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werde. Nun, so unklug wird man schon nicht sein, es ihm zu entziehen; aber das ist schon wieder eine der heimlichen Tücken. Jedermann ist sich der entscheidenden Wichtigkeit der Dinge bewußt, für deren nationalen Umschlag Bayern der Ruhm der Initiative gebührt.


Donnerstag, 28. Juli.

Am Montag abend traf erste Einquartierung bei uns ein, 3 Landwehrmänner, welche seitdem Tag für Tag herumbummeln, ohne eingekleidet und in den Dienst gezogen zu werden. Es sollen keine Ausrüstungsgegenstände mehr vorhanden sein[1]. Gestern war Heinrich untersucht, tüchtig befunden, eingeschworen, eingekleidet und exerziert von heute früh beim Ersatzbataillon König Wilhelm. Selbstverständlich allgemeine Bestürzung in der Familie. Gestern nachmittag antezipierte Maturitätsprüfung von 4 Kreuzschülern. Gestern früh im Anschlusse an den preußischen Bettag Gottesdienst in allen evangelischen Stadtkirchen. Aus Anlaß des Krieges hatte Hempel um einen Kriegseinquartierungssubstituten gebeten. Stadtverordneten lehnen es ab und insinuieren Pensionierung. Darob Entrüstung und Übertragung seiner übrigen wenigen Geschäfte an Teucher und Stübel[2].

Das Kultusministerium humpelt nun mit einem allgemeinen Landesbettag für den 3. August hinterdrein. Man kann es einmal nicht ohne etwas Apartes tun. Für den Bezirk des 12. Armeekorps ist ein Generalgouverneur zu entsenden, Wahl noch nicht bekannt. Die Wühler werden sich nun wie die Regenwürmer in der Trockenheit vollends verkriechen.


  1. Dazu aber Mitteilung des Dresdner Anzeigers vom 27. Juli, daß die 300 Landwehrmänner, die man bisher in Zivil an der Frauenkirche recht schneidig habe exerzieren sehen, bereits eingekleidet seien.
  2. Über diese „leidigen“ Einquartierungsfragen siehe Protokolle der Stadtverordneten 1870 und Dresdner Anzeiger, Wissenschaftliche Beilage, 7. Jahrg., Nr. 37. Ferner Peschel, 7. und 8. August 1870. In der Bürgerschaft starke Unzufriedenheit mit der Einquartierungsbehörde (Vorstand Stadtrat Hempel, zugleich Dirigent des Stadtkrankenhauses, des Frauenhospitals, der Hohenthalschen Versorganstalt, des Bürgerhospitals, der Verwaltung der indirekten Abgaben, der Ratswaage nebst Niederlagsanstalt und der Brückenzolleinnahme) und Klagen über ungerechte Verteilung und Dauer der Einquartierung. Die Stadtverordneten gingen scharf gegen die Einquartierungsbehörde des Rates vor und schlossen sich dem Ratsbeschluß nicht an, nach dem Stadtrat Hempel durch Übertragung der Quartiersachen bis auf weiteres an Dr. Minckwitz (gegen eine monatliche Entschädigung von 100 Taler) entlastet werden sollte. Sie verlangten vielmehr, der Rat solle namentlich im Hinblick auf die bereits 1866 gemachten schlechten Erfahrungen und auf die Tatsache, daß die Kriegsentschädigungen von damals immer noch nicht völlig zum Austrag gekommen waren, sowie daß immer noch nicht das schon seit einem Jahr entworfene neue Einquartierungsregulativ verabschiedet sei, den Stadtrat Hempel zur Abgabe seines Pensionierungsgesuches bestimmen. Der Rat kam diesem Ansuchen nicht nach, sondern entband Hempel von seinen sämtlichen übrigen Dienstpflichten und übertrug diese einstweilen auf die besoldeten Stadträte Teucher (bereits Armenversorgung, Dirigent des Waisenhauses, des Findelhauses, der Arbeitsanstalt, des Asyls für Sieche und der Kinderpfleganstalten) und Dr. Stübel (Direktor des Stadtbauamtes und der Wasserversorgung). Trotz allem sah sich die Finanzdeputation der Stadtverordneten noch am 19. Oktober gezwungen, auf die hohen Lasten der Einquartierung erneut hinzuweisen (12 000 Mann im Oktober, 3000 Taler Kosten täglich, auf 40 000 einquartierungspflichtige Bürger von 170 000 Einwohnern) und zu betonen: „Besonders die begüterten Klassen entziehen sich mit wahrem Raffinement der Einquartierungslast, oft auf Grund des bestehenden Regulativs mit Erfolg!“
Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/82&oldid=- (Version vom 31.5.2024)