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Was ich über des elenden Gutzkow Anstellung[1] gedacht habe, können Sie wohl selber denken. Sie ist gewissermaßen räthselhaft, aber mir gar nicht unbegreiflich. So habe ich einem solchen Schuft also nur den Weg gebahnt, und man (ist) ihm wahrscheinlich mit dem entgegen gekommen, was ich in vielen Jahren von redlicher Bemühung nicht habe erreichen können. Da(ß) an meiner Stelle nun einer meiner giftigsten und gemeinsten Feinde steht, kann ich wohl von hier aus mit Ruhe ansehn, aber es ist doch eine Art und Weise, die ich eine ganz unwürdige nennen muß, und die der Intendant selbst in seinen Wirkungen noch schmerzlich empfinden wird, wenn er dem Menschen nicht Platz macht und selber seine Stelle niederlegt. Ich beschwor beim Abschied den Intendanten, keinen andern an meine Stelle zu nehmen: und nun hat er sich gerade den schlimmsten ausgesucht.

Ihr Herr Wagner ist ein komischer Mann[2]. An jenem Tannenhäuser von Duller hatte der König manches auszusetzen, was er geändert wünschte: ich habe also an Mangold das Buch wieder nach Darmstadt gesendet, mit meiner Nachricht und Anweisung, und Duller hat die zu kirchlichen Scenen umgeändert, und so ist der Text zurück gekommen. Mangold wird von einigen Fürstlichkeiten von dort protegirt und empfohlen, und im Sommer wird wahrscheinlich seine Oper gegeben. Weiter habe ich nichts damit zu thun gehabt. Jezt aber hat der König auch von mir den Text des Wagner erhalten, auf den er neugierig war, und so war es mir denn sehr lieb, daß Sie ihn mir geschickt hatten.

Ich habe seitdem wieder verschiedene Krankheits-Anfälle überstanden und recht harte und gefährliche: doch, das wissen Sie wohl schon; auch die Gräfinn hat immer viel gelitten, ist aber jezt besser, nur sehr schwach. Daß sie Sie herzlich grüßen läßt, versteht sich von selbst: so auch ich die Grahls[3], Hübners, Bendemanns, Vogel[3], Serres[3], Keudell, Solgers[3] vor allem, auch Schnorr[4], – schon vor Wochen hatte ich einen dringenden Brief an Kraukling[5] geschrieben: – wollen Sie wohl die Güte haben, anfragen zu lassen, warum er mir denn nicht antwortet und Bescheid giebt. Da ich selten schreibe, bin ich so unhöflich, immer schnelle Antwort zu erwarten.

Es ist traurig, daß ich mit Baudissin ganz wie geschieden bin. So ist Trennung von Freunden oft wie Tod. Freilich fehlt ihm jene Energie, die ich für das Leben für so nothwendig halte, und so habe ich, aufrichtig gesagt, wenig von ihm gelernt, was ich von jedem Freunde erwarte und fordre: er geht gar zu leicht mit einer geistigen Mode oder Krankheit. Ich hoffe, es soll mit Bülow's gut gehn. So leidenschaftlich ich Zeit meines Lebens gewesen bin, und es noch sein könnte, so habe ich doch diese Leidenschaft nicht verstanden, besonders das Wesen der Louise, das mir zu gehaltlos erscheint, wie ich ihr auch offenherzig gesagt habe, als sie das leztemal hier in Berlin war.


  1. Am 1. Oktober 1842 hatte Tieck die erbetene Entlassung als Dramaturg erhalten. Auf seinen Wunsch blieb die Stelle unbesetzt. Eine Zwischenlösung bedeutete es, daß der am 1. Juni 1844 als Schauspieler und Oberregisseur nach Dresden berufene Eduard Devrient das Amt eines dramaturgischen Beirates mit übernahm. Er versah es auch weiter, als er im Februar 1846 die Oberregie niederlegte und sich auf seine Schauspielertätigkeit beschränkte. Doch hielt Herr von Lüttichau es nunmehr für angezeigt, die Tieck'sche Dramaturgenstelle vom 1. Januar 1847 ab ordnungsgemäß zu besetzen. Da die Dresdener Schauspieler den in Leipzig als Schriftsteller tätigen Heinrich Laube, der in erster Linie dafür in Aussicht genommen war, ablehnten, entschied sich der Intendant für Gutzkow, der ihm nach dem großen Erfolge seiner letzten Stücke „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartüffe“ sehr geeignet erschien, um so mehr, als Carus und das gewichtige Schauspielerpaar August Bürck und Marie Bayer diese Wahl warm befürworteten. Freilich hatte Tieck nur zu recht mit seiner Voraussage, Herr von Lüttichau werde bald genug mit dem selbstherrlichen Manne viel Verdruß haben. Siehe dazu Robert Proelß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden (Dresden 1878) 504–507, 512–522, und Houben, Gutzkow-Funde (Berlin 1901) 380–391.
  2. Richard Wagner, der seit 1842 in Dresden als zweiter Kapellmeister angestellt war, scheint sich bei der ihm wohlgesinnten Frau von Lüttichau darüber beklagt zu haben, daß Tieck der am 17. Mai 1846 in Darmstadt aufgeführten Tannenhäuseroper heiteren Stils des hessischen Musikdirektors Karl Ludwig Amand Mangold, deren Text der Dichter Eduard Duller verfaßte, mehr Beachtung schenkte als seiner großen romantischen Oper, die zwar bei der ersten Aufführung am 19. Oktober 1845 in Dresden keinen Erfolg hatte, bei der ersten und zweiten Wiederholung dagegen sehr gefiel. Mit Mangolds Tannenhäuser mußte Tieck sich eingehender beschäftigen, weil sein königlicher Herr, der sich für die von der hessischen Prinzessin Elisabeth empfohlene Oper interessierte, für eine Aufführung in Berlin szenische Änderungen wünschte, die Duller und Mangold bekanntzugeben waren. Wagner sollte die Genugtuung haben, daß der Mangold'sche Tannenhäuser trotz der vorgenommenen Änderungen in Berlin nie zur Aufführung kam, während sein Tannhäuser, dem Berlin zunächst allerdings verschlossen blieb, beim Besuch des Preußenkönigs in Dresden auf dessen ausdrücklichen Wunsch am 22. November 1847 gegeben wurde. Vgl. dazu H. Riemann, Opern-Handbuch (Leipzig 1887) 546; L. H. Fischer, Aus Berlins Vergangenheit 158–162; Glasenapp, Das Leben Richard Wagners II 1 3 106–107 Anm.; Rich. Wagner, Mein Leben. Kritisch durchgesehen, eingeleitet und erläutert von W. Altmann (Leipzig 1923) I 350 f., 422–431, 446 f., 471–475, 488.
  3. a b c d August Grahl, einer der bedeutendsten Miniaturmaler des neunzehnten Jahrhunderts, hatte sich 1835 in Dresden niedergelassen. – Der Porträt- und Historienmaler Karl Christian Vogel von Vogelstein wurde im Dezember 1820 als Nachfolger Gerhard von Kügelgens zum Akademieprofessor in Dresden ernannt. – Major Friedrich Anton Serre, der Begründer der Tiedge- und Schillerstiftung, und seine Gattin Friederike geb. Hammerdörfer versammelten das geistige Dresden in ihrem Hause. – Solgers Witwe Henriette geb. von der Groeben war, um dem Freunde ihres am 25. Oktober 1819 verstorbenen Gatten möglichst nahe zu sein, von Berlin nach Dresden in das von dem Dichter bewohnte Haus Am Alten Markt 521 gezogen.
  4. Der Münchener Maler Julius Schnorr von Carolsfeld war im Herbst 1846 als Kunstakademieprofessor und Direktor der Gemäldegalerie nach Dresden berufen worden.
  5. Der aus Kurland stammende federgewandte Karl Constantin Kraukling (1792–1857) wurde 1839 zum Inspektor der Dresdener Rüstkammer ernannt. Vorher war er Sekretär, später Bibliothekar der Königlichen Bibliothek zu Dresden gewesen. Vgl. H. A. Krüger, Pseudoromantik 159.