version vom 9.5.2024)