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Aloys und die Büdericherin standen am Schaufenster und beschauten die Auslagen des Friseurs. Seifenstücke, ein Gnom mit Wattebart inmitten einer sinnvollen Girlande von Zahnbürsten und Kämmen, bunte Flaschen waren mit künstlerischem Geschmack aufgebaut. Verstohlen ruhten die guten Augen des gütigen Aloys auf der anvertrauten Freundin Oskars. Die Auslage des Friseurs war auch nicht länger als eine halbe Stunde imstande, die Dame zu fesseln. Eigentlich konnte man sich in dieser Zeit unzählige Male rasieren lassen. Der Friseur wohnte an der Hauptstraße, wo Sonntags die Crème der Gesellschaft promenierte. Das Paar erregte allgemeines Aufsehen. Bekannte schnitten Aloys ostentativ. Die Blume vom Lande bekam mehr und mehr Zutrauen zu Aloys und hing sich wieder bei ihm ein. So wälzten sie sich auf und ab vor dem Friseurladen. Wer nicht wieder kam, war Oskar Knieß; man hätte sich in der Zeit, die er in dem Laden war, einen langen Bart und lange Locken wachsen lassen können.

Zuweilen stieg in Aloysens Hirn mit linden Flüchen die Besorgnis auf: wenn Oskar nun überhaupt nicht zurückkäme? Aber dann fiel sein Blick auf die Prinzessin der Kartoffelgegend. Ein unbedingtes, unwiderstehliches Gefühl der Zuneigung zu dieser Blume vom Lande, die angehäufte Fülle seines monumentalen Altruismus brach mit Allgewalt hervor. Er umschlang das Mädchen aus Büderich und küßte sie vor aller Welt auf die Wange.

Die beiden Liebesleute warteten noch bis Donnerstag auf Oskar Knieß. Er kam nicht.

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Hermann Harry Schmitz: Buch der Katastrophen. Kurt Wolff Verlag, Leipzig 1916, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_Harry_Schmitz-Buch_der_Katastrophen-1916.djvu/035&oldid=- (Version vom 1.8.2018)