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mit ihnen zu sein. Doch jetzt tritt eben meine Schwäche und die Empfindlichkeit meiner Nerven wieder ein; Sie verzeihen es mir daher gewiß, wenn ich hier abbreche und mich nur noch nenne

Ihren
getreuesten Freund
L. Tieck.


XI
Berlin d. 10. November 1852.
Geliebte Freundin!

Lange habe ich nichts von Ihnen gehört und ich habe auch seit Wochen nicht geschrieben. Ich hoffe, daß Sie jetzt ganz gesund sind, muß aber leider billigen, daß Sie nicht mit nach Berlin kamen, da das Wetter schon unangenehm geworden, und Sie durch Reisen immer krank werden. Ihren lieben freundlichen Mann habe ich gesehen und gesprochen, und Ihr Sohn wird doch hoffentlich nicht zu einem Riesen hinauswachsen. Ich denke, er wird mich manchmal in seinen Mußestunden besuchen, wo ich ihn dann näher werde kennen lernen. Wie steht es sonst in Dresden und in Ihrer nächsten Umgebung? Wie muß ich es schmerzlich beklagen, daß ich Sie und Ihr liebes Auge seit so unendlich langer Zeit nicht habe sehen können. Erinnern Sie sich wohl noch jener Tage, als Sie mir mit einer schönen Begeisterung die Briefe des alten Magisters im Tischlermeister priesen, und sich so ganz in das Verständniß dieser sonderbaren Acten hineinfanden? Wohin ist die Zeit meiner Arbeitsfähigkeit entschwunden! Der kleinste Versuch, mich anzustrengen, nimmt mir jetzt immer alle Kräfte, sogar das Diktiren wird mir schwer, und es (ist) immer noch keine Aussicht zur Besserung da. Die meiste Zeit bringe ich immer noch im Bette zu; meine Beine sind zum Gehen völlig unbrauchbar, und ich kann keinen Schritt ohne einen Führer thun. Sehen Sie Carus noch so viel, wie sonst? und wenn es ist, bitte ich, ihm meine Grüße zu sagen. Pabst[1] hat mich einmal besucht, und H(err) v(on) Lüttichau spricht nicht gut von ihm, und freut sich, daß er ihn losgeworden. Ich kann es nach Pabst(s) Erzählung nicht recht begreifen. – Wie geht es Ihrer Tochter? ist sie in ihrem Ehestande noch zufrieden? Die Sachen in Sachsen sehen sehr confuse aus[2]. Hoffentlich wird sich alles noch besser stellen, als ich in meinen trüben Stunden vermuthe. Eigentlich ist es nirgend erfreulich, wohin man die Blicke wendet; alles geht einer allgemeinen Auflösung entgegen, und es ist keine unglaubliche Prophezeihung, wenn man einen nahen 30jährigen Krieg fürchtet. So weit hat es die übertriebene


  1. Julius Pabst (geboren am 18. Oktober 1817) war zunächst Erzieher im Hause des Herrn von Lüttichau. Seit 1852 widmete er sich in Berlin literarischen Arbeiten. Am 1. Januar 1856 wurde er als Sekretär und Dramaturg bei der Generaldirektion des Dresdener Hoftheaters angestellt. Vgl. Brümmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten V 6 216 f.
  2. In Sachsen hatte die Auflösung des „Unverstandslandtages“ im Jahre 1851 durch den sächsischen Innenminister Richard Freiherr von Friesen bei den einzelnen Parteien, der Leipziger Universität und der Presse wie ein Staatsstreich gewirkt. Vgl. Hans Beschorner, Allgemeine deutsche Biographie XXXXIX 144.