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Dienstag, 19. Juli.

Die allgemeine politische Konstellation ist noch nicht geklärt. Gestern trugen sich die Leute noch immer mit Friedensmöglichkeiten und klammerten sich an eine Kongreßhoffnung, weil in Berlin die französische Kriegserklärung noch nicht übergeben ist. Daraus sieht man, wie wenig sie begreifen, um was es sich handelt; die heimlichen Kriegsschürer de la veille werden die ersten Friedensforderer du lendemain sein.

Über Rußlands Haltung noch tiefes Schweigen; Gortschakoff ist weiter nach Wildbad gereist[1]. Die Berliner Börsenzeitung hatte sich schon eine russische Kriegserklärung telegraphieren lassen; gestern war die Rede von einer maritimen Kooperation mit Preußen.

An die Südstaaten ist 24stündige Sommation von Frankreich ergangen. Dänemark soll seine Neutralität erklärt haben[2]. Die jämmerlichste Rolle spielt das große Österreich mit seinem noch größeren Ausgleicher


  1. In der Presse war die Vermutung aufgetaucht, der russische Außenminister Gortschakoff werde sich von Wildbad nach Paris begeben und (nach Ansicht der französischen Zeitung Indépendance) dort einen Versuch zum Frieden machen (Dresdner Anzeiger, 24. Juli). Bald wurde aber Gortschakoff, ebenso wie andere beurlaubte russische Minister (z. B. Kriegsminister Milutin), nach Rußland zurückgerufen (Dresdner Anzeiger, 4. August). Die russische Regierung stellte je ein Beobachtungskorps in Polen und in Bessarabien an der österreichischen Grenze auf als Sicherung gegen polnische Befreiungsgelüste und als Rückendeckung für Deutschland und blieb neutral (vgl. Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg., Nr. 36).
  2. Immerhin kamen auch aus Kopenhagen „zuverlässige Nachrichten, daß daselbst sieben dänische Lotsen mit Sack und Pack bereit seien, die französische Flotte auf unsre Reeden, und wenn es sein kann, in unsre Häfen zu führen“ (Dresdner Anzeiger, 1. August).
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/79&oldid=- (Version vom 31.5.2024)