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Ludwig Tieck und Ida von Lüttichau in ihren Briefen

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Textdaten
Autor: Herausgeber: Otto Fiebiger (1869–1946)
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Titel: Ludwig Tieck und Ida von Lüttichau in ihren Briefen
Untertitel: erschienen in der Reihe: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens
aus: Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens. Heft 32
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Erscheinungsdatum: 1937
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Erscheinungsort: Dresden
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[Ξ]
Ludwig Tieck
und Ida von Lüttichau
in ihren Briefen


Von
Prof. Dr. Otto Fiebiger





  
Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Dresdens / Heft 32

[Ξ]

Ludwig Tieck
Ölbild von Robert Schneider
Stadtmuseum zu Dresden

[1]
Ludwig Tieck
und Ida von Lüttichau
in ihren Briefen


Texte
herausgegeben und erklärt von
Prof. Dr. Otto Fiebiger


Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens
Heft 32



1937

  
Druck von C. Heinrich, Dresden-N.

[2]

[3]
Inhaltsverzeichnis
  Seite
Vorwort 5
Einführung 7
Brieffolge 12
I. Teplitz, 21. Juni 1826 12
II. Dresden o. J. 14
III. Berlin, 17. März 1844 14
IV. Berlin, 23. März 1845 17
V. Berlin, 14. Mai 1846 18
VI. Berlin, 14. März 1847 20
VIa. Dresden, Mitte April 1847 23
VII. Potsdam, 16. Juli 1848 27
VIII. Berlin, 9. September 1849 30
VIIIa. Pillnitz (September 1849) 32
Pillnitz, 16. (September 1849) 32
VIIIb. 26. (?) September 1849 34
IX. Berlin, 12. Mai 1852 35
X. (Frühsommer 1852) 36
XI. Berlin, 10. November 1852 37
XII. Berlin, 3. Februar 1853 38
XIII. (Berlin 1853) 41
XIV–XVI. 3 undatierte Bruchstücke 43
Die Briefe VI a, VIII a, VIII b, sowie die Bruchstücke XIV–XVI schrieb Frau von Lüttichau.
Anmerkungen 46
Namenverzeichnis 60

[4]

[5]

Vorwort

Dresdener Kunstgeist schuf die beiden Bildnisse, deren Wiedergaben das vorliegende Mitteilungsheft schmücken.

Ludwig Tiecks Ölbild im Stadtmuseum zu Dresden stellt den Dichter im reifen Mannesalter während der späteren Jahre seines Dresdener Lebensabschnittes (1819–1842) dar. Es ist ein Frühwerk des am 25. Februar 1809 zu Dresden geborenen, an der Kunstakademie daselbst ausgebildeten Malers Robert Schneider, das noch vor seinem Weggang von Dresden (1833) entstand, aber bereits die ausgesprochene Begabung des jungen Künstlers für die Bildnismalerei erkennen läßt. Vergleiche dazu Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Band XXX, S. 197.

Bildnisse Ida von Lüttichaus weist ihr Freund, der große Dresdener Arzt Carl Gustav Carus, im dritten Bande seiner Lebenserinnerungen (S. 95, Fußnote) nach. Besonderes Interesse darf die im Besitz der Staatlichen Skulpturensammlung zu Dresden befindliche Büste der edlen Frau beanspruchen, die Ernst Rietschel kurz nach ihrem Tode (1. Februar 1856) in Gips modellierte und ein Jahr später nach diesem Originalmodell für die Familie in Marmor ausführte. Vergleiche Andreas Oppermann, Ernst Rietschel, Leipzig 1873, S. 351.

Diese Marmorbüste befindet sich gegenwärtig im Besitz der Urenkelin Ida von Lüttichaus, Frau L. von Pfuel, geb. von Rohr zu Jahnsfelde im Kreise Lebus. Siehe die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg, Band VI, Teil 1, S. 149, Abb. 146.

[6]

[7]

Einführung

Für den Dichter Ludwig Tieck bedeutete das Jahr 1819, in dem er das ländlich stille Ziebingen verließ und mit den Seinen und der ältesten Tochter Henriette des ihm befreundeten, 1818 verstorbenen Grafen Finkenstein nach Dresden übersiedelte, den Beginn eines neuen wichtigen Lebensabschnitts. Die meisterhafte Kunst, mit welcher Tieck zweimal in der Woche in seinem gastfreien Hause Am Alten Markt 521 I, heute An der Kreuzkirche 1, Einheimischen und Fremden klassische Dramen vorlas, die trefflichen Ratschläge, die er für die Aufführungen von Theaterstücken erteilte und nicht zuletzt die wertvollen, mit wirklicher Sachkenntnis geschriebenen Theaterkritiken, die er seit 1823 in der von Friedrich Kind und Theodor Hell herausgegebenen Abendzeitung veröffentlichte, wurden von allen wahrhaft literarisch Gebildeten sehr beifällig aufgenommen. Zu ihnen gehörte auch Ida von Lüttichau. Am 30. Mai 1798 zu Sellin in der Neumark als ältere Tochter des preußischen Oberstallmeisters Karl Christoph von Knobelsdorf und seiner zweiten Frau Henriette geb. von Röppert geboren, hatte sie in Sprachen, Literatur, Malerei und Musik eine sehr sorgfältige, ihrer ungewöhnlich großen Begabung Rechnung tragende Ausbildung genossen. Zwanzigjährig verheiratete sie sich mit Wolff Adolf August von Lüttichau, Herrn auf Ober- und Niederulbersdorf in der Sächsischen Schweiz, der 1824 zum Generaldirektor des Sächsischen Hoftheaters ernannt wurde. Mit Tieck war sie 1823 durch häufigen Umgang näher bekannt geworden und hatte damals bereits von seiner Persönlichkeit als Mensch und Dichter einen nachhaltigen Eindruck bekommen. Ihrer besonderen Fürsprache hatte der Dichter es anscheinend mit zu danken, daß er vom 1. Januar 1825 ab als Dramaturg des Hoftheaters fest angestellt wurde. Wahrhaft ideal war der von den beiden geschlossene Freundschaftsbund, der sich, kaum beeinträchtigt durch den großen Altersunterschied von fünfundzwanzig Jahren, mit der Zeit immer herzlicher gestaltete. Was sie bewegte, mochten es eigene Angelegenheiten sein, oder Tagesereignisse, oder Menschheitsfragen, alles besprachen sie, in der Absicht, als wahre Freunde sich gegenseitig zu fördern, mit rückhaltloser Offenheit. Von diesem schönen Einvernehmen der beiden berichtet von den vier Tieck-Biographen Köpke, von Friesen, Berend und Zeydel nur der zweite[1]. Einiges darüber bemerkt auch Elisabeth (Le Maistre), [8] eine Freundin der Frau von Lüttichau, in der 1870 von ihr veröffentlichten, von Blochmann in Dresden gedruckten Schrift „Ein Lebensbild“. Das Wichtigste aber, vielfach dokumentarisch belegt, erfahren wir aus den Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten des großen Dresdener Arztes Carl Gustav Carus[2], der beiden freundschaftlich nahe stand. Besondere Bedeutung kommt dem handschriftlich hinterlassenen fünften Bande dieser Selbstbiographie zu, der, von dem Carus-Forscher Rudolph Zaunick zum ersten Male nach den Urschriften herausgegeben und bearbeitet, 1931 als Jahresgabe der Vereinigung der Bücherfreunde in Dresden erschien. Denn er enthält auf Seite 101–108 zwei schon von Carus für den Druck bestimmte, aus Berlin geschriebene Briefe Tiecks an Frau von Lüttichau. Beide Briefe finden sich auch in der von der Sächsischen Landesbibliothek verwahrten Handschrift, Mscr. Dresd. h. 51. Dort bilden sie mit elf weiteren, in der Mehrzahl recht inhaltreichen, noch unbekannten Tieck-Briefen an die Freundin, den einzigen, die sich überhaupt erhalten haben, ein Ganzes[3]. Mit gutem Rechte bin ich daher befugt, die beiden mit den bisher unveröffentlichten elf Briefen nochmals zum Abdruck zu bringen, um so mehr, da der fünfte Band der Carus'schen Lebenserinnerungen als bibliophile Gabe nicht ohne weiteres zugänglich ist. Ebenso erscheint es notwendig, die beiden einzigen vollständig erhalten gebliebenen Briefe der Frau von Lüttichau an Tieck, Antwortschreiben auf Briefe von ihm, die ich veröffentliche, bei den Brieftexten da, wo sie hingehören, einzuschalten, obwohl Zaunick sie ebenfalls bereits auf Seite 111–120 des oben erwähnten fünften Bandes anhangsweise erstmalig bekanntgab[4]. Um vollständig zu sein, teile ich schließlich noch vier ausdrücklich für Tieck bestimmte Betrachtungen der Freundin im Wortlaut mit. Die beiden ersteren, Bruchstücke von Briefen, stammen aus dem dritten und vierten Bande der Carus'schen Lebenserinnerungen[5], die beiden letzteren, von Zaunick[6] erstmalig veröffentlicht, sind handschriftlich durch Mscr. Dresd. e. 85 mc überliefert.

Von den dreizehn Tieck-Briefen gehören die beiden ersten der Dresdener Zeit des Dichters an. Wir entnehmen ihnen, wie ernstlich Tieck bei jeder Gelegenheit bemüht ist, den Wissensdrang der Freundin zu befriedigen. Als er Anfang Mai 1825 vier Monate nach seiner Anstellung mit ihrem Gatten eine auf zwei Monate berechnete Dienstreise unternimmt, um die Theaterverhältnisse anderer Städte kennenzulernen, schreibt er ihr aus Wien Briefe, in denen er anscheinend Fragen der Religion berührt. Ein Jahr später regt er sie zum Studium der ihm wohlvertrauten Werke Friedrich Schlegels, Ben Jonsons und vor allem des Philosophen Karl Solger an. Ein andermal soll sie ihn besuchen, um sich mit ihm eine nur für sie beide bestimmte Vorlesung seines auswärtigen Freundes, des Geschichtsforschers Wilhelm Loebell, der ein Meister in der Kunst des Vortrags war, anzuhören. [9] Aber auf der anderen Seite versichert er ihr auch 1826 bereits, wieviel er ihrem Umgang und ihren Gesprächen verdanke, wie jedes Beisammensein mit ihr ihn klüger mache. Tieck war eben im Gegensatz zu August Wilhelm Schlegel eine dialogische Natur, und Frau von Lüttichau besaß die beneidenswerte Gabe, von anderen ausgesprochene Gedanken ihrerseits mit feinem Verständnis weiterzuführen und auf diese Weise neu sich ergebende zu wecken, wie Tieck es in einem Gespräche mit Loebell in die Worte kleidet[7]: „Wenn Sie diese Frau näher kennenlernen werden, werden Sie sehen, daß sie einen kühnen Gedanken, den Sie aussprechen, durch einen noch kühneren fortsetzt oder erwidert; das wird Sie zu fruchtbarer Geistesarbeit nöthigen.“ Sorge macht ihm nur der wenig günstige Gesundheitszustand der Freundin, den selbst ein Carus, der sie seit Oktober 1839 dauernd ärztlich beriet[8], nur vorübergehend zu bessern vermochte.

Die Briefe 3 bis 13 schrieb Tieck der Freundin in den Jahren 1844–1853 aus Berlin und Potsdam, wohin er, von Preußens König Friedrich Wilhelm IV. unter den ehrenvollsten Zusicherungen berufen, am 15. September 1842 übergesiedelt war.

Mitbestimmend für den Dichter, Dresden zu verlassen, waren die schweren Kränkungen und Verleumdungen, die er 22 Jahre lang in immer gesteigertem Maße namentlich von seiten des tonangebenden Führers des Dresdener Liederkreises Karl Gottfried Theodor Winkler, bekannt unter dem Decknamen Theodor Hell, erfahren hatte. Wir entnehmen das, worauf mich der Dresdener Literarhistoriker Friedrich Kummer in dankenswerter Weise hinwies, einem von Hermann Anders Krüger in seinem Buche Pseudoromantik (S. 205 f.) veröffentlichten Briefe, den Tieck wenige Wochen vor seiner Übersiedelung am 27. August 1842 von Potsdam aus an Herrn von Lüttichau richtete. Dort heißt es: „Ich habe in Dresden auch vom Hofe viel Gutes genossen, aber auch viele schmerzliche Erfahrungen gemacht und – warum sollte ich es Ihnen leugnen, denn unter Freunden, wie wir es uns waren, nur argwöhnische Zurückhaltung nicht an ihrem Platze wäre – Wie ich im vorigen Jahr in den Zeitungen las, daß Sie den Winkler zum Vizedirektor ernannt hätten, – so zwang mich eigentlich mein Gefühl, meine prekäre Stelle sogleich aufzugeben. Sie selbst waren der nächste Zeuge, wie ich seit den 22 Jahren immer gegen den schädlichen Einfluß dieses Mannes gekämpft hatte. – Sie waren Zeuge, welche Abscheulichkeiten man sich gegen mich und nachher selbst gegen Sie erlaubt hatte, welche Kabalen, Anklagen, Verleumdungen usw. von ihm ausgingen.“ –

Der Inhalt dieser Briefe hat für uns darum außergewöhnlichen Wert, weil der Dichter hier anschaulich und wahrheitsgetreu in vielen Einzelheiten den Verlauf seines Berliner Lebens bis zu seinem Tode schildert, rückblickend aber auch [10] Vergangenes aus seiner Erinnerung hervorholt und, wohl das Wichtigste von allem, reiche Schätze seines Innenlebens vor uns enthüllt. Besonders schmerzlich empfindet Tieck in der neuen Heimat die räumliche Trennung von der geliebten Frau, namentlich seitdem er sich infolge der 1842 und 1845 erlittenen Schlaganfälle und weiterer Lähmungserscheinungen[9] mit zunehmendem hohen Alter immer schwächer fühlt, und für ihn damit jede Möglichkeit, eine Besuchsreise nach Dresden zu unternehmen, ausgeschlossen ist. Der einzige kurze Besuch, den die Freundin ihm in Berlin abstattet, als sie im Juni 1846 nach dem von ihrem Vater geerbten Gute Sellin reist[10], steigert die Sehnsucht nach ihr nur noch mehr. Immer wieder beseelt ihn der heiße, wenn auch vergebliche Wunsch, mit ihr, die sein größtes Vertrauen besitzt und sein Schaffen jederzeit mit reger Anteilnahme und feinem Verständnis verfolgt hat, wie vor Jahren gedankenreiche Gespräche zu führen.

Ein wahrer Trost für den schon in Dresden durch den Tod seiner Frau (gestorben 1837) und seiner heißgeliebten Tochter Dorothea (gestorben 1841) einsam gewordenen Dichter ist es, daß die Gräfin Henriette, die langjährige feingebildete Hausgenossin der Familie, auch in Berlin seinen Hausstand teilt und ihm wie bisher treu zur Seite steht. Ergreifend ist sein Schmerz, als sie ihm 1847 durch den Tod entrissen wird. Auch die Dresdener Freunde, besonders von Friesen, von Bülow und Graf Baudissin, fehlen Tieck sehr. Ihre Stelle vertritt in Berlin vor allem sein alter Freund Friedrich von Raumer, mit dem wiederum Frau von Lüttichau seit Jahren im Briefwechsel steht.

In Berlin soll Tieck den Generalintendanten bei Aufführungen griechischer und Shakespeare'scher Dramen beraten. Wenn er sich das mit seinen Bemerkungen versehene Dresdener Exemplar des Macbeth von Devrient schicken läßt, so benötigt er es wohl zur Vorbereitung einer Berliner Aufführung des Stücks. Auf Wunsch seines königlichen Freundes muß Tieck an Mangold, den Komponisten der 1846 in Darmstadt aufgeführten Oper Tannenhäuser, wegen Vornahme szenischer Änderungen für eine in Berlin geplante Aufführung schreiben. Richard Wagner, damals zweiter Kapellmeister der Dresdener Oper, der noch immer auf eine Aufführung seines Tannhäuser in Berlin wartet, sieht sich dadurch veranlaßt, bei seiner Gönnerin Frau von Lüttichau vorstellig zu werden.

Literarisch sich zu betätigen ist Tieck infolge der Nachwirkungen des schweren Schlaganfalls, der ihn im Spätherbst 1842 traf, nach seinem Eingeständnis erst im Frühjahr 1844 möglich. Vor allem liegt ihm daran, die Vorarbeiten für seine längst geplanten, aber nie geschriebenen Memoiren wieder aufzunehmen. Sein Briefwechsel, dessen Ordnung und Sichtung ihn beschäftigt, soll eine Art Vorrede dazu sein. Eine besondere Freude will er Frau von Lüttichau 1848 mit der Übersendung seiner Kritischen Schriften machen, die einiges ihr Unbekannte aus seiner Frühzeit enthalten.

[11] Mit regem Interesse verfolgt der Dichter begreiflicherweise alle Vorgänge am Dresdener Theater. Bei seiner feindseligen Einstellung gegenüber den literarischen Erzeugnissen des Jungen Deutschland verdrießt ihn der ihm unverständliche gewaltige Erfolg des Lustspiels Zopf und Schwert in Dresden. Die Anstellung Karl Gutzkows, seines schlimmsten Feindes, als Dramaturg am Dresdener Theater bezeichnet er unverhohlen als schweren Mißgriff. Zu ihrer Rechtfertigung versichert ihm Frau von Lüttichau, sie habe eindringlich vor diesem Schritte gewarnt, sei aber mit ihren Vorstellungen nicht durchgedrungen.

Ein Berliner Ereignis, das Tieck und die Freundin gleicherweise berührt, ist der Fall Raumer. Herzerfreuend wirkt die Wärme, mit der Tieck 1847 für den Freund eintritt, als sämtliche akademischen Kollegen ihn nach seiner vom König übel aufgenommenen Festrede im Stich lassen. Von Frau von Lüttichaus gesundem Urteil zeugt es, wenn sie bei aller Hochachtung vor Raumer mit Ausdruck und Form seiner Rede nicht ganz einverstanden ist. Über die 1847 vom König bei Eröffnung des Landtags gehaltene Rede liegt nur eine Äußerung Frau von Lüttichaus vor. Sie empfindet keine reine Freude darüber; des Königs Wagemut stimmt sie bedenklich. Als überzeugter Anhänger der Monarchie verabscheut Tieck die Frevel der Revolution und bedauert, daß die Freundin davon nicht unberührt blieb. Mit bewegten Worten versichert sie ihm Herbst 1849, das über Deutschland hereingebrochene Unheil habe sie andauernd tief erschüttert, jetzt erst fühle sie sich wieder unbeschwert. Vernichtend urteilt Tieck über Louis Napoleon. Schon Bonaparte war in seinen Augen ein Nichtswürdiger.

Die immer größer werdende Macht des Katholizismus in Deutschland erfüllt Tieck 1846 bereits mit banger Sorge. Schlimmes befürchtet er aber auch von den Folgen einer übertriebenen politischen Reaktion. Eindrucksvoll ist das Bild von Deutschland, das der Dichter in seinem vorletzten Briefe zeichnet: auf der einen Seite große Fortschritte der Naturwissenschaften und der Technik, dazu ein gesteigerter Lebensgenuß, auf der anderen Seite zunehmende Armut und unzulängliche Mittel des Staates, zu helfen.

Auch auf Vergangenes kommt der Dichter gelegentlich in diesen Altersbriefen zu sprechen. Die Freundin soll wissen, wie gespannt und unerquicklich sich zeitweise sein Verhältnis zu Bruder und Schwester gestaltete, wie herzerfreuend und wertvoll dagegen für ihn die Freundschaft mit Wackenroder, Novalis, Solger und ihr gewesen sei, wie jedoch Wilhelm und Friedrich Schlegel nicht verdienten seine Freunde zu heißen. Als Tieck immer hinfälliger wird und, des Lebens überdrüssig, den Tod herbeiwünscht, denkt er unwillkürlich an die ihn in früher Jugend beglückende Todessehnsucht zurück. In seinem letzten Briefe offenbart der greise Dichter der Freundin schließlich noch als teures Vermächtnis das für ihn einzigartige [12] wunderbarste Geschehen: wie er als Neunzehnjähriger auf einer einsamen Harzwanderung in frommem Erschauern das Schauspiel eines selten schönen Sonnenaufgangs erlebt.

Frau von Lüttichau hat, wie wir aus Tiecks Äußerungen schließen können, dem Freunde eine ziemliche Anzahl Briefe geschrieben, die er, unlustig zum Briefschreiben, unbeantwortet ließ. Was aus diesen Briefen geworden ist, wissen wir nicht. 1849 trägt Tieck sich mit dem Gedanken, die Genehmigung der Freundin vorausgesetzt, ihre darin abgegebenen literarischen Urteile über seine Bücher und Schriften, ohne ihren Namen zu nennen, dem gebildeten Publikum bekannt zu geben. Der Plan kam nicht zur Ausführung. Offenbar war Frau von Lüttichau in ihrer Bescheidenheit und in einer gewissen Scheu vor der Öffentlichkeit nicht damit einverstanden[11]. Darum konnte sie sich auch nicht entschließen, schriftstellerisch hervorzutreten, so sehr ihre Geistesgaben sie dazu befähigt hätten[12]. Sie begnügte sich damit, in der Stille für Tieck und andere bestimmte Bekenntnisse niederzuschreiben, die wir um der Tiefe der darin ausgesprochenen Gedanken und Empfindungen willen bewundern müssen.

Nach dieser Einführung mögen

die Texte

in diplomatisch getreuer Wiedergabe der alten Schreibweise folgen.


Theure, verehrte Freundinn

Es war mir recht schmerzlich, daß ich Sie vor Ihrer und meiner Abreise nicht noch einmal sehen konnte, denn außerdem, daß es mir weh that, nicht noch einmal den Ton Ihrer Stimme zu hören, waren meine Besorgnisse um Ihr Wohlsein nichts weniger als vorüber. Und nun gar bei diesem rauhen, unfreundlichen Wetter, in welchem die Gesunden krank werden können! Ich hoffe, der Himmel hilft Ihnen und erhält Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden. Auch darauf rechne ich, daß Sie sich schonen und dieser ganz verderblichen Luft nicht zu sehr aussetzen werden. Immerdar steht mir Ihre leidende Gestalt vor Augen, und es gereut mich jetzt, daß ich meine Herreise nicht auch verschoben habe, um später mit Ihnen in dieser herrlichen Gegend zu sein, und einige schöne Stunden und Spaziergänge mit Ihnen genießen zu können. Sie haben in Ihrer edlen Unbefangenheit vielleicht gar keine Vorstellung davon, wie sehr jedermann von Ihrem Wesen angezogen wird, der das Glück hat, in Ihre Nähe zu kommen. So finde [13] ich in jedem Briefe meines Freundes Raumer[14] Frage nach Ihnen, und die herzlichsten Wünsche für Ihre Genesung mit Ausdrücken verbunden, die seine Verehrung für Sie aussprechen. Wenn ich die Briefe mitgenommen hätte, würde ich Ihnen einige dieser Stellen abschreiben. Sie wollen es nicht hören, daß ich dem Umgang mit Ihnen und Ihren Gesprächen schon so vieles zu danken habe, aber ich muß doch die Wahrheit aussagen, daß es in der That so ist, und daß jede Stunde, in welcher Sie mir Ihre Gesellschaft gönnen, mich klüger und gedankenreicher gemacht hat. Es wäre auch wahre Unfähigkeit von meiner Seite, wenn dies nicht geschähe, indessen will ich in diesen Bekenntnissen nicht fortfahren, weil Sie diese Aufrichtigkeit vielleicht doch nur Schmeichelei schölten, um mir und sich gleiches Unrecht anzuthun.

Ich habe Ihnen Schlegels Werke[15], 10 B(ände), gesandt. Sie werden aus diesen geistreichen, genialen und eben so einseitigen als vielseitigen Schriften das herauslesen, was Ihnen angenehm und lehrreich ist. Der Mann ist vortreflich, aber doch nicht so sehr, daß man mit ihm lieber Unrecht als mit dem minder genialen Recht haben möchte. Es giebt eine Ueberreife in Früchten, die durch zu schnelles Reifen entsteht, und da schmeckt man ihnen die erste Unreife doch noch an. Vielleicht schweben Ihnen noch einige Stellen meiner Briefe aus Wien[16] vor: Religion soll niemals Partheisache[17] werden, aber vielen gilt eben dies nur für Begeistrung. Wie geht es Ihnen mit B(en) Jonson[18]? Wenn Sie viel von ihm lesen wollen, so haben Sie doch auf jeden Fall an Every Man in – and out of his Humour, the Fox, the Alchemist, und Bartholomew Fair genug; können Sie, was ich bezweifeln muß, alle Beziehungen herauslesen, so ist noch the Poetaster merkwürdig, wenn auch nicht groß, als Satire auf Shakspear und Marston. Von den Masken sind einige sehr interessant. Seine beiden Trauerspiele sind ganz schlecht.

Gern hätte ich Ihnen die Bogen von Solger[19] wieder gegeben, wenn ich sie nicht selber brauchte. Ich werde Ihnen nachher im Sommer vielleicht beide Bände hieher mitgeben können, denn auch der zweite ist schon weit vorgerückt, in welchem Ihnen der Aufsatz über das Verhältniß der Philosophie zur Religion, sowie ein zweiter über das Wesen der Philosophie vorzüglich interessant sein wird. Solgers Schriften sollten Sie eigentlich alle besitzen, denn ich müßte mich sehr irren, dieser Philosoph hat eben so sehr für Sie als für mich geschrieben. Sonst habe ich mich noch nie einem Philosophen auf Gnade und Ungnade ergeben mögen, wie ich es mit diesem herrlichen Mann konnte.

Wir sind alle ziemlich wohl, auch die Gräfinn, die mir die herzlichsten Grüße und Wünsche für Sie aufträgt. Mit der Gräfinn Bose[20] sprachen wir neulich lange von Ihnen.

[14] Ich benutze es, daß Dorothea Ihnen schreibt, um Ihnen mit diesen unbedeutenden Worten ein Zeichen meiner Verehrung und Freundschaft zu senden. Gebe der Himmel nur, daß ich Sie nach einigen Wochen recht wohl und gesund sehe. – Ich bitte auch, mich Ihrer Frau Schwester[21] so wie Ihrem Gemahl zu empfehlen.

Ihr
Teplitz, ganz ergebenster
d. 21. Juni 1826. L. Tieck.


II

Ist es Ihnen möglich, verehrte Freundinn, vielleicht noch etwas vor 5 Uhr zu uns zu kommen, um so erwünschter, – ich habe die Anstalt getroffen, daß wir bis 7 Ulhr ganz ungestört sein können, und bis dahin wird Freund Loebell[22] wohl seine Vorlesung geendiget haben; aber gut ist es, wenn Sie nicht nach 5 Uhr kommen.

Wenn Ihre Gesundheit doch sich nur so befestigte, daß ich endlich dieser quälenden Angst loswürde. – Immer mehr fühle ich, wie unser ganzes Leben doch nur ein Träumen ist: lauter Anstalten, Anlauf, Einrichtung, und so wenig Erfüllung. Indeß auch so, wie es ist, ist es nothwendig, gut, und Augenblicke müssen freilich Wochen aufwiegen. Wird es etwa immer so sein?

Wenn Sie nur heut nicht abgehalten werden. Der Ihrige
Am Freitag Morgen. Lud. T(ieck).


III[23]
Geliebte Freundinn

Ich kann meinen vertrauten Freund Herrn von Bülow[24] nicht von Berlin zu meinem großen Leidwesen scheiden sehn, ohne ihm ein Blatt für Sie mitzugeben, das Sie nur an mich erinnern soll, weil, wie Sie längst wissen, das Briefschreiben meine schwächste Seite ist. – Von meinem Befinden mag ich Ihnen nicht vorklagen, Sie würden mich aber gewiß um Vieles schwächer finden, wenn Sie mich sähen. Der Winter ist mir gar nicht zuträglich gewesen, und ich mache schon wieder Pläne, ob ich nicht auf einige Wochen nach Baden[25] gehe. Ich lebe hier viel einsamer als in Dresden, ich sehe nur wenige Menschen, meist nur meine und meiner Freundinn Familie[26], und eigentlich lebte ich ja auch in Dresden nur mit Ihnen, wenigen Freunden[27], und die Menge, die mich heimsuchte bestand [15] aus Fremden[28], bis die neuen Mahler zu den Dresdnern gerechnet werden konnten, denn sonst, wie Sie wissen, sind die meisten Sachsen so negativ, und so sehr in ganz nichtssagenden Redensarten aufgegangen, daß man sich unter ihnen wie unter Marionetten befindet. Ich habe Sie oft innigst bedauert, wenn Sie an dem leeren Geschwätz theilnehmen mußten.

Wie sehr Sie mir fehlen, – brauche ich Ihnen das noch erst zu sagen? – Einer Ihrer Blicke würde mir mehr sprechen als viele Bücher. Diesen befruchtenden Sonnenschein muß ich nun zu meinen Schmerzen entbehren. Unser Leben wird immer mehr zum Traum[29], je älter wir werden: und so muß es auch wohl sein, und das Hineinträumen, und an alle diese Träume glauben, dadurch nähern wir uns wohl nur der ächten Wahrheit. Nur keine sogenannte Philosophie – wenn der Mensch alle Wurzeln der Ahndung, Andacht, Poesie, Naturbegeisterung vernichtet, und nun am dürren Zweig des Denkens hängt, sich selbst genug im eitlen Selbst-Bewußtsein. So werde ich in einem gewissen Sinne mit dieser Ueberzeugung immer jünger, und so kommt mir auch die Todes-Sehnsucht immer näher, die mich in meiner frühsten Jugend so glücklich machte. Sie kennen gewiß das schöne Gedicht von Novalis (im Anhang des Ofterdingen), was diese Empfindung ausspricht. Sonderbar, wie auch diese Liebe zum Tode, Unglück, zur Tragödie, dem Erschreckenden und gewaltiger Größe bei den meisten Menschen auch mit der Jugend erlischt, und sie sich, so älter sie werden, so mehr vor dem Tode fürchten.

Sollen wir also trauern um Abgeschiedene? Warum habe ich es also gethan mit so ungeheuren Schmerzen? Leid und Freude ist durchaus ein und dasselbe, und der Schmerz ist nur eine andre Gestalt der Lust. Die Blitze der Lust, des Entzückens, der Begeisterung, der Andacht sind nur die seltnen, und in Traum, Wehmuth, tiefen, zerreißenden Schmerzen sänftigt sich in längeren Zeiten und anhaltender jener Aufblitz des scheinbaren Gegentheils.

Horchte man nur immer auf die Manifestationen unsers innern Lebens, und belehrte sich aus ihnen. Das, was in unsern Zerstreuungen des Lebens nicht beachtet wird, was in Augenblicken sich in unserm Innern aufthut, ist gewiß die Blüthe unsers Daseins. Aber freilich, wer versäumt, zum ganz Gewöhnlichen, sogenannten Irdischen zurückzukehren, wird darüber dann ein leerer Träumer, und aus der scheinbar größten Geistesfreiheit entsteht dann wieder die kümmerlichste Beschränktheit. So ist aus ewigen Widersprüchen unsre Seelen-Existenz geflochten, und nur in einzelnen Geistes-Aufblitzen sehn wir, daß es keine Widersprüche sind.

Doch, wie komme ich zu diesen Predigten? Es ist ja ein Thema, das wir oft durchgesprochen haben. Sie haben alles das in sich erfahren. Wie traurig, daß Sie so viel bei der Krankheit Ihres Vaters leiden[30]! Wollen Sie ihn herzlichst von mir begrüßen? Wehmüthig, wenn unser Leben auf eine solche Art verlöschen [16] soll. Ich hoffe, Sie sind jezt ziemlich wohl. Von uns, und der Gräfinn, wird Ihnen H(err) v(on) Bülow recht viel erzählen können. Arbeiten ist mir bis jezt noch versagt worden, doch will ich jezt mit Ernst anfangen. Man hat es mir zur Pflicht machen wollen, vor allen Dingen zuerst meine Memoirs zu schreiben[31]. Angesezt habe ich mehrmals, auch viele Materialien aus meiner Erinnerung zusammen getragen. Nur das Mechanische des Aufschreibens! Es hat was Lächerliches, Gedanken, Empfindungen so mit den gespizten Fingern Wort für Wort auf das Papier hinzustricheln. – Haben Sie unsern vormaligen Rumohr[32] noch vor seinem Tode gesehn? An seinem lebenden Leichnam waren auch nur noch blinde Vorurtheln, Grillen, Eigensinn und Unvernunft hängen geblieben, wie an einem vernachlässigten Hofkleide nach langer Zeit nur Motten, Schaben und Spinneweben einen sonderbaren Zierath ausmachen.

Die Leute wundern sich immer wieder, daß ich von den meisten neuen Büchern gar keine Notiz nehme. Merken denn diese Menschen gar nicht, daß in diesen Neuigkeiten der Mode gar nichts Neues steht[33]? Aus den guten Alten lerne ich, je älter ich werde, immer mehr. Diese Wollust des Lernens kann gewiß in alle Ewigkeit nicht aufhören. – Auf ganz etwas Nichts-Nutziges zu kommen. Es hat mich verlezt, daß das ganz dumme Zopf und Schwert in Dresden so übermäßig gefallen hat. Es ist doch wohl großentheils die alte Rancune gegen Preußen. Ist unser Theater nicht eine wahre Bude des Ekelhaften, wo wie in London Würmer der Eingeweide und andre Scheußlichkeiten in gefärbten Gläsern erleuchtet zum Prunk ausgestellt werden[34].

Werden wir uns einmal wiedersehn? So vieles wird uns im Leben versagt. Sie wollen nach Leipzig kommen, im Fall ich dort durchreise? Das ist ein großes Gewicht in der Wagschaale. Auf jeden Fall gehe ich durch Leipzig, wenn ich noch reise. Die Lust am Reisen vergeht mir nicht, so sehr ich mich auch dann wieder davor fürchte.

Nun leben Sie wohl, Allertheuerste; man bildet sich beim Briefschreiben immer eine Gegenwart vor. – Grüßen Sie doch meinen theuern Freund H(errn) v(on) Friesen, ebenso den lieben Baudissin: beide hätte ich gar zu gern einmal hier gehabt. Nur sind die Reisenden immer so schrecklich unruhig, was mich dann so zerstreut macht, so daß ihre Gegenwart immer wie ein nüchterner Traum vergeht. Wenn ich Sie in Leipz(ig) sehn sollte, müßte ich für die Zeit allen andern Menschen absagen lassen, um bei Ihnen und bei mir zu sein.

Adieu!! das sagt man täglich so sprichwörtlich gedankenlos hin, und ist die schönste Begrüßung.

Berlin den 17. März 1844. Ihr L. Tieck.
[Ξ]

Ida von Lüttichau
Gipsbüste von Ernst Rietschel
Staatliche Skulpturensammlung zu Dresden

[Ξ] [17]

IV
Theuerste, geliebte Freundinn

Seit wie lange schon bin ich in Ihrer Schuld: wie viele und wie schöne Briefchen haben Sie mir geschrieben, und ich bin so lange mit meiner Antwort ausgeblieben; doch davon will ich abbrechen, um so gleich zu einem wichtigen Punkte zu kommen.

Unser Freund nehmlich, v(on) Bülow[35] hat mir jezt auf schöne und rührende Art sein Verhältniß zu seiner Frau, so wie zur Gräfinn Louise entdeckt. Die Eheleute sind schon seit Jahren in einem Verhältniß, welches man keine eigentliche Ehe nennen kann: die verständige Frau hat sich das selbst, so wie ihm offen gestanden: die Entfremdung hat durch die ungleichen Gesinnungen mit jedem Jahre zugenommen, ohne Feindschaft zu werden: – nun entwickelt sich ein inniges Verständniß mit Louise, die Frau weiß, billigt auch dies, – sie wünscht unter allen Bedingungen des Mannes Glück, sie liebt und achtet Louise, – und plözlich scheint wieder in dem heftigen edlen Gemüth der Frau ein Rückschlag erfolgt zu sein, welcher in dunkler Leidenschaftlichkeit droht, alle drei Menschen, die so gut, so lieb sind, und die Glück des Lebens verdienen, vielleicht auf lange, ja auf alle Zeit höchst unglücklich zu machen.

Eine so klare, kluge Frau, wie Sie, zu der alle drei liebe Menschen das höchste Vertrauen haben, kann in diesem traurigen Verhältniß gewiß Vieles gut und licht machen, und so die so naheliegende, gelinde Auflösung herbeiführen.

Ein fester, klarer Entschluß, eine rasche That ist in einer solchen Lage das beste, ja das einzige Mittel. Die wackre Frau muß doch einsehn, daß nach so vielen Jahren des Mißverstandes, der Entfremdung unmöglich durch einen willkührlichen Schlag, durch mehr als ein Wunder die Erste Liebe (wenn sie jemals da war) wieder herbeigeführt werden könne. Billigt sie nun nicht, wozu sie schon edel und weise ihre Einwilligung gegeben hatte, so wird diese ihre willkührliche plözliche Leidenschaft immer dunkler, und dadurch heftiger, zerrissener; sie macht sich nicht allein selbst höchst unglücklich, sondern auch jene beiden Menschen, welche sie wahrhaft liebt: diese, welche glücklich werden könnten durch ihre weise Billigung, müssen sich natürlich ihr immer mehr entziehn, man steht sich von allen Seiten sehr bald entschieden feindlich gegenüber, oder verzehrt sich in Schwermuth, Wehmuth und Lebens-Ueberdruß. Dagegen, vereinigt sich der Freund offen und bald mit der Geliebten, so kann ihre Zuneigung zu den beiden Wesen die wahrste, herzlichste Freundschaft und Liebe werden, alle drei gewinnen unendlich durch diese edle und großmüthige Lösung, die brave verständige Frau ist ein unentbehrliches Glied in dieser schönen Verbindung, unserm theuren Freunde erwächst höchsſt glücklich eine neue, wahre poetische Jugend, die er vielleicht nicht gehabt hat, alle seine [18] Kräfte und Anlagen entwickeln sich harmonisch und ungestört, und die liebenswürdige Louise findet einen festen Standpunkt, einen nothwendigen im Leben, da sie ihre Genialität doch ohne erfüllte Liebe wahrscheinlich unglücklich, schwach und zerrissen machen würde.

Alle Leidenschaft in Liebe zur Poesie und Kunst, zur Natur und Religion schafft, macht glücklich, beseeligt, wenn sie Enthusiasmus, geheiligt wird und klar, göttlicher Natur bleibt: – wird die Leidenschaft dunkel, verwirrt, heftig und willkührlich, so bemächtigen sich böse Dämonen des Menschengeistes und führen Unglück, Entsetzen, Elend aller Art herbei: die scheinbare Liebe wird Wahnsinn, Eifersucht, Haß und Wuth: die Religion wird Schwärmerei, Verfolgung, Fanatismus und Tollheit: Kunst und Poesie erzeugen dann Fragen und Unsinn, und die Natur verwandelt sich in eine mechanische, fabrikmäßige Irren-Anstalt. Unser Gebet, unser Wille bewahre jeden vor diesem Elend.

Die Frau v(on) Bülow wird, hoffe ich, diese ihre Lage und Verhältniß wie ein vom Himmel gesendetes Schicksal ansehn. Und Sie, Liebste, können gewiß dahin wirken, daß diese edle, gelinde Lösung eintrete: wobei auch nur die Kinder gewinnen können, die bei unglücklichen Eltern gewiß auch unglücklich werden müßten. Ich beschwöre Sie also, wenden Sie Geist, Kraft, Scharfsinn und Charakter an, das Elend von diesen lieben Menschen abzuwenden: denken Sie nicht, die Zeit würde heilen und herstellen – und bleiben Sie mir mit der Freundschaft und Liebe zugethan, die mich so viele Jahre hindurch wahrhaft beglückt hat.

Berlin Ihr treuster Freund
den 23. März 1845. L. Tieck.


Theure, geliebte Freundinn,

In welche große Schuld bin ich gegen Sie gerathen, da ich immer versäumte, auf Ihre schönen Briefe zu antworten. So geht das Leben hin, unter ewigen Vorwürfen, und man wird doch nicht besser. Krankheit, Schwäche, wahre Unfähigkeit, und unbedeutende nicht abzuweisende Geschäfte mögen mich einigermaßen entschuldigen. Denn meine Gesundheit ist leider seit dem Herbst 1842 so störbar, daß ich auf keine Stunde mit Sicherheit rechnen kann. Und nachher ist die Schwäche meist so groß, daß ich nicht einmal etwas Vernünftiges lesen kann. So löset sich die Lebenskraft nach und nach auf, um nachher in Unabhängigkeit freier zu wirken, oder sich nachher andren, vielleicht noch strengeren Bedingungen [19] zu unterwerfen. Aber Freundschaft, Liebe, Poesie, Natur, und ächte Religion sind in uns das Ewige, das wir schon hier freier und selbstständiger machen können, um so die göttliche Täuschung, in der wir leben und sind, zu einem wahrhaften Symbol des Göttlichen und Gottes zu machen.

Der Ihnen dieses Blatt mit meinen besten Wünschen überreicht, ist ein Baron Keudell[37], ein Preuße, der mir einen Roman, die Musikanten, vorgelesen hat, welchen ich habe bewundern müssen. Der Mann selbst scheint mir für jene neumodische Freiheit zu schwärmen, die die knappste Gebundenheit und Unfreiheit ist, das wahre sterile Philisterthum unsrer Tage, was Königthum, Thron, ächte Monarchie, das Mystische einer wahren Regierung und des ächten Staates aus jenen engherzigen Widersachlichkeiten so wenig begreifen kann, wie jene ältern Nicolaiten[38] die Poesie, Glauben und Religion nicht fassen konnten.

Was Sie mir neulich von den Neu-Katholiken[39] schrieben ist sehr wahr. Und doch wünsche ich dieser Secte den besten Fortgang, um nur jenen schändlichen Uebergriffen despotisch-fanatischer Hierarchie und der Pfaffenherrschaft ein Gegengewicht zu sehen. Leider findet der Jesuitismus bei allen Herrschern, auch den protestantischen Vorschub, weil die alte Täuschung, daß diese Lüge die Legitimität fördere, wieder aufgewacht ist, da die Geschichte, die freilich für Herrscher nicht geschrieben ist, so klar das Gegentheil lehrt. Wir gehn einem Religions- und Bürgerkriege entgegen, wenn das Schicksal nicht, und Gott persönlich die so leicht getäuschten Deutschen noch einmal durch unvorhergesehene Begebenheiten erretten.

Wenn ich Sie doch nur endlich einmal persönlich sähe! Was mir immer wieder ist vereitelt worden. Kommen Sie ja, womöglich, den 1. Juni, wie Sie sich vornahmen[40]. Je früher je besser. Ueber meine Reise kann ich noch nichts bestimmen. Doch muß ich jedenfalls bald nach Potsdam[41] gehn. Sie werden doch gewiß mehrere Tage hier verweilen? Man braucht ja einen ganzen Tag, um das Fremdgeworden zu überwinden.

Die Gräfinn grüßt Sie herzlichst und wie ich mich auf Ihren Anblick freue, können Sie gewiß nicht ganz ermessen. Wie geht es (scherzendo gesagt) mit Ihrer Selbstständigkeit? Daß Sie oft mir ungetreu werden[42], hätte nichts zu bedeuten, aber daß Sie oft von Ihrem edelsten Selbst abfallen, weil Ihr Talent sich in andre Seelen und Gesinnungen zu versetzen, unverhältnismäßig gegen Ihre wahre Seele zu stark ist, das ist schlimm. Ich weiß nicht, ob Sie mich hier verstehn, oder verstehn wollen.

Ich beuge mich vor Ihrem Geist und edlen Herzen. Wie viel habe ich Ihnen zu danken! Nie war ich (Novalis[43] abgerechnet) so seelenreich wie in Ihrer Gegenwart: Ihr Gespräch weckte immer den Zwillingsgeist in mir, und ich entdeckte [20] Schätze meines Innern, die ich vorher nicht wahrgenommen hatte. – Aber noch so feine und kluge Sophistik hat mich niemals, auch nur auf Augenblicke, gewinnen können. Sie blieb immer nur Erscheinung, wenn auch glänzende, sie mußte, wenn ich sie betrachtete, in der Vorhalle stehn bleiben, u(nd) durfte nie in mein Wohnzimmer treten.

Herzlichst Sie begrüßend Ihr
B(erlin) den 14. May 1846. L. Tieck.


VI
Geliebte Freundinn

Sie haben mir einigemal, wenn auch nur kurtze, doch sehr liebe Briefchen geschrieben, und hätte ich Ihnen jedesmal antworten können, oder an Sie schreiben, wenn ich an Sie dachte, mit Ihnen in meinem Innern stille Gespräche führte, so hätten Sie unzählige Briefe erhalten. Ich kann nicht ausdrücken, wie oft alle Kräfte meines Wesens und Geistes zu Ihnen hinstreben, welche Lücke in mir gerissen ist, seit ich Sie nicht mehr sehe und spreche, wie viel mir fehlt, wie ich mit keinem meiner Bekannten oder selbst Freunde so sprechen kann, wie mit Ihnen – alles das müssen Sie mir so einfach hin glauben, denn ich kann doch keine Worte finden, Sie davon zu überzeugen. Kurz, es ist ein Schicksal, ein trauriges, ein Unglück, daß wir haben getrennt werden müssen, ein Verlust für mich, den ich niemals verwinden kann, – und mehr als Verlust, denn das Wort klingt so eigennützig, oder gewinnsüchtig.

Ich glaube Ihnen, ich habe mir es gedacht, daß Sie in diesen Zeiten viel Schmerzliches erlitten habe(n), denn ich glaube ja, Sie zu kennen. Aber was unvermeidlich ist, ist eben unabänderlich. Wären Sie anders, hätten Sie etwas von einer Amazone, oder nur ein wenig Männlichkeit, so wären Sie eben nicht das, was Sie sind. Auch das ist Schicksal, Nothwendigkeit, und ich kann mit Ihnen klagen, hätte Sie aber nicht bestimmen können, fester und herber zu sein, nicht so duldend, göttlich leidend, – warum sind wir Menschen, wie wir einmal sind. Ich habe in meinem Leben mehr wie einmal die Liebsten und Nächsten schmerzlich verwunden müssen[44], weil ich mir nicht gefallen lassen konnte und durfte, was höchst unbillig, ja grausam war: ich mußte mit allen Kräfften kämpfen, bis zur Grausamkeit und Roheit (wie jene es nannten) um nicht ein gefesselter Sklave zu werden.

[21] Was ich über des elenden Gutzkow Anstellung[45] gedacht habe, können Sie wohl selber denken. Sie ist gewissermaßen räthselhaft, aber mir gar nicht unbegreiflich. So habe ich einem solchen Schuft also nur den Weg gebahnt, und man (ist) ihm wahrscheinlich mit dem entgegen gekommen, was ich in vielen Jahren von redlicher Bemühung nicht habe erreichen können. Da(ß) an meiner Stelle nun einer meiner giftigsten und gemeinsten Feinde steht, kann ich wohl von hier aus mit Ruhe ansehn, aber es ist doch eine Art und Weise, die ich eine ganz unwürdige nennen muß, und die der Intendant selbst in seinen Wirkungen noch schmerzlich empfinden wird, wenn er dem Menschen nicht Platz macht und selber seine Stelle niederlegt. Ich beschwor beim Abschied den Intendanten, keinen andern an meine Stelle zu nehmen: und nun hat er sich gerade den schlimmsten ausgesucht.

Ihr Herr Wagner ist ein komischer Mann[46]. An jenem Tannenhäuser von Duller hatte der König manches auszusetzen, was er geändert wünschte: ich habe also an Mangold das Buch wieder nach Darmstadt gesendet, mit meiner Nachricht und Anweisung, und Duller hat die zu kirchlichen Scenen umgeändert, und so ist der Text zurück gekommen. Mangold wird von einigen Fürstlichkeiten von dort protegirt und empfohlen, und im Sommer wird wahrscheinlich seine Oper gegeben. Weiter habe ich nichts damit zu thun gehabt. Jezt aber hat der König auch von mir den Text des Wagner erhalten, auf den er neugierig war, und so war es mir denn sehr lieb, daß Sie ihn mir geschickt hatten.

Ich habe seitdem wieder verschiedene Krankheits-Anfälle überstanden und recht harte und gefährliche: doch, das wissen Sie wohl schon; auch die Gräfinn hat immer viel gelitten, ist aber jezt besser, nur sehr schwach. Daß sie Sie herzlich grüßen läßt, versteht sich von selbst: so auch ich die Grahls[47], Hübners, Bendemanns, Vogel[47], Serres[47], Keudell, Solgers[47] vor allem, auch Schnorr[48], – schon vor Wochen hatte ich einen dringenden Brief an Kraukling[49] geschrieben: – wollen Sie wohl die Güte haben, anfragen zu lassen, warum er mir denn nicht antwortet und Bescheid giebt. Da ich selten schreibe, bin ich so unhöflich, immer schnelle Antwort zu erwarten.

Es ist traurig, daß ich mit Baudissin ganz wie geschieden bin. So ist Trennung von Freunden oft wie Tod. Freilich fehlt ihm jene Energie, die ich für das Leben für so nothwendig halte, und so habe ich, aufrichtig gesagt, wenig von ihm gelernt, was ich von jedem Freunde erwarte und fordre: er geht gar zu leicht mit einer geistigen Mode oder Krankheit. Ich hoffe, es soll mit Bülow's gut gehn. So leidenschaftlich ich Zeit meines Lebens gewesen bin, und es noch sein könnte, so habe ich doch diese Leidenschaft nicht verstanden, besonders das Wesen der Louise, das mir zu gehaltlos erscheint, wie ich ihr auch offenherzig gesagt habe, als sie das leztemal hier in Berlin war.

[22] O wie gern möchte ich wieder einmal mit Ihnen aus vollem Herzen schwatzen, so in einer vertraulichen Abendstunde, wie es sonst so oft geschah. Was ich arbeite, soll ich Ihnen sagen? Ich habe schon seit lange den 3ten Th(eil) von Shaks(peare's) Vorschule fertig[50]: dann habe ich bei meiner Schwäche und Unfähigkeit meine Correspondenz geordnet und die passenden Briefe abschreiben lassen[51]: dies durchzusehn, zu korrigiren und einige Bemerkungen und Erläuterungen zu machen, wird mir noch einige Zeit kosten. Diese Briefe sollten auch zugleich wie eine Vorrede zu meinen Memoiren sein, denn sie werden manches in meinem Leben erläutern. An diese Lebensbeschreibung möchte ich dann recht bald gehn, und sie so weitläufig als möglich machen, denn nur dadurch, daß sie recht individuell ist, kann sie interessant werden. Man muß sich auch können über den Einwand der Eitelkeit u(nd) dergl(eichen) hinwegsetzen: Sie kennen mich genug, um zu wissen, daß diese Beschuldigung auf mich nicht paßt; ich leide beinah am Gegentheil: ich kann mich, selbst unwürdigen Menschen gegenüber, nicht wichtig genug machen; ich habe noch Zeitlebens keinem Menschen imponirt, es wenigstens nicht gewollt.

Die Sache mit Raumer[52] wird Sie auch sehr bekümmert haben. Sie kennen gewiß die wackre und unschuldige Rede. Man lebt hier in einer traurigen Herbstdämmerung und in einem ganz ungesunden Nebel. Im Studium der Menschenverachtung bin ich seit vier Wochen außerordentlich vorgeschritten. Wohin kommen wir auf diesem Wege? Raumer ist wie immer, brav, tapfer, redlich, so daß ich diesen Freund in seiner ächten Männlichkeit immer mehr verehren muß. Aber die Akademiciens. – Ein Berliner Witz: AcaDemi Chiens! Nicht unpassend. Das wollen Gelehrte sein, eine edle Corporation!

Und nun – Abschied nehmen? Lassen Sie mich noch ein wenig schwatzen. Was ist aber so ein Brief für ein armer Behelf der mündlichen Rede. Ich möchte gerade Ihnen Vieles, Alles sagen, und weiß nicht, wo anzufangen. Und schon das Auge! Was kann es nicht alles sagen; besonders Ihr schönes, klares, hellblaues. Was habe ich immer darinn gesehn. Wie klug war ich oft in Ihrer anregenden Nähe durch Ihr herrliches Wort. Das fehlt mir nun auch; ich werde dumm. Ist es nicht sonderbar, daß Menschen, die zusammen gehören, getrennt leben müssen? Ich komme hier gar nicht aus, und sehe nur wenig Menschen, am meisten meine monotonen Verwandten. Ein Prof(essor) Röstel(l)[53] ist ein gescheidter Mann. Keudell war, bis auf seinen Republikanismus, eine Erquickung für mich. Was so ein ächtes Talent mich gleich erwärmt! Selten habe ich mit einem Manne so harmonirt, und doch sind wir uns so ungleich, in vielen wichtigen Punkten ganz entgegengesezt. Aber das halte ich für ein ansehnliches Talent in mir, daß ich auch den Ungleichartigen verstehn kann, wenn er nur sonst etwas werth: und wie Sie sagten: Keudell ist einfach, und das ist die Hauptsache. Was [23] Sie von Loebell sagen, ist sehr wahr: aber dieses Dürre in seiner Schreibart hält er für sein Bestes.

Wer kann überhaupt schreiben? Nur wenige. Sie sollten einmal etwas Großes, Größeres als Briefe, unternehmen, wenn es auch nur für mich ganz allein wäre. Sie finden wunderbar den Ausdruck für niemals ausgesprochene Gedanken und Empfindungen. Auch fassen Sie dergleichen besser und schneller, lebhafter, als alle Menschen: wer hat wie Sie die Briefe des Magisters im jungen Tischler[54] so gewürdigt? Wer mich ganz so verstanden? Was ist das nur, wenn Geister sich so begegnen? Welcher Geist befruchtet alsdann den andern? Wie gränzt Wahnsinn, Albernheit, Unsinn an den tiefsten und höchsten Gedanken in uns? Was lebt, denkt, webt, ahndet, fühlt, schaut in unserm materiellen Gehirn? Sie glauben nicht, wie nahe ich in meiner sehr frühen Jugend oft dem Wahnsinn war: manchmal in Verzweiflung und Melankolie[55], oft aber auch in der höchsten Entzückung. Was sind wir Sterblichen? Wozu sind wir da? Was wird aus uns werden? „Wir sind solcher Zeug, woraus die Träume gemacht sind.“[56] Wie aber, wenn im Traum das wahrste, ächteste Leben wäre? Das Sein in dem, was wir Nichtsein nennen Ohe! genug!

Bitte, bitte, an Kraukling zu denken. Ewig
Berlin, den 14ten Merz 1847. ganz der Ihrige
Friedrichs-Straße 208. L. Tieck.


VIa[57]
(Dresden, Mitte April 1847)
Theuerster geliebter Freund!

Indem ich Ihren Brief immer wiederholt wieder lese, rührt es mich immer von Neuem, daß Sie sich so unendlich liebevoll und gütig gegen mich aussprechen. Ich bin in meinem neulichen Briefe gar nicht auf das unglückliche Kapitel von Gutzkow eingegangen; was läßt sich darüber sagen: Sie haben vollkommen Recht. Es ist unbegreiflich und doch dem, der die hiesigen Verhältnisse und Individualitäten kennt, vollkommen verständlich, und das prognosticum, was Sie stellen, kann nicht fehlen einzutreffen. Das Alles habe ich gesagt, wiederholentlich, und wahrlich, bei allem Schlimmen, was daraus entstehen wird, kann ich wenigstens zu meiner Beruhigung mir sagen, daß nichts kommen kann, was ich nicht auf das Grellste und Schärfste in's Licht gestellt vorher durch meine Warnung. Gutzkow hat 500 Thaler Gehalt[58].

[24] Eduard Devrient hat Ihnen, wie er mir sagt, geschrieben[59]: er hat viel Hartes hier erfahren müssen. Nicht nur hat er seine gehoffte Einwirkung aufgeben müssen, sondern er wird nun auch eine drückende Unterordnung erfahren müssen. Das wird ihm um so schwerer werden, als er nicht ganz frei von Devrient'schem Hochmuth ist: aber sein Benehmen ist immer nobel und würdig geblieben. Ich habe mich, als eine Art von Genugthuung für alle Unbilden, die er von unserm Hause hat erfahren müssen, dazu hergeben müssen, ihn einmal vorlesen zu hören. Ich wählte dazu den „Andreas Hofer“, weil ich den nie von Ihnen gehört hatte[60]. Eine gewisse Kunstfertigkeit des Sprachorgans besitzt er allerdings, er liest sehr rasch, moduliert auch gut, kurz, man kann sagen, er trägt gut vor mit einer gewissen Eleganz und Wissenschaftlichkeit von der Sache. Aber mehr wie einmal möchte ich es nicht hören, denn alles, was nur der Geist schafft, hinzubringt, das ursprüngliche, befruchtende für den Geist fällt natürlich weg, denn das giebt seine Individualität nicht her. Nun ist Rötscher[61] hier und hält Vorlesungen; die werde ich nun gar nicht hören, denn ich kann nur dadurch existiren, daß ich mir mit entschiedenstem Eigensinn Alles fern halte, was aus dem Kreise des engsten Gewahrsams (könnte ich es fast nennen), den ich mir selbst stelle, hinausgeht. Ich verstehe Sie darum jetzt noch weit besser wie früher in dem sich daran genügen lassen dessen, was man erworben hat und dem entschiedensten Negiren alles dessen, was nur als (Lücke in der Abschrift) noch einwirken kann: warum eine Zeit, eine Persönlichkeit als in sich abgeschlossen zu betrachten ist, warum Sie nach der Gräfin[62] keine Sängerin, nach Fleck[63] keinen Schauspieler gelten lassen wollten, dies fühle ich jetzt individueller, und daher erscheint es mir nothwendiger wie sonst. Wie überhaupt die flüssigen Elemente in der Seele sich doch mit der Zeit immer mehr condensiren und sich dadurch doch die Form mehr ausprägt, die dem innersten Wesen zum Grunde lag, und nun endlich das, was sich herausgelebt hat, als ein einfaches, um sein selbst willen daseiendes gefühlt wird und zur Geltung kommt als etwas, das wir selbst und andre tragen müssen – dies alles ist mir klarer als sonst, und ich lasse daher meine eigne Natur mehr walten, da einem auch der Verlauf der Zeit ein Recht dazu giebt, was man früher nicht zu haben meint.

So lebe ich denn sehr zurückgezogen im Ganzen. Einen großen Theil meiner Kräfte nimmt jetzt meine erwachsene Tochter[64] in Anspruch. Ich finde das eine ungeheure moralische Anstrengung (so sonderbar dies klingen mag), weil das Durchbrechen aller früheren unsichtbaren geistigen Keime in diesem Alter so plötzlich kommt und gewissermaßen über einem zusammenbricht, daß man seinen Verstand nicht genug anstrengen kann, um das richtige in diesem Moment nicht zu versäumen, und so entsteht etwas wunderbar Gemischtes zwischen der innern Freude an der Erscheinung und der Liebe zu ihr und einer sehr mühevollen geistigen, [25] immerwährenden Anspannung der eigenen Kräfte. Sie werden mich vielleicht darüber auslachen, weil dies sehr beschränkt klingt. Doch im beschränkten Sinne meine ich es nicht, und Niemand ist entfernter von dem anmaßend reflectirenden Wesen sogenannter Erziehung wie ich. –

Die Raumer'sche Angelegenheit hat nicht nur mein Interesse und Freundschaft für ihn sehr in Anspruch genommen, sondern mir doch auch noch mancherlei zu denken gegeben. Im Plutarch heißt es von den Spartanern[65] „die hier starben, sie sahen nicht im Leben noch Sterben die Schönheit, aber in dem, daß schön Beiderlei werde vollbracht.“ Sollte nicht bei unserm Freunde auch eine Nemesis darauf beruhen, daß er oft das Große nicht schön thut? Vereinigte er in seiner Rede die Kühnheit und Kraft der Gesinnung mit der Schönheit und Würde des Ausdrucks und der Form, so war ihm weit schwerer beizukommen. Es versteht sich indeß, daß er als der allein Siegreiche in der allgemeinen Meinung aus dem gangen Handel hervorgegangen ist.

Sie sehen, daß ich mich wirklich auf Ihre Einladung habe verführen lassen, recht durch einander zu schwatzen. Einen gewissen Muth bekommt man doch nun, wenn man nichts mehr zu verlieren hat. – Von der Bülow aus Stuttgard bekomme ich oft Nachricht, sie ist höchst unglücklich und meint, Louise sei es auch: ich maße mir nicht an, über Louise zu urtheilen, glaube aber allerdings nicht, daß Bülow der Mann ist, der höhere Opfer werth ist, und dessen Liebe ihr Kraft und Ruhe geben kann: es ist daher sehr möglich, daß sie Qualen erduldet, ohne selbst die Genugthuung zu haben zu wissen, wofür sie sie sich auferlegt hat. – Schnorr, den ich von Ihnen grüßen soll, habe ich erst einmal überhaupt gesehen und gesprochen: man findet ihn sehr gescheut und unterhaltend. Mich hat sein sächsischer Dialekt etwas gestört; auch vermisse ich einen gewissen künstlerischen Ausdruck in seiner Physionomie, den doch selbst Cornelius[66] bei aller Schärfe und Präcision der Züge hat.

Baudissins[67] sind etwas verbreiteter in geselligen Beziehungen wie am Anfange ihrer Ehe: der Gesellschaft kommt dies zu Gute, denn sie ist ein feines, geistiges Element in derselben und versteht auch mit ihrem Kapital zu wuchern, sich und Andere zu bereichern, und da Baudissin doch nicht die Welt ganz entbehren kann, so ist es doppelt gut, daß sie doch auch hierin ihm zu Hülfe kommt.

In diesen Tagen hatte ich ein wunderliches Manuscript zur Hand: es waren Originalbriefe (ihre eigene Handschrift) der Staël[68] an den Grafen ODonnel, mit welchem sie in Wien 1808 in einem Liebes Verhältniß gestanden hat. Gedenke ich nun an den schwerfälligen, langweiligen ODonnel zurück, den ich bei Ihnen öfters gesehen, und lese ich die ganz desultorischen, oft seichten Seelenzustände dieser Frau, in denen so viel Eitelkeit, geringfügiger Klatsch und ganz oberflächlicher, [26] weltlicher Sinn mit einer gewissen Gabe der apperception vermischt ist, so sinkt sie so gewaltig in meiner Meinung, daß auch von ihr kaum etwas übrig bleibt als der Anflug des ridiculs, was allen Schriftstellerinnen nur zu leicht anklebt. –

Theuerster Freund! Wenn ich wirklich annehmen dürfte, daß das, was ich so hinschreibe, Ihnen im geringsten einen kleinen Zeitvertreib gewährte – wie gern wollte ich jede Veranlassung dazu ergreifen. Doch was Sie schreiben vom lebendigen Wort, ist ja darum so wahr, weil es ein Pfund ist, was man auf alle Weise geltend machen kann: alles kommt ihm zu statten, die Leere und Langeweile eines müßigen Augenblicks, einer gedrückten Stimmung, kränklicher Mattigkeit und das harmonische sich fügen solcher Zustände und sie bemeistern helfen durch die Zerstreuung des Gesprächs, dies Alles kommt doch nie dem geschriebenen Wort zu Gute.

Die Bardeleben[69] ist mit Serre's nach Paris gereist. Ich bewundre den Jugendmuth solcher Naturen und freue mich, daß es solche giebt, denen nun all diese Anstalten, pfeilschnell durch die Welt zu ziehen, Vortheile bringen.

Noch muß ich erwähnen, daß Elise Sternberg[70] jetzt hier ist: sie ist sehr kränklich und braucht eine Kur hier. Ihre Anhänglichkeit an Dresden ist rührend: sie sieht besser aus wie sonst und ist ein liebes Mädchen; vom Vater giebt sie ein trauriges Bild.

Friesen kommt eben und sagt mir, daß er nach Berlin reist, und ich gebe ihm den Brief mit. Ich habe Rötschers Bekanntschaft gemacht und ihn in einer kleinen Gesellschaft ein paar Scenen lesen hören: abscheulich – er selbst aber ist ein lebendiger, munterer Mann und harmlos, wie es scheint. Nun leben Sie wohl, Theurer, Geliebter. Empfehlen Sie mich der Gräfin.

Mit innigster Liebe
Ihre
Ida Lüttichau.

Friesen geht erst in einigen Tagen: ich sende daher doch den Brief durch Rötscher. –

Ich habe eben des Königs Rede gelesen[71], mit Rührung theils und mit freudiger Zustimmung, dann wieder mit Entsetzen, mit Unbehagen. Es gemahnt mich, wie wenn einer auf einem hohen, hohen gebrechlichen Gerüste stünde in schöner Rittertracht, wie zum Tournier gerüstet, und man theils die Kühnheit und Grazie seiner Fechtkunst, seines aplombo[72] bewundert und theils doch das unersprießliche Wagniß rügen möchte. Ich gäbe viel darum, wenn ich die Wahrheit wüßte, was Sie davon denken. Der oft gemachte Vergleich mit Ludwig den 16ten und [27] Carl dem 1sten paßt gewiß nicht, denn nichts ist sich ähnlich auf der Welt, und hier erscheinen mir die disparate in Zeit, Völker und Individualitäten der Könige ganz handgreiflich, aber in dieser Rede kommt einem unwillkürlich der Ausdruck quitte à double – on ...[73] in den Sinn. Sein Stern wird den Ausschlag geben.


VII
Innigst geliebte Freundinn,

Mögen Sie von einem Verschollenen wieder einmal etwas vernehmen. – Leider wußte ich es im voraus, daß mit meinem Abschied aus Dresden auch mein Verhältniß zu Ihnen, Ihre Hülfe, Ihr Trost, Ihre Freundschaft und Liebe für mich vernichtet, abgestorben, wenigstens nur zu einer Erinnerung, ein(em) Traumbild sich schwächen und verschatten würde. Und so ist es denn nun auch geworden. O es ist nicht das Schlimmste, wenn man den liebsten Freund krank und in Gefahr weiß, diese Abtrennung, diese Entfernung ist wie ein Tod. So lese ich denn oft Ihre lieben Briefe als wie einer Verstorbenen. – Was soll ich klagen? Vielleicht können Sie sich die Einsamkeit nicht lebhaft vorstellen, in der ich lebe: Sie können sich vielleicht die trübselige Melankolie nicht denken, den Lebens-Ueberdruß, an dem ich fortwährend leide. Meine Schwermuth ist ununterbrochen. Wie schwebt mir Dorothe in allen Gestalten vor, von ihrer Kindheit bis zu ihrem Tode. Ich spreche zu Niemand von meinen Schmerzen. Denn dieses Leid, Sehnsucht und Wehmuth ist etwas Heiliges, Religiöses, Gott ist in ihm. Oft, des Nachts, träume ich von ihr: dann lebt sie, – ich wundre mich – klage sie an, daß sie gestorben sei und mir so viel Schmerz gemacht, dann sagt sie mit den lieblichsten Tönen: es sei ja nun gut, sie wolle es nicht wieder thun. – Wie erschrecke ich dann beim Erwachen!! – Ich fühle sie oft ganz nahe, ich bin von ihrer Nähe überzeugt – dann ist der Schmerz ein himmlisch geläuterter – kein Trost, keine Heiterkeit – ein unbeschreibliches, überirdisches Gefühl - man muß so etwas erlebt haben. – Und nun die himmlische Henriette[74]! Himmlisch, ja wohl! Wo findet sich noch eine solche Liebe! In meinen Thränen, in der Sehnsucht und Angst empfinde ich auch oft ihre Nähe, ganz nahe, ein seeliger, überirdischer Anhauch, eine Gewißheit, ein Anrühren – wer kann darüber Worte finden? – Unter vielen Thränen gestehe, bekenne ich nur Ihnen diese meine Gefühle und Schmerzen: Sie werden mich vielleicht mehr verstehn als irgend wer, denn Sie haben auch viel verlohren, viele Schmerzen erlitten, und leben immer noch, kräftig, geistig, in sich gesammelt, und im Bewußtsein, dem vollen Gefühl Ihres Geistes, des unsterblichen!

[28] Es drängt mich schon seit lange, Ihnen wieder einmal zu schreiben. Diese schwarzen Striche und Linien – was sind sie gegen einen einzigen Blick eines Auges ohne Worte: – ja, gedenke ich der Freude, wenn Sie so plözlich zu uns hereintraten – diese klaren, freundlichen, himmlisch erklärenden sanften blauen Augen – wenn ich jezt nur in Einem Monath, ohne Sprache, den Trost dieser Blicke empfinden könnte! Nein, Sie wissen es nicht, was Sie mir waren, wie sehr ich Sie geliebt habe, wie innig, wie unentbehrlich Sie zu meinem Wesen gehörten – darum auch jener tiefe, unbeschreibliche Schmerz, als wir uns einmal gänzlich mißverstanden.

Ich wußte es wohl, daß Sie nicht kommen würden. Zu wem könnte ich sprechen, wie zu Ihnen? Das Geheimniß der Freundschaft und Liebe ist ein ewig unergründliches. Was könnten kluge, wahrhaft gebildete Menschen im Umgange, in der Gesellschaft sich gegenseitig sein, wie sich in einander hineinleben, und aus jedem wieder ein höhres Leben für sich gewinnen. Das müßte schon ein Himmelreich auf Erden sein! – statt dessen!! – – Wie mit Ihnen habe ich mit keinem Menschen sonst sprechen können, wie wurde Alles in mir klarer, fester! Auch Sie verstanden mich wohl, wie nicht leicht ein andrer Mensch. Kurz, wir hätten (so schien es bestimmt) immer für und mit einander leben sollen, – und nun – sind wir uns beiden gestorben.

Agnes war wieder 14 Tage bei mir. Bülow auch. Ich kann den Menschen wenig sein. Ich habe nur Ein Gefühl, und das verschließe ich in mir. – Darum bin ich nicht mittheilend, ihr Gespräch erregt mir kein Interesse – und vollends die verfluchte Politik! Daß ich im Alter dies Alles noch erleben mußte!

Was schwatze ich Ihnen da alles, und immer von mir! Aber kann man denn Eigentlich was anders sprechen als aus sich, von sich? – Jedes Urtheil über ein Buch, einen Menschen, ein Einfall, selbst Spaß, ist ja auch nur die Mittheilung eines Erlebten, sonst ist es ja nur todt, leere Phrase.

Sie sollen wieder krank sein, und auch bedenklich [75] – unser beider Bewußtsein ist uns doch hauptsächlich in Krankheiten gekommen. Giebt es eine geistige Entwicklung, ein Reifwerden der Seele, so muß ich meinen Krankheiten und vielfachen Schmerzen sehr dankbar sein, sie sind dann ein Gefühl der Liebe und mit dieser meine besten Erzieher gewesen.

Noch nie ist mir das äußere Leben, die Begebenheiten in der Welt, alle Zustände so uninteressant gewesen, wie in dieser Zeit. Ich kann es nicht aussprechen, wie abgeschmackt mir alles vorkommt. Ich mag gar nicht hinhören, wenn davon die Rede ist. Höchstens, und das nur selten, bin ich zornig.

Jezt können die Philister ihr höchstes Bundesfest feiern; denn eine solche Engherzigkeit, nüchterne Altklugheit und Allwissenheit ist wohl noch niemals dagewesen. [29] gewesen. Demuth, Stolz, Erhebung, Glauben an Göttliches ist völlig verschwunden: Poesie ist, wenn man sich besinnt, nothwendig zum Lachen.

Raumer[76] ist nun in Frankfurt, und ich hoffe mit Nutzen. Wenn nur nicht die Vernunft überall erst wieder entdeckt werden muß. Beim hohen Alter muß man sich hüthen, nicht in eine unbedingte Menschen-Verachtung zu verfallen. Ich fürchte, Alles, auch das wenige Gute, das wir noch besaßen, wird völlig zu Grunde gehn. Ich habe keine Hofnung, keinen Trost in Aussicht. In der Nacht, als die Barrikaden dicht neben mir spielten[77] und feuerten, hatte ich das erhebende Gefühl, daß sie, Henriette, das nicht mehr erlebt hatte. Ich war auf alles gefaßt, und schlief natürlich in dieser Nacht nicht.

Wie gern wäre ich wieder einmal nach Dresden gekommen. Wenn mir nur nicht dort so viele Befreundete lebten. Ich würde vor diesen nicht zur Besinnung kommen und am wenigsten die wenigen Menschen sehn können, die ich am liebsten sehn möchte. – Ich werde Ihnen nächstens 2 Th(eile) von meinen kritischen Arbeiten[78] senden, die ich jezt gesammelt habe. Sie werden einiges Unbekannte aus meiner Jugend darunter finden, und sich wohl mit freundlicher Güte diese Versuche gefallen lassen, weil sie von mir herrühren. Ich werde auch das dritte Bändchen der dramaturgischen Blätter herausgeben, und einen dritten Theil von Shaks(pear's) Vorschule bekannt machen.

Ich habe oft das Gefühl, mir würde wohler sein, wenn ich ganz ernsthaft, bettlägrig erkrankte. Denn dies traurige Uebelbefinden, diese zunehmende Schwäche, diese unbesiegbare Melankolie, dieser Ueberdruß am Leben, mehr als lebenssatt (wie in der Bibel steht) ist gar zu traurig, erschöpft die lezten Kräfte, und ich werde unfähig, das an mir selbst zu genießen, was etwa noch der Rede werth sein möchte.

Wenn ich so bei Hofe bin, und sehe, wie eine leere Etikette den Herrschaften und uns Nicht-Herrschaften so viele Stunden wegnimmt, so denke ich oft, unser ganzes jetziges Leben ist eine solche Etiketten-Anstalt, wo unsre Geduld geübt wird, und wir in Langeweile und Nichtsthun, bloß im Warten, uns endlich den Anblick des Höchsten, des Herrn, verdienen müssen, auf die Gefahr noch, daß uns kein freundliches Wort zugeworfen wird.

Alles, was wir denken, fühlen, sehn, erleben, ist bedingt, ist vorübergehende Täuschung – unser Geist, oder Seele, wir selbst, können uns keinen andern Zustand denken und vorbilden, in alle Ewigkeiten hinein, – alles muß wieder von Bedingungen abhangen, die mögliche Existenz, dies ewige Räthsel, muß uns wieder mit dem umgeben, was wir Täuschung nennen müssen, und die unbedingte Wahrheit, die so viele suchen, ist wohl der allergrößte Unsinn. – Wörtlich möchte ich darüber mit Ihnen sprechen – die armselige Tinte! Aber auch das Wort genügt [30] nicht.– Unglaube – Fanatismus - in diesen beiden Widersprüchen und Tollheiten theilt sich die Welt.– Könnte man sich die Gottbegeistrung, die man doch einmal erlebt hat, nur immer gegenwärtig erhalten; da aber nichts in uns fest steht, und nicht kann, entschwindet uns auch das Göttlichste immer wieder, – und wird auch Täuschung.

Grüßen Sie Herrn) v(on) Lüttichau, die Solgers, Baudissins, Hübners, Bendemanns, etc.! etc.!

Leben Sie wohl, werden Sie gesund, wenn Sie krank sind, und antworten Sie in einigen Zeilen, wenn es Ihnen möglich ist.

Ich verliehre mich in dem süßen Andenken Ihrer: ich würde wieder jung, wenn ich Sie noch einmal sehn, umarmen könnte.

Ich empfehle Sie, übergebe Sie allen himmlischen Mächten.

Mit alter Treue und Liebe
Potsdam, den 16t. Ihr ganz eigner, ergebner,
Julius 1848. L. Tieck.


VIII
Geliebteste, theuerste Freundinn,

Der Ihnen dieses Blatt überbringt ist der Hofrath Teichmann[79], ein sehr wackrer Mann, der mir mit der edelsten Treue ganz ergeben ist: Sie werden ihn deswegen wohl freundlich aufnehmen, und ihm Ihr Vertrauen schenken.

Wie einsam ich mich fühle, kann ich Ihnen nicht ausdrücken. Was sind mir jezt noch die hiesigen Menschen? Alles hatte nur Bedeutung und Beziehung durch Henriette, das geliebteste, treuste, liebevollste und liebenswürdigste Wesen. Sie glauben nicht, welche Trauer, welchen Jammer das Alter mit sich führt. Von jener oft gepriesenen Weisheit, von jener sichern Ruhe und Leidenschaftslosigkeit habe ich noch nichts erfahren. Kann wohl sein, daß mein ganzes Leben Enthusiasmus, Begeistrung, Liebe war, selbst im Schmerz, und daß meine Natur sich nur in Leidenschaft verstehn kann. Ich mache die traurige Erfahrung, daß in der Gleichgültigkeit meines Alters, auch Glaube an Gott und Unsterblichkeit, Entzücken an Natur, Kunst und Poesie, alles seine Innigkeit verliehrt, seine Wirklichkeit, daß alles in manchen Stunden zum Schatten hinab sinkt. Ich habe wohl niemals gedacht, sondern immer nur empfunden, u(nd) alle meine Gedanken waren zugleich immer Gefühl, nur in diesem konnte ich denken, ich erlebte [31] Alles, ganz, innigst – und dazu fehlt mir jezt die Kraft. Trauer, Melankolie hat mir Alles verdüstert. So bin ich selbst zum Schattenbild geworden, zu einer Einbildung, mein Leben ist nur noch Gewohnheit, ohne reelle Wahrheit.

Daß Sie nicht öfter hergekommen sind! Zu Zeiten hier gewohnt haben, wie Sie doch überzeugt waren, daß es sich öfter so fügen würde. Das könnte mich neu beleben. Denn wie ich auch alle meine Freunde durchgehe, fühle ich innigst, daß ich zu Ihnen die meiste Liebe, das größte Vertrauen habe. Ihr edler, kräftiger Geist könnte den meinen wieder erwecken. Ihr blizähnliches Erscheinen und eben so schnelles Verschwinden genügt aber nicht: ich muß immer erst zur Besinnung kommen, eine Art Gewohnheit muß für mich erst eintreten, ehe es mir ein Genuß wird. Eine Art von Jugend könnte mir dann zurück kommen. Ach welche Träume und wie viele muß man im Leben und mit dem Leben aufgeben.

O Liebste, daß Ihr edler Geist, Ihre Phantasie sich auch mit dem Schandwesen der sogenannten Politik hat befassen müssen[80]! Es drängt sich uns so nahe, so ungestüm und frech auf, daß wir die Niedertracht nicht ganz zurückweisen oder völlig ignoriren können – aber, Liebste, ziehn Sie Ihr Gemüth, Ihre Seele u(nd) Gedanken so viel als möglich von diesem Unwesen u(nd) Frevel unsrer unglücklichen Zeit zurück. Jedes Interesse, jede Beschäftigung ist edler. Mir thut es weh, ein Deutscher, ich schäme mich, ein Berliner zu sein. Welche Zeiten haben wir erlebt! Das ist nun der Schluß meines Daseins.

Ihre lieben Briefe sind mir ein rechter Trost: Sein Sie nicht unwillig u(nd) mißverstehn den Einfall nicht, manches vielleicht bekannt zu machen. Erstens, ist es noch im weiten Felde: zweitens – würde ich Sie nicht nennen, nur das literarische, Urtheile über Bücher, über die meinigen u(nd) d(er)gl(eichen). Nicht im mindesten sollten Sie kompromittirt werden, kein Mensch würde erfahren, daß diese Stellen von Ihnen herrührten, aber ein Trost könnte es mir sein, von einem so hohen Geiste sich so beurtheilt zu sehn, u(nd) diese Gedanken andern edlen Menschen zu gönnen. Um Gotteswillen lassen Sie aber Ihre Briefe nun nicht ängstlich werden, denn wenn Sie es nicht wollen, soll kein Wort bekannt gemacht werden.

Ich nährte auch schon den Wunsch, daß die bessern meiner Briefe (so wenige ich geschrieben habe) mir in Abschrift zukommen möchten, oder im Original, die ich Ihnen dann wieder zurück schickte.

Sie sind wieder krank gewesen, u(nd) gefährlich[81], auch Ihr lieber Sohn[82]. O wie viele Leiden u(nd) Schmerzen in dieser Sterblichkeit!

Meinen Gruß dem H(errn) v(on) Lüttichau. Was ich für das dortige Theater mit vieler Mühe errungen hatte, ist nun wahrscheinlich schon ganz verschwunden.

Berlin den 9t. Sptbr. 49. L. Tieck.

[32]

VIIIa[83]
Pillnitz (September 1849).
Theurer, verehrter Freund!

Ich schreibe heute an Sie, weil ich eine Veranlassung dazu habe: sollte man einer solchen bedürfen? Und doch ist es so. Das Leben ist so ungeheuer tragisch und tiefsinnig, daß das der Grund alles Schweigens ist. Wenn ich an Sie denke, preßt es mir das Herz zusammen vor Wehmuth, und was soll ich Ihnen dann sagen? Sie selbst denke ich mir so lebensmüde, von Krankheit gebeugt: ich ebenfalls immerwährend kämpfend mit Leiden aller Art, die mir nur so viel Kraft eben übrig lassen, um nicht zu unterliegen. Wir haben beide so viel erlebt und gedacht, und es dreht sich alles um einen Kreis herum: man steht im Mittelpunkt und schweigt. Und so bedarf es denn äußerer Anlässe, um einen zu bewegen, denn diese haben ihren Fortgang und nehmen uns so mit fort. –

Ich wollte Ihnen also von der Bülow schreiben: diese geht den 1sten October nach Berlin[84] und bringt den Winter dort zu. Sie hofft auf Sie, freut sich so, Sie mitunter zu sehen, und fürchtet doch, daß Sie gegen sie eingenommen sind. Es ist ihr aus dritter Hand zugekommen, daß Sie ihren Entschluß, ihren Sohn zu begleiten, tadeln, und so habe ich versprochen, ihn gegen Sie zu motiviren. Das thue ich nun aber nicht; denn ich kenne viel zu sehr Ihre großartige Weise die Dinge anzusehen, um mich auf all diese Klein-Krämereien einzulassen. Genug, ihr Schicksal führt nun einmal wieder die unglückliche Frau dorthin: vielleicht erwächst ihr durch Sie einiges Heil. Sie werden sie weit entwickelter und selbstständiger finden wie sonst. Mir ist ihr Umgang immer viel werth. Seit Dorothee[85] habe ich nie eine Frau wieder gefunden, die in meiner Sphäre lebt: nur will ich die Bülow nicht mit diesem in seiner Art einzigen Wesen vergleichen: allein ihre feine, geistige Richtung unterscheidet sie doch von allen gewöhnlichen andern Frauen und macht, daß sie mir werther ist und mir näher steht, wie die meisten. Ich bin überzeugt, daß Sie sich ihr nicht entziehen werden, und somit habe ich mein Versprechen gelöst. –

Waagen[86] war hier in Pillnitz und wollte mich besuchen: ich lag aber gerade an einem starken Gicht-Anfall seit drei Tagen zu Bett und habe ihn daher nicht gesehen. Ich versäume durch Kränklichkeit oft so viel.

den 16ten (Sept. 1849).

Dieser Brief lag angefangen da, als mir Teichmann heute den Ihrigen bringt. Auch durch meinen Mann hatte ich mündlich ausführlich Nachricht von Ihnen. Ihr Brief, wie schön, aber wie trostlos! Zum Glück hatte mir Teichmann doch [33] noch manches ausführlicher von Ihnen mitgetheilt, was Ihre Frische und zeitweise Heiterkeit doch andeutete. Wohl begreife ich aber, daß Ihnen so zu Muthe sein muß, wie Sie sich äußern. Mit poetischer Gewalt, mit aller Macht Ihres Geistes schildern Sie Ihren Zustand: es hat mich fürchterlich ergriffen. Wenn Alles Schatten wird, keine Wesenheit ist, dann freilich hört auch jede Wahrheit auf. Ich kenne diese Stimmungen zu gut, um sie mir nicht eben durch den Verlauf des Lebens auf's höchste gesteigert denken zu können. Das Talent des Schilderns mindestens bleibt Ihnen getreu: Sie malen mit aller Jugendlichkeit des Ausdrucks, wie er Ihnen nur im Lowell[87] zu Gebot stand. Es giebt eben keine Solution für solche Fragen. La vie est faite ainsi[88]; dieser französische Ausdruck, der eben das Ding nicht vornehm einkleidet, sondern das Leben als ein rohes Machwerk bezeichnet, hat mir immer gut gefallen.

Die Politik habe ich nun ganz überwunden[89]. Sie schelten, Theuerster, daß ich sie mir zu Herzen genommen: aber eben so wie es unmöglich ist, bei Schlachtbanken zu wohnen und nicht täglich widerwärtig von dem Geruch berührt zu werden, so war es ja unmöglich, nicht magnetisch affizirt zu werden von allem Elend, allem Frevel, allem Blut, was die Erde in diesen anderthalb Jahren gedüngt hat. Es hat mir einen ungeheuern Eindruck gemacht, die Menschheit en gros sowohl moralisch als physisch so zerquetscht zu sehen und dabei zu fühlen: Gott bleibt neutral. Die Geschichte, sie ist weder die Nemesis, noch die Gerechtigkeit, sie ist der bloße Reflex dieser Wandlungen: es giebt keinen Chor der Alten, was reflektirend, abwägend, abklärend nur Recht von Unrecht sondert, und somit wenigstens ideell eine Beruhigung, eine poetische Gerechtigkeit eintreten läßt. Daß ein ganzes Volk sich so in sich selbst irren kann, bricht gleichsam mein Denk- und Gefühls-Vermögen: daß es in der Geschichte wie im Individuum Scheinbilder geben kann, woran Generationen zugrunde gehen ohne innere Rechtfertigung, ohne Naturnothwendigkeit, ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie sehr mich das erniedrigt, demüthigt. Wenn Sie, der individuellste deutsche Geist, es bekennen, daß Sie sich schämen, ein Deutscher zu sein, o Gott, welche Schmach liegt in diesem einen Wort! Und für diese sollte man unempfindlich sein? Ich habe es nun ganz überwunden: ich denke nicht mehr daran, sinne nicht mehr darüber, kurz, ich bin völlig damit fertig, es berührt mich nicht mehr. Es ist aber eine ungeheure Erfahrung, und in gewissem Sinne kann ich sie nicht anders als vernichtend finden. Man lernt alles so gering achten und wird im Verhältnis selbst so klein dabei, daß der Maßstab für die Dinge dieser Welt ein erniedrigender ist. Nun leben Sie wohl für heute, theurer, verehrter Freund; in zehn Tagen kommt Teichmann wieder hier durch: da will ich ihm einen Brief für Sie mitgeben. Nochmals Dank für den Ihrigen. Wie rührend gut schreiben Sie mir: [34] es hat mich tief bewegt. Könnte ich noch wie vormals etwas für Sie sein, Ihnen leben helfen, Sie hätten Recht, meiner Energie zu vertrauen. Und doch weiß ich nicht, ob nicht auch ich der Schatten meiner selbst nur noch bin: man verschwindet sich selber so unter der Hand. Ich schicke Ihnen vielleicht meinen Sohn, der durch Berlin durchreisen wird: er ist schön, blühend, zart wie eine Sensitive, ein steter Gegenstand der Sorge und Unruhe. Leider sind Sie wohl sicher davor, mich im Fluge durchreisen zu sehen. Das kann ich eben alles gar nicht mehr: nur die äußerste Schonung und Ruhe erhält mich am Leben. –

Ist es wahr, daß Sie meinem Mann versprochen haben, nächsten Sommer auf längere Zeit zu uns zu kommen?

Ueber alle anderen Gegenstände Ihres Briefes schreibe ich das Nächstemal. Der Ton, in welchem Sie mir schreiben, ist so erhebend, so großartig, von einer Höhe herab, wo alles Kleinliche, Persönliche so ganz verschwindet. Dies zu fühlen, darin liegt doch wieder ein hoher poetischer Genuß. Mit Tränen danke ich Ihnen.

Adieu
Ihre
Ida Lüttichau.


VIII b[90]
(Aus einem Briefe an Tieck vom 26. [?] September 1849.)

Daß eben Sie, der Sie wie Sie sagen immer nur in Leidenschaft gedacht und alles erlebt haben, sich in dieser Verdunkelung eines Daseins, das nicht mehr durchleuchtet wird durch die Glut jenes liebendsten Wesens, völlig schattenhaft und gespenstisch vorkommen müssen, ist nur die Consequenz Ihres innersten Lebens; auch ist diese Thatsache und Wahrheit durch keine frühere Wahrheit zu bestreiten. Nur erscheint mir solches Dasein nicht eben darum wesenloser, sondern symbolischer, und wenn ich auch vollkommen verstehe, wie es gemeint ist, wenn Sie sagen, das höhere Alter bringe weder jene oft gepriesene Weisheit noch jene sichere Ruhe mit sich, die wir uns auf solcher Höhe träumen, so ist doch nicht zu leugnen, es weht von dort eine vergeistigte Luft uns an, und je mehr die eigentliche Existenz Boden verliert, um so mystischer, geheimnißvoller, wird die Erscheinung: es ist dies der heilige Hain, in den sich Oedipus verliert und sich und andern gleichsam entschwindet und metamorphosirt. Je einfacher, schweigender, demüthiger diese Transsubstantion, je poetischer erscheint sie mir, und diese poetische Weihe durfte Ihnen nicht fehlen, wenn sie auch durch einen ungeheuern Schmerz erkauft ist. Uebrigens ist jeder Trost nur ein Schein, wo der Jammer eine Realität ist, und [35] wir spielen mit allen diesen Worten wie mit Hieroglyphen: daß wir aber einen Begriff hinter ihnen ahnen, berechtigt uns gewissermaßen hierzu, ja daß selbst die Begeisterung, die wir als eine Art Emanation unserer Seele fühlen, sich nach innen kehren kann, und uns dadurch weniger fühlbar werden als Kraft, hebt doch die Wirkung des durch sie Erworbenen nicht auf: aber eben all dieses Erworbene wirkt dann nicht mehr als Sichtbares, sondern zieht sich in ein Geheimnißvollstes zusammen, andern und uns als letztes und höchstes Räthsel unsers Lebens.

Es ist vielleicht anmaßend, sich auch selbst so über diese Gegenstände auszulassen, allein Sie kennen meine Weise, etwas, das so als dunkles Gefühl in mir aufsteigt, hinzuwerfen, unbekümmert darum, ob diese Vorstellung ein Gedanke ist oder nicht, und die ganze Frage an sich ist eine für uns zu wichtige, als daß man nicht den Offenbarungen seines Innern eine Ueberzeugung hierin abzulauschen versuchen würde.


IX
Berlin d. 12ten Mai 1852.
Geliebte Freundin!

Ich eile Ihnen zu melden, daß ich durch Eduard Devrient schon vor mehrern Tagen den Macbeth erhalten habe auf eine ganz kurze Anforderung. Aengstigen Sie sich also über diesen Umstand nicht weiter. Ich lasse jetzt das Dresdner Exemplar abschreiben[91] und schicke es dann zurück, wie ich schon einmal gethan habe. Ihr Brief war mir wieder sehr lehrreich; nur da ich die schlimmsten Entwickelungen in meiner frühesten Jugend erfahren habe, ist mein Gefühl über den Tod, Vernichtung und dergleichen ein ganz anderes geworden. Mein Leben war immer eine verzweifelnde Resignation, was auch wohl mit meinem Temperament des Jähzornes zusammenhängt. Ein verzweifelnder Ueberdruß am Dasein und ein fast muthwilliges Hineinstürzen in die sogenannte Vernichtung. Die arme Bardeleben, – der unglückliche Loebell[92]! Jawohl ist das Elend der Menschheit groß und erdrückend. Ich habe wohl nur wenige Menschen so mit allen Elementen meines Daseins tief und gründlich verachtet, als diesen Louis Napoleon[93]. Wenn mir schon Bonaparte als ein Nichtswürdiger erschien, wie nun vollends dieser elende Pfifficus, und der den größten Theil seiner verächtlichen Nation, ohne das Mindeste gethan zu haben, an Zwirnsfäden hält.

Für heute nehme ich Abschied und nenne mich

Ihren
treuesten Freund L. Tieck.

[36]

(Frühsommer 1852.)
Geliebte Freundin!

Ich habe mit großem Vergnügen gehört, daß es Ihnen wieder besser geht. H(err) v(on) Lüttichau hat mir die Freude gemacht, mich mit Ihrem riesenhaften Sohn zu besuchen, der dem großen Vater schon über den Kopf gewachsen ist. Warum müssen Sie nur vom Schicksale ausersehen sein, so oft und so schmerzlich zu leiden! Dabei fällt mir ein, daß bei einem Todesfall in der Finkenstein'schen Familie in Gegenwart des einfältigen Carl Burgsdorff[95] ein Durchreisender, um seine Theilnahme zu bezeigen, ausrief: warum ist denn nicht lieber der Herr Charles von Burgsdorff gestorben! welches dieser sehr empfindlich aufnahm und ausrief: „gehorsamer Diener für Ihre gütige Theilnahme: Sie hätten ja ebenfalls abscheiden können, und kein Mensch würde Sie vermißt haben; ich wenigstens nicht“ – setzte er hinzu, und wendete dem Reisenden den Rücken. Er hatte insofern Recht, daß jeder sich selber der Nächste ist. Ich habe H(errn) v(on) Lüttichau ersucht, mir das Exemplar vom Macbeth noch einmal anzuvertrauen, weil ich aus dem Exemplar meine Anmerkungen über das Gedicht abschreiben wollte. H(err) v(on) Lüttichau hat mir Hoffnung gemacht, daß Sie vielleicht in diesem Sommer nach Berlin reisen könnten. Ist denn dazu eine mögliche Aussicht? Von meinem Befinden kann ich nichts Neues melden. Ich stümpere auch nur so hin und führe eigentlich nach dem neuesten Begriff ein constitutionelles Leben: lauter Aenderungen, neue Gesetze und keinen Inhalt. Doch leben die meisten Menschen Zeitlebens so, ohne es sich anders zu wünschen; der Bedarf des Lebens ist bei den Meisten ein nüchterner Traum. Die arme Bardeleben ist ja nun zurück gereist; sie sah sehr leidend und elend aus und hoffentlich wird sie sich im Sommer bessern. Wenn ich nur erst etwas arbeiten könnte. Wenn ich im Bette liege, habe ich viele Pläne und auch Mut; so wie ich aber aufstehe, ist alles verschwunden; ombre chinoise[96]! Ich komme darauf zurück, daß ich mich glücklich fühle, daß es Ihnen besser ergeht. Der Himmel gebe sein Gedeihen! Von Agnes aus Schlesien habe ich gute Nachrichten; wenn ich mich nur nicht so einsam fühlte! obgleich mich einige Freunde viel besuchen, und ich mit denen auch schwatzen und scherzen kann. Von Jugend auf habe ich es nicht vermocht, viel über mich selbst zu klagen; ich war mir immer in dieser Rücksicht wie eine dritte fremde Person. Ich habe mich sehr gefreut, Ihren Sohn als kecken Ritter und überwachsene Riesengestalt wieder zu sehen. Ich habe mich von je den jüngern Gefährten gerne angeschlossen, ob ich gleich immer das Glück hatte, von alten Herrn und Greisen geliebt zu werden und vertraut [37] mit ihnen zu sein. Doch jetzt tritt eben meine Schwäche und die Empfindlichkeit meiner Nerven wieder ein; Sie verzeihen es mir daher gewiß, wenn ich hier abbreche und mich nur noch nenne

Ihren
getreuesten Freund
L. Tieck.


XI
Berlin d. 10. November 1852.
Geliebte Freundin!

Lange habe ich nichts von Ihnen gehört und ich habe auch seit Wochen nicht geschrieben. Ich hoffe, daß Sie jetzt ganz gesund sind, muß aber leider billigen, daß Sie nicht mit nach Berlin kamen, da das Wetter schon unangenehm geworden, und Sie durch Reisen immer krank werden. Ihren lieben freundlichen Mann habe ich gesehen und gesprochen, und Ihr Sohn wird doch hoffentlich nicht zu einem Riesen hinauswachsen. Ich denke, er wird mich manchmal in seinen Mußestunden besuchen, wo ich ihn dann näher werde kennen lernen. Wie steht es sonst in Dresden und in Ihrer nächsten Umgebung? Wie muß ich es schmerzlich beklagen, daß ich Sie und Ihr liebes Auge seit so unendlich langer Zeit nicht habe sehen können. Erinnern Sie sich wohl noch jener Tage, als Sie mir mit einer schönen Begeisterung die Briefe des alten Magisters im Tischlermeister priesen, und sich so ganz in das Verständniß dieser sonderbaren Acten hineinfanden? Wohin ist die Zeit meiner Arbeitsfähigkeit entschwunden! Der kleinste Versuch, mich anzustrengen, nimmt mir jetzt immer alle Kräfte, sogar das Diktiren wird mir schwer, und es (ist) immer noch keine Aussicht zur Besserung da. Die meiste Zeit bringe ich immer noch im Bette zu; meine Beine sind zum Gehen völlig unbrauchbar, und ich kann keinen Schritt ohne einen Führer thun. Sehen Sie Carus noch so viel, wie sonst? und wenn es ist, bitte ich, ihm meine Grüße zu sagen. Pabst[97] hat mich einmal besucht, und H(err) v(on) Lüttichau spricht nicht gut von ihm, und freut sich, daß er ihn losgeworden. Ich kann es nach Pabst(s) Erzählung nicht recht begreifen. – Wie geht es Ihrer Tochter? ist sie in ihrem Ehestande noch zufrieden? Die Sachen in Sachsen sehen sehr confuse aus[98]. Hoffentlich wird sich alles noch besser stellen, als ich in meinen trüben Stunden vermuthe. Eigentlich ist es nirgend erfreulich, wohin man die Blicke wendet; alles geht einer allgemeinen Auflösung entgegen, und es ist keine unglaubliche Prophezeihung, wenn man einen nahen 30jährigen Krieg fürchtet. So weit hat es die übertriebene [38] Reaction und der Ultramontanismus gebracht! Staatsmänner könnte man jetzt für Geldprämien in ganz Europa aufsuchen lassen. Hessen[99] und Dänemark[100] geben furchtbare Beispiele für Inhumanität und Tirannei; doch genug der finstern Aussichten, – vielleicht Folge meiner lästigen Krankheit! – Aber wie gern spricht man zu einem vertrauten Herzen und freut sich, wenn die Welt nachher dennoch anders geht und vielleicht Wunder von einer unverhofften Seite auftreten. Dieses Grübeln gesellt sich zu den Räthseln der Natur und des Lebens und der sogenannten Ewigkeit. Eigentlich ist der Gedanke an das Schicksal und diese gemißbrauchte Vorsehung zum verzweifeln! Denn da wenigstens tausend Unglückliche einen Glücklichen aufwiegen, da Tod und unbekannte, künftige Leiden oder dumpfes Nichtsein Folge dieses jetzigen Lebens ist, da jene Allmacht auf keine Weise zu begreifen und dem Vernünftigen auf alle hohe Fragen nur ein nüchternes „Nein!“ geantwortet wird, – so ist meine Lage darin eine glückliche zu nennen, weil das ganze Puppenspiel nun bald zu Ende sein muß. Man kann weder von dem Woher noch dem Wohin etwas Bestimmtes aussagen; und so sehen Sie denn, liebste Freundin! wie ich mit dem zunehmenden Alter immer mehr ein Zweifler geworden bin. Doch ist Zweifeln eben so thöricht als Wissen! glücklich, wer glauben kann! wenn ihn nicht eine verdächtige Hand zu weit und tief in Labyrinthe hineinführt. Wenn Sie gestimmt sind, erfreuen Sie mich bald mit einem Ihrer lieben, für mich unsterblichen Briefe; ich hebe auch die allerkleinsten mit großer Sorgfalt auf. Denn jedes Ihrer Worte ist ein klares, überzeugendes, und wenigstens lernt man aus jedem Ihrer Blätter, und diese Wollust des Lernens hat mir ein gütiges Schicksal immer noch vergönnt. Wenn unser Geist fortdauert, hat er freilich noch viele Zeit und Gelegenheit, sich zu unterrichten, und vielleicht ist uns dann ein neuer Instinkt geworden, das Ewige und den Höchsten, Unbegreiflichen zu fassen und zu verstehen. – Doch genug meines Fafelns! Der Himmel erhalte Sie froh und gesund und mir bleibe Ihr liebendes Andenken und Wohlwollen. Immerdar

Ihr
ergebenster
L. Tieck.


Verehrte, liebevolle, herrliche Freundin!

Ich schreibe Ihnen etwas später, weil ich immer gestört war durch kleine Geschäfte oder übergroße Mattigkeit. Denn mein Zustand ist immer noch derselbe [39] und wird auch wohl bis zu meinem Ende derselbe bleiben. Wenn ich im Bette liege, ist mir leidlich wohl; bin ich aber aufgestanden, so ist mein Zustand ein wahrhaft trostloser. Die kleinste Durchsicht von Papieren erschöpft mich dann bis zur Ohnmacht, und ich frage mich immerdar, wozu es führen kann, daß ein solcher Zustand so lange anhält. Doch, schweigen wir von diesen Jämmerlichkeiten! Daß Sie so oft an bedenklicher Krankheit leiden, betrübt mich unendlich, und wenn ich den vielfachen Wirrwarr des Lebens ansehe, mir die Millionen von Unglücklichen und Elenden vorstelle, dann wird alles Vertrauen auf Schicksal, Vorsehung und jene unendliche Liebe, von denen die Frommen immer wahrsagen, verdächtig und zweifelhaft. So wie die Naturforschung gedeiht und sich immer mehr entwickelt, wie Maschinen und Fabriken sich immer mehr ausbilden, Telegraphen bis zum Mährchenhaften überhand nehmen, Feste und Lustbarkeiten, Gesang und Virtuosität sich immer mehr ausbreiten, so wächst gegenüber Barbarei, Armuth, nothwendige und doch überflüssige oder unzulängliche Armenvereine, so entstehen für den Staat unendliche Ausgaben (sic!) und unzulängliche, sich widersprechende Ausgaben und Bedürfnisse, so daß ich mich in meiner kranken Einsamkeit oft fragen muß, wohin denn alle diese Uebelstände, diese Noth, Unvernunft, Verschwendung und Geiz künftig einmal führen soll. Es wird für Europa ein so trostloser Zustand eintreten, wie er in Asien war und die gesegneten Länder dort verwüstete und Menschen arm machte. Das ist, werden Sie sagen, eine schwarze Ansicht unserer künftigen Geschichte. Sie können aber daraus meine Seelenstimmung beurtheilen und sehen vielleicht alles anders an. Da meine Geschwister nun schon längst gestorben sind, fehlt es mir an mitempfindender Freundschaft; und von meiner Familie muß ich klagen, daß ich mich ihnen auch nicht vertrauen konnte. Denn mein Bruder[102] brach ein jedes Gespräch, in welchem ich mich ihm erklären wollte, auf eine wahrhaft grausame Art ab, und zur Schwester hatte ich schon längst alles Vertrauen verloren, denn ich glaube nicht, daß sich irgend ein Mensch so undankbar gegen mich betragen hat. Ich war zuletzt so mit ihr gespannt, daß ich ihr nichts sagen mochte und sie mir noch weniger etwas von ihren Lebensumständen erklärte und entdeckte. Sie sehen, Geliebte! wie viel Elend, Schmerz, Trauer und Gram ich in meinem langen Leben durchgekämpft und verschwiegen habe. Freilich fand ich in einer Freundin, wie Henriette war, vielen und erfreulichen Ersatz; aber nun ich diese und meine Tochter Dorothea auch verloren habe, quält mich die herbeste Einsamkeit um so mehr, und ich hoffe, Sie nehmen diese herzlichsten Eröffnungen gütig und freundlich auf.

Ich erscheine den allermeisten Menschen als ein froher und selbst glücklicher Mann, und meine wahre Trostlosigkeit besteht darin, daß ich mich keinem Menschen recht offenherzig habe entdecken können. Sie sind, so wie Henriette, eine der [40] wenigen Menschen, die mich verstehen, und darum kann ich Ihnen mein Herz ausschütten und Sie werden alles als liebevolle Freundin und Menschenfreundin aufnehmen. Ich bin in diese trübsinnigen Bekenntnisse gerathen aus schmerzlichem Bedürfniß und nun wollen wir abbrechen, so viel ich auch noch zu sagen hätte. Wie wenige Menschen haben mich in meinem langen Leben verstanden, und doch hatte ich mehr innige Freunde, wie die meisten Lebenden. Wackenroder[103], Hardenberg, Solger; denn die Schlegel[104] kann und mag ich nicht zu diesen rechnen. Ihr freundliches Gemüth, und einigen Ersatz konnte mir die Reinbold[105] geben, die nun freilich auch längst verschieden ist. Sie werden an diesem schwermüthigen Briefe vielleicht doch einigen Anstoß nehmen, und ich möchte in Ihr treues Auge sehen können, mit welchen Empfindungen Sie diese Geständnisse aufnehmen. Wer ist der Regierer dieser Welt? ist es ein Dämon, ist es die Liebe, die sich im Schaffen, Beschützen offenbart? Die aus uns, aus der ganzen Weltverfassung ein so schnödes, verzweiflungsvolles Kunststück gedrechselt hat, daß man eben so viel lachen, als weinen möchte? Wie trösten Sie sich über alle diese Widersprüche und Räthsel? In unserer Brust ist freilich eine solche Ueberfülle von Liebe, Demuth, Mitleid, Begeisterung und unauslöschliches Vertrauen, das immer wiederkehrt, so daß wir wie gutmüthige, leicht täuschbare Narren der Verzweiflung, von bösen Geistern geneckt und verlacht, gegenüberstehen. –

Ich hoffe, Sie sind jetzt wieder ganz genesen und den Ihrigen geht es ebenfalls wohl. Was ist ein Einzelner in diesem großen Getümmel der sogenannten Weltgeschichte! Der unvermeidliche Tod schlägt alles nieder und so rückt die Gegenwart in die Zukunft hinein, ohne daß man sagen kann, was die Begebenheiten genutzt, oder für den Zusammenhang der Welt eingebracht haben. Immer falle ich wieder in diese schwermüthigen Betrachtungen, und ich möchte mich an der verkehrten Welt oder dem gestiefelten Kater[106] trösten und beruhigen. Vielleicht mögen Sie mir ein hülfreiches Wort übersenden; Sie haben ja ähnliche, tiefsinnige Erfahrungen gemacht, Sie haben ja auch dieses Leben durchgekostet und kennen die Täuschungen, die uns allenthalben entgegenkommen.

So umarme ich Sie und bitte, mich auch nach meinem Tode nicht zu vergessen, da mir Ihr Angedenken mit das Erfreulichste ist, was ich erlebt habe.

Berlin d. 3. Febr. 53. L. Tieck.

[41]

XIII[107]
(Berlin 1853.)
Geliebte, verehrte Freundin!

Mein trauriger, finsterer Brief hat Sie vielleicht betrübt, und da er schon so lang war, schloß ich ihn, ohne noch einige Betrachtungen anzufügen, wie ich mir vorgesetzt hatte. Gewiß ist unser Leben bei allen Kümmernissen, Schmerzen, Gram, bei der Noth der Welt, dem Druck der unausweichlichen Armuth und Tyrannei nicht sehr zu loben oder zu wünschen; wenn auch gleich früher die mährchenhafte phantastische Jugend mit ihren seltsamen Erfahrungen dem allmäligen Vorschreiten in das gewöhnliche Pflegma hinein, augenblickliche Begeisterung, schöner Enthusiasmus für Kunst und Wissenschaft jene Weltleiden etwas aufwiegen können. So denkt freilich in der Regel Jeder nur an sich selbst und seine Existenz, die ihm doch früher oder später abgenommen wird. Die fleißig benutzten Kirchhöfe gehören ja zu einer guten Staatseinrichtung, bis dann die Gebeine nach längerer Zeit auch unbeachtet umher gestreut werden. Die Vergänglichkeit ist das Gesetz der Natur, soweit wir sie verstehen können.

Visionen, Entzückungen, augenblickliches Schauen in das sogenannte Jenseit sind die Verherrlichungen unsers Gemüthes, die nur Wenigen gegönnt sind; die meisten Menschen sterben, ohne dergleichen erlebt zu haben. Mein Entzücken und wiederholtes Bestreben, einen Zustand wieder zu erleben, den ich den allerhöchsten Moment meines Daseins nennen muß, war in meinem langen Leben immer vergeblich und nur von bitterer Reue begleitet, soviel ich auch sonst gelesen, gedacht, und mich an Poesie und Kunst, Mystik und wunderbaren Gedanken und den sonderbarsten Erfahrungen entzückt habe. –

Es war im ersten Jahre meiner Studentenzeit, 1792, in Halle, als ich auswanderte, um einen Freund, der mich eingeladen hatte, im Harz zu besuchen. Ich hatte noch kein Gebirge gesehen, und Alles war mir neu, erfreulich und begeisternd. Es war der Johannistag, als ich auswanderte. Ich hatte die Nacht nicht geschlafen, sondern Briefe geschrieben. Als ich Eisleben erblickte, war ich von der Schönheit der Lage, den Feldern und Wiesen, sowie der Frucht, die beinahe schon reif war, sehr überrascht und erfreut. Ich wanderte dann zu Fuß durch die kleine Stadt Heckstedt[108], wo ich noch dem Leichenbegängniß eines gestorbenen Bergmanns beiwohnte. Als es finster wurde, kam ich in einen Wald, wo sich frohe und singende Jugend versammelt hatte, die mich mit Blumensträußen, wie es dort Sitte ist, anbanden. Ich hatte den langen Tag unter meinen Naturbetrachtungen etwas saumselig verschwinden lassen. Nun gerieth ich vor ein höher gelegenes Gasthaus, aus welchem mir Erleuchtung, Musik und Tanz entgegenstrahlte. Ich kehrte [42] ein, als es schon ganz finstre Nacht geworden war, freute mich der dort lärmenden Fröhlichkeit und ließ mir ein Zimmer geben, von welchem ich die Thüre offen ließ, um die Verwirrung und Confusion aus nächster Hand zu genießen. Die jungen Leute freuten sich meiner Theilnahme, und so ging die zweite Nacht auch völlig ohne Schlaf vorüber. Als es im Saale ruhiger geworden war, erlegte ich meine Zeche, weil Wirth und Wirthin so wie alle Dienerschaft sich nun der Ruhe und dem Schlaf übergaben. Es war noch die schöne Zeit in Deutschland, als man dieses einsam liegende, kleine Haus zuversichtlich des Nachts konnte offen stehen lassen, wie damals in vielen Gegenden des Landes. Ich ging nun weiter; ein schöner Weidengang empfing mich, und ich bestieg einige Hügel. Nicht lange, so ging die Sonne auf. Aber wo Worte hernehmen, um das nur matt zu schildern, das Wunder, die Erscheinung, welches mir begegnete, und meine Seele, meinen innern Menschen, alle meine Kräfte verwandelte und einem unsichtbaren, einem göttlich großen Unnennbaren entgegen riß und führte. Ein unnennbares Entzücken ergriff mein ganzes Wesen; ich zitterte und ein Thränenstrom, so innig durchdringlich, wie ich ihn nie vergossen hatte, floß aus meinen Augen. Ich mußte stille stehen, um diese Vision ganz zu erleben, und so wie mein Herz in der höchsten Freude zitterte, so war mir, völlig überzeugend, als wenn ein zweites, seliges, liebendes Herz an meinem Busen klopfte. Wie schon gesagt, dies war der höchste Moment meines ganzen Lebens; ich konnte mich in Freude überseliger Lust der tiefsten Thränen in der Entzückung nicht erwehren. Wie lange diese berauschende Zeit mich ergriff, kann ich nicht sagen. Als der lebhafteste Taumel vorüber war, bestieg ich ein steil liegendes, nahes Schloß, welches unbewohnt schien, und vor dessen Höhe ich einige Arbeiter, welche die Frucht schon einerndteten, sehen konnte. Einige Zimmer unten waren offen, und ich sah Familienbildnisse, die sich aus den Rahmen los gemacht hatten, und mit der Leinewand schwankten. Es war natürlich, daß nach der großen Aufregung mir auch hier alles anders und wunderbarer erschien. Mühsam kletterte ich den steilen Berg hinunter und ließ mir, eine Stunde etwa entfernt, auf einem Dorfe mein erstes Frühstück geben. Ich habe mir nie verschwiegen, daß die beiden schlaflosen Nächte, die Musik, die Aufregung der Natur, alles dies zusammen jene große, übernatürliche Entzückung in mir vorbereitete; der Mensch kann dergleichen vielleicht nur einmal erleben. Ein alter Patriarch hätte an jener Stelle, wo mir diese Vision, wie ich sie nennen muß, begegnete, einen Stein geweiht und zum Andenken gesetzt. Achtzig Jahre bin ich nun alt, und der Rückblick auf diese Momente ist mir der wundervollste, rätselhafteste meines langen Lebens geblieben. Diese unbeschreibliche persönliche Liebe, diese fühlbare, überzeugende ist mir niemals wieder begegnet, und doch halte ich mich für hoch beglückt, daß ich diesen Zustand erleben konnte. Noch mehrere [43] Stunden währte das entzückte Ergießen meiner Thränen; ich konnte mich in den gewöhnlichen Zustand des Lebens lange nicht wieder hinein finden. Der Wirth im Dorf begriff meinen Zustand nicht, hielt mich wohl für einen unglücklichen, verarmten Menschen, und wollte für seinen Kaffee kein Geld nehmen, bis mein Zureden ihn dazu zwang. –

Nachher sah ich zu meiner großen Freude den Stufenberg[109], später die Roßtrappe, einsame Jagdhäuser und wie vieles, was meinen Sinn gefangen nahm. Nun leben Sie wohl, geliebte Freundin; Sie werden fühlen, warum ich Ihnen diese Bekenntnisse geschrieben habe. Ich bin also darüber beruhigt. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und so lange ich noch da bin, bin ich

Ihr wahrster, ergebenster Freund
L. Tieck.


Aus einem Briefe an Tieck.

Ich glaube nicht ganz ohne Energie zu sein, allein zu jeder Wirkung einer Persönlichkeit gehört ein einigermaßen coincidirendes Element, worauf sie einwirke, und wenn wir, von dem individuellen Standpunkt abstrahirend, uns auf einen allgemeinen beziehen möchten, so komme ich dann freilich auf den faulen Fleck, der doch dem Ganzen mit zur Unterlage dient: es ist die Stellung der Frauen den Männern gegenüber. – Sonderbar: die Alten hatten im Bilde der Amazonen sogar die körperliche Gleichstellung der Kräfte in den Geschlechtern festgestellt (wie im Symbol der Minerva die geistigen). Wir jetzt sollen die Gleichstellung im Moralischen finden, und zwar noch mit dem Unterschiede, daß das Aequivalent für den Geist des Mannes im Herzen der Frau gegeben sei, und sie auf diese Weise das Gleichgewicht zueinander herstellen.

Wenn ich nun aber nicht nur mit den Waffen des Herzens, sondern auch des Geistes als Frau zu kämpfen im Stande wäre, so gehört dazu wieder ein Geist und ein Herz, worauf ich treffe – und hiermit bin ich abermals dem Ungefähr, der Ohnmacht und Schwäche preisgegeben, weil ich keine Macht habe, die mich im ganzen und großen unterstützt. – Mit einem Wort: Die Frau hat keine Autorität, weil sie keine Autorität ist. – Ich nehme hier das Wort in seiner eigen großen mystischen Bedeutung. – Der Begriff König – Herrscher – ist immer derivirt von dem der Autorität, gleichviel ob die Pietät für diese abgenommen hat oder nicht, er geht dennoch durch – dieser Begriff von Autorität – und zwar durch [44] alle Institutionen im allgemeinen, und begründet Rechte, denen sich die Individuen bei allen Wandlungen der Formen nicht entziehen können: – dagegen: ein nie fest anerkanntes, sondern immer nur zu erkämpfendes Recht, und wenn es die höchste geistige Potenz in sich schlösse, ohne eine gewisse ihm entgegenkommende Pietät, keinen Boden gewinnen kann – Diese Ausgleichung zu Gunsten der Frauen soll also nun die Liebe finden! – Was setzt das alles voraus! – Und so wird er denn fortbestehen dieser ungleiche Kampf der Geschlechter, und um so schärfer und bitterer im geheimen, weil er ein ungleicher ist, und nur die sehr seltenen und einzelnen Fälle sich glänzend abheben, in denen die Individualität des Mannes alles gewährt, was das allgemeine Recht versagt.


An Tieck.

Es liegt eine eigene Wehmut für mich in den Schriften, die ich habe entstehen sehen. Wenn das lebendige Wesen sich so verwandelt, daß man oft kaum im Manne die Spur des Kindes wiederfindet, so ist dagegen das lebendige Wort, wenigstens das für uns lebendig gewordene, immer dasselbe, und rührt uns doppelt in dieser Unveränderlichkeit. – Krankheiten, die Zeit, die veränderten Verhältnisse (schon allein die zu erwachsenen Kinder), das alles hat so an mir genagt, – zerstört: Ihre Schriften dagegen stehen in alter Jugendlichkeit vor mir.

Wie im Gegensatze zum Genius das Talent einen beschränktern Kreis in der Zeit hat und ihm ein kürzeres Ziel gestellt ist, so ist es mit Frauen im Vergleich zu Männern: ihre Geistesblüte ist kürzer und beschränkter, und sie haben den Beschluß dessen, was sie waren und werden konnten, in ihrem engeren Kreise weit frühzeitiger zu erwarten. Diese tiefe Wehmut des Lebens, die Sie so oft geschildert, wie müssen Sie sie auskosten! – Mit vollem Bewußtsein, mit der ganzen Kritik Ihres scharfen Geistes durchmessen Sie die Abgründe bis in Ihre späteren Lebensjahre.


An Tieck.

Woher käme uns die Überfülle von Liebe, das tiefsinnige Gefühl der Demut und Unterordnung unter ein Höheres, und des Vertrauens, das über alle Erfahrung des Sichtbaren hinausgreift, wenn wir eben nur einem bösen Prinzip [45] im Weltall gegenüberständen? – Dieser Gedanke liegt nahe, und wir haben keine genügende Antwort für ihn als eben nur eine solche, die irgendeine, gerade dieser unserer innersten Natur zusagende Lösung zuläßt. – Sie haben mir doch oft gesagt, daß Sie unaussprechlich glückliche Augenblicke in Ihrem Leben gehabt hätten. Sie können also doch sagen, die Seligkeit ist, da Sie sie empfunden haben. Denn was man erlebt hat, hat Dasein. Es gibt also der Verzweiflung gegenüber eine himmlische Freudigkeit, und damit ist es genug, und wir wissen somit, was wir zu wissen brauchen.

Wenn ich Ihnen, teuerster Freund, in diesen Worten nicht das Brot geben kann, was Sie verlangen, so ist es wenigstens nicht ein Stein. – In diesem Gleichnis hat mir immer eine Welt von Aufschluß gelegen, ja, die eigentliche Essenz unserer Natur, die nur Liebe und Erbarmen begreift.

[46]

Anmerkungen

1) Vgl. Rudolf Köpke, Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters (Leipzig 1855). – Hermann Freiherr von Friesen, Ludwig Tieck. Erinnerungen eines alten Freundes aus den Jahren 1825–1842 (Wien 1871). – Eduard Berend, Lebensbild. Einleitung zu Tiecks Werken, herausgegeben von Ed. Berend (Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 1923). – Edwin H. Zeydel, Ludwig Tieck, the German romanticist (Princeton 1935).

2) 4 Bände, Leipzig 1865–1866.

3) Carus erhielt die wertvolle kleine Briefsammlung von der Familie von Lüttichau zum Geschenk. Von den elf Berliner Briefen tragen die letzten fünf nur Tiecks eigenhändige Namensunterschrift. Er diktierte sie dem ihm von König Friedrich Wilhelm IV. seit 1844 zum Helfer bei seinen Arbeiten bestellten Sekretär Karl Hellmuth Dammas, der sich später unter dem Decknamen Feodor Steffens dichterisch betätigte. Vgl. Aus Tiecks Novellenzeit. Briefwechsel zwischen L. Tieck und F. A. Brockhaus, herausgegeben von Heinrich Lüdeke von Möllendorff (Leipzig 1928) 154, 178, 191. – Franz Brümmer, Allgemeine Deutsche Biographie XXXV 554 f.

4) Die Originalbriefe gingen verloren. Es handelt sich um Abschriften, die sich in der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin befinden, von der Hand des in Anmerkung 3 genannten Dammas.

5) III 295–296; IV 126–128.

6) Carus, Lebenserinnerungen V 121 f. und 127.

7) Köpke a. a. O. II 262.

8) Lebenserinnerungen III 92.

9) Siehe Köpke a. a. O. II 108; Carus, Lebenserinnerungen III 142, 214 f.

10) Carus, Lebenserinnerungen III 221.

11) So hat auch Raumer gewiß in Frau von Lüttichaus Sinne gehandelt, wenn er aus den zahlreichen Briefen, die beide sich in den Jahren 1833–1852 schrieben, in seinem Literarischen Nachlaß (II 214–224) nur Bruchstücke aus seinen Briefen, kein einziges dagegen aus den ihrigen veröffentlichte.

12) Tieck zu Carus (Lebenserinnerungen III 93): „Wenn irgendeine, so sei diese Frau eigentlich berufen und berechtigt gewesen, als Schriftstellerin aufzutreten und als solche nachhaltig zu wirken, nur daß die feine Fühlung ihres Wesens ihr selbst überall dergleichen untersagt habe.“

13) Im Juni 1826 weilte Tieck mit den Seinen und der Gräfin Henriette Finkenstein in Teplitz, dessen Bäder, wie in früheren Jahren, sein altes gichtisches Leiden (Köpke a. a. O. II 36, 42) lindern sollten. Frau von Lüttichau befand sich zu dieser Zeit auf Rittergut Ulbersdorf, dem Familienbesitztum ihres Gatten, wo sie sich zu ihrer Erholung, vor allem aber um ungestört ihren wissenschaftlichen Studien leben zu können, öfters während der Sommermonate aufzuhalten pflegte. Vgl. Ein Lebensbild 26 f.; Carus, Lebenserinnerungen III 94 Anm. [47] 14) Der Geschichtschreiber Friedrich von Raumer hatte Tiecks erste Bekanntschaft 1810 in Ziebingen gemacht. Mit der Zeit standen beide in regem Briefwechsel. Später suchte Raumer den Freund gern im Frühling und Herbst in Dresden auf, und diese Besuche führten ihn auch mit Frau von Lüttichau zusammen. Vgl. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel (2 Bände, Leipzig 1861); Köpke a. a. O. Band I S. XX, 368 f., II 65; Friesen a. a. O. I 21 ff.

15) In der Beurteilung Friedrich Schlegels, dessen Werke 1822–1825 in Wien erschienen waren, hält Tieck sich von einseitiger Bewunderung frei. Gewiß wirkte bei ihm auch der Eindruck nach, den Schlegel nach Jahren der Trennung während eines mehrwöchigen Aufenthalts in Dresden im Herbst 1824 auf ihn gemacht hatte. Näheres bei Köpke a. a. O. II 26–28; Raumer a. a. O. II 169 f.

16) Über die mit Herrn von Lüttichau unternommene Kunstreise, auf der die beiden sich zunächst in Wien aufhielten, siehe Köpke a. a. O. II 36–52 und Tieck, Kritische Schriften IV 1 ff.

17) Ähnlich klagt Friedrich Schlegel in der von ihm 1820 begründeten Zeitschrift Concordia (S. 23): „Man behandle sogar die Religion, das Auge Gottes, als Parteiangelegenheit.“ (Fanny Imle, F. von Schlegels Entwickelung, Paderborn 1927, 254.)

18) Ben Jonsons Dichtungen, seine Lustspiele, Komödiensatiren, Maskenspiele sowie die Trauerspiele Sejanus und Catilina (Dictionary of National Biography XXX 186–191), hatte Tieck in den Jahren 1793–1817 wiederholt durchstudiert. In Anlehnung an den Volpone or the Fox dichtete er 1793 das Lustspiel „Herr von Fuchs“. Vgl. dazu Hermann Stanger, Der Einfluß Ben Jonsons auf L. Tieck (Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte I, 1901, 182 ff. und II, 1902, 37 ff.); Harry Lüdeke, L. Tieck und das alte englische Theater in Deutsche Forschungen Heft 6, 1922, 26 ff.; Walther Fischer, Tieck als Ben Jonson-Philologe im Shakespeare-Jahrbuch LXII, 1926, 99–102 und 130 f.; Edwin H. Zeydel, L. Tieck and England (Princeton 1931) 8, 14 ff., 72 f. – Der neueren Forschung zufolge richtet sich der Poetaster nicht gegen Shakespeare und den zeitgenössischen Dramatiker John Marston (1575–1634), sondern gegen Thomas Dekker (1570 bis 1641). Vgl. Roscoe Addison Small, The stage quarrel between Ben Jonson and the socalled Poetasters = Forschungen zur englischen Sprache und Literatur Heft 1, 1899.

19) Von Natur unphilosophisch, wurde Tieck durch die Lehre der Identität von Kunst, Philosophie, Mystik und Religion seines 1811 an die Berliner Universität als Professor der Philosophie berufenen Freundes Karl Solger besonders nachhaltig beeinflußt. Näheres darüber bei Köpke a. a. O. I 365 ff.; Erich Schönebeck, Tieck und Solger, phil. Diss. Berlin 1910; Tieck and Solger. The complete correspondence by Percy Matenko (Newyork, Berlin 1933) 1–74. Die große Vorliebe für die Gedankenwelt des am 20. Oktober 1819 gestorbenen Philosophen bestimmte Tieck, dessen nachgelassene Schriften und Briefe 1826 zusammen mit Raumer herauszugeben. Die beiden in Band II 1–53 und 54–199 enthaltenen Aufsätze sind betitelt: „Briefe, die Mißverständnisse über Philosophie und deren Verhältniß zur Religion betreffend“ und „Ueber die wahre Bedeutung und Bestimmung der Philosophie besonders in unserer Zeit“.

20) Vermutlich die am 27. April 1795 geborene Gräfin Katharine Natalie Elisabeth Bose, Gemahlin des Königl. Sächsischen Hofmarschalls August Karl Graf Bose. Vgl. Geneal. Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser Jahrg. 3, 1827, 24.

21) Frau von Lüttichaus jüngere Schwester Rosalie (geb. 1800) hatte 1821 den nachmaligen preußischen General Gustav Xaver von Bojanowsky geheiratet. Vgl. Ein Lebensbild 9. 12, 26; Gothaisches geneal. Taschenbuch der adeligen Häuser Jahrg. 3, 1902, 456. [48] 22) Über Johann Wilhelm Loebells Freundschaft mit Tieck vgl. Tieck, Schriften VI 3 f.; Köpke a. a. O. II 70 f., 260 f.; Friesen a. a. O. I 31; über Loebells Bedeutung als Geschichtsforscher siehe Theodor Bernhardt und Karl von Noorden, Zur Würdigung J. W. Loebells (Braunschweig 1864) und Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XIX 35–38.

23) Von den erhalten gebliebenen Briefen, die Tieck der Freundin aus Berlin schrieb, ist dies der frühste. Wir entnehmen ihm die wichtige Tatsache, daß der Dichter die Folgen seines vor anderthalb Jahren erlittenen Zusammenbruchs erst März 1844 einigermaßen überwunden hat. – Über Tiecks Eigenheit, das Briefschreiben immer wieder hinauszuschieben, siehe Köpke a. a. O. II 128 f.

24) Karl Eduard von Bülow, der dreißig Jahre jüngere Schüler und Freund Tiecks, machte sich in erster Linie als fleißiger Übersetzer, aber auch als Herausgeber und Novellendichter einen Namen. Vgl. Heinrich Reimann, Hans von Bülow (Berlin 1908) I 19 ff.

25) Baden-Baden war dem Dichter durch fünfmaligen Kurgebrauch in den Jahren 1810, 1830, 1834, 1836 und 1841 bekannt (Köpke a. a. O. I 345, II 91 und 105).

26) Von Tiecks engerer Familie lebte 1844 außer seiner jüngeren Tochter Agnes, die 1843 nach Schlesien geheiratet hatte, nur noch sein seit 1820 in Berlin als Bildhauer tätiger Bruder Friedrich. Seine Schwester Sophie war 1833, seine Frau 1837, seine ältere Tochter Dorothea 1841 gestorben.

27) Zu den engsten Dresdener Freunden gehörten außer Bülow sein späterer Biograph, der Kammerherr Hermann Freiherr von Friesen, der als Molière- und Shakespeare-Übersetzer bekannte Schriftsteller Wolf Graf Baudissin, den sein literarischer „Oberlehnsherr“ in Berlin besonders schmerzlich vermißte, sowie die beiden 1838 bzw. 1839 aus Düsseldorf nach Dresden berufenen Akademieprofessoren, die Porträt- und Historienmaler Eduard Bendemann und Julius Hübner.

28) Zu den berühmten dramatischen Vorlesungsabenden, die Tieck in Dresden veranstaltete, fanden sich regelmäßig zahlreiche Fremde ein. Vgl. Georg Beutel, Dresdener Geschichtsblätter Band VI Jahrg. XXII, 1913, Nr. 4 S. 56–68.

29) Die vom Geiste der Romantik erfüllte Gedankenwelt des Dichters war stark auf das Übersinnliche, Wunderbare, Geheimnisvolle gerichtet: Träume und Gesichte spielen in seinem Leben und Dichten, wie zuerst Köpke (a. a. O. II 126 ff.) und L. H. Fischer (Aus Berlins Vergangenheit, Berlin 1891, 168–180) zusammengestellt haben, eine große Rolle. Siehe dazu Philipp Lersch, Der Traum in der deutschen Romantik, München 1923, 25 ff., 40 ff.; Ilse Weidekampf, Traum und Wirklichkeit in der Romantik = Palaestra CLXXXII, 1932, 7 ff. Gern weilte der junge Tieck nachdenklich grübelnd nachts auf Kirchhöfen. Vgl. Köpke ebenda I 103; Willi Busch, Das Element des Dämonischen in L. Tiecks Dichtungen, phil. Diss. München 1911, 25. Darum ist ihm auch die vorletzte Strophe des Kirchhofgedichtes, das sich in seinem Bericht über die Fortsetzung des Ofterdingen (Novalis' Schriften, herausgegeben von Kluckhohn I 255) findet:

„Könnten doch die Menschen wissen,
unsre künftigen Genossen,
daß bey allen ihren Freuden
wir geschäftig sind:
Jauchzend würden sie verscheiden,
gern das bleiche Dasein missen!“

aus der Seele gesprochen, und danach hätte ihn der frühe Tod seiner Freunde Wackenroder, Novalis und Solger sowie seiner Lieblingstochter Dorothea im Grunde nicht erschüttern dürfen. Siehe dazu Walther Rehm, Der Todesgedanke in der deutschen Dichtung vom Mittelalter bis zur Romantik, [49] = Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Buchreihe XIV, 1928, 421-428. Und wie Tieck selbst, so sind auch die Menschen, die uns in seinen Dichtungen begegnen, von Todesahnung und Todessehnsucht erfüllt. Nachweisungen darüber bei Marianne Thalmann, Probleme der Dämonie in L. Tiecks Schriften = Forschungen zur neueren Literaturgeschichte LIII, 1919, 51 f.

30) Oberstallmeister Karl Christoph Gottlob von Knobelsdorf, Herr auf Sellin, lebte nach dem Tode seiner Gattin Henriette geb. von Röppert (gest. am 9. April 1838) bei seiner Tochter Ida in Dresden. Er selbst starb am 15. Februar 1845. Vgl. Ein Lebensbild 11, 17: Gothaisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 3, 1902, 456.

31) Memoiren über sein Leben zu schreiben hatte Tieck seinem Verleger Brockhaus bereits 1837 versprochen. Zunächst begann er Stoff dafür zu sammeln. Dann machte er sich in Berlin seit 1844 bis zu seinem Tode immer von neuem an die eigentliche Arbeit. Schließlich fehlte die Kraft, sie fertigzustellen. Siehe darüber: Aus Tiecks Novellenzeit 118, 121, 124 f., 127, 154, 156, 160 ff., 166, 169 f., 186–189, 197.

32) Der auch mit Frau von Lüttichau befreundete Kunstschriftsteller Karl Friedrich von Rumohr war, an Brustwassersucht leidend, kurz vor seinem Tode nach Dresden gereist und hier am 25. Juli 1843 am Schlagfluß gestorben. In den Jahren 1805–1806 hatte Tieck in Italien frohe Tage mit ihm verlebt, später aber unter seiner Reizbarkeit und Empfindlichkeit gelitten. Vgl. Köpke a. a. O. I 312 f., 316 f., 327, II 65 f.; Heinrich Wilhelm Schulz, K. F. von Rumohr (Leipzig 1844) 76 f.

33) Das Junge Deutschland und damit die Werke der damaligen modernen Literatur lehnte Tieck, der ein begeisterter Verehrer der Dichtungen eines Dante, Shakespeare, Calderon und Goethe war (vgl. Köpke a. a. O II 176 f., 208 ff.; Hermann Anders Krüger, Pseudoromantik, Leipzig 1904, 182 ff.), bis auf wenige Ausnahmen schroff ab. Wenn er am 14. November 1835 an Brockhaus schreibt: „Diese Gutzkow usw. – wie ohne Gesinnung, Talent und Wissen“ (aus Tiecks Novellenzeit 103), so kommt hier sein Ärger darüber zum Ausdruck, daß Gutzkow in Nummer 3 des Literaturblatts zum Phoenix, Frühlingszeitung für Deutschland, vom 21. Januar 1835, Tiecks Schilderhebung nach Goethes Tode durch die berlinischen Cliquen bespöttelt und fortgesetzt von der untergeordneten Rolle, die er in der Literatur spiele, gesprochen hatte. Siehe dazu Harry Iben, Karl Gutzkow als literarischer Kritiker, phil. Diss. Greifswald 1928, 186 f. Ausfälle gegen das Junge Deutschland enthält auch die 1839 in Jahrg. 3 der Helena erschienene Tiecksche Novelle Liebeswerben. So weit aber durfte der Dichter in seiner Ablehnung nicht gehen, daß er Gutzkows Zopf und Schwert, nach Houben (Karl Gutzkows Leben und Schaffen, Leipzig 1908, 78) eines der wenigen guten Lustspiele des neunzehnten Jahrhunderts, das bei seiner Erstaufführung in Dresden am 1. Januar 1844 eine begeisterte Aufnahme fand, als etwas ganz Übles verwarf.

34) Eine Ausstellung von Würmern und anderen Parasiten in erleuchteten gefärbten Gläsern dürfte Tieck 1817 auf seiner englischen Reise im Britischen Museum gesehen haben.

35) Eduard von Bülows Ehe mit Franziska Elisabeth Stoll von Berneck, die er um ihrer geistigen Regsamkeit und vielseitigen Bildung willen 1828 geheiratet hatte, ging nach Jahren des Glückes ihrer Auflösung entgegen. Bülows unsichere, äußerlich wenig aussichtsvolle Lebensstellung bekümmerte mit der Zeit die im Hause ihres Schwagers, des Leipziger Stadthauptmannes Frege, in glänzenden Verhältnissen aufgewachsene Frau; sie wiederum wurde dem Gatten durch zunehmende Reizbarkeit und Heftigkeit zur Pein. Immer mehr fühlte Bülow sich zu der mit seiner Frau befreundeten Gräfin Louise von Bülow, Tochter des preußischen Feldmarschalls Grafen Bülow von [50] Dennewitz, hingezogen. Die geeignetste Persönlichkeit, unter diesen schwierigen Umständen zu vermitteln und eine alle Beteiligten befriedigende Lösung anzubahnen, schien Tieck Frau von Lüttichau, seine feinfühlige, edeldenkende, beiden Ehegatten gleich nahe stehende Freundin zu sein. Doch brachten die nächsten Jahre, in denen Bülow mit den Seinen in Stuttgart lebte, wie Tiecks sechster Brief und Frau von Lüttichaus Antwort darauf erkennen lassen, zunächst keine Änderung der bestehenden Verhältnisse. Erst 1849 willigte Franziska in die Scheidung, und am 5. November dieses Jahres heiratete Bülow die Gräfin Louise. Beide lebten fortan glücklich auf Schloß Oetlishausen im schweizerischen Thurgau und hatten die Freude, hier bisweilen Franziska und ihre beiden Kinder, den später so berühmt gewordenen Pianisten und Kapellmeister Hans und seine Schwester Isa, bei sich zu sehen. Siehe dazu Reimann a. a. O. I 38–50, 67; Richard Graf Du Moulin-Ekart, Hans von Bülow (München 1921) 19–25, 66 f.

36) Tieck schrieb diesen Brief sieben Monate nach dem zweiten Schlaganfall (Oktober 1845), der seine Lebenskraft von neuem schwächte.

37) Überbringer dieses Briefes war der 1808 zu Königsberg geborene Schriftsteller Rudolf Wilhelm Leopold Karl von Keudell, der um 17 Jahre ältere Bruder des deutschen Staatsmannes Robert von Keudell; vgl. Jahrb. des Deutschen Adels II, 1898, 255. Nach Rudolf von Gottschall (Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrhunderts IV, 675 f.) verfaßte K. zunächst Romane in Tieckscher Art. Die „Musikanten“ wurden anscheinend nicht gedruckt. Die von Tieck gerügten freiheitlichen Anschauungen Keudells kamen vor allem in seinen späteren Werken: „Die Politiker. Eine Tendenz-Novelle geschrieben im Herbst 1848“ (Leipzig 1848) und „Außerhalb der Gesellschaft. Träumereien eines gefangenen Freien“ (4 Bände, Leipzig 1849) zum Ausdruck.

38) An der Spitze der Nicolaiten stand der „Nestor der Berliner Aufklärung“, der Buchhändler Friedrich Nicolai, der Herausgeber der Allgemeinen deutschen Bibliothek, der Verleger der Straußfedern, für die Tieck in den Jahren 1795–1798 notgedrungen Beiträge lieferte. Nicolai's Wesensart charakterisieren am besten die ihm beigelegten Bezeichnungen „Repräsentant der Unpoesie“, „Goliath der Philister“, „Antipode der neuen Goetheschen Dichtung“. Zu seinen hauptsächlichsten Anhängern gehörten die Theaterleiter und Dichter Johann Jakob Engel und Karl Wilhelm Ramler. Vgl. R. Haym, Die romantische Schule 5 61–64.

39) Eine deutsch-katholische Gemeinde, ein Glied der von dem abgesetzten schlesischen Priester Johannes Ronge ins Leben gerufenen deutsch-katholischen Kirche, hatte sich am 15. Februar 1845 auch in Dresden gebildet. Vgl. Rechenschaftsbericht über das Provisorium der deutsch-katholischen Gemeinde zu Dresden (Dresden 1845) und dazu Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von Gustav Krüger IV2, bearbeitet von Horst Stephan und Hans Leube, Tübingen 1931, § 36, 12. – Papst Pius VII. hatte durch das Breve vom 7. August 1814 die Wiederherstellung des Jesuitenordens verfügt. Sie hatte eine gewaltige Machtsteigerung des Ordens zur Folge. Vgl. Handbuch a. a. O. IV2 , § 31, 2.

40) Im Juni 1846 auf der Reise nach dem ihr durch Erbschaft zugefallenen Familiengute Sellin hielt sich Frau von Lüttichau einen Tag bei Tieck und der Gräfin auf (Ein Lebensbild 37 f.). Über ihren Besuch berichtete sie an Carus (Lebenserinnerungen III 221 f.): „Allerdings war der Anblick der beiden alten Freunde schmerzlich, da sie beide körperlich in diesen vier Jahren sehr zurückgegangen sind. So fand ich denn also Tieck einestheils verändert und doch auch nicht verändert. Denn wenn er saß und sprach, obgleich viel magerer und spitzer und kränker aussehend als sonst, war alles doch ziemlich auf die alte Weise.“ [51] 41) Den Sommer verbrachte Tieck bis zum Jahre 1848 in Potsdam in einer ihm vom König eingerichteten freundlichen Gartenwohnung, die übrige Zeit wohnte er in Berlin, Friedrichstraße 208, in einem vornehmen einstöckigen Hause. Vgl. Köpke a. a. O. II 108 f., 124 f.; Berend a. a. O. LXXV.

42) Bis zu seinem Weggang von Dresden durfte Tieck sich glücklich schätzen, in Frau von Lüttichau jahrelang eine Persönlichkeit um sich zu haben, der es gegeben war, seine dichterischen Gedanken und Pläne nicht nur klar zu erfassen, sondern auch mit feinem Verständnis zu vertiefen und weiterzuführen (Ein Lebensbild 32 f.). Sein Erbe trat Carus an, der seit Herbst 1839 täglich mit ihr zusammenkam. Ihr teilte der geistvolle Arzt die schwierigsten Kapitel seiner Psyche, die 1846 im Druck erschien, zur Prüfung mit und hatte reichen Gewinn von diesem Gedankenaustausch (Lebenserinnerungen III 167, 211).

43) Des frühvollendeten Seelenfreundes Novalis hat Tieck als Mitherausgeber seiner Schriften im letzten Absatz der Vorrede zur 1. Auflage von 1802 (S. XI f.) ehrfürchtig gedacht.

44) Mit seinen Geschwistern muß Tieck bisweilen heftige Auftritte gehabt haben. Nach seinem Briefe vom 3. Februar 1853 (S. 39) bestand zwischen ihnen und ihm kein freundschaftliches Einvernehmen.

45) Am 1. Oktober 1842 hatte Tieck die erbetene Entlassung als Dramaturg erhalten. Auf seinen Wunsch blieb die Stelle unbesetzt. Eine Zwischenlösung bedeutete es, daß der am 1. Juni 1844 als Schauspieler und Oberregisseur nach Dresden berufene Eduard Devrient das Amt eines dramaturgischen Beirates mit übernahm. Er versah es auch weiter, als er im Februar 1846 die Oberregie niederlegte und sich auf seine Schauspielertätigkeit beschränkte. Doch hielt Herr von Lüttichau es nunmehr für angezeigt, die Tieck'sche Dramaturgenstelle vom 1. Januar 1847 ab ordnungsgemäß zu besetzen. Da die Dresdener Schauspieler den in Leipzig als Schriftsteller tätigen Heinrich Laube, der in erster Linie dafür in Aussicht genommen war, ablehnten, entschied sich der Intendant für Gutzkow, der ihm nach dem großen Erfolge seiner letzten Stücke „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartüffe“ sehr geeignet erschien, um so mehr, als Carus und das gewichtige Schauspielerpaar August Bürck und Marie Bayer diese Wahl warm befürworteten. Freilich hatte Tieck nur zu recht mit seiner Voraussage, Herr von Lüttichau werde bald genug mit dem selbstherrlichen Manne viel Verdruß haben. Siehe dazu Robert Proelß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden (Dresden 1878) 504–507, 512–522, und Houben, Gutzkow-Funde (Berlin 1901) 380–391.

46) Richard Wagner, der seit 1842 in Dresden als zweiter Kapellmeister angestellt war, scheint sich bei der ihm wohlgesinnten Frau von Lüttichau darüber beklagt zu haben, daß Tieck der am 17. Mai 1846 in Darmstadt aufgeführten Tannenhäuseroper heiteren Stils des hessischen Musikdirektors Karl Ludwig Amand Mangold, deren Text der Dichter Eduard Duller verfaßte, mehr Beachtung schenkte als seiner großen romantischen Oper, die zwar bei der ersten Aufführung am 19. Oktober 1845 in Dresden keinen Erfolg hatte, bei der ersten und zweiten Wiederholung dagegen sehr gefiel. Mit Mangolds Tannenhäuser mußte Tieck sich eingehender beschäftigen, weil sein königlicher Herr, der sich für die von der hessischen Prinzessin Elisabeth empfohlene Oper interessierte, für eine Aufführung in Berlin szenische Änderungen wünschte, die Duller und Mangold bekanntzugeben waren. Wagner sollte die Genugtuung haben, daß der Mangold'sche Tannenhäuser trotz der vorgenommenen Änderungen in Berlin nie zur Aufführung kam, während sein Tannhäuser, dem Berlin zunächst allerdings verschlossen blieb, beim Besuch des Preußenkönigs in Dresden auf dessen ausdrücklichen Wunsch am 22. November 1847 gegeben wurde. Vgl. dazu H. Riemann, Opern-Handbuch (Leipzig 1887) 546; L. H. Fischer, Aus Berlins Vergangenheit 158–162; Glasenapp, Das [52] Leben Richard Wagners II 1 3 106–107 Anm.; Rich. Wagner, Mein Leben. Kritisch durchgesehen, eingeleitet und erläutert von W. Altmann (Leipzig 1923) I 350 f., 422–431, 446 f., 471–475, 488.

47) August Grahl, einer der bedeutendsten Miniaturmaler des neunzehnten Jahrhunderts, hatte sich 1835 in Dresden niedergelassen. – Der Porträt- und Historienmaler Karl Christian Vogel von Vogelstein wurde im Dezember 1820 als Nachfolger Gerhard von Kügelgens zum Akademieprofessor in Dresden ernannt. – Major Friedrich Anton Serre, der Begründer der Tiedge- und Schillerstiftung, und seine Gattin Friederike geb. Hammerdörfer versammelten das geistige Dresden in ihrem Hause. – Solgers Witwe Henriette geb. von der Groeben war, um dem Freunde ihres am 25. Oktober 1819 verstorbenen Gatten möglichst nahe zu sein, von Berlin nach Dresden in das von dem Dichter bewohnte Haus Am Alten Markt 521 gezogen.

48) Der Münchener Maler Julius Schnorr von Carolsfeld war im Herbst 1846 als Kunstakademieprofessor und Direktor der Gemäldegalerie nach Dresden berufen worden.

49) Der aus Kurland stammende federgewandte Karl Constantin Kraukling (1792–1857) wurde 1839 zum Inspektor der Dresdener Rüstkammer ernannt. Vorher war er Sekretär, später Bibliothekar der Königlichen Bibliothek zu Dresden gewesen. Vgl. H. A. Krüger, Pseudoromantik 159.

50) Das Manuskript von Shakespeares Vorschule Teil 3 hatte Tieck seinem Verleger Brockhaus bereits am 20. März 1835 in Aussicht gestellt. Die Zusendung erfolgte aber erst am 31. Dezember 1847. Wenn Teil 3 ungedruckt blieb, so liegt das daran, daß Tieck trotz wiederholter Mahnungen bis an sein Lebensende nicht dazu kam, in der Art der Vorreden, mit denen er die ersten beiden 1823 und 1829 erschienenen Teile begleitet hatte, auch zum dritten eine längere Vorrede zu schreiben. Siehe Aus Tiecks Novellenzeit 94, 153, 155, 158–162, 179, 189 f., 192, 196 f., 199. – Erst in den Jahren 1893–1895 gab Johannes Bolte die in Teil 3 enthaltenen Stücke: Mucedorus, Das schöne Mädchen von Bristol und Die Comödie von Jemand und Niemand aus dem in der Preußischen Staatsbibliothek verwahrten Nachlaß Tiecks einzeln heraus. Vgl. Fritz Böhm, Bolte-Bibliographie (Zeitschrift für Volkskunde N. F. IV, 1933, H. 1).

51) Wie Tieck trotz jahrelangen Bemühens über die Vorarbeiten zur Veröffentlichung seiner Memoiren nicht hinauskam, so ging es ihm auch mit der Herausgabe seiner Korrespondenz. Am 28. Februar 1849 lagen 28 Quartbände chronologisch geordnete Briefe in Abschriften vor, 9 weitere kamen bis zum Jahre 1852 hinzu. Insgesamt waren es 2690 Briefe. Mit ihrer Sichtung betraute Tieck Anfang Dezember 1852 seinen Freund Köpke, der sie gerade am Todestage (28. April 1853) des Dichters beendete. Köpkes Vorschlag, es möchten zwei Bände Briefe in Auswahl zur dokumentarischen Ergänzung seiner geplanten Tieck-Biographie gedruckt werden, lehnte Tiecks Tochter Agnes Alberti ab. Schließlich gab 1864 ein anderer Freund ihres Vaters, Karl von Holtei, in ihrem Auftrag vier Bände Briefe an L. Tieck in Auswahl, alphabetisch nach den Briefschreibern geordnet, heraus. Vgl. dazu Aus Tiecks Novellenzeit 170 f., 195 f., 203 f.; Briefe an Rudolf Köpke (Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin N. F. 1, Berlin 1909) Nr. 11 f.

52) Als Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften sprach Raumer in seiner am 28. Januar 1847 zur Gedächtnisfeier König Friedrichs II. gehaltenen Rede (alsbald in zwei Ausgaben bei Brockhaus gedruckt) über die religiöse Duldsamkeit des großen Königs. Sie mißfiel Friedrich Wilhelm IV., der auf Erweckung und Neugestaltung des kirchlichen Lebens bedacht war, in hohem Grade. Raumer suchte sich zu rechtfertigen. Nicht ein einziger Akademiker trat für ihn ein. Statt dessen unterzeichneten alle ein Schreiben, in dem sie einmütig den Vorfall aufs tiefste bedauerten und dem König ihre Ergebenheit versicherten. Die Folge davon war, daß Raumer ohne weiteres [53] aus der Akademie austrat. Siehe dazu Raumer, Vermischte Schriften I S. VI f. und 77–87; Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XXVII 411. Im Gegensatz zu Tieck, der Raumer in allem recht gibt, ist Adolf Harnack auf Grund seiner quellenmäßigen Darstellung der Raumer'schen Angelegenheit in der Geschichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin I 2, 929–944 der Überzeugung, daß Raumers Mißgeschick nicht ganz unverschuldet war.

53) Auf Friedrich Wilhelm Röstell (am 9. Oktober 1799 zu Berlin geboren), der nach vorübergehender Tätigkeit bei der Preußischen Gesandtschaft in Rom als Sekretär des Staatsmannes Christian Karl von Bunsen von 1832 bis zu seiner Berufung nach Marburg (Frühjahr 1847) außerordentlicher Professor des Kirchenrechts an der Universität Berlin war (vgl. Max Lenz, Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin II 1, 498 f.; F. Ascherson, Urkunden 225), wurde Tieck durch seinen und seiner Tochter Dorothea Freund, den Dichter Friedrich von Uechtritz, aufmerksam. Vgl. Briefe an L. Tieck IV 119 und Erinnerungen an F. von Uechtritz und seine Zeit (Leipzig 1884) 152.

54) Der junge Tischlermeister, eine zweibändige Novelle, deren erster Entwurf aus dem Jahre 1795 stammt, erschien 1836. Der durch Goethes Wilhelm Meister angeregte Bildungsroman schildert die Geschichte eines hochgebildeten, ästhetisch veranlagten jungen Handwerkers. Vgl. Berend a. a. O. XLIII f.

55) Schwere Pein bereitete Tieck das Verhalten seines Jugendgefährten Friedrich Heinrich Bothe, der sein stürmisches Liebeswerben immer von neuem mit eisiger Kälte zurückwies: Trübsinn und Schwermut waren die Folge dieser schmerzlichen Enttäuschung. Auch der unerwartete Tod zweier Freunde, von denen der eine durch kindische Torheit zugrunde ging, der andere durch ein Nervenfieber dahingerafft wurde, ließ Tieck vorübergehend am Leben verzweifeln (Köpke a. a. O. I 64 f., 96 f.; Berend a. a. O. XIX f.).

56) Ausspruch Prospero's in Shakespeare's Sturm IV, 1. Er lautet:

We are such stuff
As dreams are made on, and our little life
Is rounded with a sleep,

in der Schlegelschen Übersetzung wörtlich:

Wir sind solcher Zeug
Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben
Umfaßt ein Schlaf.

57) Von Zaunick auf Grund der in der Preußischen Staatsbibliothek befindlichen Abschrift in Carus, Lebenserinnerungen V 111–116, erstmalig veröffentlicht.

58) Die Zahl muß, wie Zaunick (a. a. O. 194) treffend bemerkt, falsch abgeschrieben sein, da Gutzkow kontraktlich ein Jahresgehalt von 800 Talern bezog. Vgl. Rudolf Göhler, Gutzkow und das Dresdener Hoftheater im Archiv für Theatergeschichte I, 1904, 111.

59) Gemeint ist, wie Zaunick (ebenda) richtig vermutet, Eduard Devrients Brief vom 13. Juli 1846 (Briefe an L. Tieck I 185ff.). – Als Oberregisseur am Dresdener Hoftheater war Eduard Devrient bemüht, ein geregeltes Ensemblespiel zu erzielen. Doch wurden seine Bestrebungen von einzelnen Bühnengrößen, namentlich von seinem Bruder Emil, heftig bekämpft. Vgl. H. A. Lier, Allgemeine Deutsche Biographie XLVII 669; Ferd. Rein, Ed. Devrient als Oberregisseur in Dresden von 1844–1846, phil. Diss. Erlangen, Altenburg i. Thüringen 1931; Jul. Bab, Die Devrients (Berlin [54] 1932) 138–145. – Unter Gutzkow hatte D. gleich im Anfang über geringschätzige Behandlung bei der Rollenbesetzung zu klagen. Auch kränkte es ihn, daß Herr von Lüttichau, wie es mitunter schon früher der Fall gewesen war, nicht für ihn eintrat. Vgl. Proelß a. a. O. 516–518.

60) Gutzkow (Rückblick auf mein Leben 310) spöttelt über die von Eduard Devrient in seinem Teesalon vor größtenteils alten adligen Damen gehaltenen dramatischen Vorlesungen und bemerkt dazu, kein Abend habe je den Genuß einer Tieck'schen Vorlesung gewährt. Eine Vorlesung Tiecks war eben, wie Berend (a. a. O. LXVI) in Übereinstimmung mit Frau von Lüttichau treffend bemerkt, lebendige Neuschöpfung, keine bloße Reproduktion einer Dichtung. – Mit dem Andreas Hofer, den Frau von Lüttichau von Devrient vorlesen hörte, ist Immermanns 1827 erschienenes dramatisches Gedicht „Das Trauerspiel in Tirol“ gemeint. Den Titel „Andreas Hofer“ erhielt das Werk in der vom Dichter im Winter 1833–1834 vorgenommenen Umarbeitung, wie es im dritten Bande der Düsseldorfer Ausgabe seiner gesammelten Schriften zu finden ist. Vgl. Paul Gelberg, Immermanns Andreas Hofer, phil. Diss. Münster, Olpe 1928, 51–55

61) Die Vorlesekunst des angesehenen Berliner Kunstkritikers Heinrich Theodor Rötscher, der am 8., 10. und 13. April 1847 in Dresden drei öffentliche dramatische Vorlesungen hielt, wurde von der Dresdener Kritik (wie Zaunick a. a. O. 195 f. festgestellt hat) sehr ungünstig beurteilt.

62) Die Gräfin kann nur die gefeierte Sängerin Henriette Sontag sein, die sich 1830, bald nach ihrer Verheiratung mit dem Grafen Rossi, von der Bühne zurückzog.

63) Mit Ferdinand Fleck, dem genialen Berliner Schauspieler (gestorben 1801), einem Meister in der Darstellung von Heldenrollen, war Tieck in den Jahren 1794–1799 näher bekannt geworden. Vgl. Berend a. a. O. XVIII, XXIX f. Tiecks Urteil über den großen Künstler bei Köpke a. a. O. II 229 f.

64) Frau von Lüttichau's einzige am Leben gebliebene Tochter (Ein Lebensbild 23) Henriette Rosalie war am 22. Dezember 1830 geboren. Am 18. Mai 1850 heiratete sie den sächsischen Kammerherrn Hans Leopold von Globig. Vgl. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 4, 1903, 536.

65) Die von Frau von Lüttichau angeführten Worte (das Wort Streben in der Abschrift änderte ich sinngemäß in Sterben) sind Plutarchs Lebensbeschreibung des Pelopidas entlehnt. Dort heißt es im ersten Kapitel:

οἲδε ἒϑανον
ού τό ζῆν ϑέμενοι χαλὸν οὺδέ τὸ ϑνήσχειν
ὰλλὰ τό ταῦτα χαλώς άμφότεϱ' έχτελέσαι.

In der neuzeitlichen Übertragung von Wilhelm Ax (Plutarch, Helden und Schicksale, Leipzig 1935) lauten die Verse:

„Diese starben: sie sahen ihr Glück nicht im Tod noch im Leben,
Beides zu enden mit Ruhm, das war ihr einziger Stolz.“

Das dem Plutarch von Carus in seinem 1845 erschienenen Buche England und Schottland I 23 gespendete Lob regte dessen 83jährige Mutter und wohl auch die ihr liebevoll zugetane Frau von Lüttichau an, einiges von diesem Schriftſteller zu lesen. (Siehe darüber Lebenserinnerungen III 211.) Letzterer blieben anscheinend die Verse aus Plutarchs Pelopidas als besonders eindrucksvoll im Gedächtnis. [55] 66) Der berühmte Historienmaler Peter von Cornelius wurde 1841, ein Jahr vor Tieck, von München nach Berlin berufen, um sich bei den Kartons zu dem von Friedrich Wilhelm IV. geplanten Camposanto schöpferisch zu betätigen.

67) Graf Baudissin war seit Herbst 1840 in zweiter Ehe mit Sophie Kaskel, der Tochter eines reichen Dresdener Bankiers, verheiratet. Vgl. Wolf Graf Baudissin. Gedenkblätter für seine Freunde 1880, 45

68) Es handelt sich, wie Zaunick (a. a. O. 199–200) eingehend dargelegt hat, offensichtlich um die von Jean Mistler in seinem Buche Madame de Staël et Maurice O'Donnell 1805–1817 d'après des lettres inédites (Paris 1926) mitgeteilten Briefe und Billette der Frau von Staël, die von dem bisher unbekannten eigenartigen Liebesverhältnis der französischen Schriftstellerin mit dem um 14 Jahre jüngeren Wiener Grafen Moriz O'Donnell Kunde geben. 1811 heiratete dieser die Prinzessin Christine de Ligne und starb als Feldmarschall-Leutnant am 1. Dezember 1843 zu Dresden. Vgl. E. von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich XXI 2 f.

69) Wie Zaunick (a. a. O. 200) festgestellt hat, lebte Henriette von Bardeleben geb. von Bodungen aus Berlin, geschiedene erste Frau des Kurfürstlich-hessischen Oberstleutnants Franz Heinrich von Bardeleben, in den Jahren 1842–1852 in Dresden. Krankheitshalber kehrte sie 1852 nach Berlin zurück. Vgl. dazu Tieck's zehnten Brief S. 36.

70) Elise Freiin von Ungern-Sternberg, Oberaufseherin der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern, und ihre jüngere Schwester Amélie waren mit Carus' Tochter Caroline befreundet. Beide entstammten der zweiten Ehe des Geheimen Rates Wilhelm Freiherrn von Ungern-Sternberg, der von 1819–1821 Intendant des Mannheimer Theaters war und später in Dresden Tiecks engerem Kreise angehörte. (Nachweisungen bei Zaunick a. a. O. 201.) Der Freiherr starb am 25. April 1847, demnach bald nach der Niederschrift des Briefes der Frau von Lüttichau.

71) Die schwungvolle, aber zum Widerspruch reizende Rede, mit der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 11. April 1847 den ersten vereinigten Landtag eröffnete, ist u. a. in: Reden und Trinksprüche Sr. Maj. Friedrich Wilhelms des Vierten Königs von Preußen (Leipzig 1855) 41–56 abgedruckt. Eine zeitgenössische Kritik derselben besitzen wir in den „Bemerkungen über die Rede Friedrich Wilhelms IV. bei Eröffnung des Vereinigten Landtags zu Berlin“, Freistadt, bei Müller und Schmidt, 1847. Über ihre Wirkung äußert Heinr. von Treitschke (Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert V 5 620) „Die Thronrede erschreckte und verwirrte die Hörer.“

72) Das Aplombo des Königs, d. i. die Sicherheit seiner Haltung.

73) Der dem Abschreiber nicht geläufige Ausdruck der Spielersprache lautet: jouer à quitte ou à double und bedeutet „in der letzten Partie um Abtragung oder Verdoppelung der Schuld spielen“, d. h. alles wagen.

74) Wie Tieck seiner am 21. Februar 1841 gestorbenen Lieblingstochter Dorothea jahrelang nachtrauerte, so konnte er auch den Tod der Gräfin Henriette Finkenstein, seiner langjährigen inniggeliebten Hausgenossin, die am 23. November 1847 starb (Aus Tiecks Novellenzeit 157), nicht verwinden. Vgl. dazu Carus, Lebenserinnerungen III 242 f.

75) Frau von Lüttichau wurde im Sommer 1848 von einem heftigen typhösen Fieber befallen, kam aber schließlich glücklich durch. Vgl. Carus, ebenda III 261 f.

76) Als Abgeordneter für Frankfurt a. d. O. nahm Raumer an der am 18. Mai 1848 in der Paulskirche eröffneten Deutschen Nationalversammlung teil. Da er keine Rednergabe besaß, trat [56] er nicht besonders hervor. Von seinen Frankfurter Erlebnissen berichten seine Briefe aus Frankfurt und Paris 1848–1849 (2 Bände, Leipzig 1849). Vgl. auch Raumer, Vermischte Schriften I S. VII–X; Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XXVII 411.

77) Der Berliner Barrikadenkampf brach am Nachmittag des 18. März los. Vgl. Felix Rachfahl, Deutschland, König Friedrich Wilhelm IV. und die Berliner Märzrevolution, Halle a. d. S. 1901, 144.

78) Von Tiecks Kritischen Schriften, in denen seine literarhistorischen Arbeiten erstmalig gesammelt sind, erschienen 1848 bei Brockhaus zwei Bände. Am Schluß seiner Juni 1848 dazu geschriebenen Vorrede (I S. XVI) kündigt er, wie im vorliegenden Briefe, außer dem nie gedruckten dritten Bande der Vorschule (vgl. Anm. 50) ein Fortsetzung der 1825–1826 von Joseph Max in Breslau verlegten zwei Bändchen Dramaturgische Blätter an. Dieses dritte Bändchen erschien 1852 gesondert gleichzeitig mit der von Eduard Devrient besorgten zweibändigen Neuauflage der Dramaturgischen Blätter, die Band 3 und 4 der Kritischen Schriften bilden. Vgl. dazu Aus Tiecks Novellenzeit 154 f., 156 f., 159–162, 170, 175, 180 ff., 184–187, 189, 191, 211.

79) Hofrat Johann Valentin Teichmann war seit 1816 im Bureau der Generalintendanz der Königlichen Schauspiele in Berlin als Geheimer Sekretär tätig. Vgl. H. Holstein, Allgemeine deutsche Biographie XXXVII 542.

80) Frau von Lüttichau verabscheute die revolutionären Gewalttätigkeiten der Jahre 1848–1849, insbesondere die Frevel des Dresdener Maiaufstandes, in tiefster Seele.

81) Im Sommer hatte Frau von Lüttichau, wie sie in ihrer Antwort schreibt, einen starken Gichtanfall erlitten.

82) Ihr am Leben gebliebener zweiter Sohn Wolff Siegfried Karl, von dem im folgenden noch mehrfach die Rede ist, war am 30. September 1834 geboren. Vgl. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 4, 1903, 536. Er wurde später Herr auf Ulbersdorf und Sellin, Königlich Sächsischer Kammerherr, Oberhofmeister der Königin von Sachsen mit dem Titel eines Wirklichen Geheimen Rates. Vgl. Zaunick a. a. O. V 203 Anm. 150.

83) Von Zaunick auf Grund der in der Preußischen Staatsbibliothek befindlichen Abschrift in Carus, Lebenserinnerungen V 117-120, erstmalig veröffentlicht.

84) Im Herbst 1849 begleitete Franziska von Bülow ihren Sohn Hans nach Berlin, der dort seine juristischen Studien fortsetzen wollte. Wie Frau von Lüttichau erhoffte, erwies Tieck beiden viel Freundlichkeit. Siehe Reimann a. a. O. I 205 f. und Du Moulin-Eckart a. a. O. 66.

85) Frau von Lüttichau hatte Tiecks Tochter Dorothea als ihr geistesverwandte Persönlichkeit hochgeschätzt. Vgl. Carus, Lebenserinnerungen III 126.

86) Tiecks Neffe, der Kunsthistoriker Gustav Friedrich Waagen, war seit 1830 Direktor der Berliner Gemäldegalerie. Vgl. H. A. Lier, Allgemeine deutsche Biographie XL 411.

87) Der große dreibändige Roman William Lowell, Tiecks Hauptwerk seiner Universitätsjahre, war 1795–1796 erschienen. Vgl. Berend a. a. O. XXVII ff.

88) Dem französischen Ausdruck entspricht der englische Such is life.

89) Die Gedanken, die sich Frau von Lüttichau nach dem Abebben der revolutionären Bewegung in Dresden aufdrängten, kommen auch in ihren von Carus (Lebenserinnerungen III 282 f.) mitgeteilten Betrachtungen zum Ausdruck: „Wer den Bürgerkrieg bei Nahem nicht erlebt hat, weiß [57] nicht was es ist. Es mochte wol ein Vorgefühl davon sein, wenn ich sonst Berichte über Aehnliches las und so schauderte, wenn die Menschen dergleichen freventlich herbeiwünschen konnten, damit das Recht wieder eingesetzt werde, denn eben das Recht hört ja hier ganz auf! Kann man doch fast wahnsinnig werden vor Schmerz über das Elend, und über den allgemeinen Jammer, ja zuletzt alles was recht oder unrecht ist gänzlich vergessen, so daß uns nur der Mensch selbst übrigbleibt. Keine Meinung, kein System gilt da, alles das springt über Bord: der Sieg ist der Tod, also nur der Tod siegt. In diesem Kampf der Principien war immer, nur innerlich, mein Refrain:

Gottes ist der Orient! Gottes ist der Occident!

Und das gab mir Trost. – Ich mache jetzt wieder förmlich mein christliches Noviziat durch und hätte nicht geglaubt, daß das noch durch das Medium der Politik mir geschehen müsse; denn hier, wo es nicht meine Person gilt, wird mir das Vergeben und Vergessen weit schwerer, als es mir sonst je im Leben geschehen. Dieser moralische Ekel neben allem Jammer, den man dann empfinden kann über die ganze Menschheit! Auch das muß man mit erlebt haben, um zu wissen, was man alles in dieser Beziehung erfahren kann.“

90) Das von Carus (Lebenserinnerungen III 295–296) mitgeteilte Bruchstück eines Briefes der Frau von Lüttichau muß ein Teil des von ihr gegen Ende ihres vorhergehenden Briefes angekündigten Antwortschreibens auf Tiecks schwermütigen Brief vom 9. September 1849 sein. Denn im Eingang desselben streift sie mitfühlend die beweglichen Klagen des Dichters über die schattenhafte Verdunkelung seines Daseins, wie über das Fehlen der vom höheren Alter erhofften Weisheit, sicheren Ruhe und Leidenschaftslosigkeit. Weiterhin aber ist sie auch ernsthaft bemüht, von sich aus, wie es ihre Art ist, eine befreiende, für den Freund tröstliche Lösung zu finden.

91) Das Dresdener Exemplar des Shakespeare'schen Macbeth, das Tieck sich ein Jahr vor seinem Tode durch den ihm befreundeten Eduard Devrient nach Berlin schicken ließ (vgl. auch den folgenden Brief), war wohl anläßlich der Dresdener Neuaufführung des Stückes am 18. März 1836 (vgl. Proelß a. a. O. 460 und 617) entstanden. Es dürfte ein für diese Aufführung von Tieck angelegtes Regiebuch mit bühnentechnischen Bemerkungen gewesen sein, in der Art des im Besitz des Dresdener Kammersängers Dr. Waldemar Staegemann befindlichen Regiebuchs zu König Lear, das Karl Devrient, zu dessen Glanzrollen der Lear gehörte, mit vielen handschriftlichen Zusätzen versehen hat.

Literaturgeschichtliche Anmerkungen zum Macbeth hatte Tieck, der für dieses Stück besonderes Interesse bekundete, bereits in der 1833 bei Reimer erschienenen Ausgabe von Shakespeares dramatischen Werken (vgl. IX 393–418) beigesteuert.

92) Loebell wurde wohl damals bereits von qualvollen körperlichen Leiden heimgesucht. Vgl. Bernhardt a. a. O. 7.

93) Nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 hatte der Prinzpräsident Louis Napoleon ein Plebiszit über die Grundzüge einer neuen Verfassung und die Verlängerung seiner Amtszeit auf zehn Jahre angeordnet. Am 20. und 21. Dezember stimmten 7 439 216 dafür, dagegen nur 646 737. Daraufhin verkündete Napoleon am 14. Januar 1852 die neue Verfassung. Vgl. Propyläen-Weltgeschichte VIII: Liberalismus und Nationalismus 1848–1890 S. 75 f.

94) Der undatierte Brief dürfte im Frühsommer 1852 geschrieben sein. Für den Sommer war eine Reise der Frau von Lüttichau nach Berlin in Aussicht genommen. Tieck äußert darin den Wunsch, das Befinden der 1852 krank nach Berlin zurückgekehrten Frau von Bardeleben möchte sich im Sommer bessern.

[58] 95) Der am 2. August 1770 geborene Karl von Burgsdorff, der ältere Sohn Joachim von Burgsdorffs, ist näher nicht bekannt. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Wilhelm, Tiecks Schul- und Universitätsfreund, war ein feingebildeter Kunst- und Literaturliebhaber. Sein Gut Ziebingen bei Frankfurt a. d. O. diente dem Dichter und seiner Familie seit Ende 1802 über fünfzehn Jahre als Zufluchtsstätte. Siehe dazu Jahrb. des deutschen Adels I, 1896, 395 f.; Köpke a. a. O. I 299–308; Herm. Hettner, Allgemeine deutsche Biographie III 617.

96) Ombre chinoise: Tiecks Pläne entschwanden wie die Bilder eines chinesischen Schattenspiels.

97) Julius Pabst (geboren am 18. Oktober 1817) war zunächst Erzieher im Hause des Herrn von Lüttichau. Seit 1852 widmete er sich in Berlin literarischen Arbeiten. Am 1. Januar 1856 wurde er als Sekretär und Dramaturg bei der Generaldirektion des Dresdener Hoftheaters angestellt. Vgl. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten V 6 216 f.

98) In Sachsen hatte die Auflösung des „Unverstandslandtages“ im Jahre 1851 durch den sächsischen Innenminister Richard Freiherr von Friesen bei den einzelnen Parteien, der Leipziger Universität und der Presse wie ein Staatsstreich gewirkt. Vgl. Hans Beschorner, Allgemeine deutsche Biographie XXXXIX 144.

99) In Hessen wurden unter dem Direktor des Ministeriums des Innern, Reinhard Freiherr von Dalwigk, die Beamten gemaßregelt, die Untertanen bespitzelt, alle reaktionären Bestrebungen einseitig begünstigt, jede Regung eines fortschrittlichen und freien Geisteslebens dagegen unterdrückt. Siehe Wilhelm Diehl, Allgemeine deutsche Biographie XXXXVII 614.

100) Dänemark bedrückte die Schleswig-Holsteiner nach dem unglücklichen Ausgang der Erhebung der Herzogtümer durch Zwangsmaßnahmen schlimmster Art. Siehe darüber Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, Kiel 1925, 155.

101) Von Zaunick aus Mscr. Dresd. App. 314 Band 2 S. 157–161 in Carus, Lebenserinnerungen V 105–108 erstmalig veröffentlicht.

102) Tiecks Bruder, der anerkannt tüchtige, aber charakterschwache Bildhauer Christian Friedrich Tieck, war in seinem 75. Lebensjahre am 12. Mai 1851 in Not und Elend in Berlin gestorben. Vgl. Köpke a. a. O. II 137 und Wilhelm Bernhardi, Allgemeine deutsche Biographie XXXVIII 251. Tiecks Schwester Sophie, als romantische Dichterin nicht ganz unbekannt, war bereits am 12. Oktober 1833 in ihrem 59. Lebensjahre zu Reval einem Nervenschlag erlegen. In erster Ehe mit August Ferdinand Bernhardi, dem Jugendfreund ihres Bruders Ludwig, verheiratet, wurde sie nach erfolgter Scheidung im Jahre 1810 als Gattin des estländischen Barons Karl Gregor von Knorring ihren Brüdern mit der Zeit immer fremder. Vgl. M. Breuer, Sophie Bernhardi geb. Tieck, eine romantische Dichterin (Borna-Leipzig 1914, 1–13).

103) Über Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–1798), Tiecks frühvollendeten Freund und Jugendgefährten, siehe Haym, Die romantische Schule 50–55; Berend a. a. O. XXI f. – Friedrich Freiherr von Hardenberg, Pseudonym Novalis (1772–1801), und Tieck schlossen im Sommer 1799 in Jena einen auf Geistesverwandtschaft gegründeten Freundschaftsbund (Haym ebenda 425–428). – Über Solger siehe Anm. 19.

104) August Wilhelm Schlegels Überlegenheit gegenüber Tieck ließ ein Freundschaftsverhältnis zwischen beiden nicht aufkommen. Friedrich Schlegel fehlte die Innerlichkeit, die Tieck von einem Freunde verlangte. Siehe darüber L. Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe, herausgegeben von Henry Lüdeke, Frankfurt a. M. 1930, 21–25.

[59] 105) Die dem Dresdener Freundeskreise des Tieck'schen Hauses angehörende Schriftstellerin Adelheid Reinbold starb am 14. Februar 1839 im Alter von 39 Jahren. Ihr Roman König Sebastian und ihre gesammelten Novellen erschienen, von Tieck herausgegeben, nach ihrem Tode unter ihrem Decknamen Franz Berthold. Vgl. dazu Johannes Wetzel, Adelheid Reinbold, phil. Diss. Leipzig 1911, 11–29.

106) Der gestiefelte Kater, Kindermärchen in drei Akten, von Tieck in eine ironisch-satirische Komödie verwandelt, und Die verkehrte Welt, ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen, tatsächlich ein die Tollheiten des gestiefelten Katers noch weit überbietendes Lustspiel, waren 1797 bzw. 1799 erschienen. Vorstehende Charakterisierung beider Stücke gibt Berend a. a. O. XXXVII bis XXXIX.

107) Von Zaunickaus Mscr. Dresd. App. 314 Band 2 S. 151–156 in Carus, Lebenserinnerungen V 101–105 erstmalig veröffentlicht. Dieser Brief war der letzte, den der im 80. Lebensjahre stehende Dichter an Frau von Lüttichau richtete. Der Greis hatte das Bedürfnis, der vertrauten, innig geliebten Freundin vor seinem Ende noch von einem wunderbaren visionären Erlebnis Kenntnis zu geben, das ihn einst auf seiner mit 19 Jahren unternommenen Harzreise mächtig erschütterte. Was Köpke im Rahmen seiner Tieck-Biographie (I 142–144) davon berichtet, erzählte ihm der Dichter im hohen Alter voll tiefer Bewegung. Dichterische Phantasie dürfte, wie Zaunick (a. a. O. V 99) mit Recht hervorhebt, die Jahrzehnte zurückliegende Begebenheit durch Abänderungen und Zusätze im einzelnen wirkungsvoll ausgeschmückt haben.

108) Gemeint ist Hettstedt an der Wipper bei Eisleben, mit Kupferhütten und Silberschmelze, im Mansfelder Kreise.

109) Tieck meint den mitunter auch Stufenberg genannten Stubenberg (281 m) südlich von Gernrode, einen der schönsten Aussichtspunkte am Ostrande des Unterharzes. Ebenfalls prächtige Aussicht bietet die Roßtrappe (403 m), 197 Meter über dem Bodetal.

110) Aus Carus, Lebenserinnerungen IV, 126–128.

111) Von Zaunick aus Mscr. Dresd. e 85 mc S. 3 in Carus, Lebenserinnerungen V 121-122 erstmalig veröffentlicht.

112) Von Zaunick aus Mscr. Dresd. e 85 mc S. 7 in Carus, Lebenserinnerungen V 127 erstmalig veröffentlicht. [60]

Namenverzeichnis
(Die in den Anmerkungen vorkommenden Namen blieben unberücksichtigt.)


[61]
Alberti, Agnes, geb. Tieck 28, 36
Bardeleben, Henriette von 26, 35/36
Baudissin, Sophie Gräfin, geb. Kaskel 25, 30
Baudissin, Wolf Graf 10, 14, 16, 21, 25, 30
Bendemann, Eduard 15, 21, 30
Berend, Eduard 7
Berthold, Franz siehe Reinbold, Adelheid
Bojanowsky, Rosalie von, geb. von Knobeldorf 14
Bose, Katharine Natalie Elisabeth Gräfin 13
Bülow, Franziska Elisabeth von, geb. Stoll von Berneck 17/18, 25, 32
Bülow, Hans von 18, 32
Bülow, Isa von 18
Bülow, Karl Eduard von 10, 14, 16/18, 21, 25, 28
Bülow von Dennewitz, Louise Gräfin 17/18, 21, 25
Burgsdorff, Karl von 36
Carus, Carl Gustav 8/9, 19, 37
Cornelius, Peter von 25
Devrient, Eduard 10, 24, 35
Duller, Eduard 21
Finkenstein, Familie Graf 7, 36
Finkenstein, Henriette Gräfin 7, 10, 16, 19, 21, 27, 29/30, 39
Fleck, Ferdinand 24
Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 9, 11, 21, 26/27
Friesen, Hermann Freiherr von 7, 10, 14, 16, 26
Globig, Henriette Rosalie von, geb. von Lüttichau 37
Grahl, August 21
Gutzkow, Karl 11, 16, 21, 23
Hardenberg, Friedrich Freiherr von (Pseudonym Novalis) 11, 15, 19, 40
Hell, Theodor siehe Winkler, Karl Gottfried Theodor
Hübner, Julius 15, 21, 30
[62]
Immermann, Karl Leberecht 24
Jonson, Ben 8, 13
Karl I., König von England 27
Keudell, Rudolf Wilhelm Leopold Karl von 19, 21/22
Kind, Friedrich 7
Knobelsdorf, Henriette von, geb. von Röppert 7
Knobelsdorf, Karl Christoph von 7, 10, 15
Köpke, Rudolf 7
Kraukling, Karl Constantin 21, 23
Krüger, Hermann Anders 9
Le Maistre, Elisabeth 7
Loebell, Johann Wilhelm 8/9, 14, 23, 35
Louis Napoleon, Prinz 11, 35
Ludwig XVI., König von Frankreich 26
Lüttichau, Henriette Rosalie von 24, siehe auch Globig, Henriette Rosalie von
Lüttichau, Wolff Adolf August von 7/9, 14, 21, 30/32, 34, 36/37
Lüttichau, Wolff Siegfried Karl von 31, 34, 36/37
Mangold, Karl Ludwig Amand 10, 21
Marston, John 13
Napoleon I., Kaiser der Franzosen 11, 35
Nicolai, Friedrich 19
Novalis siehe Hardenberg. Friedrich Freiherr von
O’Donnell, Moritz Graf 25
Oedipus 34
Pabst, Julius 37
Plutarch 25
Raumer, Friedrich von 10/11, 13, 22, 25, 29
Reinbold, Adelheid (Pseudonym Franz Berthold) 40
Röstell, Friedrich Wilhelm 22
Rötscher, Heinrich Theodor 24, 26
Rumohr, Karl Friedrich von 16
Schlegel, August Wilhelm 9, 11, 40
Schlegel, Friedrich 8, 11, 13, 40
Schnorr von Carolsfeld, Julius 21, 25
Serre, Friederike, geb. Hammerdörfer 21, 26
Serre, Friedrich Anton 21, 26
Shakespeare, William 10, 13, 22/23, 29, 35/36
Solger, Henriette, geb, von der Groeben 21, 30
Solger, Karl 8, 11, 13, 40
Sontag, Henriette 24
Staël-Holstein, Germaine, Baronin von 25/26
Sternberg siehe Ungern-Sternberg
Teichmann, Johann Valentin 30, 32/33
Tieck, Agnes siehe Alberti, Agnes
Tieck, Amalie, geb. Alberti 10
Tieck, Dorothea 10, 14, 27, 32, 39
Tieck, Friedrich 11, 14, 20, 39
Tieck, Sophie, in erster Ehe mit Aug. Ferd. Bernhardi, in zweiter Ehe mit Karl Gregor von Knorring verheiratet 11, 20, 39
Ungern-Sternberg, Elise Freiin von 26
Ungern-Sternberg, Wilhelm Freiherr von 26
Vogel von Vogelstein, Karl Christian 21
Waagen, Gustav Friedrich 32
Wackenroder, Wilhelm Heinrich 11, 40
Wagner, Richard 10, 21
Winkler, Karl Gottfried Theodor (Pseudonym Theodor Hell) 7, 9
Zaunick, Rudolph 8
Zeydel, Edwin H. 7




Anmerkungen

  1. Vgl. Rudolf Köpke, Ludwig Tieck. Erinnerungen aus dem Leben des Dichters (Leipzig 1855). – Hermann Freiherr von Friesen, Ludwig Tieck. Erinnerungen eines alten Freundes aus den Jahren 1825–1842 (Wien 1871). – Eduard Berend, Lebensbild. Einleitung zu Tiecks Werken, herausgegeben von Ed. Berend (Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 1923). – Edwin H. Zeydel, Ludwig Tieck, the German romanticist (Princeton 1935).
  2. 4 Bände, Leipzig 1865–1866.
  3. Carus erhielt die wertvolle kleine Briefsammlung von der Familie von Lüttichau zum Geschenk. Von den elf Berliner Briefen tragen die letzten fünf nur Tiecks eigenhändige Namensunterschrift. Er diktierte sie dem ihm von König Friedrich Wilhelm IV. seit 1844 zum Helfer bei seinen Arbeiten bestellten Sekretär Karl Hellmuth Dammas, der sich später unter dem Decknamen Feodor Steffens dichterisch betätigte. Vgl. Aus Tiecks Novellenzeit. Briefwechsel zwischen L. Tieck und F. A. Brockhaus, herausgegeben von Heinrich Lüdeke von Möllendorff (Leipzig 1928) 154, 178, 191. – Franz Brümmer, Allgemeine Deutsche Biographie XXXV 554 f.
  4. Die Originalbriefe gingen verloren. Es handelt sich um Abschriften, die sich in der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin befinden, von der Hand des in Anmerkung 3 genannten Dammas.
  5. III 295–296; IV 126–128.
  6. Carus, Lebenserinnerungen V 121 f. und 127.
  7. Köpke a. a. O. II 262.
  8. Lebenserinnerungen III 92.
  9. Siehe Köpke a. a. O. II 108; Carus, Lebenserinnerungen III 142, 214 f.
  10. Carus, Lebenserinnerungen III 221.
  11. So hat auch Raumer gewiß in Frau von Lüttichaus Sinne gehandelt, wenn er aus den zahlreichen Briefen, die beide sich in den Jahren 1833–1852 schrieben, in seinem Literarischen Nachlaß (II 214–224) nur Bruchstücke aus seinen Briefen, kein einziges dagegen aus den ihrigen veröffentlichte.
  12. Tieck zu Carus (Lebenserinnerungen III 93): „Wenn irgendeine, so sei diese Frau eigentlich berufen und berechtigt gewesen, als Schriftstellerin aufzutreten und als solche nachhaltig zu wirken, nur daß die feine Fühlung ihres Wesens ihr selbst überall dergleichen untersagt habe.“
  13. Im Juni 1826 weilte Tieck mit den Seinen und der Gräfin Henriette Finkenstein in Teplitz, dessen Bäder, wie in früheren Jahren, sein altes gichtisches Leiden (Köpke a. a. O. II 36, 42) lindern sollten. Frau von Lüttichau befand sich zu dieser Zeit auf Rittergut Ulbersdorf, dem Familienbesitztum ihres Gatten, wo sie sich zu ihrer Erholung, vor allem aber um ungestört ihren wissenschaftlichen Studien leben zu können, öfters während der Sommermonate aufzuhalten pflegte. Vgl. Ein Lebensbild 26 f.; Carus, Lebenserinnerungen III 94 Anm.
  14. Der Geschichtschreiber Friedrich von Raumer hatte Tiecks erste Bekanntschaft 1810 in Ziebingen gemacht. Mit der Zeit standen beide in regem Briefwechsel. Später suchte Raumer den Freund gern im Frühling und Herbst in Dresden auf, und diese Besuche führten ihn auch mit Frau von Lüttichau zusammen. Vgl. Raumer, Lebenserinnerungen und Briefwechsel (2 Bände, Leipzig 1861); Köpke a. a. O. Band I S. XX, 368 f., II 65; Friesen a. a. O. I 21 ff.
  15. In der Beurteilung Friedrich Schlegels, dessen Werke 1822–1825 in Wien erschienen waren, hält Tieck sich von einseitiger Bewunderung frei. Gewiß wirkte bei ihm auch der Eindruck nach, den Schlegel nach Jahren der Trennung während eines mehrwöchigen Aufenthalts in Dresden im Herbst 1824 auf ihn gemacht hatte. Näheres bei Köpke a. a. O. II 26–28; Raumer a. a. O. II 169 f.
  16. Über die mit Herrn von Lüttichau unternommene Kunstreise, auf der die beiden sich zunächst in Wien aufhielten, siehe Köpke a. a. O. II 36–52 und Tieck, Kritische Schriften IV 1 ff.
  17. Ähnlich klagt Friedrich Schlegel in der von ihm 1820 begründeten Zeitschrift Concordia (S. 23): „Man behandle sogar die Religion, das Auge Gottes, als Parteiangelegenheit.“ (Fanny Imle, F. von Schlegels Entwickelung, Paderborn 1927, 254.)
  18. Ben Jonsons Dichtungen, seine Lustspiele, Komödiensatiren, Maskenspiele sowie die Trauerspiele Sejanus und Catilina (Dictionary of National Biography XXX 186–-191), hatte Tieck in den Jahren 1793–1817 wiederholt durchstudiert. In Anlehnung an den Volpone or the Fox dichtete er 1793 das Lustspiel „Herr von Fuchs“. Vgl. dazu Hermann Stanger, Der Einfluß Ben Jonsons auf L. Tieck (Studien zur vergleichenden Literaturgeschichte I, 1901, 182 ff. und II, 1902, 37 ff.); Harry Lüdeke, L. Tieck und das alte englische Theater in Deutsche Forschungen Heft 6, 1922, 26 ff.; Walther Fischer, Tieck als Ben Jonson-Philologe im Shakespeare-Jahrbuch LXII, 1926, 99–102 und 130 f.; Edwin H. Zeydel, L. Tieck and England (Princeton 1931) 8, 14 ff., 72 f. – Der neueren Forschung zufolge richtet sich der Poetaster nicht gegen Shakespeare und den zeitgenössischen Dramatiker John Marston (1575–1634), sondern gegen Thomas Dekker (1570 bis 1641). Vgl. Roscoe Addison Small, The stage quarrel between Ben Jonson and the socalled Poetasters = Forschungen zur englischen Sprache und Literatur Heft 1, 1899.
  19. Von Natur unphilosophisch, wurde Tieck durch die Lehre der Identität von Kunst, Philosophie, Mystik und Religion seines 1811 an die Berliner Universität als Professor der Philosophie berufenen Freundes Karl Solger besonders nachhaltig beeinflußt. Näheres darüber bei Köpke a. a. O. I 365 ff.; Erich Schönebeck, Tieck und Solger, phil. Diss. Berlin 1910; Tieck and Solger. The complete correspondence by Percy Matenko (Newyork, Berlin 1933) 1–74. Die große Vorliebe für die Gedankenwelt des am 20. Oktober 1819 gestorbenen Philosophen bestimmte Tieck, dessen nachgelassene Schriften und Briefe 1826 zusammen mit Raumer herauszugeben. Die beiden in Band II 1–53 und 54–199 enthaltenen Aufsätze sind betitelt: „Briefe, die Mißverständnisse über Philosophie und deren Verhältniß zur Religion betreffend“ und „Ueber die wahre Bedeutung und Bestimmung der Philosophie besonders in unserer Zeit“.
  20. Vermutlich die am 27. April 1795 geborene Gräfin Katharine Natalie Elisabeth Bose, Gemahlin des Königl. Sächsischen Hofmarschalls August Karl Graf Bose. Vgl. Geneal. Taschenbuch der deutschen gräflichen Häuser Jahrg. 3, 1827, 24.
  21. Frau von Lüttichaus jüngere Schwester Rosalie (geb. 1800) hatte 1821 den nachmaligen preußischen General Gustav Xaver von Bojanowsky geheiratet. Vgl. Ein Lebensbild 9. 12, 26; Gothaisches geneal. Taschenbuch der adeligen Häuser Jahrg. 3, 1902, 456.
  22. Über Johann Wilhelm Loebells Freundschaft mit Tieck vgl. Tieck, Schriften VI 3 f.; Köpke a. a. O. II 70 f., 260 f.; Friesen a. a. O. I 31; über Loebells Bedeutung als Geschichtsforscher siehe Theodor Bernhardt und Karl von Noorden, Zur Würdigung J. W. Loebells (Braunschweig 1864) und Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XIX 35–38.
  23. Von den erhalten gebliebenen Briefen, die Tieck der Freundin aus Berlin schrieb, ist dies der frühste. Wir entnehmen ihm die wichtige Tatsache, daß der Dichter die Folgen seines vor anderthalb Jahren erlittenen Zusammenbruchs erst März 1844 einigermaßen überwunden hat. – Über Tiecks Eigenheit, das Briefschreiben immer wieder hinauszuschieben, siehe Köpke a. a. O. II 128 f.
  24. Karl Eduard von Bülow, der dreißig Jahre jüngere Schüler und Freund Tiecks, machte sich in erster Linie als fleißiger Übersetzer, aber auch als Herausgeber und Novellendichter einen Namen. Vgl. Heinrich Reimann, Hans von Bülow (Berlin 1908) I 19 ff.
  25. Baden-Baden war dem Dichter durch fünfmaligen Kurgebrauch in den Jahren 1810, 1830, 1834, 1836 und 1841 bekannt (Köpke a. a. O. I 345, II 91 und 105).
  26. Von Tiecks engerer Familie lebte 1844 außer seiner jüngeren Tochter Agnes, die 1843 nach Schlesien geheiratet hatte, nur noch sein seit 1820 in Berlin als Bildhauer tätiger Bruder Friedrich. Seine Schwester Sophie war 1833, seine Frau 1837, seine ältere Tochter Dorothea 1841 gestorben.
  27. Zu den engsten Dresdener Freunden gehörten außer Bülow sein späterer Biograph, der Kammerherr Hermann Freiherr von Friesen, der als Molière- und Shakespeare-Übersetzer bekannte Schriftsteller Wolf Graf Baudissin, den sein literarischer „Oberlehnsherr“ in Berlin besonders schmerzlich vermißte, sowie die beiden 1838 bzw. 1839 aus Düsseldorf nach Dresden berufenen Akademieprofessoren, die Porträt- und Historienmaler Eduard Bendemann und Julius Hübner.
  28. Zu den berühmten dramatischen Vorlesungsabenden, die Tieck in Dresden veranstaltete, fanden sich regelmäßig zahlreiche Fremde ein. Vgl. Georg Beutel, Dresdener Geschichtsblätter Band VI Jahrg. XXII, 1913, Nr. 4 S. 56–68.
  29. Die vom Geiste der Romantik erfüllte Gedankenwelt des Dichters war stark auf das Übersinnliche, Wunderbare, Geheimnisvolle gerichtet: Träume und Gesichte spielen in seinem Leben und Dichten, wie zuerst Köpke (a. a. O. II 126 ff.) und L. H. Fischer (Aus Berlins Vergangenheit, Berlin 1891, 168–180) zusammengestellt haben, eine große Rolle. Siehe dazu Philipp Lersch, Der Traum in der deutschen Romantik, München 1923, 25 ff., 40 ff.; Ilse Weidekampf, Traum und Wirklichkeit in der Romantik = Palaestra CLXXXII, 1932, 7 ff. Gern weilte der junge Tieck nachdenklich grübelnd nachts auf Kirchhöfen. Vgl. Köpke ebenda I 103; Willi Busch, Das Element des Dämonischen in L. Tiecks Dichtungen, phil. Diss. München 1911, 25. Darum ist ihm auch die vorletzte Strophe des Kirchhofgedichtes, das sich in seinem Bericht über die Fortsetzung des Ofterdingen (Novalis' Schriften, herausgegeben von Kluckhohn I 255) findet:

    „Könnten doch die Menschen wissen,
    unsre künftigen Genossen,
    daß bey allen ihren Freuden
    wir geschäftig sind:
    Jauchzend würden sie verscheiden,
    gern das bleiche Dasein missen!“

    aus der Seele gesprochen, und danach hätte ihn der frühe Tod seiner Freunde Wackenroder, Novalis und Solger sowie seiner Lieblingstochter Dorothea im Grunde nicht erschüttern dürfen. Siehe dazu Walther Rehm, Der Todesgedanke in der deutschen Dichtung vom Mittelalter bis zur Romantik, = Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Buchreihe XIV, 1928, 421-428. Und wie Tieck selbst, so sind auch die Menschen, die uns in seinen Dichtungen begegnen, von Todesahnung und Todessehnsucht erfüllt. Nachweisungen darüber bei Marianne Thalmann, Probleme der Dämonie in L. Tiecks Schriften = Forschungen zur neueren Literaturgeschichte LIII, 1919, 51 f.

  30. Oberstallmeister Karl Christoph Gottlob von Knobelsdorf, Herr auf Sellin, lebte nach dem Tode seiner Gattin Henriette geb. von Röppert (gest. am 9. April 1838) bei seiner Tochter Ida in Dresden. Er selbst starb am 15. Februar 1845. Vgl. Ein Lebensbild 11, 17: Gothaisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 3, 1902, 456.
  31. Memoiren über sein Leben zu schreiben hatte Tieck seinem Verleger Brockhaus bereits 1837 versprochen. Zunächst begann er Stoff dafür zu sammeln. Dann machte er sich in Berlin seit 1844 bis zu seinem Tode immer von neuem an die eigentliche Arbeit. Schließlich fehlte die Kraft, sie fertigzustellen. Siehe darüber: Aus Tiecks Novellenzeit 118, 121, 124 f., 127, 154, 156, 160 ff., 166, 169 f., 186-189, 197.
  32. Der auch mit Frau von Lüttichau befreundete Kunstschriftsteller Karl Friedrich von Rumohr war, an Brustwassersucht leidend, kurz vor seinem Tode nach Dresden gereist und hier am 25. Juli 1843 am Schlagfluß gestorben. In den Jahren 1805-1806 hatte Tieck in Italien frohe Tage mit ihm verlebt, später aber unter seiner Reizbarkeit und Empfindlichkeit gelitten. Vgl. Köpke a. a. O. I 312 f., 316 f., 327, II 65 f.; Heinrich Wilhelm Schulz, K. F. von Rumohr (Leipzig 1844) 76 f.
  33. Das Junge Deutschland und damit die Werke der damaligen modernen Literatur lehnte Tieck, der ein begeisterter Verehrer der Dichtungen eines Dante, Shakespeare, Calderon und Goethe war (vgl. Köpke a. a. O II 176 f., 208 ff.; Hermann Anders Krüger, Pseudoromantik, Leipzig 1904, 182 ff.), bis auf wenige Ausnahmen schroff ab. Wenn er am 14. November 1835 an Brockhaus schreibt: „Diese Gutzkow usw. – wie ohne Gesinnung, Talent und Wissen“ (aus Tiecks Novellenzeit 103), so kommt hier sein Ärger darüber zum Ausdruck, daß Gutzkow in Nummer 3 des Literaturblatts zum Phoenix, Frühlingszeitung für Deutschland, vom 21. Januar 1835, Tiecks Schilderhebung nach Goethes Tode durch die berlinischen Cliquen bespöttelt und fortgesetzt von der untergeordneten Rolle, die er in der Literatur spiele, gesprochen hatte. Siehe dazu Harry Iben, Karl Gutzkow als literarischer Kritiker, phil. Diss. Greifswald 1928, 186 f. Ausfälle gegen das Junge Deutschland enthält auch die 1839 in Jahrg. 3 der Helena erschienene Tiecksche Novelle Liebeswerben. So weit aber durfte der Dichter in seiner Ablehnung nicht gehen, daß er Gutzkows Zopf und Schwert, nach Houben (Karl Gutzkows Leben und Schaffen, Leipzig 1908, 78) eines der wenigen guten Lustspiele des neunzehnten Jahrhunderts, das bei seiner Erstaufführung in Dresden am 1. Januar 1844 eine begeisterte Aufnahme fand, als etwas ganz Übles verwarf.
  34. Eine Ausstellung von Würmern und anderen Parasiten in erleuchteten gefärbten Gläsern dürfte Tieck 1817 auf seiner englischen Reise im Britischen Museum gesehen haben.
  35. Eduard von Bülows Ehe mit Franziska Elisabeth Stoll von Berneck, die er um ihrer geistigen Regsamkeit und vielseitigen Bildung willen 1828 geheiratet hatte, ging nach Jahren des Glückes ihrer Auflösung entgegen. Bülows unsichere, äußerlich wenig aussichtsvolle Lebensstellung bekümmerte mit der Zeit die im Hause ihres Schwagers, des Leipziger Stadthauptmannes Frege, in glänzenden Verhältnissen aufgewachsene Frau; sie wiederum wurde dem Gatten durch zunehmende Reizbarkeit und Heftigkeit zur Pein. Immer mehr fühlte Bülow sich zu der mit seiner Frau befreundeten Gräfin Louise von Bülow, Tochter des preußischen Feldmarschalls Grafen Bülow von Dennewitz, hingezogen. Die geeignetste Persönlichkeit, unter diesen schwierigen Umständen zu vermitteln und eine alle Beteiligten befriedigende Lösung anzubahnen, schien Tieck Frau von Lüttichau, seine feinfühlige, edeldenkende, beiden Ehegatten gleich nahe stehende Freundin zu sein. Doch brachten die nächsten Jahre, in denen Bülow mit den Seinen in Stuttgart lebte, wie Tiecks sechster Brief und Frau von Lüttichaus Antwort darauf erkennen lassen, zunächst keine Änderung der bestehenden Verhältnisse. Erst 1849 willigte Franziska in die Scheidung, und am 5. November dieses Jahres heiratete Bülow die Gräfin Louise. Beide lebten fortan glücklich auf Schloß Oetlishausen im schweizerischen Thurgau und hatten die Freude, hier bisweilen Franziska und ihre beiden Kinder, den später so berühmt gewordenen Pianisten und Kapellmeister Hans und seine Schwester Isa, bei sich zu sehen. Siehe dazu Reimann a. a. O. I 38–50, 67; Richard Graf Du Moulin-Ekart, Hans von Bülow (München 1921) 19–25, 66 f.
  36. Tieck schrieb diesen Brief sieben Monate nach dem zweiten Schlaganfall (Oktober 1845), der seine Lebenskraft von neuem schwächte
  37. Überbringer dieses Briefes war der 1808 zu Königsberg geborene Schriftsteller Rudolf Wilhelm Leopold Karl von Keudell, der um 17 Jahre ältere Bruder des deutschen Staatsmannes Robert von Keudell; vgl. Jahrb. des Deutschen Adels II, 1898, 255. Nach Rudolf von Gottschall (Die deutsche Nationallitteratur des 19. Jahrhunderts IV, 675 f.) verfaßte K. zunächst Romane in Tieckscher Art. Die „Musikanten“ wurden anscheinend nicht gedruckt. Die von Tieck gerügten freiheitlichen Anschauungen Keudells kamen vor allem in seinen späteren Werken: „Die Politiker. Eine Tendenz-Novelle geschrieben im Herbst 1848“ (Leipzig 1848) und „Außerhalb der Gesellschaft.Träumereien eines gefangenen Freien“ (4 Bände, Leipzig 1849) zum Ausdruck.
  38. An der Spitze der Nicolaiten stand der „Nestor der Berliner Aufklärung“, der Buchhändler Friedrich Nicolai, der Herausgeber der Allgemeinen deutschen Bibliothek, der Verleger der Straußfedern, für die Tieck in den Jahren 1795–1798 notgedrungen Beiträge lieferte. Nicolai's Wesensart charakterisieren am besten die ihm beigelegten Bezeichnungen „Repräsentant der Unpoesie“, „Goliath der Philister“, „Antipode der neuen Goetheschen Dichtung“. Zu seinen hauptsächlichsten Anhängern gehörten die Theaterleiter und Dichter Johann Jakob Engel und Karl Wilhelm Ramler. Vgl. R. Haym, Die romantische Schule 5 61–64.
  39. Eine deutsch-katholische Gemeinde, ein Glied der von dem abgesetzten schlesischen Priester Johannes Ronge ins Leben gerufenen deutsch-katholischen Kirche, hatte sich am 15. Februar 1845 auch in Dresden gebildet. Vgl. Rechenschaftsbericht über das Provisorium der deutsch-katholischen Gemeinde zu Dresden (Dresden 1845) und dazu Handbuch der Kirchengeschichte, herausgegeben von Gustav Krüger IV2, bearbeitet von Horst Stephan und Hans Leube, Tübingen 1931, § 36, 12. – Papst Pius VII. hatte durch das Breve vom 7. August 1814 die Wiederherstellung des Jesuitenordens verfügt. Sie hatte eine gewaltige Machtsteigerung des Ordens zur Folge. Vgl. Handbuch a. a. O. IV2 , § 31, 2.
  40. Im Juni 1846 auf der Reise nach dem ihr durch Erbschaft zugefallenen Familiengute Sellin hielt sich Frau von Lüttichau einen Tag bei Tieck und der Gräfin auf (Ein Lebensbild 37 f.). Über ihren Besuch berichtete sie an Carus (Lebenserinnerungen III 221 f.): „Allerdings war der Anblick der beiden alten Freunde schmerzlich, da sie beide körperlich in diesen vier Jahren sehr zurückgegangen sind. So fand ich denn also Tieck einestheils verändert und doch auch nicht verändert. Denn wenn er saß und sprach, obgleich viel magerer und spitzer und kränker aussehend als sonst, war alles doch ziemlich auf die alte Weise.“
  41. Den Sommer verbrachte Tieck bis zum Jahre 1848 in Potsdam in einer ihm vom König eingerichteten freundlichen Gartenwohnung, die übrige Zeit wohnte er in Berlin, Friedrichstraße 208, in einem vornehmen einstöckigen Hause. Vgl. Köpke a. a. O. II 108 f., 124 f.; Berend a. a. O. LXXV.
  42. Bis zu seinem Weggang von Dresden durfte Tieck sich glücklich schätzen, in Frau von Lüttichau jahrelang eine Persönlichkeit um sich zu haben, der es gegeben war, seine dichterischen Gedanken und Pläne nicht nur klar zu erfassen, sondern auch mit feinem Verständnis zu vertiefen und weiterzuführen (Ein Lebensbild 32 f.). Sein Erbe trat Carus an, der seit Herbst 1839 täglich mit ihr zusammenkam. Ihr teilte der geistvolle Arzt die schwierigsten Kapitel seiner Psyche, die 1846 im Druck erschien, zur Prüfung mit und hatte reichen Gewinn von diesem Gedankenaustausch (Lebenserinnerungen III 167, 211).
  43. Des frühvollendeten Seelenfreundes Novalis hat Tieck als Mitherausgeber seiner Schriften im letzten Absatz der Vorrede zur 1. Auflage von 1802 (S. XI f.) ehrfürchtig gedacht.
  44. Mit seinen Geschwistern muß Tieck bisweilen heftige Auftritte gehabt haben. Nach seinem Briefe vom 3. Februar 1853 (S. 39) bestand zwischen ihnen und ihm kein freundschaftliches Einvernehmen.
  45. Am 1. Oktober 1842 hatte Tieck die erbetene Entlassung als Dramaturg erhalten. Auf seinen Wunsch blieb die Stelle unbesetzt. Eine Zwischenlösung bedeutete es, daß der am 1. Juni 1844 als Schauspieler und Oberregisseur nach Dresden berufene Eduard Devrient das Amt eines dramaturgischen Beirates mit übernahm. Er versah es auch weiter, als er im Februar 1846 die Oberregie niederlegte und sich auf seine Schauspielertätigkeit beschränkte. Doch hielt Herr von Lüttichau es nunmehr für angezeigt, die Tieck'sche Dramaturgenstelle vom 1. Januar 1847 ab ordnungsgemäß zu besetzen. Da die Dresdener Schauspieler den in Leipzig als Schriftsteller tätigen Heinrich Laube, der in erster Linie dafür in Aussicht genommen war, ablehnten, entschied sich der Intendant für Gutzkow, der ihm nach dem großen Erfolge seiner letzten Stücke „Zopf und Schwert“ und „Das Urbild des Tartüffe“ sehr geeignet erschien, um so mehr, als Carus und das gewichtige Schauspielerpaar August Bürck und Marie Bayer diese Wahl warm befürworteten. Freilich hatte Tieck nur zu recht mit seiner Voraussage, Herr von Lüttichau werde bald genug mit dem selbstherrlichen Manne viel Verdruß haben. Siehe dazu Robert Proelß, Geschichte des Hoftheaters zu Dresden (Dresden 1878) 504–507, 512–522, und Houben, Gutzkow-Funde (Berlin 1901) 380–391.
  46. Richard Wagner, der seit 1842 in Dresden als zweiter Kapellmeister angestellt war, scheint sich bei der ihm wohlgesinnten Frau von Lüttichau darüber beklagt zu haben, daß Tieck der am 17. Mai 1846 in Darmstadt aufgeführten Tannenhäuseroper heiteren Stils des hessischen Musikdirektors Karl Ludwig Amand Mangold, deren Text der Dichter Eduard Duller verfaßte, mehr Beachtung schenkte als seiner großen romantischen Oper, die zwar bei der ersten Aufführung am 19. Oktober 1845 in Dresden keinen Erfolg hatte, bei der ersten und zweiten Wiederholung dagegen sehr gefiel. Mit Mangolds Tannenhäuser mußte Tieck sich eingehender beschäftigen, weil sein königlicher Herr, der sich für die von der hessischen Prinzessin Elisabeth empfohlene Oper interessierte, für eine Aufführung in Berlin szenische Änderungen wünschte, die Duller und Mangold bekanntzugeben waren. Wagner sollte die Genugtuung haben, daß der Mangold'sche Tannenhäuser trotz der vorgenommenen Änderungen in Berlin nie zur Aufführung kam, während sein Tannhäuser, dem Berlin zunächst allerdings verschlossen blieb, beim Besuch des Preußenkönigs in Dresden auf dessen ausdrücklichen Wunsch am 22. November 1847 gegeben wurde. Vgl. dazu H. Riemann, Opern-Handbuch (Leipzig 1887) 546; L. H. Fischer, Aus Berlins Vergangenheit 158–162; Glasenapp, Das Leben Richard Wagners II 1 3 106–107 Anm.; Rich. Wagner, Mein Leben. Kritisch durchgesehen, eingeleitet und erläutert von W. Altmann (Leipzig 1923) I 350 f., 422–431, 446 f., 471–475, 488.
  47. a b c d August Grahl, einer der bedeutendsten Miniaturmaler des neunzehnten Jahrhunderts, hatte sich 1835 in Dresden niedergelassen. – Der Porträt- und Historienmaler Karl Christian Vogel von Vogelstein wurde im Dezember 1820 als Nachfolger Gerhard von Kügelgens zum Akademieprofessor in Dresden ernannt. – Major Friedrich Anton Serre, der Begründer der Tiedge- und Schillerstiftung, und seine Gattin Friederike geb. Hammerdörfer versammelten das geistige Dresden in ihrem Hause. – Solgers Witwe Henriette geb. von der Groeben war, um dem Freunde ihres am 25. Oktober 1819 verstorbenen Gatten möglichst nahe zu sein, von Berlin nach Dresden in das von dem Dichter bewohnte Haus Am Alten Markt 521 gezogen.
  48. Der Münchener Maler Julius Schnorr von Carolsfeld war im Herbst 1846 als Kunstakademieprofessor und Direktor der Gemäldegalerie nach Dresden berufen worden.
  49. Der aus Kurland stammende federgewandte Karl Constantin Kraukling (1792–1857) wurde 1839 zum Inspektor der Dresdener Rüstkammer ernannt. Vorher war er Sekretär, später Bibliothekar der Königlichen Bibliothek zu Dresden gewesen. Vgl. H. A. Krüger, Pseudoromantik 159.
  50. Das Manuskript von Shakespeares Vorschule Teil 3 hatte Tieck seinem Verleger Brockhaus bereits am 20. März 1835 in Aussicht gestellt. Die Zusendung erfolgte aber erst am 31. Dezember 1847. Wenn Teil 3 ungedruckt blieb, so liegt das daran, daß Tieck trotz wiederholter Mahnungen bis an sein Lebensende nicht dazu kam, in der Art der Vorreden, mit denen er die ersten beiden 1823 und 1829 erschienenen Teile begleitet hatte, auch zum dritten eine längere Vorrede zu schreiben. Siehe Aus Tiecks Novellenzeit 94, 153, 155, 158–162, 179, 189 f., 192, 196 f., 199. – Erst in den Jahren 1893–1895 gab Johannes Bolte die in Teil 3 enthaltenen Stücke: Mucedorus, Das schöne Mädchen von Bristol und Die Comödie von Jemand und Niemand aus dem in der Preußischen Staatsbibliothek verwahrten Nachlaß Tiecks einzeln heraus. Vgl. Fritz Böhm, Bolte-Bibliographie (Zeitschrift für Volkskunde N. F. IV, 1933, H. 1).
  51. Wie Tieck trotz jahrelangen Bemühens über die Vorarbeiten zur Veröffentlichung seiner Memoiren nicht hinauskam, so ging es ihm auch mit der Herausgabe seiner Korrespondenz. Am 28. Februar 1849 lagen 28 Quartbände chronologisch geordnete Briefe in Abschriften vor, 9 weitere kamen bis zum Jahre 1852 hinzu. Insgesamt waren es 2690 Briefe. Mit ihrer Sichtung betraute Tieck Anfang Dezember 1852 seinen Freund Köpke, der sie gerade am Todestage (28. April 1853) des Dichters beendete. Köpkes Vorschlag, es möchten zwei Bände Briefe in Auswahl zur dokumentarischen Ergänzung seiner geplanten Tieck-Biographie gedruckt werden, lehnte Tiecks Tochter Agnes Alberti ab. Schließlich gab 1864 ein anderer Freund ihres Vaters, Karl von Holtei, in ihrem Auftrag vier Bände Briefe an L. Tieck in Auswahl, alphabetisch nach den Briefschreibern geordnet, heraus. Vgl. dazu Aus Tiecks Novellenzeit 170 f., 195 f., 203 f.; Briefe an Rudolf Köpke (Mitteilungen aus dem Litteraturarchive in Berlin N. F. 1, Berlin 1909) Nr. 11 f..
  52. Als Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften sprach Raumer in seiner am 28. Januar 1847 zur Gedächtnisfeier König Friedrichs II. gehaltenen Rede (alsbald in zwei Ausgaben bei Brockhaus gedruckt) über die religiöse Duldsamkeit des großen Königs. Sie mißfiel Friedrich Wilhelm IV., der auf Erweckung und Neugestaltung des kirchlichen Lebens bedacht war, in hohem Grade. Raumer suchte sich zu rechtfertigen. Nicht ein einziger Akademiker trat für ihn ein. Statt dessen unterzeichneten alle ein Schreiben, in dem sie einmütig den Vorfall aufs tiefste bedauerten und dem König ihre Ergebenheit versicherten. Die Folge davon war, daß Raumer ohne weiteres aus der Akademie austrat. Siehe dazu Raumer, Vermischte Schriften I S. VI f. und 77–87; Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XXVII 411. Im Gegensatz zu Tieck, der Raumer in allem recht gibt, ist Adolf Harnack auf Grund seiner quellenmäßigen Darstellung der Raumer'schen Angelegenheit in der Geschichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin I 2, 929–944 der Überzeugung, daß Raumers Mißgeschick nicht ganz unverschuldet war.
  53. Auf Friedrich Wilhelm Röstell (am 9. Oktober 1799 zu Berlin geboren), der nach vorübergehender Tätigkeit bei der Preußischen Gesandtschaft in Rom als Sekretär des Staatsmannes Christian Karl von Bunsen von 1832 bis zu seiner Berufung nach Marburg (Frühjahr 1847) außerordentlicher Professor des Kirchenrechts an der Universität Berlin war (vgl. Max Lenz, Geschichte der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin II 1, 498 f.; F. Ascherson, Urkunden 225), wurde Tieck durch seinen und seiner Tochter Dorothea Freund, den Dichter Friedrich von Uechtritz, aufmerksam. Vgl. Briefe an L. Tieck IV 119 und Erinnerungen an F. von Uechtritz und seine Zeit (Leipzig 1884) 152.
  54. Der junge Tischlermeister, eine zweibändige Novelle, deren erster Entwurf aus dem Jahre 1795 stammt, erschien 1836. Der durch Goethes Wilhelm Meister angeregte Bildungsroman schildert die Geschichte eines hochgebildeten, ästhetisch veranlagten jungen Handwerkers. Vgl. Berend a. a. O. XLIII f.
  55. Schwere Pein bereitete Tieck das Verhalten seines Jugendgefährten Friedrich Heinrich Bothe, der sein stürmisches Liebeswerben immer von neuem mit eisiger Kälte zurückwies: Trübsinn und Schwermut waren die Folge dieser schmerzlichen Enttäuschung. Auch der unerwartete Tod zweier Freunde, von denen der eine durch kindische Torheit zugrunde ging, der andere durch ein Nervenfieber dahingerafft wurde, ließ Tieck vorübergehend am Leben verzweifeln (Köpke a. a. O. I 64 f., 96 f.; Berend a. a. O. XIX f.).
  56. Ausspruch Prospero's in Shakespeare's Sturm IV, 1. Er lautet:

    We are such stuff
    As dreams are made on, and our little life
    Is rounded with a sleep,

    in der Schlegelschen Übersetzung wörtlich:

    Wir sind solcher Zeug
    Wie der zu Träumen, und dies kleine Leben
    Umfaßt ein Schlaf.

  57. Von Zaunick auf Grund der in der Preußischen Staatsbibliothek befindlichen Abschrift in Carus, Lebenserinnerungen V 111–116, erstmalig veröffentlicht.
  58. Die Zahl muß, wie Zaunick (a. a. O. 194) treffend bemerkt, falsch abgeschrieben sein, da Gutzkow kontraktlich ein Jahresgehalt von 800 Talern bezog. Vgl. Rudolf Göhler, Gutzkow und das Dresdener Hoftheater im Archiv für Theatergeschichte I, 1904, 111.
  59. Gemeint ist, wie Zaunick (ebenda) richtig vermutet, Eduard Devrients Brief vom 13. Juli 1846 (Briefe an L. Tieck I 185ff.). – Als Oberregisseur am Dresdener Hoftheater war Eduard Devrient bemüht, ein geregeltes Ensemblespiel zu erzielen. Doch wurden seine Bestrebungen von einzelnen Bühnengrößen, namentlich von seinem Bruder Emil, heftig bekämpft. Vgl. H. A. Lier, Allgemeine Deutsche Biographie XLVII 669; Ferd. Rein, Ed. Devrient als Oberregisseur in Dresden von 1844–1846, phil. Diss. Erlangen, Altenburg i. Thüringen 1931; Jul. Bab, Die Devrients (Berlin 1932) 138–145. – Unter Gutzkow hatte D. gleich im Anfang über geringschätzige Behandlung bei der Rollenbesetzung zu klagen. Auch kränkte es ihn, daß Herr von Lüttichau, wie es mitunter schon früher der Fall gewesen war, nicht für ihn eintrat. Vgl. Proelß a. a. O. 516–518.
  60. Gutzkow (Rückblick auf mein Leben 310) spöttelt über die von Eduard Devrient in seinem Teesalon vor größtenteils alten adligen Damen gehaltenen dramatischen Vorlesungen und bemerkt dazu, kein Abend habe je den Genuß einer Tieck'schen Vorlesung gewährt. Eine Vorlesung Tiecks war eben, wie Berend (a. a. O. LXVI) in Übereinstimmung mit Frau von Lüttichau treffend bemerkt, lebendige Neuschöpfung, keine bloße Reproduktion einer Dichtung. – Mit dem Andreas Hofer, den Frau von Lüttichau von Devrient vorlesen hörte, ist Immermanns 1827 erschienenes dramatisches Gedicht „Das Trauerspiel in Tirol“ gemeint. Den Titel „Andreas Hofer“ erhielt das Werk in der vom Dichter im Winter 1833–1834 vorgenommenen Umarbeitung, wie es im dritten Bande der Düsseldorfer Ausgabe seiner gesammelten Schriften zu finden ist. Vgl. Paul Gelberg, Immermanns Andreas Hofer, phil. Diss. Münster, Olpe 1928, 51–55
  61. Die Vorlesekunst des angesehenen Berliner Kunstkritikers Heinrich Theodor Rötscher, der am 8., 10. und 13. April 1847 in Dresden drei öffentliche dramatische Vorlesungen hielt, wurde von der Dresdener Kritik (wie Zaunick a. a. O. 195 f. festgestellt hat) sehr ungünstig beurteilt.
  62. Die Gräfin kann nur die gefeierte Sängerin Henriette Sontag sein, die sich 1830, bald nach ihrer Verheiratung mit dem Grafen Rossi, von der Bühne zurückzog.
  63. Mit Ferdinand Fleck, dem genialen Berliner Schauspieler (gestorben 1801), einem Meister in der Darstellung von Heldenrollen, war Tieck in den Jahren 1794–1799 näher bekannt geworden. Vgl. Berend a. a. O. XVIII, XXIX f. Tiecks Urteil über den großen Künstler bei Köpke a. a. O. II 229 f.
  64. Frau von Lüttichau's einzige am Leben gebliebene Tochter (Ein Lebensbild 23) Henriette Rosalie war am 22. Dezember 1830 geboren. Am 18. Mai 1850 heiratete sie den sächsischen Kammerherrn Hans Leopold von Globig. Vgl. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 4, 1903, 536.
  65. Die von Frau von Lüttichau angeführten Worte (das Wort Streben in der Abschrift änderte ich sinngemäß in Sterben) sind Plutarchs Lebensbeschreibung des Pelopidas entlehnt. Dort heißt es im ersten Kapitel:

    οἲδε ἒϑανον
    ού τό ζῆν ϑέμενοι χαλὸν οὺδέ τὸ ϑνήσχειν
    ὰλλὰ τό ταῦτα χαλώς άμφότεϱ' έχτελέσαι.

    In der neuzeitlichen Übertragung von Wilhelm Ax (Plutarch, Helden und Schicksale, Leipzig 1935) lauten die Verse:

    „Diese starben: sie sahen ihr Glück nicht im Tod noch im Leben,
    Beides zu enden mit Ruhm, das war ihr einziger Stolz.“

    Das dem Plutarch von Carus in seinem 1845 erschienenen Buche England und Schottland I 23 gespendete Lob regte dessen 83jährige Mutter und wohl auch die ihr liebevoll zugetane Frau von Lüttichau an, einiges von diesem Schriftſteller zu lesen. (Siehe darüber Lebenserinnerungen III 211.) Letzterer blieben anscheinend die Verse aus Plutarchs Pelopidas als besonders eindrucksvoll im Gedächtnis.

  66. Der berühmte Historienmaler Peter von Cornelius wurde 1841, ein Jahr vor Tieck, von München nach Berlin berufen, um sich bei den Kartons zu dem von Friedrich Wilhelm IV. geplanten Camposanto schöpferisch zu betätigen.
  67. Graf Baudissin war seit Herbst 1840 in zweiter Ehe mit Sophie Kaskel, der Tochter eines reichen Dresdener Bankiers, verheiratet. Vgl. Wolf Graf Baudissin. Gedenkblätter für seine Freunde 1880, 45.
  68. Es handelt sich, wie Zaunick (a. a. O. 199–200) eingehend dargelegt hat, offensichtlich um die von Jean Mistler in seinem Buche Madame de Staël et Maurice O'Donnell 1805–1817 d'après des lettres inédites (Paris 1926) mitgeteilten Briefe und Billette der Frau von Staël, die von dem bisher unbekannten eigenartigen Liebesverhältnis der französischen Schriftstellerin mit dem um 14 Jahre jüngeren Wiener Grafen Moriz O'Donnell Kunde geben. 1811 heiratete dieser die Prinzessin Christine de Ligne und starb als Feldmarschall-Leutnant am 1. Dezember 1843 zu Dresden. Vgl. E. von Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich XXI 2 f.
  69. Wie Zaunick (a. a. O. 200) festgestellt hat, lebte Henriette von Bardeleben geb. von Bodungen aus Berlin, geschiedene erste Frau des Kurfürstlich-hessischen Oberstleutnants Franz Heinrich von Bardeleben, in den Jahren 1842–1852 in Dresden. Krankheitshalber kehrte sie 1852 nach Berlin zurück. Vgl. dazu Tieck's zehnten Brief S. 36.
  70. Elise Freiin von Ungern-Sternberg, Oberaufseherin der Heil- und Pflegeanstalt Illenau bei Achern, und ihre jüngere Schwester Amélie waren mit Carus' Tochter Caroline befreundet. Beide entstammten der zweiten Ehe des Geheimen Rates Wilhelm Freiherrn von Ungern-Sternberg, der von 1819–1821 Intendant des Mannheimer Theaters war und später in Dresden Tiecks engerem Kreise angehörte. (Nachweisungen bei Zaunick a. a. O. 201.) Der Freiherr starb am 25. April 1847, demnach bald nach der Niederschrift des Briefes der Frau von Lüttichau.
  71. Die schwungvolle, aber zum Widerspruch reizende Rede, mit der König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen am 11. April 1847 den ersten vereinigten Landtag eröffnete, ist u. a. in: Reden und Trinksprüche Sr. Maj. Friedrich Wilhelms des Vierten Königs von Preußen (Leipzig 1855) 41–56 abgedruckt. Eine zeitgenössische Kritik derselben besitzen wir in den „Bemerkungen über die Rede Friedrich Wilhelms IV. bei Eröffnung des Vereinigten Landtags zu Berlin“, Freistadt, bei Müller und Schmidt, 1847. Über ihre Wirkung äußert Heinr. von Treitschke (Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert V 5 620) „Die Thronrede erschreckte und verwirrte die Hörer.“
  72. Das Aplombo des Königs, d. i. die Sicherheit seiner Haltung.
  73. Der dem Abschreiber nicht geläufige Ausdruck der Spielersprache lautet: jouer à quitte ou à double und bedeutet „in der letzten Partie um Abtragung oder Verdoppelung der Schuld spielen“, d. h. alles wagen.
  74. Wie Tieck seiner am 21. Februar 1841 gestorbenen Lieblingstochter Dorothea jahrelang nachtrauerte, so konnte er auch den Tod der Gräfin Henriette Finkenstein, seiner langjährigen inniggeliebten Hausgenossin, die am 23. November 1847 starb (Aus Tiecks Novellenzeit 157), nicht verwinden. Vgl. dazu Carus, Lebenserinnerungen III 242 f.
  75. Frau von Lüttichau wurde im Sommer 1848 von einem heftigen typhösen Fieber befallen, kam aber schließlich glücklich durch. Vgl. Carus, ebenda III 261 f.
  76. Als Abgeordneter für Frankfurt a. d. O. nahm Raumer an der am 18. Mai 1848 in der Paulskirche eröffneten Deutschen Nationalversammlung teil. Da er keine Rednergabe besaß, trat er nicht besonders hervor. Von seinen Frankfurter Erlebnissen berichten seine Briefe aus Frankfurt und Paris 1848–1849 (2 Bände, Leipzig 1849). Vgl. auch Raumer, Vermischte Schriften I S. VII–X; Franz von Wegele, Allgemeine Deutsche Biographie XXVII 411.
  77. Der Berliner Barrikadenkampf brach am Nachmittag des 18. März los. Vgl. Felix Rachfahl, Deutschland, König Friedrich Wilhelm IV. und die Berliner Märzrevolution, Halle a. d. S. 1901, 144.
  78. Von Tiecks Kritischen Schriften, in denen seine literarhistorischen Arbeiten erstmalig gesammelt sind, erschienen 1848 bei Brockhaus zwei Bände. Am Schluß seiner Juni 1848 dazu geschriebenen Vorrede (I S. XVI) kündigt er, wie im vorliegenden Briefe, außer dem nie gedruckten dritten Bande der Vorschule (vgl. Anm. 50) ein Fortsetzung der 1825–1826 von Joseph Max in Breslau verlegten zwei Bändchen Dramaturgische Blätter an. Dieses dritte Bändchen erschien 1852 gesondert gleichzeitig mit der von Eduard Devrient besorgten zweibändigen Neuauflage der Dramaturgischen Blätter, die Band 3 und 4 der Kritischen Schriften bilden. Vgl. dazu Aus Tiecks Novellenzeit 154 f., 156 f., 159–162, 170, 175, 180 ff., 184–187, 189, 191, 211.
  79. Hofrat Johann Valentin Teichmann war seit 1816 im Bureau der Generalintendanz der Königlichen Schauspiele in Berlin als Geheimer Sekretär tätig. Vgl. H. Holstein, Allgemeine deutsche Biographie XXXVII 542.
  80. Frau von Lüttichau verabscheute die revolutionären Gewalttätigkeiten der Jahre 1848–1849, insbesondere die Frevel des Dresdener Maiaufstandes, in tiefster Seele.
  81. Im Sommer hatte Frau von Lüttichau, wie sie in ihrer Antwort schreibt, einen starken Gichtanfall erlitten.
  82. Ihr am Leben gebliebener zweiter Sohn Wolff Siegfried Karl, von dem im folgenden noch mehrfach die Rede ist, war am 30. September 1834 geboren. Vgl. Gothaisches genealogisches Taschenbuch der adeligen Häuser, Jahrg. 4, 1903, 536. Er wurde später Herr auf Ulbersdorf und Sellin, Königlich Sächsischer Kammerherr, Oberhofmeister der Königin von Sachsen mit dem Titel eines Wirklichen Geheimen Rates. Vgl. Zaunick a. a. O. V 203 Anm. 150.
  83. Von Zaunick auf Grund der in der Preußischen Staatsbibliothek befindlichen Abschrift in Carus, Lebenserinnerungen V 117-120, erstmalig veröffentlicht.
  84. Im Herbst 1849 begleitete Franziska von Bülow ihren Sohn Hans nach Berlin, der dort seine juristischen Studien fortsetzen wollte. Wie Frau von Lüttichau erhoffte, erwies Tieck beiden viel Freundlichkeit. Siehe Reimann a. a. O. I 205 f. und Du Moulin-Eckart a. a. O. 66.
  85. Frau von Lüttichau hatte Tiecks Tochter Dorothea als ihr geistesverwandte Persönlichkeit hochgeschätzt. Vgl. Carus, Lebenserinnerungen III 126.
  86. Tiecks Neffe, der Kunsthistoriker Gustav Friedrich Waagen, war seit 1830 Direktor der Berliner Gemäldegalerie. Vgl. H. A. Lier, Allgemeine deutsche Biographie XL 411.
  87. Der große dreibändige Roman William Lowell, Tiecks Hauptwerk seiner Universitätsjahre, war 1795–1796 erschienen. Vgl. Berend a. a. O. XXVII ff.
  88. Dem französischen Ausdruck entspricht der englische Such is life.
  89. Die Gedanken, die sich Frau von Lüttichau nach dem Abebben der revolutionären Bewegung in Dresden aufdrängten, kommen auch in ihren von Carus (Lebenserinnerungen III 282 f.) mitgeteilten Betrachtungen zum Ausdruck: „Wer den Bürgerkrieg bei Nahem nicht erlebt hat, weiß nicht was es ist. Es mochte wol ein Vorgefühl davon sein, wenn ich sonst Berichte über Aehnliches las und so schauderte, wenn die Menschen dergleichen freventlich herbeiwünschen konnten, damit das Recht wieder eingesetzt werde, denn eben das Recht hört ja hier ganz auf! Kann man doch fast wahnsinnig werden vor Schmerz über das Elend, und über den allgemeinen Jammer, ja zuletzt alles was recht oder unrecht ist gänzlich vergessen, so daß uns nur der Mensch selbst übrigbleibt. Keine Meinung, kein System gilt da, alles das springt über Bord: der Sieg ist der Tod, also nur der Tod siegt. In diesem Kampf der Principien war immer, nur innerlich, mein Refrain:
    Gottes ist der Orient! Gottes ist der Occident!

    Und das gab mir Trost. – Ich mache jetzt wieder förmlich mein christliches Noviziat durch und hätte nicht geglaubt, daß das noch durch das Medium der Politik mir geschehen müsse; denn hier, wo es nicht meine Person gilt, wird mir das Vergeben und Vergessen weit schwerer, als es mir sonst je im Leben geschehen. Dieser moralische Ekel neben allem Jammer, den man dann empfinden kann über die ganze Menschheit! Auch das muß man mit erlebt haben, um zu wissen, was man alles in dieser Beziehung erfahren kann.“

  90. Das von Carus (Lebenserinnerungen III 295–296) mitgeteilte Bruchstück eines Briefes der Frau von Lüttichau muß ein Teil des von ihr gegen Ende ihres vorhergehenden Briefes angekündigten Antwortschreibens auf Tiecks schwermütigen Brief vom 9. September 1849 sein. Denn im Eingang desselben streift sie mitfühlend die beweglichen Klagen des Dichters über die schattenhafte Verdunkelung seines Daseins, wie über das Fehlen der vom höheren Alter erhofften Weisheit, sicheren Ruhe und Leidenschaftslosigkeit. Weiterhin aber ist sie auch ernsthaft bemüht, von sich aus, wie es ihre Art ist, eine befreiende, für den Freund tröstliche Lösung zu finden.
  91. Das Dresdener Exemplar des Shakespeare'schen Macbeth, das Tieck sich ein Jahr vor seinem Tode durch den ihm befreundeten Eduard Devrient nach Berlin schicken ließ (vgl. auch den folgenden Brief), war wohl anläßlich der Dresdener Neuaufführung des Stückes am 18. März 1836 (vgl. Proelß a. a. O. 460 und 617) entstanden. Es dürfte ein für diese Aufführung von Tieck angelegtes Regiebuch mit bühnentechnischen Bemerkungen gewesen sein, in der Art des im Besitz des Dresdener Kammersängers Dr. Waldemar Staegemann befindlichen Regiebuchs zu König Lear, das Karl Devrient, zu dessen Glanzrollen der Lear gehörte, mit vielen handschriftlichen Zusätzen versehen hat.
  92. Loebell wurde wohl damals bereits von qualvollen körperlichen Leiden heimgesucht. Vgl. Bernhardt a. a. O. 7.
  93. Nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 hatte der Prinzpräsident Louis Napoleon ein Plebiszit über die Grundzüge einer neuen Verfassung und die Verlängerung seiner Amtszeit auf zehn Jahre angeordnet. Am 20. und 21. Dezember stimmten 7 439 216 dafür, dagegen nur 646 737. Daraufhin verkündete Napoleon am 14. Januar 1852 die neue Verfassung. Vgl. Propyläen-Weltgeschichte VIII: Liberalismus und Nationalismus 1848–1890 S. 75 f.
  94. Der undatierte Brief dürfte im Frühsommer 1852 geschrieben sein. Für den Sommer war eine Reise der Frau von Lüttichau nach Berlin in Aussicht genommen. Tieck äußert darin den Wunsch, das Befinden der 1852 krank nach Berlin zurückgekehrten Frau von Bardeleben möchte sich im Sommer bessern.
  95. Der am 2. August 1770 geborene Karl von Burgsdorff, der ältere Sohn Joachim von Burgsdorffs, ist näher nicht bekannt. Sein um zwei Jahre jüngerer Bruder Wilhelm, Tiecks Schul- und Universitätsfreund, war ein feingebildeter Kunst- und Literaturliebhaber. Sein Gut Ziebingen bei Frankfurt a. d. O. diente dem Dichter und seiner Familie seit Ende 1802 über fünfzehn Jahre als Zufluchtsstätte. Siehe dazu Jahrb. des deutschen Adels I, 1896, 395 f.; Köpke a. a. O. I 299–308; Herm. Hettner, Allgemeine deutsche Biographie III 617.
  96. Ombre chinoise: Tiecks Pläne entschwanden wie die Bilder eines chinesischen Schattenspiels.
  97. Julius Pabst (geboren am 18. Oktober 1817) war zunächst Erzieher im Hause des Herrn von Lüttichau. Seit 1852 widmete er sich in Berlin literarischen Arbeiten. Am 1. Januar 1856 wurde er als Sekretär und Dramaturg bei der Generaldirektion des Dresdener Hoftheaters angestellt. Vgl. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten V 6 216 f.
  98. In Sachsen hatte die Auflösung des „Unverstandslandtages“ im Jahre 1851 durch den sächsischen Innenminister Richard Freiherr von Friesen bei den einzelnen Parteien, der Leipziger Universität und der Presse wie ein Staatsstreich gewirkt. Vgl. Hans Beschorner, Allgemeine deutsche Biographie XXXXIX 144.
  99. In Hessen wurden unter dem Direktor des Ministeriums des Innern, Reinhard Freiherr von Dalwigk, die Beamten gemaßregelt, die Untertanen bespitzelt, alle reaktionären Bestrebungen einseitig begünstigt, jede Regung eines fortschrittlichen und freien Geisteslebens dagegen unterdrückt. Siehe Wilhelm Diehl, Allgemeine deutsche Biographie XXXXVII 614.
  100. Dänemark bedrückte die Schleswig-Holsteiner nach dem unglücklichen Ausgang der Erhebung der Herzogtümer durch Zwangsmaßnahmen schlimmster Art. Siehe darüber Otto Brandt, Geschichte Schleswig-Holsteins, Kiel 1925, 155.
  101. Von Zaunick aus Mscr. Dresd. App. 314 Band 2 S. 157–161 in Carus, Lebenserinnerungen V 105–108 erstmalig veröffentlicht.
  102. Tiecks Bruder, der anerkannt tüchtige, aber charakterschwache Bildhauer Christian Friedrich Tieck, war in seinem 75. Lebensjahre am 12. Mai 1851 in Not und Elend in Berlin gestorben. Vgl. Köpke a. a. O. II 137 und Wilhelm Bernhardi, Allgemeine deutsche Biographie XXXVIII 251. Tiecks Schwester Sophie, als romantische Dichterin nicht ganz unbekannt, war bereits am 12. Oktober 1833 in ihrem 59. Lebensjahre zu Reval einem Nervenschlag erlegen. In erster Ehe mit August Ferdinand Bernhardi, dem Jugendfreund ihres Bruders Ludwig, verheiratet, wurde sie nach erfolgter Scheidung im Jahre 1810 als Gattin des estländischen Barons Karl Gregor von Knorring ihren Brüdern mit der Zeit immer fremder. Vgl. M. Breuer, Sophie Bernhardi geb. Tieck, eine romantische Dichterin (Borna-Leipzig 1914, 1–13).
  103. Über Wilhelm Heinrich Wackenroder (1773–1798), Tiecks frühvollendeten Freund und Jugendgefährten, siehe Haym, Die romantische Schule 50–55; Berend a. a. O. XXI f. – Friedrich Freiherr von Hardenberg, Pseudonym Novalis (1772–1801), und Tieck schlossen im Sommer 1799 in Jena einen auf Geistesverwandtschaft gegründeten Freundschaftsbund (Haym ebenda 425–428). – Über Solger siehe Anm. 19.
  104. August Wilhelm Schlegels Überlegenheit gegenüber Tieck ließ ein Freundschaftsverhältnis zwischen beiden nicht aufkommen. Friedrich Schlegel fehlte die Innerlichkeit, die Tieck von einem Freunde verlangte. Siehe darüber L. Tieck und die Brüder Schlegel. Briefe, herausgegeben von Henry Lüdeke, Frankfurt a. M. 1930, 21–25.
  105. Die dem Dresdener Freundeskreise des Tieck'schen Hauses angehörende Schriftstellerin Adelheid Reinbold starb am 14. Februar 1839 im Alter von 39 Jahren. Ihr Roman König Sebastian und ihre gesammelten Novellen erschienen, von Tieck herausgegeben, nach ihrem Tode unter ihrem Decknamen Franz Berthold. Vgl. dazu Johannes Wetzel, Adelheid Reinbold, phil. Diss. Leipzig 1911, 11–29.
  106. Der gestiefelte Kater, Kindermärchen in drei Akten, von Tieck in eine ironisch-satirische Komödie verwandelt, und Die verkehrte Welt, ein historisches Schauspiel in fünf Aufzügen, tatsächlich ein die Tollheiten des gestiefelten Katers noch weit überbietendes Lustspiel, waren 1797 bzw. 1799 erschienen. Vorstehende Charakterisierung beider Stücke gibt Berend a. a. O. XXXVII bis XXXIX.
  107. Von Zaunickaus Mscr. Dresd. App. 314 Band 2 S. 151–156 in Carus, Lebenserinnerungen V 101–105 erstmalig veröffentlicht. Dieser Brief war der letzte, den der im 80. Lebensjahre stehende Dichter an Frau von Lüttichau richtete. Der Greis hatte das Bedürfnis, der vertrauten, innig geliebten Freundin vor seinem Ende noch von einem wunderbaren visionären Erlebnis Kenntnis zu geben, das ihn einst auf seiner mit 19 Jahren unternommenen Harzreise mächtig erschütterte. Was Köpke im Rahmen seiner Tieck-Biographie (I 142–144) davon berichtet, erzählte ihm der Dichter im hohen Alter voll tiefer Bewegung. Dichterische Phantasie dürfte, wie Zaunick (a. a. O. V 99) mit Recht hervorhebt, die Jahrzehnte zurückliegende Begebenheit durch Abänderungen und Zusätze im einzelnen wirkungsvoll ausgeschmückt haben.
  108. Gemeint ist Hettstedt an der Wipper bei Eisleben, mit Kupferhütten und Silberschmelze, im Mansfelder Kreise.
  109. Tieck meint den mitunter auch Stufenberg genannten Stubenberg (281 m) südlich von Gernrode, einen der schönsten Aussichtspunkte am Ostrande des Unterharzes. Ebenfalls prächtige Aussicht bietet die Roßtrappe (403 m), 197 Meter über dem Bodetal.
  110. Aus Carus, Lebenserinnerungen IV, 126–128.
  111. Von Zaunick aus Mscr. Dresd. e 85 mc S. 3 in Carus, Lebenserinnerungen V 121-122 erstmalig veröffentlicht.
  112. Von Zaunick aus Mscr. Dresd. e 85 mc S. 7 in Carus, Lebenserinnerungen V 127 erstmalig veröffentlicht.

Anmerkungen (Wikisource)